Da muss man durch!

Kunst und Kultur in Andi Bablers Restekorb mit Wohnen und Sport

Es gibt Sätze, die schlagen ein wie ein Vorschlaghammer auf einen leeren Pappkarton. Sie sind so hohl, dass sie beim Aufprall nicht einmal knistern. „Kunst und Kultur gemeinsam mit Wohnen und Sport“ – so lautet die jüngste Komposition des sozialdemokratischen Österreichs, ein Satz, der in seiner Lautlosigkeit an eine diskret ablaufende Stilllegung erinnert. Der gelernte Parteimensch weiß: Wo kein Aufschrei, da kein Problem. Die Zusammenlegung von Ressorts ist keine politische Innovation, sondern eine grammatikalische Fusion, die vor allem eines bezweckt: die lautlose Abschiebung dessen, was man sowieso nicht mehr für nötig hält.

Die Kunst der Marginalisierung

Es ist eine eigene Disziplin geworden, die Kunst in der Politik zu verwalten. Es braucht Fingerspitzengefühl, um die Stimme von Kulturschaffenden genau so leise zu drehen, dass man sie nur noch hört, wenn man ausdrücklich danach sucht. Dass die Kultur in Österreich nicht erst seit gestern in einer Mischung aus Häme und Gleichgültigkeit erstickt wird, ist bekannt. Aber die neue Disziplin der Marginalisierung perfektioniert die Choreografie: Man packt sie in ein Ressort, das klingt wie ein Aschenbecher voller Zigarettenstummel am Rande eines Fitnesstudios.

Es bleibt eine Meisterleistung des politischen Handwerks, Kultur mit Sport in einen Topf zu werfen – zwei Bereiche, die in ihrer gesellschaftlichen Funktion ungefähr so viel gemein haben wie ein Rilke-Gedichtband mit einer Bierflasche in der Fankurve. Aber es ist auch ein entlarvender Akt, eine Art Meta-Performance, ein politisches Readymade. Die Botschaft ist klar: Kunst ist kein eigenständiges Thema, sondern eine Randnotiz, ein Pausenfüller zwischen Mietrechtsnovellen und Hahnenkammrrennen..

Die Restpostenlogik

Es war wohl eine Mischung aus Mutwilligkeit und Gedankenlosigkeit, die dieses Arrangement hervorgebracht hat. Die Logik dahinter ist bestechend simpel: Was nicht profitabel ist, gehört ins Lager der Restposten. Kultur lässt sich nun einmal schwer verkaufen – zumindest dann, wenn man sie nicht gerade zur Eventbespaßung kastriert. Wer über Kultur redet, redet nicht über Rendite, sondern über Irritation, Widerspruch, Freiheit. Das alles sind Kategorien, die im politischen Betrieb ungefähr so beliebt sind wie ein Zwergschimpanse in einer Porzellanmanufaktur.

Die Abwicklung der Kulturpolitik ist längst kein Versehen mehr, sondern System. Die Verantwortlichen arbeiten mit der Eleganz von Heuschrecken, die sich über ein Sonnenblumenfeld hermachen: Erst wird das Förderwesen entbürokratisiert – was immer bedeutet, dass weniger Geld verteilt wird. Dann wird die Infrastruktur ausgehöhlt, bis nichts mehr bleibt als Fassaden. Schließlich erklärt man die leeren Gebäude zur „Partizipationschance für die Zivilgesellschaft“. Und am Ende wartet das große Versprechen der kulturellen Selbstverantwortung – eine Euphemismus-Kaskade, hinter der sich schlichtweg der Entzug jeder öffentlichen Verantwortung verbirgt.

Kultur als Dekoartikel der Demokratie

Es wäre eine hübsche Anekdote, wenn es nicht so traurig wäre: Die Kunst ist in Österreich längst zur Deko der Demokratie verkommen. Sie darf in Hochglanzbroschüren und Wahlprogrammen als Leuchtturm für Vielfalt und Freiheit flackern – aber bitte ohne zu sehr zu brennen. Kritische Stimmen werden nach wie vor brav gefördert, solange sie sich selbst nicht zu laut dabei zuhören. Doch wehe, jemand verwechselt die Freiheit der Kunst mit der Freiheit, der Politik zu nahe zu treten. Dann schaltet sich plötzlich eine Verwaltungslogik ein, die so undurchdringlich ist wie ein Herbstnebel im Waldviertel.

Die symbolische Bedeutung der neuen Ressortzusammenstellung ist nicht zu unterschätzen: Kultur ist das Zierkissen auf dem sozialpolitischen Sofa. Man legt es hin, wenn Besuch kommt, aber niemand setzt sich wirklich drauf. Es hat die Aufgabe, hübsch auszusehen – am besten in den Farben der Standortpolitik.

Der Sport als Trojanisches Pferd

Dass die Kunst ausgerechnet mit dem Sport zusammengelegt wurde, ist kein Zufall. Sport ist der perfekte Partner für die politische Verbrämung. Er ist massentauglich, unkritisch, stets gut für einen Fototermin mit lokalen Nachwuchstalenten. Wo der Sport ist, ist die Welt in Ordnung – zumindest solange niemand nach Korruption, Doping oder Gigantomanie fragt. Die Kunst hingegen stört, wo sie es ernst meint. Man kann sie nur zähmen, indem man sie einhegt, unterfinanziert und mit Bürokratie erschlägt.

Die neue Allianz von Kunst, Sport und Wohnen erinnert an eine dieser semi-essbaren Fertigsuppen, die im Supermarktregal verstauben: wenig Substanz, aber mit einer Aufschrift, die verspricht, dass hier alles drin sei, was man für ein gutes Leben brauche. Das Wasser muss man sich halt selbst dazudenken.

Epilog: Die Lächerlichkeit der Pragmatik

Natürlich wird es auch in Zukunft kulturelle Leuchtturmprojekte geben. Es wird Premieren, Festivals und Preisverleihungen geben, die man als Zeichen der kulturellen Blüte deuten darf – solange man nicht zu genau hinsieht. Doch die Grundmelodie dieser Politik bleibt dieselbe: Kunst darf sein, solange sie sich selbst nicht zu wichtig nimmt.

Die wahre Satire an dieser Entwicklung ist, dass die politische Verwaltung der Kunst längst selbst zur großen Performance geworden ist. Ein absurdes Theaterstück, in dem Bürokraten die Hauptrollen spielen und Künstler die Statisten sind. Der Titel des Stücks könnte lauten: „Da muss man durch“. Eine Tragikomödie in fünf Akten, geschrieben von der Verwaltung, inszeniert von der Politik, subventioniert mit dem Restgeld aus dem Wohnbauetat.

Und das Publikum? Es sitzt im Dunkeln, schweigend, nickend – in der Hoffnung, dass der Applaus den Zustand nicht mit der Zufriedenheit verwechselt.

Vorhang zu. Ein paar Pflichtklatscher. Licht aus.

Die Große Koalition als Zwerghamster der Demokratie

Es gab einmal eine Zeit, in der der Begriff „Große Koalition“ nicht implizierte, dass man dem Wählerwunsch mit dem Enthusiasmus eines Steuerberaters auf Valium nachkam. Nein, damals bedeutete er, dass sich die einstigen politischen Gegner – widerwillig, aber immerhin – zur Verwaltung des demokratischen Mittelmaßes zusammenrauften. Damals, als Zahlen noch Zahlen waren und nicht bloß zufällig generierte Algorithmen, um Umfragen zu rechtfertigen, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass eine Große Koalition künftig auch eine Regierungsbeteiligung der AfD oder FPÖ bedeuten könnte. Doch die Zeiten ändern sich – oder werden geändert.

In der jetzigen politischen Großwetterlage ist das Prädikat „groß“ so anachronistisch wie eine Faxanweisung im Digitalministerium. Statt „Große Koalition“ müsste es, der Realität entsprechend, eher „gerade noch machbare Koalition“ oder „letzte Bastion gegen das, was nicht sein darf“ heißen. Denn wenn sich zwei Parteien zu einer Koalition zusammenschließen, die gemeinsam weniger als die Hälfte der Stimmen erhalten haben, dann ist das vielleicht vieles – aber sicher nicht groß.

Die Brandmauer: Denkmal oder Baugerüst?

Nun steht sie da, die vielzitierte Brandmauer. Eine Mauer, errichtet aus moralischer Empörung, sozialmedialer Echokammern und wohlfeiler Talkshow-Zitate. Ein Bollwerk der Tugend, ein Riegel vor der Hölle der politischen Verwahrlosung. Allerdings: Eine Mauer, die ständig diskutiert werden muss, ob sie noch steht, ist in etwa so stabil wie ein Pappkarton im Monsunregen.

Hier kommt Niederösterreich ins Spiel. Das beschauliche Bundesland, das urplötzlich zum „Labor der Demokratie“ erklärt wurde – eine eher euphemistische Umschreibung für „Testballon des Möglichen und Unmöglichen“. Die Volkspartei, traditionell eher das Symbol für den freundlichen Konservativismus mit Weinkelleranschluss, schließt dort eine Vereinbarung mit der FPÖ, ohne sie eine Koalition zu nennen. Ist das nun eine Möblierung der Brandmauer? Oder bloß eine Notausgangstür, die man erst öffnet, wenn der Qualm zu dicht wird?

Vom Sachzwang zur Scheindebatte: Eine Operette in drei Akten

Die Debatte über den Umgang mit „denen da“ (bitte je nach politischer Vorliebe einsetzen: Rechtspopulisten, Systemparteien, Woke-Diktatoren) führt mittlerweile zu absurdesten Stilblüten. Man gibt sich staatsmännisch besorgt, schwingt die Keule des historischen Bewusstseins, während gleichzeitig, häufig genug, in lokalen Parlamenten und Kommunen der Pragmatismus regiert: Man muss ja irgendwie arbeiten. Man kann nicht ewig moralisieren, wenn der Müll abgeholt und die Verwaltung finanziert werden muss.

Der Sachzwang, der längst zur universellen Entschuldigungspolitik verkommen ist, kriecht aus den Amtsstuben wie ein nebliger Novembermorgen. Die einst kategorische Ablehnung wird mit jedem Wahlergebnis poröser, die Brandmauer rückt immer näher an eine Art beweglichen Grenzzaun, der je nach Lage mal hier, mal dort aufgestellt wird. Die neuen Definitionen der „roten Linie“ lassen sich anpassen wie Parteiprogramme vor Wahlen.

