Afrikas Wirtschaft: Zwischen Großsprecherei und Großbaustellen

Von Visionen, die die Realität höflich ignorieren

Es gibt Dinge, die wiederholen sich so zuverlässig wie der Sonnenaufgang über dem Äquator. Dazu gehört der Zyklus aus Hoffnung, Hybris und hilflosem Schulterzucken, der die Berichterstattung über Afrikas Wirtschaftsaussichten prägt. Alle paar Jahre wird Afrika der „Wachstumsmarkt der Zukunft“ genannt, als wäre dieser Satz ein Mantra, das allein durch Wiederholung die Realwirtschaft stimuliert.

2013 erfand die Afrikanische Union die „Agenda 2063“. Ein Masterplan, der sich liest wie das Menü eines Fünf-Sterne-Restaurants in einem Land, das weder einen Herd noch Teller besitzt. Armut beseitigen, den Anteil am Welthandel verzehnfachen, Frieden stiften, Demokratie verbreiten, Bildung, Infrastruktur, Industrialisierung, Digitalisierung – kurz: den Kontinent neu erfinden. Es fehlte eigentlich nur noch das Versprechen, das Wetter ab 2063 auf „sonnig mit gelegentlichen Hoffnungsschauern“ einzustellen.

Doch Visionen sind in Afrika oft der eleganteste Weg, um die Wirklichkeit höflich zu umgehen. Man schreibt schöne Konzepte, gründet runde Tische, veranstaltet Gipfel mit PowerPoint-Folien, deren Ästhetik der Grafikabteilung der UNO Tränen der Rührung entlockt. Währenddessen kreisen die Geier weiterhin über den Rohstoffminen, und der korrupte Funktionär unterschreibt den nächsten Vertrag mit dem Kugelschreiber, den ihm ein chinesischer Investor beim Abendessen gereicht hat.

Die Freihandelszone: Ein Kontinent wird zur Baustelle

Das Paradepferd der wirtschaftlichen Integration heißt AfCFTA – Afrikanische Kontinentale Freihandelszone. Ein Traum von einem Binnenmarkt mit 1,5 Milliarden Menschen und einem BIP von 3,4 Billionen Dollar. Nur dumm, dass ein gemeinsamer Markt nicht allein durch diplomatische Unterschriften entsteht, sondern durch Straßen, Brücken, funktionierende Gerichte und die Abwesenheit von Bürgerkriegen.

Der innerafrikanische Handel dümpelt bei 15 Prozent des Handelsvolumens. In Europa sind es 69 Prozent. Warum? Weil es schwer ist, Tomaten aus Togo nach Benin zu verkaufen, wenn der Lastwagenfahrer zuerst drei Grenzbeamten, zwei Warlords und einem spleenigen Zollchef mit Guerilla-Vergangenheit Bakschisch zahlen muss. Und falls der LKW dann noch fährt, sind die Tomaten auf halber Strecke verrottet, weil jemand vergessen hat, den Asphalt unter der Straße zu installieren.

Doch man wäre ungerecht, nur zu spotten. Es gibt Lichtblicke. Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) zum Beispiel, die tatsächlich sowas wie funktionierende Institutionen aufbaut. Ein gemeinsamer Markt, sogar eine geplante Währungsunion. Ostafrika zeigt, dass Kooperation möglich ist, wenn sich nicht gerade der nächste General mit Sonnenbrille als Präsident auf Lebenszeit proklamiert.

Der Hochgeschwindigkeitszug – Geschwindigkeit auf afrikanisch

Ein besonders amüsantes Kapitel des afrikanischen Wirtschaftsepos ist der Plan für ein integriertes Hochgeschwindigkeitszugnetz, das alle Hauptstädte verbindet. Wer Afrika kennt, weiß: Schon das Wort „Zug“ ist vielerorts eine archäologische Referenz an die Kolonialzeit. Die Schienen existieren noch – als wuchernde Mahnmale aus der Zeit, als Europäer Schienen verlegten, um Elfenbein und Erze effizienter abzutransportieren.

Heute fährt da kaum noch was. Und wenn, dann mit der gemächlichen Geschwindigkeit eines Kamelkarawans. Der geplante panafrikanische Schnellzug ist also so realistisch wie ein Tesla-Supercharger in der Sahelzone. Doch die AU hat China ins Boot geholt. Wer auf Unabhängigkeit pocht, unterschreibt halt gerne neue Abhängigkeiten mit Peking. Mit etwas Glück entsteht bis 2063 zumindest der Bahnhofsvorplatz – mit einem Denkmal, das den Baubeginn feiert.

Von Rohstoffflüchen und Wertschöpfungsillusionen

Rohstoffe sind Afrikas Schatz und Afrikas Fluch. Vom Kobalt des Kongo bis zu den Diamanten Botswanas. Und während westliche NGOs auf Fair-Trade-Likör schwenken, kaufen sich chinesische Unternehmen in Minen ein, als gäbe es kein Morgen. In der Demokratischen Republik Kongo besitzen chinesische Firmen 15 der 19 Kobaltminen. Wer da noch von „Partnern auf Augenhöhe“ spricht, sollte dringend seinen Augenarzt konsultieren.

