DUDENSTERN II


Was sich in mir sträubt, ist die „Oberhoheit“ über Worte zu verlieren, sie grammatikalischen Usurpatoren zu überlassen. Jüngstes Beispiel „Querdenker“. War dies vor wenigen Jahren noch ein Etikett für Menschen wie Bruno Aigner, „Alt-68-er & Querdenker“, heute eine abgewirtschaftete Bezeichnung für Leerdenker. Auch sollte nicht die Euphemismus-Tretmühle angeworfen werden oder eine Entwicklung vonstattengehen, an deren Ende das „J-Wort“ steht.

Der gängige Begriff „jüdische Mitbürger“ (und nicht jüdische Bürger !!) ist doch absolut fürchterlich. Da tut sich doch bei Mitbürger die Assoziation „Mit-Esser“ auf. Man sieht, man tut sich mit den elementaren Begriffen schwer.

Wird die Bezeichnung “Jude“ bspw. gegen „Menschen jüdischen Glaubens“ ausgetauscht, wird das Jüdische auf die Religion reduziert. Da liegt dann der Gedanke nahe, „dass sie auch keinen Staat brauchen„, bzw. eine Art „Vatikan“ in Jerusalem reichen würde. In Zeiten von BDS-Kampagnen und als Antizionismus getarnten Antisemitismus eine stimmige Diskussion.

In Zeiten der, auch hier zunehmenden, Intersektionalität und der Critical Race Theory, können solche Wort(um)deutungen ganz schnell entgleiten.

Beispielsweise sagte Whoopi Goldberg in der von ihr co-moderierten Talkshow „The View“ beim Holocaust sei es „nicht um Rasse“ gegangen. Vielmehr habe es sich bei der Judenvernichtung um „Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Menschen“ gehandelt.

Als ihr in der betreffenden Sendung andere Teilnehmerinnen der Gesprächsrunde widersprachen und anführten, die Nationalsozialisten hätten aufgrund eines rassistischen Weltbildes Juden sowie Sinti und Roma verfolgt, sagte Goldberg, das seien „zwei Gruppen weißer Menschen „. Der Begriff der „Rasse“ führe am Thema vorbei. (Der Begriff „Rasse“ führt tatsächlich am Thema vorbei, aber nicht so, wie Whoopi Goldberg, es meinte.)

Zudem haben wir seit zehn, fünfzehn Jahren einen jugendsprachlichen Zusammenhang, Jude zu verwenden: „Du Jude, du Opfer!“. Das ist extrem beleidigend.

Der Duden sollte nicht vor Schulhof-Rassisten kapitulieren, sondern sich darauf konzentrieren, was Juden eigentlich sind. Einer Gruppe, die Religion, Kultur, Ethnie und Erfahrungsgemeinschaft zugleich ist, sollte auch der Duden ihren Namen zurückgeben.

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