Die Entzauberung der Demokratie und der Zynismus als neue Leitkultur

Die Demokratie hat, so scheint es, das Problem, dass sie manchmal nach demokratischen Regeln funktioniert. Wer hätte das gedacht? Parteien, die einst als pariahaft galten, werden plötzlich gesprächsfähig – nicht weil sich die Demokratie ändert, sondern weil Wahlen Ergebnisse produzieren. Und nun? Nun steht die Gesellschaft vor der unangenehmen Erkenntnis, dass Prinzipien sich nur dann gut halten, solange sie nicht auf die Probe gestellt werden.

Was bleibt, ist der Zynismus. Eine Gesellschaft, die sich auf Zynismus als neue Leitkultur einigt, hat immerhin einen Vorteil: Sie erspart sich die Enttäuschung. Denn am Ende steht die Frage: Ist die Brandmauer nun eine Bastion oder ein Feigenblatt? Die Antwort darauf dürfte wohl ebenso flüchtig sein wie politische Wahlversprechen in einer Wahlnacht.

DAS ÖFFNEN DER BÜCHSE DER PANDORA

HOFFENTLICH HABEN SIE EINEN SCHÖNEN BADEMANTEL

Man hört es stets freundlich, besorgt, in weichem Tonfall: „Es dient Ihrer Sicherheit.“ Jene vier Worte, die sich sanft um unsere Hirnwindungen wickeln wie eine warme Decke an einem nebligen Morgen. „Nur ein kleiner Eingriff“, versichert man uns, „eine Routinesache.“ Und selbstverständlich sei es doch im besten Interesse aller, wenn sich niemand dieser kleinen, harmlosen Überprüfung entzieht. Niemand hat etwas zu verbergen, oder? (Haben Sie etwa etwas zu verbergen?)

Die ersten, die es betrifft, sind die üblicherweise Verdächtigen: die Fahrgäste an Bahnhöfen, die Demonstranten mit allzu lauten Stimmen, die unbequemen Fragensteller. Doch dann, nach und nach, tropft die Logik der Notwendigkeit durch die Ritzen der gesellschaftlichen Normalität und sickert in den Alltag der Anständigen, der Braven, der Unpolitischen. Bis, eines Tages, ein freundlicher Beamter an Ihrer Tür klingelt und mit der beruhigenden Selbstverständlichkeit eines Arztes bei der Routineuntersuchung sagt: „Wir müssen nur kurz einen Blick auf Ihre Daten werfen.“

Und während Sie noch im Schlafanzug in der Tür stehen und zwischen der Wahl eines roten oder blauen Bademantels schwanken, spüren Sie plötzlich ein seltsames Kribbeln in der Luft: Es ist die leise, aber unaufhaltsame Ausdehnung der übergriffigen Kontrolle.

Der Segen der Totalüberwachung: Eine kleine Meditation über den Albtraum der Effizienz

Man stelle sich eine Welt vor, in der niemand mehr lügen kann. Eine Welt, in der jeder Schritt, jede Regung, jedes Augenzwinkern, das verdächtig zucken könnte, lückenlos dokumentiert und archiviert wird. „Aber das ist doch wunderbar!“, rufen die Apologeten der Transparenz. „Endlich gibt es keine Kriminellen mehr, keine Lügen, keine falschen Identitäten!“

Ja, zweifellos: Diebische Elstern würden in dieser schönen neuen Welt ebenso verschwinden wie alle, die sich gerne mal zwei Pralinen statt einer aus der Schale nehmen. Aber können wir kurz innehalten und uns fragen, ob eine Gesellschaft, in der niemand mehr etwas zu verbergen hat, nicht in Wahrheit eine ist, in der niemand mehr eine Seele besitzt?

Wer nichts mehr verstecken kann, kann auch keine Wahrheit mehr schützen. Es gibt kein intimes Gespräch mehr, keine geheimen Gedanken, keine kühnen Ideen, die zuerst im Schatten gedeihen, bevor sie ans Licht treten. Es gibt nur noch das blanke, durchleuchtete, sterile Leben – und in ihm das Echo eines stummen Schreis nach Privatsphäre.

Der Elefant im Raum: Warum alle mitspielen, obwohl keiner es will

Die wunderliche Ironie jeder anlasslosen Massenüberprüfung ist: Die meisten finden sie unheimlich, doch alle fügen sich. „Ich habe ja nichts zu verbergen“, sagen sie und verwechseln ihr individuelles Unbehagen mit einem Zeichen dafür, dass sie sich dem Kollektiv fügen müssen. „Es ist doch nur eine Kontrolle“, denken sie, während sie in ihren Postfächern nach verdächtigen Wörtern suchen, die sie nie geschrieben haben.

Doch wehe, wenn der Tag kommt, an dem die Kontrolle nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit ist, sondern eine kalte Tatsache in der Hand eines uniformierten Beamten. Plötzlich wächst die Ahnung, dass sich der Kreis allmählich schließt. Dass die harmlosen „Zufallsprüfungen“ von einst der Anfang eines Systems waren, in dem man nicht mehr gefragt wird, sondern sich bereits in der Antwort wiederfindet: Sie sind verdächtig, weil Sie existieren.

Der Ausgang: Ein Vorschlag, den Sie vielleicht bereuen werden

Und was nun? Könnten wir vielleicht einfach alle einmal tief durchatmen und uns klarmachen, dass Freiheit nicht in einem Wust aus Sicherheitsprotokollen gedeiht, sondern in einem Raum, der uns erlaubt, Mensch zu sein? Dass sich wahre Sicherheit nicht aus der totalen Überwachung ergibt, sondern aus der Freiheit, zu vertrauen, dass nicht jeder unser Feind ist? Dass vielleicht, nur vielleicht, der beste Schutz vor einem allsehenden Staat darin liegt, ihm nicht die Bühne zu bieten, auf der er sein groteskes Stück aufführen kann?

Oder ist es dazu schon zu spät? Falls ja, dann wäre es vielleicht an der Zeit, sich einen richtig guten Bademantel zu besorgen. Man weiß ja nie, wann die Beamten wieder vor der Tür stehen.

Die obere Mittelschicht des Mittelmaßes

Friedrich Merz, seines Zeichens Multiaufsichtsrat, Nebenverdiener-Millionär und CDU-Vorsitzender, ist ein Mann der klaren Worte – zumindest in den Momenten, in denen er sich nicht in Widersprüche verheddert. So ließ er einst verlauten, er zähle sich zur „oberen Mittelschicht“. Ein Satz, der in seiner grotesken Selbstverkennung beinahe poetische Qualitäten entwickelt. Ob man ihm diesen Ausrutscher nachsehen kann? Nun, in einer Gesellschaft, die es gewohnt ist, sich im politischen Bullshit-Bingo zu bewegen, mag dies fast untergehen. Doch ein genauerer Blick auf den Mann, seine Aussagen und seine Selbstwahrnehmung lohnt sich allemal. Denn wenn Merz eines ist, dann nicht „obere Mittelschicht“ – sondern, und das ist fast noch amüsanter: Er ist absolutes Mittelmaß.

Der Mittelmaß-Manager: Ein Produkt seiner Zeit

Friedrich Merz ist kein herausragender Politiker. Er ist kein brillanter Redner, kein charismatischer Visionär, kein mutiger Reformer. Er ist nicht einmal besonders einfallsreich. Stattdessen verkörpert er das, was Deutschland in den letzten Jahrzehnten auf der politischen Bühne perfektioniert hat: ein gewisses solides, unaufgeregtes, verwaltendes Mittelmaß. Seine Karriere ist die eines Mannes, der in der richtigen Partei zur richtigen Zeit war und sich, ohne größere Eigenleistung, nach oben arbeiten konnte.

Natürlich wird man nun einwenden, dass jemand, der es bis an die Spitze der CDU und ins Spitzenmanagement eines der größten Finanzinvestoren der Welt gebracht hat, per Definition erfolgreich sein muss. Doch Erfolg und Exzellenz sind zwei verschiedene Dinge. Merz‘ Erfolg ist nicht das Resultat genialer strategischer Manöver oder herausragender intellektueller Schärfe – sondern vielmehr das Produkt von Opportunismus, Netzwerken und einer erstaunlichen Resistenz gegen jegliche Selbstreflexion.

Ein Millionär mit Mittelschichts-Mindset

Aber bleiben wir kurz bei seinem denkwürdigen „obere Mittelschicht“-Moment. Was hat ihn nur dazu bewogen, eine derart absurde Selbsteinschätzung von sich zu geben? Eine wohlwollende Interpretation wäre, dass er sich schlicht in der Perspektive geirrt hat – dass sein Bezugspunkt nicht das normale Deutschland, sondern sein eigenes, von Konzernlobbyismus und Steueroptimierung geprägtes Paralleluniversum ist. Dort, wo eine Villenetage in Berlin und eine Ferienhütte im Sauerland nur „bescheidene Rückzugsorte“ sind, mag man tatsächlich glauben, dass das mittlere Millionenvermögen noch keine echte Reichtumsgrenze darstellt.

Die weniger wohlwollende Interpretation? Merz ist schlichtweg ein Meister der politischen Selbstinszenierung. Die „obere Mittelschicht“ war ein Versuch, sich nahbarer zu machen, sich als Mann des Volkes zu stilisieren. Doch wie so oft bei den inszenierten Volksnähe-Versuchen der Wohlstands-Elite verheddert er sich in einem grotesken Widerspruch. Denn natürlich ist er kein Teil der Mittelschicht – sondern ein typischer Vertreter der globalen Wirtschafts-Elite, der durch cleveres Positionieren und lukrative Netzwerke ganz oben mitspielt.

Ein Mann des Gestern im Heute

Es wäre unfair, Friedrich Merz bloß auf seine absurden Einkommens-Definitionen zu reduzieren. Er ist auch in anderen Bereichen ein Musterbeispiel für die seltsame Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Ob er sich nun als Vertreter des konservativen „gesunden Menschenverstands“ inszeniert, obwohl er regelmäßig mit kulturpessimistischen Phrasen aus den 90ern um sich wirft, oder sich als Verfechter wirtschaftlicher Vernunft gibt, während er die Interessen der Großindustrie über die der kleinen Leute stellt – Merz ist ein Mann, der sich stets anders sieht, als er ist.