Botswana hingegen zeigt, wie es anders gehen kann: Der Staat verkauft inzwischen 15 Prozent der Diamanten selbst. Das nennt man in Afrika bereits Wirtschaftswunder, obwohl es in Europa als solide Haushaltspolitik durchginge. Namibia verbietet den Export von Rohstoffen in Rohform. Gabun plant das für Mangan. Der Kongo stoppt den Kobaltexport, weil der Preis im Keller ist – was wirtschaftlich ungefähr so ist, als würde ein Bäcker Brötchenverkäufe einstellen, weil die Kunden nicht genug zahlen.

BRICS, Blöcke und Blockaden

Inzwischen drängen neue Spieler auf den afrikanischen Markt. Die BRICS-Allianz – früher ein illustres Grüppchen aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – nutzt Afrika als Bühne für den globalen Systemwettbewerb. Der Westen spricht von „Partnerschaft“, Russland liefert Söldner, China investiert in Infrastruktur (mit Tilgungsklauseln, die man besser nicht zu genau liest).

Die Sahel-Staaten haben der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft den Rücken gekehrt und suchen ihre Zukunft bei Putin & Co. Wer die Wahl hat zwischen französischem Neokolonialismus und russischer Autokratie, wählt halt das kleinere Übel – oder das größere Chaos. Ein Ende der Misere ist nicht in Sicht, aber immerhin gibt es regelmäßig neue Logos für neue Organisationen, die in Brüssel gedruckt werden. Auch das schafft Arbeitsplätze. In der Druckerei.

Agenda 2063 – Zwischen Absichtserklärung und Alibi-Politik

Die Agenda 2063 bleibt ein gigantisches „Work in Progress“. Der Kontinent mit der höchsten Geburtenrate hat bis heute keine industrielle Basis aufgebaut, die den Jobmarkt entlasten könnte. Der informelle Sektor blüht, während der formelle Arbeitsmarkt eine exotische Ausnahme bleibt – eine Art Einhorn der Ökonomie.

Die Regierenden lieben große Worte und kleine Taten. Sie verhandeln lieber mit Weltbank und IWF über neue Kredite als mit der eigenen Bevölkerung über politische Reformen. Demokratie ist dabei nicht unbedingt das bevorzugte Gesellschaftsmodell – es sei denn, man kann sie als Feigenblatt benutzen, um den nächsten Rohstoff-Deal durchzuwinken.

Migration nach Europa bleibt für viele der einzig greifbare Wirtschaftsplan. Währenddessen schickt der Westen Hilfsgelder, die oft den Weg in die Villenviertel der Hauptstädte finden. Dort entstehen dann Swimmingpools, während auf dem Land weiterhin Brunnen fehlen.

Schlussbetrachtung: Der Kontinent der großen Erwartungen

Afrika hat ohne Zweifel gewaltiges Potenzial. Aber das ist nichts Neues – Potenzial hatte der Kontinent auch 1960. Und 1980. Und 2000. Die Agenda 2063 ist in Wahrheit eine Agenda der politischen Selbsthypnose: Man setzt sich Ziele, die so weit entfernt sind, dass ihre Nichterreichung den aktuellen Verantwortlichen garantiert nicht mehr angelastet werden kann.

Doch wer weiß? Vielleicht schafft Afrika es tatsächlich, sich aus den Fesseln des Rohstofffluchs zu befreien, den Handel zu liberalisieren, die Korruption einzudämmen und den Wohlstand zu mehren. Vielleicht fliegt auch eines Tages ein Schwein über den Viktoriasee.

Bis dahin bleibt der Kontinent ein Ort der großen Widersprüche: Reich an Ressourcen, arm an Umsetzung. Voller Versprechen, voller Probleme. Ein Kontinent, der alles sein könnte – und oft das bleibt, was andere aus ihm machen.


„Die Zukunft Afrikas? Vielleicht besser, wenn wir sie nicht in Konferenzsälen erfinden, sondern vor Ort gestalten. Mit mehr Tat und weniger Tagung.“

Vielen Dank, Frau Nuland!

Die große Demokratie-Manufaktur: Exportware „Schicksalsmoment“

Es war einmal – denn so beginnen Märchen, auch wenn sie geopolitisch enden – eine Nation namens Ukraine, die man auf der Landkarte finden konnte, irgendwo zwischen der nostalgischen Großmacht Russland und dem neoliberalen Debattierclub namens EU. Ein Land, das auf der Karte ein Staat war, in der Praxis jedoch eher ein globales Experimentierfeld: ein Gemischtwarenladen aus Korruption, Oligarchen, patriotischem Pathos und unheilbarer Post-Sowjet-Depression.

In dieses brüchige Gefüge trat eine Frau, die sich so gar nicht wie eine Märchenfigur benahm, sondern eher wie eine skrupellos-lächelnde Filialleiterin der globalen Ordnungspolitik. Victoria Nuland, diplomatische Projektmanagerin im Dienste der Freiheit. Ihre Mission: Demokratie aus dem Instant-Beutel. Einfach heißes Wasser drüber, fünf Minuten ziehen lassen, umrühren – fertig ist der Regimewechsel.

„Fuck the EU“, murmelte sie ins Telefon, das dummerweise nicht auf Standby stand. Und siehe da, der Vorhang fiel. Der Westen klatschte, der Osten knirschte mit den Zähnen, und der naive Beobachter rieb sich die Augen: Sollte das alles wirklich so plump sein? Ja. Es war so plump. Plumper geht’s nicht. Geopolitik ist eben keine Kunst, sondern Handwerk. Grobschmied statt Goldschmied.