Und genau darin liegt die Ironie: In einem gewissen Sinne ist er doch Mittelschicht – aber nicht in der Einkommenshierarchie, sondern im intellektuellen und politischen Anspruch. Seine Ideen sind nicht neu, seine Positionen nicht originell, sein politisches Talent nicht herausragend. Er ist Mittelmaß in Reinform. Nur eben sehr, sehr gut bezahlt.

Der sanfte Hauch der Gerechtigkeit

Indonesien, jenes Urlaubsparadies, das wir aus Hochglanzmagazinen und Instagram-Stories kennen, hat abseits seiner Palmenstrände und Yoga-Retreats eine besonders exquisite Form der Gerechtigkeit entwickelt. In der Provinz Aceh, wo der Friede des Himmels auf die Erde hinabstrahlt, ist das Strafmaß für Liebende eindeutig geregelt: Es gibt Peitschenhiebe. Mal 80, mal 85 – je nach Verhandlungsgeschick oder, wie die Staatsanwaltschaft poetisch erläutert, je nachdem, wer der „Initiator“ des sündhaften Treibens war.

Es ist ein System von erhabener Klarheit, in dem nicht nur Ehebrecher und Glücksspieler auf ihre körperliche Ertüchtigung hoffen dürfen, sondern auch Menschen, die sich mit einer „abnormen“ Neigung aus der göttlichen Norm herauszubewegen wagen. Der eine buchte das Zimmer, der andere ließ sich überreden – es liegt ja auf der Hand, dass die Zurechnungsfähigkeit mit dem Besitztum von Hotelzimmern korreliert. Welch raffinierte Differenzierung!

Peitschenhiebe als moralische Streicheleinheiten

Natürlich mag der eine oder andere in seiner geistigen Verwirrung auf die Idee kommen, diese Praktiken als barbarisch zu bezeichnen. Aber das ist, wie uns westliche Medienpädagogen beibringen, ein schwerer Fall von postkolonialer Arroganz. Wer sind wir denn, die kulturellen Eigenheiten einer Region zu kritisieren, in der religiöse Reinheit nicht nur eine Tugend, sondern eine durch körperliche Züchtigung herstellbare Größe ist?

Stockhiebe für Ehebruch, Peitschenhiebe für Alkohol, Steinwürfe für kritische Journalisten – das sind die Eckpfeiler einer Gesellschaft, in der der Begriff „Sünde“ noch etwas zählt. Wo sich in westlichen Gefilden Menschen über das Gendern von Substantiven ereifern, bringt man in Aceh die Moral noch handfest auf den Punkt.

Fortschritt durch Demut

Indonesien als Ganzes zeigt sich hier von seiner flexiblen Seite. Während der eine Teil des Landes sich dem Fortschritt öffnet, regelt man in Aceh die Dinge mit der Beständigkeit eines mittelalterlichen Gerichtshofs. Das nennt man gelebten Föderalismus! Während Touristen auf Bali an Cocktails nippen, führt ein paar Inseln weiter das heilige Gesetz den Menschen mit der Peitsche den rechten Weg vor Augen. Zwei Wahrheiten, ein Land – was für eine Toleranz!

Man könnte sich natürlich fragen, ob eine Rechtsordnung, die öffentliche Prügelstrafen für einvernehmliche Sexualakte vorsieht, nicht ein kleines Update vertragen könnte. Doch das wäre vermessen, denn die Weisheit dieser Gesetze reicht schließlich Jahrhunderte zurück – und was Jahrhunderte überdauert hat, kann ja nur gut sein.

Und die Moral von der Geschichte?

Während in Europa die Debatte um individuelle Freiheit, Menschenrechte und moralische Autonomie bisweilen nervenaufreibende Dimensionen annimmt, zeigt Aceh eine elegante, wenn auch schmerzvolle Alternative. Der moralische Kompass ist hier nicht Gegenstand hitziger Debatten, sondern wird mit einer Gerte in die Rücken der Delinquenten gezeichnet. Eine klare, wenn auch schmerzhafte Lösung. Ein Exempel der Reinheit.

Aber seien wir ehrlich: Wer nach Aceh reist, um sich dort zu verlieben, der hat seine Strafe vermutlich verdient. Es gibt doch wahrlich angemessenere Orte für Liebe als den Garten Eden der Heiligen Prügelstrafe. Und wenn wir dann doch einmal innehalten und uns fragen, wie weit Toleranz gehen darf, dann sei uns die beruhigende Antwort gegeben: Bis zur Grenze der göttlich sanktionierten Prügel.“

Ein Parlament am Scheideweg

Die EU-Kommission war zugegen. Der große europäische Zirkus hielt seinen Atem an, wartend auf das feierliche Signal der ukrainischen Demokratie, die sich kraftvoll, entschlossen, unerschütterlich – oder doch wenigstens nicht vollkommen desorganisiert – präsentieren sollte. Und siehe da: Die Resolution zur Unterstützung des Präsidenten, dieses schillernden Protagonisten des Freiheitskampfes, des Medienlieblings, des ewigen Gastes auf den Gala-Abenden der westlichen Welt, sie fiel durch. Acht Stimmen fehlten. Eine Kleinigkeit, möchte man meinen. Ein Schluckauf in der großen politischen Oper. Doch in Wahrheit ein Symptom, eine Metapher, eine Offenbarung über den Zustand einer Nation im Ausnahmezustand.

Die Kunst des symbolischen Scheiterns

In normalen Zeiten wäre es bloß eine peinliche Episode: Eine Resolution – unverbindlich, schmuck, voller Pathos und leerer Worte – wird nicht angenommen. Eine Formalität, die misslingt. Doch in der Ukraine des Jahres 2025, im Auge des globalen Sturms, ist dies keine bloße Panne, sondern eine Wunde. Wie eine Pantomime, die ihre Pointe vergisst. Wie ein Toast, der zu früh aus dem Toaster springt. Und wie immer ist das große Mysterium: Wer hat diesmal versagt? Die Opposition, die sich verweigert hat? Die eigenen Leute, die der Führung die Gefolgschaft verwehren? Oder ist es die Demokratie selbst, die in Zeiten des Krieges eine Art kollektive Zerstreutheit entwickelt?

„Diener des Volkes“ – aber wessen eigentlich?

Besonders pikant: Von den 54 Abgeordneten, die sich dem Votum entzogen, waren 38 Mitglieder der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“. Man fragt sich: Wessen Diener sind sie nun? Des eigenen Gewissens? Der eigenen Karriereplanung? Oder – Gott bewahre – der Realität? Dass in einer Kriegsnation die politische Einigkeit bröckelt, ist an sich keine Sensation. Aber dass ausgerechnet die eigene Partei beginnt, den Sessel des Präsidenten ein wenig zu sägen, ist dann doch ein Moment der besonderen Ironie.

Die große europäische Enttäuschung – oder doch nur ein Moment des Kopfschüttelns?

In Brüssel dürfte man sich nun fragen: Wenn nicht einmal die Ukraine ihren Präsidenten durch eine symbolische Geste der Loyalität stützen kann, wie sollen dann die Europäer weiterhin mit voller Überzeugung hinter ihm stehen? Die EU hat gelernt, vieles zu tolerieren: Korruptionsskandale, dysfunktionale Bürokratie, das ewige Warten auf Reformen. Aber dass ausgerechnet die politische Unterstützung eines Präsidenten in einem derart prekären Moment an mangelnder Disziplin scheitert, das ist eine Enttäuschung von epischem Ausmaß.

Ein Lehrstück in politischer Dissonanz

Am Ende bleibt die Frage: Ist dies ein Zeichen von Demokratie oder von Desorganisation? Ist es eine Reflexion politischer Vielfalt oder das sichtbare Schwanken eines Systems, das unter der Last von Krieg und Krise taumelt? Und, nicht zu vergessen: Was sagt Selenskyj dazu? Wird er es als demokratische Lektion begreifen? Oder als einen weiteren Beweis für die endemische Unzuverlässigkeit seiner politischen Landschaft? Vielleicht aber, in einem seltenen Moment der Ehrlichkeit, wird er sich denken: Man kann einen Krieg nicht allein mit Fernsehansprachen gewinnen – und nicht einmal mit symbolischen Resolutionen.

Nichts hat mit Nichts zu tun

Vom gesichtslosen „Islamismus“ zum kenntnisreichen „Islamismus“

Oh, der Islam. Eine Religion der Friedlichkeit, so hört man immer wieder in den Nachrichtensendungen, die aus irgendeinem Grund nur dann Aufmerksamkeit erhalten, wenn ein Terroranschlag stattgefunden hat. Aber halt, wer den Fehler begeht, das, was in diesen friedlichen Religionen verborgen liegt, gründlicher zu hinterfragen, könnte sich gewaltig verspekulieren – wie etwa der naiv-gläubige Tourist, der glaubt, in Venedig nur Brücken aus Gummi zu sehen. Doch keine Sorge, dieser Text wird nicht einfach so in die gängigen Klischees abgleiten, wie sie von Apologeten und – zugegeben – manchmal auch Islamkritikern vorgetragen werden. Nein, er wird tiefer bohren, scharfsinniger und in einer manierierten Mischung aus Zynismus, Polemik und Witz die Frage aufwerfen: Hat der Islam vielleicht doch sehr viel mit Islamismus zu tun?

Nun gut, bevor wir mit der Axt auf das Gemäuer von “Frieden und Toleranz” schlagen, sei gesagt: Der Islamismus ist nicht einfach der böse Schatten, der aus der Mitte der Religion herauswächst. Er ist nicht der rote Drache, der sich verselbstständigt und böse heranrollt. Oder doch? Viele Köpfe, die sich sowohl in der akademischen als auch in der journalistischen Welt einen Namen machen wollten, haben die These vertreten, der Islamismus sei ein Produkt des Westens oder ein Resultat eines modernen Wahnsinns. Aber sind wir nicht einmal ein wenig neugieriger, bevor wir solche simplen Entschuldigungen akzeptieren? Schließlich ist der Islamismus nicht ohne Ursprung, und dieser Ursprung, mein lieber Leser, hat nicht nur viel mit der Interpretation des Islams zu tun – er ist untrennbar mit den Texten verknüpft, die die Grundlage dieser Religion bilden.