Von Keksen und Kalaschnikows: Der Maidan als Eventformat

Man stelle sich das vor: Eine aufgebrachte Menge friert sich auf dem Kiewer Maidan die Füße ab, während Frau Nuland mit Pappkarton und Thermoskanne erscheint, als wäre sie die Tante vom Roten Kreuz. Kekse verteilt sie. Cookies für die Demokratie. Zucker für die Zivilgesellschaft. Wer braucht schon Staatskunst, wenn es Gebäck gibt?

Natürlich war das nur die PR-Schicht. Unter der Glasur lief längst der Maschinenraum heiß: Think Tanks, NGOs, US-finanzierte Medientrainer und das übliche revolutionäre Equipment, das in der Rüstungsetage von Freedom House und Co. auf Lager liegt. Man hatte investiert – fünf Milliarden Dollar schwer, wie Frau Nuland stolz verkündete. Kein schlechtes Budget für einen Staatsumbau, wenn man bedenkt, dass man dafür andernorts zwei Flughäfen und eine Kleinstadt bekommt. Hier gab’s dafür „Demokratie-Infrastruktur“.

Infrastruktur bedeutet im Nuland’schen Wörterbuch allerdings nicht Brücken, sondern Brückenköpfe. Nicht Krankenhäuser, sondern Diskursfabriken. Und vor allem keine Straßen, sondern Schneisen in der Souveränität.

Der Maidan war also kein spontaner Volksaufstand allein, sondern auch das Pilotprojekt einer geopolitischen Startup-Idee: Regime Change as a Service.

Der Vorschlaghammer der Freiheit

Als Präsident Janukowitsch fiel – jener schmierige postsowjetische Don Corleone-Verschnitt mit dem Hang zu goldenen Badewannen und rostigen Loyalitäten – da klatschte der Westen. Endlich Demokratie! Endlich ein Sieg der Zivilgesellschaft! Dass Janukowitsch gewählt war? Ach, geschenkt. Wer das falsche Lied singt, wird eben aus dem Chor entfernt. Notfalls mit Tränengas und Scharfschützen, deren Herkunft bis heute nebulös bleibt. Aber wer fragt bei Schicksalsmomenten schon nach forensischer Genauigkeit?

So wurde aus einem „Volksaufstand“ ein geopolitisches Schachmatt, eingeleitet mit der Eleganz eines Vorschlaghammers. Der neue Premier wurde nicht gewählt, sondern bestellt – per Telefonat, als ob es um den nächsten Uber-Fahrer ginge. Nuland machte klare Ansagen, wer den Posten zu besetzen habe. Wer noch an souveräne Entscheidungen glaubte, konnte jetzt getrost den letzten Rest Idealismus im Kiewer Winternebel entsorgen.

Ein Pulverfass auf Kredit

Doch was blieb übrig, nachdem die Konfetti-Kanonen des westlichen Medienjubels verstummt waren? Ein Land, das zerrissener denn je ist. Ein Bürgerkrieg im Osten, Oligarchen im Westen, NATO-Träume in der Regierung und realpolitischer Katzenjammer auf den Straßen. Günstigeres Gas? Fehlanzeige. Dafür Militärhilfen, IMF-Kredite mit Kleingedrucktem und ein neues Kriegsziel auf der Stirn.

Das Land wurde zur Frontlinie aufgerüstet – nicht gegen Korruption, sondern gegen Moskau. Der Preis? Ein geopolitisches Pulverfass mit offenem Zündschnurende. Bezahlt wurde es in Dollar, gezündet mit politischer Hybris.

„Fuck the EU“ war nicht bloß ein Ausrutscher im Tonfall – es war das Bekenntnis zu einer Politik, die keine Partner kennt, sondern nur Spielfiguren.

Der Zynismus als Methode

Man könnte das alles zynisch finden. Aber das wäre naiv. Zynismus ist hier keine Nebenwirkung, sondern Methode. Wer Weltpolitik betreibt, muss den Idealismus beim Check-in abgeben. Demokratie, Freiheit, Menschenrechte – das sind Schlagwörter für Pressekonferenzen, nicht für Operationspläne.

In der realen Welt zählen Interessen, Pipelines, Rüstungsverträge und Einflusszonen. Wer das nicht versteht, wird wahlweise überrollt oder instrumentalisiert.

Frau Nuland hat das verstanden. Sie ist keine Figur aus einem Hollywood-Drama, sondern aus der Betriebsanleitung des geopolitischen Maschinenraums. Dort, wo der Begriff „Souveränität“ nur noch als Eintrag im Wörterbuch existiert – gleich neben „Moral“ und „Völkerrecht“.

Das Nachspiel der Eskalation: Wenn die Rechnung vom Krieg geschrieben wird

Das Pulverfass Ukraine explodierte nicht mit einem dramatischen Knall, sondern mit einem endlosen Crescendo aus Explosionen, Sanktionen, Konferenzen und endlosen Statements. Ein Land, das zum globalen Schlachtfeld wurde, auf dem zwischen Kriegsschauplätzen und Verhandlungstischen die Rechnung geschrieben wird. Aber nicht etwa von denen, die das Pulver verstreuten – nein, die Rechnung tragen vor allem die Rechnungszahler. Die einfachen Leute, die Familien in Donbass, die Rentner in Kiew, und natürlich die Steuerzahler in Berlin, Brüssel und Washington, die per Dauerabonnement für diesen Wahnsinn blechen.

Man stelle sich das vor: Während in den Metropolen der Welt die Lobbyisten mit teuren Weinen die Sanktionen feiern, schaut der durchschnittliche Bürger auf seine steigenden Heizkosten, die leeren Supermarktregale und die unsichtbare, aber drückende Last von Kriegsangst. Die Eskalation wurde zum Verhandlungsthema – ein endloses Hin- und Her von Ultimaten und Kompromisslosigkeiten, die so aussehen, als wären sie aus dem Lehrbuch der Kalten Kriege, das man staubig in einem Büro in Brüssel liegen ließ.

Die EU – das geopolitische Möbelstück

Man muss der EU zugutehalten: Sie ist unbestechlich… unbestechlich unbeweglich, eine Institution, die sich mit der Eleganz einer antiken Steinskulptur gegen jegliche Innovation stemmt. Die EU ist längst kein aktiver Player mehr, sondern eine Art verchromter Gartenzwerg im geopolitischen Garten, der brav nickt, wenn andere sprechen, und gelegentlich mit den Ohren wackelt, wenn es um die wirklich großen Entscheidungen geht.

Als die Ukraine zum Schachbrett der Großmächte wurde, blieb die EU der Zaungast – eine politische Fußnote, die lieber komplizierte Sanktionen formulierte als eigene Visionen entwarf. Während Washington den Stab führte, agierte Brüssel vor allem als moralischer Befehlsempfänger, der verzweifelt versuchte, das Bild von Wertegemeinschaft aufrechtzuerhalten, ohne dabei seine wirtschaftlichen Interessen oder die Nervosität der Nachbarstaaten wirklich zu artikulieren.

Im Grunde ist die EU das Möbelstück, auf das man sich stützt, wenn man höflich wirken will, das aber jeder wegschieben kann, wenn’s ernst wird. Die Folge: Eine zerfaserte Front, die nur noch in sonntäglichen Gipfelerklärungen existiert – viel Symbolik, wenig Substanz.

Die Tragikomödie der Sanktionen: Wirtschaftskrieg mit Lachern

Sanktionen, diese feinen Werkzeuge der Diplomatie, entpuppten sich schnell als das politische Äquivalent von Schuhen in der falschen Größe: Man tritt sich selbst, den Nachbarn und vor allem den eigenen Unternehmen auf die Zehen. Während man Russland isolieren wollte, isolierte man sich selbst in einem Tanz der Hybris, der eher an eine absurde Theateraufführung erinnerte als an effektive Politik.

Die russische Wirtschaft? Wie ein Boxer mit zäher Kinnlade, der sich trotz Schlägen wieder aufrappelt. Die europäischen Verbraucher? Die zogen die Rechnung. Spritpreise, Lebensmittelpreise, und eine Inflation, die uns elegant um den Hals schlängelt wie eine politisch verordnete Schlange im Supermarktregal.

Die Sanktionen wurden zum Symbol einer Tragikomödie, bei der die Zuschauer auf den Rängen vor Wut toben, während die Akteure auf der Bühne in der Rolle der gut gemeinten Unbeholfenheit glänzen. Im Ergebnis: Ein Wirtschaftskrieg, der vor allem den Mittelstand und die Arbeiterklasse trifft – so viel zu den „Werten“, die man angeblich verteidigt.

Showdown zwischen „Werten“ und Waffenexporten: Der moralische Balanceakt

Man könnte meinen, Wertepolitik und Waffenhandel seien unvereinbare Gegensätze. Doch der moderne Staat ist Meister im Jonglieren dieser Widersprüche: Auf der einen Seite die feierliche Inszenierung von Menschenrechten und Demokratie, auf der anderen Seite ein florierender Markt für Kalaschnikows und Drohnen, die „für die Freiheit“ verkauft werden.

Die Ukraine wird dabei zum Schaufenster, auf dem man Waffenexporte als „Defensivhilfe“ etikettiert, während gleichzeitig von „Diplomatie“ gefaselt wird. Ein grotesker Balanceakt, bei dem „Frieden schaffen ohne Waffen“ wie eine Fußnote im Pressematerial untergeht, weil es wirtschaftlich schlicht unlukrativ ist.

Die politischen Akteure leben in der Illusion, sie könnten durch moralisch aufgeladene Rhetorik und Panzerlieferungen gleichzeitig Tugend demonstrieren und Interessen durchsetzen. Doch in Wahrheit ist das ein Tanz auf dem Vulkan, der am Ende nur einen Sieger kennt: das Kriegsgerät, das in der Dunkelheit wächst und gedeiht.

Aus dem Blickwinkel des Bären: Russlands geopolitische Katerstimmung und die NATO-Einkreisung

Wenn man die Geschichte aus russischer Perspektive betrachtet, wird das geopolitische Puzzle gleich ein Stück komplizierter – und ehrlicher. Denn während der Westen die Ukraine als „Schicksalsmoment der Freiheit“ feiert, erlebt Moskau den Vorgang als eine narrative Kränkung, die tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt ist.