Eine Mission der Liebe

Ein kleiner Spaziergang durch die so genannten „Schwertverse“ im Koran könnte uns schon eine erhellende Vorstellung darüber verschaffen, wie die militante Lesart der Religion auf eine lange Geschichte zurückblickt. Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Diese Verse sind nicht etwa in einem metaphorischen Container verpackt, wie man sie heute gerne als „historische Kontexte“ auslegt. Nein, der Koran ist von Natur aus in seinen Texten sehr klar und direkt. Die Schwertverse, etwa aus der Surah At-Tawba (9:5), die als „Vers des Schwertes“ berühmt wurde, fordern eine ganz und gar nicht friedliche Haltung:

„Und wenn die heiligen Monate vergangen sind, so tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet.“

Diese klare Aufforderung, sich von den „Ungläubigen“ zu trennen oder sie zu eliminieren, mag im 21. Jahrhundert bei manchen, die sich der doppelten moralischen Lesart hingeben, als „Missverständnis“ gelten – als Verirrung in der Textanalyse. Doch die historische Realität lässt sich nicht so leicht mit modernen Perspektiven übertünchen. Der Koran ist nicht nur ein spiritueller Kompass, sondern auch ein militärischer Leitfaden. Warum also sollen wir diese Verse ignorieren oder relativieren, nur weil sie nicht mehr in unsere Ästhetik der sanften Toleranz passen?

Natürlich gibt es die erleuchteten Stimmen, die sagen: „Ja, aber es gibt ja auch den Vers, der die Gewalt verbietet!“, und das ist sicherlich richtig. Aber, und hier beginnt die wahre Herausforderung, der Islamismus, von dem wir hier sprechen, funktioniert nach einem Prinzip der Abrogation, einer schönen theologisch-juristischen Doktrin, die dafür sorgt, dass die „friedlichen“ Verse – die gerne mal zitiert werden – schlichtweg von den „kriegerischen“ Versen abgelöst werden, wenn es um politische Handlungsfähigkeit geht. Die „Schwertverse“ sind dann – Sie ahnen es schon – die vorherrschende Wahrheit.

Der Islamische Text als Waffe

Was für eine goldene Theorie! Die Abrogationstheorie ist ein wahres Geschenk für die harte, militante Interpretation des Islams, weil sie es erlaubt, den Koran nach Belieben umzuschichten. Ein Vers, der den Pazifismus predigt? Kein Problem, der wird einfach durch einen späteren, aggressiveren ersetzt. Und hier kommt der elegante Trick: Der Koran kann niemals „fehlerhaft“ sein, er kann niemals als „unvollständig“ betrachtet werden – sondern er kann lediglich durch den „fortschrittlichen“ Kontext des Propheten und seiner Biografie fortgeführt werden. Ein wahres Meisterwerk der Textverarbeitung!

In der Praxis bedeutet dies, dass die Schwertverse über die vielen Versöhnungsaufrufe und friedlichen Lehren des frühen Korans triumphieren. Ein bisschen wie bei einem politischen Diskurs, in dem man zuerst mit den friedlichen Argumenten beginnt und dann, wenn es notwendig wird, den „schlagkräftigeren“ Punkt des Verfassers hervorholt.

Die Hadithen und das Leben Mohammeds: Ein Quellenverzeichnis für Terror

Doch der Koran allein genügt nicht, um das Bild des Islamismus zu vervollständigen. Da gibt es noch die Hadithen und die Sira, die Biografie des Propheten Mohammed. Beide sind wichtige Quellen für das Verständnis des Islams. Und auch hier entdecken wir einen interessanten Unterschied zwischen den vielen, oft inkonsistenten Interpretationen der Religion. Mohammed, der in seiner Jugend ein eher als pazifistisch geltender Unternehmer war, verändert sich dramatisch in seiner späten Zeit und wird zum Kommandeur, der zahlreiche Kriege führt und zum Entsetzen der Umgebung Kriegsgefangene hinrichten lässt.

Die Hadithen und die Sira bieten uns detaillierte Berichte über diese Lebenswende. Viele dieser Berichte stammen aus den ersten Jahrhunderten nach Mohammeds Tod, als der Islam sich gerade im Prozess befand, sich aus seiner Konfliktphase zu lösen und – naiv wie wir sind – in die goldene Ära des Wissens und der Wissenschaft überzugehen. Wer jedoch die Hadithen ernsthaft liest, wird nicht selten auf Geschichten stoßen, die das Bild des sanften, spirituellen Führers von heute ins Wanken bringen. In der Sira erfahren wir von seinem militärischen Feldzug gegen die jüdischen Stämme in Medina, und in vielen Hadithen finden sich spezifische Instruktionen für das Verhalten im Krieg.

Der Islam und der Islamismus – Eine Frage der Perspektive?

Am Ende könnte man einwenden, der Islamismus sei doch nur eine Verzerrung des wahren Islam – eine Reaktion auf die moderne Welt, die missverstanden oder politisch instrumentalisiert wird. Aber das reicht nicht aus, um der Frage gerecht zu werden, warum der Islamismus so tief in den religiösen Texten und in der historischen Biografie des Propheten verankert ist. Wer sich die Mühe macht, den Koran, die Hadithen und die Sira unter der Prämisse der Abrogation und der militärischen Expansion zu lesen, wird schnell feststellen, dass der Islamismus ein Produkt des Textes selbst ist – zumindest ein nicht zu vermeidender Teil des Dilemmas.

Das bedeutet nicht, dass alle Muslime zwangsläufig Islamisten sind – das ist natürlich eine Vereinfachung. Doch die Tendenz, den Islam und den Islamismus zu trennen, geht an den Wurzeln vorbei. Vielleicht ist der Islamismus nicht bloß ein isoliertes Phänomen, sondern das, was passiert, wenn man die historischen und religiösen Quellen so liest, wie sie vorgeben, zu sein. Und das ist ein Gedanke, der viele im westlichen Diskurs kalt erwischen dürfte.

Deutschland wählt den Untergang

Eine schriftliche Panikattacke über Krieg, Politik und die absurde Logik unserer Zeit

„Die Ukraine muss den Krieg gewinnen!“ – so lässt es die CDU verlauten, als handele es sich um eine neue Folge von „Game of Thrones“ und nicht um das blutige Schlachtfeld eines realen Konflikts. Jeder, der ein wenig politisches Gespür hat, wusste es im Voraus: Sobald die militärische Großstrategie aus der Oppositionsbank verkündet wird, können wir uns auf propagandistischen Trommelschlag gefasst machen. Dass Kriege in unserer durchökonomisierten Welt noch „gewonnen“ werden müssen, ist eine These, die irgendwo zwischen historischer Amnesie und moralischem Bankrott oszilliert. Aber nun gut – was ist schon eine gesunde Reflexion, wenn es um die Schlagzeilen von morgen geht?

Krieg als „Investition“: Bilanzen des Grauens

Jeder Tote, jede zerstörte Stadt, jede zerrüttete Familie – eine „notwendige Opferung“ im Dienst einer westlich kodierten Freiheit. Und wie immer, wenn es um das „große Ganze“ geht, spielen menschliche Schicksale nur eine marginale Rolle in den kalkulierten Narrativen politischer Statements. Es ist faszinierend, mit welcher Lässigkeit manche Entscheidungsträger strategische Weitsicht für moralische Klarheit halten und die Begriffe „Sieg“ und „Niederlage“ aus dem Vokabular des Schachspiels direkt in die geopolitische Realität projizieren. Krieg wird zur „Investition“ erklärt, mit „Erträgen“ in Form von Stabilität, Sicherheit, territorialer Integrität – als wäre ein Trümmerhaufen nicht genug, um die Farce zu entlarven.

Die dialektische Logik des Eskalationsprinzips

Es gibt kein Maß an Waffenlieferungen, das nicht noch durch eine neue Forderung überboten werden könnte. Jeder Leopard-Panzer führt unweigerlich zur Diskussion über Kampfjets, jede Raketenbatterie zur Forderung nach Langstreckenraketen, jede diplomatische Bankrotterklärung zur nächsten Eskalationsstufe. Einmal in den Kriegssog geraten, gibt es für den politischen Betrieb nur eine Richtung: vorwärts. Rückzug, Nachgeben, Verhandeln? Pah! Alles Verrat! Wer einmal den moralischen Hochsitz erklommen hat, für den gibt es kein Abrüsten mehr. Denn was zählt, ist nicht, ob der Krieg irgendwann endet – sondern dass man selbst nie auf der falschen Seite der Geschichte steht.

Die Realität des „Sieges“

Was bedeutet es, dass die Ukraine diesen Krieg „gewinnen“ soll? Bedeutet es, dass sie alle von Russland besetzten Gebiete zurückerobert? Bedeutet es, dass Russland sich demütig und reumütig ins Nirwana der Weltgeschichte verabschiedet? Bedeutet es, dass Putin seine Kapitulationserklärung per Livestream auf Instagram verliest? Oder bedeutet es am Ende einfach nur, dass westliche Politiker sich auf die Schultern klopfen können, während die Ukraine in Trümmern liegt, aber wenigstens „moralisch“ gesiegt hat?

Der zynische Humanismus der Bellizisten

Die Bellizisten, diese neuen Ritter der heiligen Waffenbrüderschaft, verkleiden ihren Eskalationsfetischismus als humanitäre Notwendigkeit. „Wir müssen der Ukraine helfen!“ – ein Satz, der per se nicht falsch ist, aber in seinem Kontext zum blanken Hohn verkommt. Denn „helfen“ bedeutet in dieser Logik: Immer mehr Waffen, immer mehr Krieg, immer weniger Diplomatie. Frieden? Ein schmutziges Wort. Wer es in den Mund nimmt, wird sofort als Putinversteher, als Appeaser, als 1938er beschimpft.

Dabei bleibt eine simple Wahrheit unausgesprochen: Jeder Krieg endet mit Verhandlungen. Jeder. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Und mit wie vielen Toten, Zerstörungen und irreversiblen Traumata bis dahin.

Das Ende der Geschichte – oder doch nur der Anfang vom Ende?

Die CDU, eine Partei, die einst für pragmatische Realpolitik stand, hat sich in einen Verein von Fanatikern verwandelt, die ihre Geopolitik aus Netflix-Drehbüchern zu beziehen scheinen. Wer von „Sieg“ spricht, hat entweder zu viele Hollywood-Filme gesehen oder das Konzept des 21. Jahrhunderts nicht verstanden. Kriege enden nicht mit Triumphbögen, sondern mit Ruinen. Aber das ist ja nur ein Detail – Hauptsache, die Narrative bleiben sauber.

Und so marschieren wir weiter. Vorwärts. Immer vorwärts. Bis zum bitteren Ende.

Ein Lächeln für die Knechtschaft

Es geschieht schleichend. Kein Stiefel tritt auf ein Pflasterstein-Mosaik aus zerbrochenen Menschenrechten, kein Megaphon brüllt uns direkt ins Gesicht, keine Fackelmärsche erhellen die Nacht mit einem Feuer, das nur der Dunkelheit dient. Stattdessen: bunte Werbebanner, strahlende Gesichter, eine hypnotische Dauerschleife aus Konsum, Spaß und betreuter Information. Wir sind nicht unterdrückt – wir sind unterhalten. Und das ist viel schlimmer.

Die moderne Diktatur trägt Sneakers und lächelt dich an, während sie deine Gedanken fesselt. Sie braucht keine Gewalt, keine Kerker, keine Gulags. Sie füttert uns mit Netflix, TikTok, Fast-Food und toxischer Positivität. Sie lullt uns mit Reality-TV ein, während die Realität ringsherum in Staub zerfällt. Sie macht uns zu Komplizen unserer eigenen Verdummung, während wir glauben, klüger als je zuvor zu sein. Eine zynische Farce, die wir uns freiwillig anschauen – zwischen zwei Werbeblöcken.

Der Algorithmus, dein Hirte

Wir rühmen uns der Freiheit, die Wahl zu haben. Doch was bleibt von ihr übrig, wenn jede Entscheidung nur eine Illusion ist? Wir klicken, wischen, scrollen – und fühlen uns unheimlich individuell dabei. Wie wundervoll, dass unser Geschmack uns so einzigartig macht! Dass der Algorithmus zufällig genau das vorschlägt, was uns interessiert! Wie sollte es auch anders sein? Schließlich sind wir kluge Menschen und nicht bloß berechenbare Datensätze. Oder etwa doch?

Die digitale Unterhaltungsindustrie ist ein perfiderer Folterknecht als Orwell es sich hätte ausmalen können. 1984 hatte zu wenig Glitzer, zu wenig Special Effects, zu wenig Mitmachfaktor. In unserer Welt des kontrollierten Vergnügens darf jeder selbst seine Ketten gestalten – und es gibt sie in allen Farben. Ein bisschen Deepfake hier, ein wenig personalisierte Nachrichten dort, eine Prise „Trending Now“ – und schon bewegen wir uns nur noch im Radius unseres eigenen Echoraums. Der Algorithmus ist kein Werkzeug, er ist ein unsichtbarer Hirte, und wir sind seine Schafe. Blökend, glücklich und vollkommen frei – innerhalb der uns gesteckten Weide.

Die Kunst der kontrollierten Meinung

Was wir denken, ist uns überlassen. Wirklich? Nein, natürlich nicht. Es gibt keine allmächtige Partei mehr, die uns sagt, was richtig ist – stattdessen gibt es zehntausend Gruppen, die das übernehmen. Die neue Kontrolle geschieht subtiler: durch Moralisierung, durch Likes und Dislikes, durch die gnadenlose, anonymisierte Meute des digitalen Prangers. Wer das falsche Wort sagt, wer in die falsche Richtung denkt, wer aus dem Gleichschritt der vorgefertigten Meinung tanzt, ist nicht mehr würdig, ein Teil der Unterhaltungsmaschinerie zu sein.

Cancel Culture ist der elektrische Zaun unserer Zeit. Er hält uns nicht mit Gewalt gefangen, sondern mit Angst. Die Angst, zu hinterfragen, was gesagt werden darf. Die Angst, nicht genug auf Linie zu sein. Die Angst, dass man mit der falschen Ansicht plötzlich selbst das Objekt der Unterhaltung wird – und zwar in der Rolle des Bösewichts. Satire stirbt an Empörung, Diskussionen ersticken an Eindeutigkeiten, Ironie wird nur noch dann verstanden, wenn sie gegen die Richtigen gerichtet ist. Und wehe dem, der Humor dort sucht, wo er nicht sein darf!

Die sanfte Versklavung durch Bequemlichkeit

Wir rühmen uns der Fortschritte, während wir in den komfortablen Kerker der Bequemlichkeit eintreten. Wieso noch selbst denken, wenn es so viele gibt, die das für uns tun? Wieso Bücher lesen, wenn ein dreiminütiges Video doch alles erklärt? Wieso mit anderen Menschen sprechen, wenn eine perfekt programmierte KI unsere Bedürfnisse besser versteht als sie selbst?

Die moderne Diktatur braucht keine Mauern – sie braucht nur ein WLAN-Signal. Sie muss keine Bücher verbrennen – es reicht, wenn niemand sie mehr liest. Sie muss keine Gedanken verbieten – es genügt, wenn wir nicht mehr auf die Idee kommen, welche zu haben.

Und so bleibt am Ende nur eine Frage: Wann merken wir endlich, dass wir mit lachendem Gesicht in den Abgrund taumeln?

Oder ist es längst zu spät?

3 Jahre Ukrainekrieg!

Wäre es nicht mal Zeit für ernsthafte Verhandlungen, oder doch besser ein Waffenpaket für 700 Mrd. und Deutsche Soldaten an die Ostfront?

Drei Jahre Krieg. Drei Jahre Tote, Verwundete, Vertriebene. Drei Jahre Propaganda, Sanktionen, Waffenlieferungen, moralische Empörung auf Knopfdruck. Drei Jahre, in denen man sich zu fragen beginnt: Wie lange noch? Oder ist diese Frage bereits ein Sakrileg, ein Zeichen von Schwäche, ein erster Schritt Richtung „Putin-Versteherei“?

Drei Jahre also, und die Spirale dreht sich munter weiter. Kein Waffenstillstand in Sicht, keine ernsthaften diplomatischen Bemühungen erkennbar – es sei denn, man zählt Drohungen, Ultimaten und immer neue „rote Linien“ als Diplomatie. Stattdessen immer neue Forderungen nach noch mehr Waffen, noch mehr Geld, noch mehr Entbehrungen. Und nun, nachdem Milliarden in Waffen geflossen sind, nachdem wir die Bundeswehr so ziemlich entkernt haben, folgt der nächste logische Schritt: die Debatte über deutsche Soldaten an der Ostfront.

Warum nicht? Die Geschichtsbücher brauchen ein neues Kapitel, und was könnte sich besser eignen als die Fortsetzung eines tragisch bewährten Motivs: Deutsche Soldaten gegen Russland. Ist doch erst 80 Jahre her. Lässt sich doch mal ausprobieren, oder?

Waffen, Waffen, Waffen! Mehr hilft mehr – oder?

Es beginnt mit Helmen. Ein paar Monate später dann Schützenpanzer, dann Kampfpanzer, dann Marschflugkörper. Jedes Mal dieselbe Debatte: „Diese Waffen sind ein Gamechanger!“ Und dann? Ein paar Wochen später stellt sich heraus: Die Front hat sich kaum bewegt, der Krieg tobt weiter.

Nun also neue Forderungen. Langstreckenraketen? Kampfjets? Warum nicht gleich Atomwaffen? Oder einfach eine würdige Hollywood-Verfilmung? Der Krieg als Dauerblockbuster – produziert von Lockheed Martin, gesponsert von Rheinmetall, bejubelt von deutschen Leitmedien, in der Hauptrolle: Die Moral. Und wer nicht mitspielt, ist ein „Putin-Troll“.

Selbstverständlich sind diese Lieferungen alternativlos. Es gibt keine Debatte. Der moralisch integrere Westen kann nicht anders. Diplomatie? Ein Zeichen der Schwäche! Verhandlungen? Ein Verrat an der Freiheit! Wer auch nur einen Moment innehält, ist „Kreml-gesteuert“. Und so produzieren wir weiter. Waffen, Waffen, Waffen. Denn mehr hilft mehr. Oder etwa nicht?

Deutsche Soldaten? Aber bitte mit Haltung!

Die Diskussion über deutsche Bodentruppen ist das vorläufige Highlight einer absurden Entwicklung. Während Frankreichs Macron bereits laut über eine „militärische Präsenz“ nachdenkt, hält sich die deutsche Politik noch vornehm zurück. Doch wer weiß? Vielleicht wird in wenigen Monaten das unausweichliche Fazit gezogen: „Wir können nicht anders!“ Und plötzlich sind sie da: die ersten deutschen Soldaten an der Ostfront, natürlich nur als Berater, natürlich nur in Friedensmission.

Natürlich nur so lange, bis ein paar von ihnen fallen. Und dann? „Wir dürfen ihre Opfer nicht umsonst gewesen lassen!“ Und schon ist man mittendrin, in einem Krieg, der angeblich nicht der unsere ist. Die Bundeswehr, ohnehin in einem bemitleidenswerten Zustand, würde dann im Namen der Demokratie erneut in den Osten marschieren – mit vollem moralischen Rückenwind, aber möglicherweise ohne Panzer, denn die stehen ja bereits in der Ukraine.

Und die Gesellschaft? Sie applaudiert. Die Empörung wird von den richtigen Stellen kanalisiert, jeder Widerspruch moralisch neutralisiert. Wer dagegen ist, ist ein Feind der Demokratie. Wer zögert, ist ein „Schwurbler“. Wer sich nach Frieden sehnt, ein „Defätist“. Die Logik des Krieges kennt keine Opposition.

Verhandlungen? Nein, das geht nicht!

Es gibt einen Punkt, an dem man sich fragen muss: Was ist das Ziel? Russland „besiegen“? Wie sieht das aus? Ein zusammengebrochener Staat mit unkontrollierbarem Atomwaffenarsenal? Ein Regimewechsel mit einem neuen Jelzin, der westlichen Interessen gefällig ist? Die Demontage der russischen Föderation in handliche Einzelstaaten, bequem beherrschbar?