Russland, der große Bär mit seinen imperfekten Zähnen und der muffigen Pelzjacke, sieht sich seit Jahrzehnten von einem schleichenden Prozess der Einkreisung umgeben. Ein Prozess, der nicht mit warmen Worten verläuft, sondern mit der schrittweisen Ausdehnung der NATO bis direkt an die eigenen Grenzen – von Polen bis zum Schwarzen Meer, von den baltischen Staaten bis zur Schwarzmeerhalbinsel Krim.

Für Moskau ist die NATO keine Verteidigungsallianz mehr, sondern eine erdrückende Umklammerung. Ein hemmungsloses Vordringen in das geopolitische Wohnzimmer, in dem Russland jahrzehntelang die Möbel selbst gestellt hat. Jeder Schritt der NATO-Expansion ist für den Kreml eine Provokation – eine Demütigung, die man nicht länger stillschweigend akzeptieren will.

Die Sicherheit als Mythos und Realität

Man könnte sagen, dass Russlands Forderungen nach „roten Linien“ nichts weiter als Sicherheitsbedenken sind. Doch der Westen hört zu – wenn überhaupt – wie jemand, der einem nervigen Nachbarn zuhört, der mit dem Gartenschlauch droht, weil man sein Parzellenrecht nicht anerkennt. Die Forderungen nach einer „neutralen Ukraine“, die keine NATO-Mitgliedschaft anstrebt, gelten als obskure Manöver eines autokratischen Zaren, der mit Angstpolitik arbeitet.

Aber die Realität ist: Für Russland ist die Ukraine kein beliebiges Nachbarland, sondern Teil einer historisch und kulturell aufgeladenen Einflusssphäre. Die Erweiterung der NATO hinterlässt deshalb das Gefühl, als ob ein alter Freund, der jahrelang an der Tür stand, plötzlich die Wohnung einrichtet und die Möbel umstellt – und zwar nicht zum Wohl des Hausherrn.

Diese Angst vor strategischer Einkreisung ist in Moskau nicht einfach eine Paranoia, sondern eine existentielle Wahrnehmung. Ob man diese Perspektive teilt oder nicht, spielt für die Dynamik des Konflikts eine immense Rolle.

Der Bär schlägt zurück: Machtpolitik im Zeitalter der Hybris

Russlands Antwort auf die NATO-Erweiterung ist so alt wie die Machtpolitik selbst: Härte, Abschreckung, Demonstration von Stärke. Dabei kann man Putin und sein Umfeld vieles vorwerfen, aber keine Illusionen – hier wird mit kaltem Kalkül agiert, nicht mit naivem Idealismus.

Der Einmarsch in die Ukraine 2014, die Annexion der Krim, die Unterstützung der Separatisten im Donbass – all das sind Bausteine einer Strategie, die verhindern soll, dass die geopolitische Einengung weiter voranschreitet. Natürlich mit humanitären Katastrophen, Kriegsverbrechen und internationaler Ächtung als Begleitmusik.

In diesem Konflikt zeigt sich der Kampf zwischen alter und neuer Weltordnung. Einerseits die NATO, die sich inmitten globaler Machtverschiebungen behaupten will, andererseits Russland, das mit nationalem Pathos und strategischem Kalkül versucht, verlorene Einflusszonen zu verteidigen.

Die Dialektik der Einkreisung: Opfer und Aggressor im Spiegel

Ironischerweise wird Russland oft als der Aggressor dargestellt, dabei ist es selbst Opfer einer Dialektik, die kaum zu entwirren ist: Je mehr Moskau seine Interessen behauptet, desto mehr bestärkt der Westen seine Sicherheitskoalitionen. Und je stärker diese Koalitionen werden, desto radikaler fühlt sich Russland bedroht.

Diese Spirale der Eskalation ist der Tanz der Großmächte im Zeitalter der Hybris, wo Dialog nur noch als Schwäche gilt und Pragmatismus von Moral ersetzt wird – oder umgekehrt. Der Bär ist eingekreist, und der Tanz um die Ukraine ist zugleich ein Kampf um Selbstbehauptung, Image und zukünftige Machtverhältnisse.

Schlusswort: Demokratie, Macht und der Tanz auf dem Pulverfass

So endet das Märchen von Ukraine, Westen und Osten nicht mit einem klassischen Happy End, sondern mit einer Fortsetzung, die keiner so recht schreiben will – oder kann. Ein Theaterstück ohne Schlussapplaus, dafür mit langen Pausen, in denen die Statisten noch versuchen, ihren Text zu lernen, während die Regisseure längst die Bühne gewechselt haben.

Die Ukraine wurde zum Schauplatz eines globalen Machtspiels, in dem Ideale und Werte oft nur Staffage sind, Kulisse für das eigentliche Drama: das Ringen um Einfluss, Sicherheit und wirtschaftliche Interessen. Frau Nuland und ihre Kekse sind dabei nur eine Metapher für eine Politik, die weder frei noch demokratisch ist, sondern vielmehr ein komplexes Geflecht aus Strategie, Hybris und Realpolitik.

Die EU, als geopolitisches Möbelstück, rückt sich noch ein bisschen zurecht, während die Sanktionen ihre Tragikomödie spielen, die vor allem den kleinen Leuten und den Märkten zusetzt. Russland fühlt sich eingekreist und reagiert mit der Härte des verletzten Bären – ein animalischer Reflex, der ebenso verständlich wie verhängnisvoll ist.