Oder geht es – und das wäre die schlimmere Option – gar nicht mehr um ein realistisches Ziel, sondern nur noch um das Weiterlaufen des Krieges als Selbstzweck? Weil zu viele Akteure profitieren? Weil zu viele Karrieren auf diesem Konflikt basieren? Weil Frieden keine Schlagzeilen bringt, kein Wachstum für die Rüstungsindustrie, keine moralischen Triumphe für Politiker?

Man könnte es ja mal probieren, mit Diplomatie. Zumindest theoretisch. Doch wer das ausspricht, macht sich verdächtig. Denn wenn Frieden eine Option wäre, dann hätten wir ja drei Jahre lang etwas falsch gemacht. Und das wäre – politisch gesehen – eine Katastrophe.

Fazit: Kein Frieden in Sicht – und das ist gewollt

Also weiter so. Immer neue Eskalationsstufen, immer neue „letzte“ Waffenlieferungen, immer neue Drohungen. Vielleicht erleben wir bald auch deutsche Soldaten an der Front. Vielleicht erleben wir aber auch nur eine endlose Verlängerung des Krieges, bis er für alle Beteiligten zur bloßen Gewohnheit wird. Und irgendwann, wenn das Elend groß genug ist, wird man uns erklären, dass es „leider keine Alternative“ mehr gibt, als in einen direkten Konflikt einzutreten. Und dann?

Dann werden wir uns fragen, wann wir den Moment verpasst haben, an dem wir aus diesem Wahnsinn hätten aussteigen können. Doch dann wird es zu spät sein. Oder ist es das vielleicht jetzt schon?

Sie irren sich, sagt zumindest die Wissenschaft!

Die Wissenschaft hat gesprochen: Wir kleinen Dummerchen

Eine neue Studie des renommierten Instituts der deutschen Wirtschaft hat es nun schwarz auf weiß bewiesen: Die Menschen in Deutschland überschätzen die Preissteigerungen der letzten Jahre. Sie glauben allen Ernstes, dass ihr Geldbeutel immer dünner wird, während die Zahlen doch eine ganz andere Sprache sprechen! Ein Missverständnis epischen Ausmaßes, offenbar verursacht durch den fatalen Irrglauben, dass das eigene Konto ein zuverlässigerer Indikator für die wirtschaftliche Lage sei als eine wohlfeil zusammengezimmerte Statistik.

Insbesondere bei Lebensmitteln scheint der Durchschnittsdeutsche einem fatalen Wahrnehmungsfehler zu erliegen: Eine Gurke für 3,50 Euro? Völlig im Rahmen, schließlich kostet sie nur das Doppelte wie früher. Wer hier von „Preisexplosion“ spricht, ist offenkundig einfach nicht intelligent genug, sich von den harten, rationalen Fakten überzeugen zu lassen.

Ein wenig Mathe für die Unbelehrbaren

Die Wissenschaftler haben uns erlöst und in einem sachlichen, neutralen Ton erklärt, dass die Verbraucherpreise von 2020 bis 2024 lediglich um 19,3 Prozent gestiegen sind. Keine Panik, nur ein kleiner Sprung, gerade genug, um sich vom bisherigen Lebensstandard elegant zu verabschieden. Besonders betroffene Bereiche? Heizenergie um 50,3 Prozent teurer. Kraftstoffe? Ein bescheidenes Plus von 41 Prozent. Lebensmittel? Nur 32,8 Prozent teurer. Man stelle sich nur vor, wir hätten es hier mit echten Problemen zu tun!

Doch halt: Während Benzin, Strom und Butter sich auf schwindelerregende Höhen begeben haben, ist ein wahres Wunder geschehen. First-Class-Flugtickets wurden um ganze 13,8 Prozent billiger! Wer sich also immer noch beklagt, sollte dringend seine Prioritäten überdenken: Statt beim Discounter den Preis für Butter zu bemängeln, wäre es ratsam, stattdessen einen Business-Class-Flug nach Mauritius zu buchen – ein unschlagbares Schnäppchen!

Die wankelmütige Realität der Konsumenten

Wie kommt es nur, dass die Verbraucher dieser wissenschaftlichen Offenbarung so wenig Glauben schenken? Warum sind sie nicht voller Dankbarkeit, dass die Teuerung sich mittlerweile „abgeschwächt“ hat, wie der hochgeschätzte Studienautor Matthias Diermeier erklärt? Ein echter Undank also.

Zwei Drittel der Verbraucher waren der irrigen Annahme, dass die Lebensmittelpreise „stark gestiegen“ seien. Woher nur diese absurde Idee? Vielleicht von den Kassenzetteln, die sich mittlerweile wie Drohbriefe lesen? Vielleicht von den Gesprächen am Esstisch, die immer häufiger in philosophische Debatten über die Vorzüge von Wassersuppe gegenüber Brot ausarten?

Ein Hoch auf die neue Realität

Es ist längst an der Zeit, die Perspektive zu wechseln. Statt sich über steigende Mieten oder unbezahlbare Grundnahrungsmittel zu echauffieren, sollten wir uns die Haltung der Wissenschaft zu eigen machen. Die Inflation hat sich abgeschwächt, die Zahlen sprechen für sich – also bitte keine weitere Aufregung!

Schließlich, wer noch immer glaubt, sein Geld reiche heute nicht mehr so weit wie früher, irrt sich schlichtweg. Die Zahlen sagen das Gegenteil. Und die Wissenschaft irrt nie.

Ende der Debatte. Oder?

Adenauer’sche Nostalgie

Die Bundestagswahl 2025 ist also geschlagen, und Deutschland hat entschieden – wie immer ohne wirkliche Überraschung, aber mit einer leisen, wohltuenden Note von Desillusionierung. Es ist ein Ringen um die Macht, das sich von Wahl zu Wahl immer mehr wie ein Theaterstück in Zeitlupe anfühlt, bei dem die Schauspieler mehr und mehr in ihren eigenen Kostümen hängen bleiben. Und inmitten dieses absurden Spiels stehen Merz und Söder, zwei große, ach was, riesige, historische Figuren der deutschen Politik – stets bemüht, die nächsten Schritte zu setzen, um in den ehrwürdigen Hallen des Bundestags weiter ihre Machtträume zu spinnen.

Doch was Merz und Söder, diese Hüter des politischen Konservatismus, noch von dem zukünftigen österreichischen Bundeskanzler Christian Stocker lernen können, das ist nicht nur der brüllende Applaus für das politische Spiel, sondern eine Lektion in Pragmatismus, in dem, was man gerne als „modernen Populismus mit Stil“ bezeichnen könnte. Und in der Welt, in der politische Ideologien durch Koalitionsverhandlungen zu bloßen Verhandlungspunkten werden, bleibt nur noch eine Frage: Was haben wir eigentlich alles schon vergessen?

Vergessen ist das neue Erinnern

Es war ein erfrischend zynischer Gedanke, als man Merz und Söder in den letzten Wochen der Wahlkampagne beobachtete: Zwei altgediente politische Zwerge, die ihre großen Zungen in die Lüfte schwingen, aber sich in den Kabalen der Koalitionsverhandlungen verheddern wie zwei Gänse, die versuchen, ein Haifischbecken zu durchqueren. Und doch, inmitten dieses theatralischen Zirkus, der uns als „Demokratie“ verkauft wird, gibt es ein strahlendes, fast erhabenes Beispiel, wie man sich aus den Fängen der Vergangenheit befreit – das ist Christian Stocker.

Stocker, ein Mann, der aus einer längst vergangenen Ära der österreichischen Politik zu kommen scheint, hat sich die Kunst des „vergessenen Gesprächs“ perfektioniert. Während Merz und Söder, diese wandelnden Kettenraucher politischer Unentschlossenheit, sich noch in den halbstaatlichen Debatten von gestern verfangen, tritt Stocker mit einem Augenzwinkern und einer modernen, pragmatischen Haltung auf die Bühne der internationalen Politik. Er ist der lebende Beweis, dass Vergessen der Schlüssel zur politischen Freiheit sein kann. Wie der große Adenauer einst wusste: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ – Stocker lebt dies in seiner reinsten Form.

Die Koalitionsverhandlung als ewiges Lamento

Doch zurück zu unseren deutschen Protagonisten. Die Koalitionsgespräche in Deutschland haben sich zu einem absurden Ritual entwickelt, bei dem immer mehr Parteien an den Tisch treten, aber keiner wirklich weiß, was er dort zu suchen hat. Merz und Söder, die Rattenfänger von damals, sind nun die ständigen Streiter im Schatten der Vergangenheit, die sich ständig in Anekdoten und längst überholte Visionen verstricken. Sie sind die unfreiwilligen Clowns auf der politischen Bühne, die durch ihre Arroganz und Selbstverliebtheit die Gesellschaft unterhalten, aber wenig Substanz bieten.

Was Stocker hier vorlebt, ist ein fast lakonischer Umgang mit der politischen Schacherei. Während Merz und Söder sich im Kreis drehen und die Konservativen mit einem Schulterzucken immer wieder die Koalitionspartnerschaften neu erfinden, hat Stocker gelernt, die politischen Fraktionen in Österreich zu einem Tanz zu bewegen, der von einem selbstbewussten Pragmatismus getragen wird. Er ist sich der Leere der politischen Diskussionen bewusst und hat eine bemerkenswerte Fähigkeit entwickelt, den Schein von Diskussionen zu nutzen, um echte Erfolge zu erzielen. Stocker weiß, dass es nicht darum geht, seine Gedanken zur Gesellschaft von gestern in den Vordergrund zu stellen, sondern darum, die Zukunft zu gestalten – und das in einer Form, die den gewieften deutschen Politikern Merz und Söder verborgen bleibt.

Das Drama der Konservativen

Man muss sich fragen, was die deutsche konservative Politik heute noch ausmacht. Was bleibt von der einstigen Größe der Union, die sich in den Hochzeiten der 2000er Jahre als stabiles Bollwerk gegen alle Strömungen der Zeit verstand? Die Antwort ist simpel: nichts. Heute sind Merz und Söder der wandelnde Beweis für die Selbstüberhöhung der konservativen Ideologie. Sie leben und atmen den Diskurs von gestern, als die politische Landschaft noch eine geordnete Struktur hatte, die ihre eigenen inneren Widersprüche nicht zugeben wollte.