Und mittendrin die Ukraine, ein Land zwischen Identitätskrise und Kriegsschauplatz, zwischen Hoffnung und Zerstörung, zwischen Freiheitstraum und geopolitischem Albtraum.

Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: In der großen Inszenierung der Weltpolitik sind Werte oft das Buffet, von dem man sich je nach Bedarf bedient. Und Freiheit – echte Freiheit – ist ein Luxus, den nur wenige sich leisten können, solange die Mächtigen auf dem Pulverfass tanzen.

Vielen Dank, Frau Nuland. Fuck the EU. Und Prost auf die Demokratie – mögen die Kekse nie ausgehen.

Die dressierte Mehrheit

oder: Warum wir gerne die Geisel sind

Der Mensch ist ein erstaunliches Wesen. Er baut Kathedralen, komponiert Symphonien, entschlüsselt das Genom – und legt gleichzeitig in vorauseilendem Gehorsam die eigene Mündigkeit auf den Altar der Bequemlichkeit. Er hätte denken können, aber er hat lieber geklickt. Er hätte widersprechen können, aber er hat sich einen Kaffee gemacht. Der Aufstand bleibt aus, weil der Bildschirm leuchtet.

Der Beherrschte von heute ist kein Sklave mehr, sondern ein Kooperationspartner in seiner eigenen Entwürdigung. Der Kniefall wird als Yoga-Übung verkauft, und man bedankt sich noch beim Trainer für die Anleitung. Statt Fesseln gibt es Compliance-Schulungen, statt Peitschen Toleranz-Workshops. Wer widerspricht, ist nicht mehr der Rebell, sondern der Störer der Prozessabläufe. Und Prozesse müssen fließen, wie wir wissen. Alles muss laufen, sogar der Verstand – den Bach runter, natürlich.

Die Geisel liebt ihren Zustand, solange es WLAN gibt und der Kühlschrank voll ist. Das nennt man dann Fortschritt.

Die totalitäre Wellnesszone

Der klassische Tyrann verlangte Gehorsam, der neue Tyrann verlangt Zustimmung. Es reicht nicht mehr, zu schweigen – man muss begeistert sein. Wer heute nicht mitklatscht, wird gesperrt, gelöscht, ausgegrenzt. Nicht durch die Polizei, sondern durch das Kollektiv der braven Bürger, die in ihren Filterblasen hocken wie unter Tupperdeckeln: luftdicht abgeschlossen, aber hygienisch korrekt.

Die Herrschaft von heute ist ein Spa-Erlebnis. Überall warme Worte, sanfte Stimmen, beruhigende Apps. Die totale Überwachung wird als Gesundheitsschutz verkauft, der totale Konsum als Selbstverwirklichung. Das ist der Endzustand der modernen Gesellschaft: die perfekte Kombination aus Übergriffigkeit und Kuschelfaktor. Der Orwell’sche Big Brother ist passé – jetzt gibt es Big Mother. Und Mutter weiß bekanntlich, was gut für dich ist. Ob du willst oder nicht.

Der Konsument als Kastrat

Ein aufrechter Mensch könnte rebellieren, aber dazu müsste er erst mal aufhören, Pakete zu bestellen. Der Konsument ist der perfekte Untertan: Er möchte nichts wissen, nur kaufen. Der gläserne Bürger schreit nach Datenschutz, während er mit seiner Smartwatch seine Herzfrequenz an Versicherungen übermittelt. Die totale Kontrolle wird freiwillig eingerichtet – mit Alexa, Siri und Google Pay. Der Kühlschrank weiß mehr über den Menschen als der eigene Partner.

Die Konsumgesellschaft hat den Menschen auf seine primitivste Funktion reduziert: fressen, klicken, liken, nicken. Aufklärung war gestern. Heute ist Prime Day.

Die Medien: Der betreute Gedankenraum

Die Presse, einst der „vierte Stand“, ist längst zum Erfüllungsgehilfen der Herrschaft geworden – allerdings im bunten Kostüm. Journalismus heute heißt nicht mehr, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, sondern den Beherrschten zu erklären, warum sie die Finger nicht heben sollen. Man nennt das dann Haltungsjournalismus, weil es sich besser verkauft als Hofberichterstattung. Der Unterschied? Früher wurde der König bejubelt, heute wird das System beworben – und wer nicht mitmacht, ist „rechts“, „radikal“, „asozial“, „Gefährder“, „Verschwörer“, „Delegitimierer“. Wörter wie Keulen, in industriellem Maßstab gefertigt.

Die Medien betreiben heute kein Informationsgeschäft mehr, sondern eine Dauertherapie der Massen. Der Bürger wird nicht informiert, sondern sediert. Nachrichten sind Wellness fürs Gehirn: leicht bekömmlich, gut verdaulich, vorgekaut. Der Rest ist Propaganda, aber in vegan.

Der Staat als pädagogische Anstalt

Früher wollte der Staat Steuern, heute will er dein Gewissen. Er will dich nicht mehr nur kontrollieren, er will dich verbessern. Der Bürger wird umgeformt, neu kalibriert, standardisiert – auf Linie gebracht, freundlich natürlich, mit pädagogischem Lächeln. Man nennt das dann Wertevermittlung. Das Ergebnis ist ein moralisch gestanzter Einheitsmensch mit CO₂-Fußabdruck-Scham, politisch korrekter Sprachfilterung und einem Dauerschuldgefühl, das sich hervorragend als Herrschaftsinstrument eignet.

Die totale Übereinstimmung zwischen Beherrschten und Herrschenden ist kein Versehen, sondern Staatsziel. Der perfekte Bürger klagt nicht mehr über Gängelung, sondern bittet um mehr davon. Der neue Untertan möchte nicht befreit werden, sondern optimiert.

Das Ende der Zivilisation als Event mit Buffet

Man könnte meinen, das sei alles schlimm. Aber nein – es ist schlimmer: Es wird als Fortschritt gefeiert. Der Untergang wird heute nicht mehr befürchtet, sondern gebucht. Inklusive Bio-Catering und Genderseminar.

Die Gesellschaft zerfällt nicht, sie wird Event-isiert. Das Ende der freien Rede wird mit Diversity-Workshops flankiert, der Verfall der Kultur mit Influencer-Kampagnen beworben. Der Bürger konsumiert den eigenen Verfall als Serie auf Netflix und bestellt sich dazu noch Sushi. Während die Welt brennt, wird noch schnell der Thermomix geliefert.

Letzter Aufruf zum Untergang: Bitte anschnallen

Was bleibt? Nichts, außer einem zynischen Lächeln. Man könnte versuchen, aufzuwachen, aber wozu? Der Schlaf der Massen ist so komfortabel eingerichtet, dass der Wecker als Angriff empfunden wird. Die Geisel will nicht befreit werden, sondern in Ruhe gelassen – in Ruhe weiter konsumieren, weiter glauben, weiter klatschen. Das Stockholm-Syndrom hat gesiegt, weil es so bequem ist.

Vielleicht war die Freiheit sowieso nur ein Betriebsunfall der Geschichte.

Von Zwergen, Filzläusen und geistiger Umweltverschmutzung

Warum alle, die heute über den Ton im Parlament weinen, dringend mal wieder Strauß und Wehner hören sollten

Es gibt Dinge, die sind in Deutschland immer gleich. Der Fußball wird entweder schlecht oder zu defensiv gespielt, die Bahn kommt entweder gar nicht oder mit Ansage zu spät, und der politische Diskurs ist entweder „verroht“ oder „besorgniserregend im Ton“. Letzteres wird derzeit wieder in epischer Breite beklagt. Kaum wird im Bundestag ein Satz mit erhobener Stimme gesprochen, schon ruft irgendein medialer Schwanengesang den demokratischen Sittenverfall aus. Die Republik, so scheint es, wird von Wortgewaltigen belagert. Der politische Anstand sei in Gefahr, die Debattenkultur kurz vor dem Exodus.

Man fragt sich, ob diese Kommentatoren ihre Erinnerungen irgendwo im Weichspülgang der Geschichte verloren haben. Oder ob sie tatsächlich glauben, dass der Parlamentarismus in den 1970ern ein Kamingespräch unter Klosterschwestern gewesen sei.

Der Bayerische Orkan – Franz Josef Strauß im Originalton

Franz Josef Strauß war kein Freund der leisen Töne. Strauß war die menschgewordene Gegenwart des Orkans im Parlamentarismus. Wenn er sprach, dann zitterte nicht nur das Rednerpult, sondern mitunter auch das Raum-Zeit-Kontinuum. Seine Angriffe? Episch. Seine Wortwahl? Jenseits jeder Pressesprecher-Syntax. Heute würde man nach jedem dritten Satz den Presserat anrufen.

Ein paar Kostproben gefällig?

Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.

Das ist nicht nur ein Aphorismus, das ist eine rhetorische Betonplatte, die bis heute über der politischen Romantik lastet. Hätte Strauß im Bundestag sanft gegrummelt, wäre er heute vergessen. Stattdessen donnerte er:

Die Opposition benimmt sich wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen!

Und wenn ihm die politische Konkurrenz allzu sehr auf den Wecker fiel, erklärte er sie kurzerhand für intellektuell minderbemittelt:

Die geistige Umweltverschmutzung, die von Ihnen ausgeht, ist unerträglich!

Man stelle sich vor, ein heutiger Abgeordneter würde so etwas ins Mikro brüllen – man müsste wahrscheinlich einen Trauma-Notdienst für Social-Media-Redakteure einrichten.

Strauß war kein Politiker im heutigen Sinne – er war ein rhetorischer Bulldozer. Wer ihn stoppen wollte, hätte mindestens eine Schneise in den Bundestag fräsen müssen. Aber die Leute damals wussten: Das ist Demokratie im Schichtbetrieb. Da wird auch mal Dreck gemacht.

Der eiserne Sensenmann der Rhetorik – Herbert Wehner

Doch wer glaubt, der bayerische Donnerschlag wäre damals allein auf weiter Flur gewesen, der hat Herbert Wehner vergessen. Wehner war kein Lautsprecher wie Strauß – er war schlimmer. Wehner war der Meister der gezielten Demontage. Wo Strauß donnerte, sägte Wehner. Präzise. Kaltschnäuzig. Wenn Wehner sprach, spürte man förmlich, wie im Plenarsaal der Sauerstoff knapp wurde. Nicht weil er schrie – sondern weil er jeden Gegner mit chirurgischem Sarkasmus zerlegte.

Eines seiner berühmtesten Zitate:

Sie sind doch eine Filzlaus am Parlamentarismus!