Wenn Stocker jedoch auf die politische Bühne tritt, dann tut er dies als ein Mann, der sich dieser Widersprüche bewusst ist und sie nutzt, um in der Gegenwart und Zukunft erfolgreich zu agieren. Der Unterschied liegt im Ansatz. Merz und Söder kämpfen immer noch mit den Geistern der Vergangenheit, während Stocker pragmatisch den Wind der Zukunft in den Segeln hat. Da wäre ein bisschen weniger „Adenauer’sche“ Nostalgie durchaus ratsam für unsere beiden konservativen Schwergewichte. Denn der Fortschritt ist nie der Freund derer, die sich zu sehr an gestern klammern.

Christian Stocker als Modell für die Zukunft

Es mag wie ein paradoxes Paradoxon klingen, doch genau hier liegt der Zauber von Christian Stocker. In einer Zeit, in der politische Instabilität, wirtschaftliche Unsicherheit und geopolitische Turbulenzen herrschen, weiß er eine einfache Wahrheit: Der Blick nach vorne ist der einzig wahre Weg. Während Merz und Söder versuchen, alte Strukturen neu zu erfinden, geht Stocker den pragmatischen Weg des Neuanfangs.

Die politischen Herausforderungen, denen sich Deutschland in den kommenden Jahren stellen muss, werden nicht durch die Konservativen in ihrer jetzigen Form gelöst. Es wird eine neue Art von Pragmatismus gebraucht – einen, der sich von den ideologischen Fesseln der Vergangenheit befreit. Merz und Söder können hier, in diesem Sinne, von Stocker lernen: Die wahre Kunst der Koalitionsverhandlung liegt nicht in der Befragung von „gestern“, sondern in der schöpferischen Neugestaltung von „morgen“.

Die hohe Kunst des Vergessens

Die Bundestagswahl 2025 hat uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, im politischen Spiel die Scherben der Vergangenheit zu sammeln – aber sie auch loszulassen, um Platz für Neues zu schaffen. Merz und Söder, die Schattengestalten der deutschen Konservativen, sollten sich etwas von Christian Stocker abschneiden: Der wahre Fortschritt liegt nicht im ständigen Wiederholen des Bekannten, sondern im mutigen Schritt nach vorn. Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? In der Politik von morgen könnte dies tatsächlich die entscheidende Frage sein.

BlackRock übernehmen Sie

Es ist vollbracht: Die Bundestagswahl 2025 ist Geschichte, und die Demokratie hat triumphiert – oder das, was davon übrig blieb. Eine Wahl mit der Spannung einer abgelaufenen Aspirin-Tablette und dem Enthusiasmus eines Meetings zur internen Compliance-Regelung von BlackRock. Ach ja, BlackRock! Die weltweit agierende Schattenbank mit dem mitleidlosen Lächeln eines Algorithmus. Nun, da sich die Parteien gegenseitig bis zur Unkenntlichkeit aufgesogen haben und die Regierungsbildung nur noch eine Formsache ist, kann die eigentliche Elite das tun, was sie am besten kann: Verwalten, was längst beschlossen ist.

Schauen wir also mit stoischer Gelassenheit auf die Käufer des Jahrhunderts: BlackRock, die freundlichen Investoren von nebenan, denen bereits mehr Reichtum und Einfluss gehört als der gesammelten Schar gewählter Volksvertreter. Und sie haben Großes vor! Deutschland soll nicht länger ein Staat sein, sondern ein lukratives Asset. Wer braucht noch Wähler, wenn man Aktionäre haben kann?

Demokratie im Sonderangebot

Lange schon flimmerten die Zeichen an der Börse des Schicksals. Politische Programme verkommen zu PowerPoint-Präsentationen, und das Kanzleramt gleicht mehr einer Niederlassung von Goldman Sachs als einem Zentrum demokratischer Willensbildung. Was heißt das für den Wahlkampf? Nun, zwischen der farbenfrohen Palette aus Neoliberalismus in CDU-Blau, Marktverzückung in FDP-Gelb und wohlmeinender Alternativlosigkeit in SPD-Rot war es für den Wähler ungefähr so aufregend, wie sich zwischen drei Sorten lauwarmer H-Milch entscheiden zu müssen. Am Ende obsiegt die wirtschaftliche Vernunft.

Die einstigen Volksparteien schrumpfen zu Dienstleistern des Kapitals, und Deutschland wird endgültig zu einer optimal verwalteten Investitionszone. Was in Washington als „managed democracy“ euphemistisch verhüllt wird, nennt man hier einfach Fortschritt. Dass sich all dies in einem historischen Moment maximaler geopolitischer Spannung abspielt, ist dabei kein Zufall. Denn natürlich geht es um viel mehr als nur um deutsche Innenpolitik.

Das Investment, das sich lohnt!

Ach ja, die Ukraine. Das Land, das wie kein anderes in den letzten Jahren gezeigt hat, dass sich Krieg nicht nur lohnt, sondern profitabel skalieren lässt. Mit schwindelerregenden Summen wurde nicht nur der europäische Waffenmarkt belebt, sondern zugleich ein geopolitisches Entwicklungsprojekt geschaffen, das im Finanzsektor auf wahre Begeisterungsstürme trifft. 700 Milliarden Euro sind allein für den Wiederaufbau geplant, ein Investment, das BlackRock mit leuchtenden Augen und gut geöltem Taschenrechner betrachtet. Krieg als Businessmodell? Ein alter Hut. Aber Krieg als Langzeit-Investment mit strategischen Partnerschaften zwischen Regierungen, Privatwirtschaft und NGOs? Eine Revolution!

Waffenlieferungen gegen Eigenkapitalbeteiligungen, Aufbauhilfe gegen Marktanteile, Geopolitik als Fondsmodell. BlackRock hat natürlich längst ein Auge auf die Ukraine geworfen und ist nicht allein: Von JP Morgan bis zur Weltbank haben sich die Finanzriesen positioniert, bereit, den Wiederaufbau als das zu sehen, was er ist: eine goldene Gelegenheit. Wo früher Staaten den Wiederaufbau mit Steuergeldern stemmten, springt heute das Kapital ein – selbstverständlich nicht aus Altruismus, sondern mit einer Renditeerwartung, die jedem Hedgefondsmanager Freudentränen in die Augen treibt.

Der Markt regelt das – und zwar uns

Wer also nach der Bundestagswahl 2025 noch glaubt, seine Stimme zähle, der hat das Spiel nicht verstanden. Politik ist nicht mehr Gestaltungsinstrument, sondern eine Notwendigkeit der Börsenregulierung, ein Sicherheitsventil gegen zu viel Unruhe auf den Finanzmärkten. Der Staat, einst ein Akteur, ist nur noch Kulisse. Die Demokratie? Ein Marketing-Gag mit eingebauter Schadensbegrenzung.

Und so ziehen sie weiter, die neuen Herrscher der Welt. BlackRock und Co. kaufen sich Länder, verwalten Konflikte, optimieren Kriege und maximieren Gewinne. Die Politiker lächeln dazu, bedanken sich artig und nehmen ihre Posten in den Aufsichtsräten an, wenn ihre politische Karriere endet.

Deutschland? Nun ja, es bleibt eine Wirtschaftszone mit humanitärer Dekoration. Die Bundestagswahl 2025 ist geschlagen. Aber das Ergebnis stand schon lange fest.

Letztlich war es nur eine Formsache.

Die heilige Dreifaltigkeit der faustbasierten Diplomatie

Es gibt Menschen, die glauben, dass Konflikte mit Worten gelöst werden können. Dass Argumente, Rhetorik, Debatten und Verhandlungen der Weg sind, um Missverständnisse aus der Welt zu räumen. Diese Leute haben ganz offensichtlich nie einen Bud-Spencer-Film gesehen. Denn wären sie mit diesen cineastischen Evangelien der groben Kelle aufgewachsen, sie wüssten: Ein Fausthieb ist oft weitaus effektiver als ein ganzer Absatz Diplomatie. Und wenn er von Bud Spencer kommt, ist er nicht nur effektiv, sondern ein moralisches Statement, ein Manifest der Gerechtigkeit, ein unmissverständlicher Kommentar zur Dummheit des Bösen.

Der Bud-Spencer-Film folgt dabei einem ebenso simplen wie genialen Prinzip: Erst lässt man die Schurken reden. Man hört sich das ganze dumme Geschwätz von Gaunern, Ganoven und korrupten Autoritäten geduldig an. Man betrachtet ihre wichtigtuerischen, oft geradezu kindlich-naiven Versuche, sich einen Vorteil zu erschleichen. Und dann, wenn der Zuschauer sich bereits kopfschüttelnd fragt, wie viel mehr Schwachsinn er noch ertragen muss, kommt die Faust. Sie kommt unvermittelt, sie kommt direkt und sie trifft immer ins Ziel. Sie ist das Göttliche im Mechanismus der Gerechtigkeit, das Unumstößliche, das Unwiderlegbare.

Die Kunst der humorvollen Zerstörung

Doch ist Bud Spencer ein bloßer Schläger? Ein tumbes Muskelpaket ohne Subtilität? Keineswegs! Seine Gewalt ist nie sadistisch, nie kalt, nie grausam. Sie ist eine Form der Humoristik. Wenn ein Ganove von einer Ohrfeige gleichsam wie eine nasse Zeitung durch den Saloon fliegt, dann ist das weniger brutaler Angriff als vielmehr eine Slapstick-Nummer, ein Cartoon mit realen Menschen. Spencer schießt nicht, er schlägt. Er tötet nicht, er diszipliniert. Er bringt Ordnung in das Chaos einer Welt, die nur allzu oft der Dummheit nachgibt. Und er tut es mit einem trockenen Gesichtsausdruck, der jedem britischen Stand-up-Comedian Ehre machen würde.

Und so sitzen wir vor diesen Filmen, lachen, klatschen in die Hände und wissen doch insgeheim: So sollte es sein! Die Welt wäre ein besserer Ort, würden sich mehr Menschen an die Spencer’sche Konfliktbewältigung halten. Keiner seiner Gegner hat je aus seiner Lektion gelernt? Mag sein. Aber keiner von ihnen konnte sie vergessen.

Ein Vorbild für die moderne Welt

Nun gibt es Menschen, die behaupten, Bud-Spencer-Filme seien naiv. Dass die Wirklichkeit komplizierter sei. Dass es in der Welt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht mit einer Ohrfeige getan sei. Diesen Menschen kann ich nur sagen: Schaut euch die Welt an! Ist sie durch Verhandlungen besser geworden? Ist die Diplomatie der Staaten von mehr Verstand und Ehrlichkeit geprägt als das Faustrecht eines Bud Spencer? Gibt es weniger Ungerechtigkeit, weniger Betrug, weniger Gier? Wohl kaum! Vielleicht wäre es an der Zeit, das Bud-Spencer-Prinzip endlich ernst zu nehmen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir in Verhandlungen weniger reden und mehr mit der Faust auf den Tisch hauen – im übertragenen Sinne natürlich.

Es geht nicht darum, blindlings zuzuschlagen. Es geht darum, klarzumachen, dass Worte allein nicht ausreichen, wenn man es mit Leuten zu tun hat, die nicht an Wörter glauben. Es geht darum, Haltung zu zeigen, Unnachgiebigkeit. Denn, und das ist die große Wahrheit, die uns Bud Spencer gelehrt hat: Es gibt Menschen, die verstehen nur eine Sprache. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass er recht hatte.

Wien 1913

Der Zufall als boshaftes Genie

Man stelle sich vor, ein böswilliger Gott oder wahlweise der Zufall, dieser blind torkelnde Narr der Weltgeschichte, hätte sich einen besonders schadenfrohen Scherz erlaubt: In einem verrauchten Wiener Kaffeehaus, irgendwo zwischen der Ringstraße und der eigenen Hybris, sitzen vier Männer, deren Namen sich später in die Geschichtsbücher fräsen würden. Doch 1913 sind sie lediglich Suchende, Getriebene, Mieter billiger Zimmer, Kunden zweifelhafter Schneider und gelegentliche Trinkschuldner.

Adolf Hitler, ein talentfreier Maler mit bizarrem Hass auf Architektur und noch bizarrerem Selbstverständnis, wettert gegen jüdische Kunsthändler, die seine Werke nicht kaufen wollen. Leo Trotzki, ein Revolutionär mit Gänsekiel und Weltformel im Kopf, schreibt feurige Artikel und hält sich für klüger als alle anderen. Josef Stalin, ein kaukasischer Kleinganove mit Hang zum übermäßigen Misstrauen, verteilt währenddessen Propagandazettel und notiert Namen für eine spätere Todesliste. Und Sigmund Freud? Er zieht schweigend an seiner Zigarre, mustert die Anwesenden mit klinischem Interesse und murmelt etwas von „unbewussten Komplexen“ und „infantilem Narzissmus“.

Was, wenn sie sich getroffen hätten? Was, wenn sie im Café Central bei Einspännern, Kipferln und gegenseitigen Verachtungstiraden gesessen wären? Hätten sie sich erkannt? Wohl kaum. Zu sehr waren sie von sich selbst überzeugt.

Wien als Kaleidoskop der Möglichkeiten

Es ist kaum auszuhalten: Wien 1913 ist der brodelnde Schmelztiegel Europas, ein Ort, an dem Monarchie und Moderne aufeinanderprallen wie ein Fiaker auf eine Straßenbahn. Die Stadt, getrieben von Opernklängen, antisemitischer Wühlerei und Kaffeehausdiskursen, ist eine Art historischer Nadelöhr-Alptraum.

Freud analysiert die Libido der Bourgeoisie, während Schiele und Kokoschka sie in grotesken Strichen festhalten. Hitler vegetiert in billigen Herbergen und hegt Rachefantasien gegen Professoren, die ihn nicht an der Kunstakademie wollten. Stalin, offiziell „nicht anwesend“, verdingt sich mit zweifelhaften Bankrauben für den bolschewistischen Untergrund. Trotzki poltert gegen den Kapitalismus und zahlt seinen Kaffee dennoch mit jenem verhassten Geld.

Wien ist das Jerusalem der Psychopathen, das Mekka der Ideologen, der Schmelztiegel der untergehenden Ordnung, das Babylon der Hochkultur. Hier formt sich, was Europa in den nächsten Jahrzehnten verwüsten wird, während Karl Kraus in der „Fackel“ das alles kommen sieht und sich sarkastisch über die Unfähigkeit der Zeitgenossen lustig macht.

Die Ironie der Geschichte, serviert mit Schlagobers

Die größte Satire hat die Geschichte immer noch selbst geschrieben.

Der künftige Führer Europas, der Maler werden wollte, aber nicht durfte. Der Revoluzzer, der in Wien mehr Zeit mit Schach als mit Klassenkampf verbrachte. Der psychopathische Diktator, der sich einst mit falschen Papieren durchschlug. Und der Begründer der Psychoanalyse, der all dies vermutlich auf ein ödipales Mutterproblem zurückführen würde.

Wäre Wien 1913 ein Theaterstück, man würde es als übertrieben abtun. Zu absurd, zu konstruiert, zu grotesk. Doch die Weltgeschichte ist oft nichts anderes als ein schlecht geschriebenes Drama mit dem denkbar schlechtesten Casting. Und während die vier Männer weiter an ihrem Kaffee nippen, plant ein gewisser Gavrilo Princip in Sarajewo bereits den ersten Pistolenschuss, der das ganze Gebäude zum Einsturz bringen wird.

Die Melange der Katastrophe

1913 ist das Jahr, in dem alles möglich gewesen wäre und nichts verhindert wurde. Wien, diese uralte Kaiserstadt, war der wackelige Wirtshaustisch, auf dem das Schicksal seine Karten mischte. Was, wenn man Hitler doch als Maler akzeptiert hätte? Was, wenn Trotzki in der Kürnbergergasse einen Schachclub gegründet hätte? Was, wenn Freud Stalin analysiert hätte?

Aber Geschichte lässt sich nicht mit „Was wäre, wenn“ umschreiben. Sie serviert uns den bitteren Espresso der Realität, lässt uns kurz die Sahne des Hätte-Seins schmecken und zieht dann die Tasse weg. Zurück bleibt nur das flaue Gefühl, dass Wien 1913 ein mörderischer Witz war, den keiner so recht verstanden hat.

Prosit, Weltgeschichte.

Die warmen Mahlzeiten des Herrn Babler

Der große Futterneid der Nation

Es gibt politische Versprechen, die sind so zärtlich formuliert, dass man sie am liebsten mit Messer und Gabel verspeisen möchte. „Warme Mahlzeiten für alle“, versprach einst der große Hoffnungsträger der österreichischen Sozialdemokratie, jener revolutionäre Feinschmecker der Gerechtigkeit, Andreas Babler. Doch just dieser kulinarische Robin Hood dreht nun an der Beitragschraube und nimmt den Pensionisten ein paar Dutzend Mittagessen weg. Wahrscheinlich in der festen Überzeugung, dass ein leerer Magen der politischen Bildung dienlich ist.

Noch im Jänner donnerte er im Parlament wie ein Kellner, der sich über geizige Gäste empört: „Als hätten es die Pensionistinnen und Pensionisten nicht schon schwer genug!“ Natürlich, man stelle sich vor: Sie sitzen da, geplagt von der Misere im Gesundheitswesen, von den Hürden der Pflege, vom unerträglichen Umstand, dass ein Viertel der Apotheken aus unerfindlichen Gründen die Blutdruckmedikamente erst nach drei Tagen liefern kann – und nun sollen sie auch noch auf ein warmes Gulasch verzichten! Welch himmelschreiende Ungerechtigkeit! Und der Schuldige ist rasch ausgemacht: Die ÖVP, dieser unermüdliche Catering-Dienst der Reichen, der stets dafür sorgt, dass beim Wirtschaftsbund und der Industriellenvereinigung die Trüffel nicht ausgehen.

Vom Gulaschkommunismus zur Suppenküche

Doch die Zeiten ändern sich, und die rot getünchte Gulaschkanone feuert plötzlich in eine andere Richtung. Der Babler von einst, der empörte Verteidiger der Pensionisten, entdeckt auf einmal eine neue Seite an sich: die des Sparmeisters. 270 Millionen Euro sollen also aus den ohnehin schon knurrenden Mägen der Ruheständler zur Budgetsanierung geschöpft werden. Eine Summe, die in etwa den jährlichen Kaviar-Bedarf eines durchschnittlichen Industriellen deckt, aber sei’s drum. „Solidarität“, wird man uns erklären, bedeutet ja bekanntlich, dass sich immer die Falschen solidarisch zeigen müssen.

Und was sind schon 30 warme Mahlzeiten im Monat, wenn man dafür das Budget retten kann? Man stelle sich vor, wie der ältere Herr im Wiener Gemeindebau, der sich nach dem Suppenteller sehnt, mit Tränen der Rührung die Meldung vernimmt: „Dank deiner Entbehrung, lieber Rentner, haben wir das Finanzloch um exakt 0,0003 Prozent verringert!“

Eine Frage des politischen Geschmacks

Natürlich ist es verwegen, einem Sozialdemokraten eine gewisse Skrupellosigkeit zu unterstellen, wenn er das tut, was Sozialdemokraten nun mal tun: Versprechen machen, um sie später mit der Präzision eines Chirurgen zu sezieren. Aber lassen wir die Ironie für einen Moment beiseite – wäre es nicht nur fair, wenn Herr Babler, um ein Zeichen zu setzen, selbst einige warme Mahlzeiten weglassen würde? Vielleicht auf eine satte Parlaments-Gulaschsuppe verzichten? Oder, noch radikaler: ein Jahr lang nur von den durchschnittlichen Einkünften eines Mindestrentners leben? Dann könnte er sich aus erster Hand davon überzeugen, wie sich sein Sparpaket auf die Speisekarten der kleinen Leute auswirkt.

Aber nein, so läuft das natürlich nicht. Stattdessen bleibt uns nur die Hoffnung, dass in irgendeinem Keller der Sozialdemokratie ein verschollener Koch sitzt, der endlich wieder jene Rezepte hervorzaubert, die nicht nur den Magen füllen, sondern auch die Seele wärmen. Bis dahin bleibt uns nur, mit vollem oder leerem Magen, der bittere Beigeschmack der Politik: Sie serviert uns stets das, was uns am wenigsten schmeckt.