Stellen Sie sich das mal vor, heute. „Filzlaus“! Man müsste das Wort erstmal wieder in den Sprachgebrauch einführen, bevor man es verwenden könnte. Wehner aber schleuderte es ins Plenum wie ein gepflegtes Florett mit Stacheldraht.

Oder sein Kommentar an die Union:

Ihr Gewäsch ist die Verwesung der Politik.

Das ist nicht der Tonfall einer Sonntagsmatinee, sondern verbale Kriegsführung. Aber Wehner wusste: Demokratie braucht Reibung. Und Reibung erzeugt Hitze – nicht Konsensplüsch.

Sein wohl bösester Satz? Gerichtet an einen FDP-Abgeordneten:

Sie sind ein ungezogener Lümmel, und wenn Sie das Wort nicht richtig verstehen, dann können Sie’s ja mal nachschlagen!

Heute würde das den Ethikrat auf den Plan rufen. Damals war es Alltag.

Der Wandel vom Boxring zur Yogastunde

Was ist passiert, dass aus dem einstigen rhetorischen Boxring namens Bundestag eine Mischung aus Meditationszentrum und moralischem Feuilleton geworden ist? Damals wurden politische Gegner nicht zum Kakao eingeladen, sondern mit dem intellektuellen Knüppel bearbeitet. Es ging nicht darum, ob jemand sich „angegriffen fühlte“. Es ging darum, ob jemand Substanz hatte. Wer sich verletzt zeigte, wurde nicht getröstet – er wurde ausgelacht. Demokratie bedeutete Debatte, nicht Dialogpädagogik.

Heute hingegen wird aus jedem verbalen Rempler ein Fall für den Diskurs-Notstand erklärt. Ein bisschen Polemik – und sofort steht der Chor der Mikroaggressions-Detektoren bereit. Die Grenze zwischen Beleidigung und Meinungsäußerung wird so eng gezogen, dass kaum noch ein Gedanke hindurchpasst.

Politik ist kein Streichelzoo

Strauß und Wehner wussten, dass Demokratie auch Kampf ist. Natürlich kein Kampf mit Fäusten, sondern mit Worten, Konzepten, Ideen – und ja, auch mit Beleidigungen. Warum? Weil das Wesen des Parlamentarismus nicht darin besteht, auf Kuschelkissen gemeinsame Erklärungen zu stricken, sondern in der Auseinandersetzung. Man muss sich die Wahrheit schon gegenseitig ins Gesicht sagen – und manchmal wird dabei gespuckt, statt gesäuselt.

Oder um es mit Strauß zu sagen:

Wenn man sich in der Politik nicht ab und zu die Hände schmutzig macht, dann hat man keine Politik gemacht.

Und Wehner ergänzte sinngemäß:

Wer mit Wattebäuschen wirft, darf sich nicht wundern, wenn er übersehen wird.

Fazit: Mehr Zwergenschläge, weniger Zwergenaufstand

Also, liebe Hyperventilierenden des 21. Jahrhunderts: Spart euch das Mimimi über den angeblich „rohen Ton“. Ihr habt Strauß und Wehner nicht überlebt – ihr habt sie gar nicht erlebt! Das, was ihr heute beklagt, ist im Vergleich zur Vergangenheit ein freundliches Kratzen an der Tür.

Die Demokratie verrottet nicht am Streit. Sie verrottet am Stillstand. An Konsenslethargie. An Leuten, die glauben, politische Debatten müssten wie ein Wellness-Wochenende ablaufen.

Wenn ihr also das nächste Mal einen Abgeordneten hört, der im Bundestag Klartext spricht, dann schnappt euch einen Kamillentee – aber bitte schweigt dabei. Oder lest ein paar Reden aus den 70ern. Dann werdet ihr feststellen: Die Demokratie war schon immer laut. Und das ist auch gut so.

Die Pipeline der Abhängigkeit

oder wie Europa lernte, den Gashahn aus Übersee zu lieben

Es ist ein eigenartiges Gefühl, im Jahr 2025 Europäer zu sein. Ein Gefühl zwischen Fremdscham und Fremdbestimmung, zwischen Eiertanz und Erpressung. Und wer die Nachrichten aufmerksam liest, der weiß: Es geht nicht mehr nur um Inflation, Migration oder den Untergang des Mittelstands. Nein, es geht um Gas. Immer noch. Immer wieder. Gas – dieses schmutzige Molekül, das sich so wunderbar in Geld und geopolitische Macht umwandeln lässt. Und niemand versteht das besser als die transatlantische Achse, an deren Schrauben Ursula von der Leyen mit chirurgischer Präzision dreht.

Die neueste Wendung in diesem absurden Schauspiel: Die Reparatur der gesprengten Nord-Stream-Pipelines – jenes Mahnmals europäischer Selbsttäuschung auf dem Grund der Ostsee – soll faktisch kriminalisiert werden. Wer es wagt, über Flickzeug für Nord Stream zu sprechen, über Wartung, über Wiederinbetriebnahme, der landet nicht auf der Forbes-Liste, sondern auf der Sanktionsliste. Das nennt sich dann nicht mehr Korruption, sondern „strategische Autonomie“. Man merkt: Die Begrifflichkeiten haben sich verändert, die Machtverhältnisse auch.

Der Preis der Freiheit: 40 Prozent Aufschlag und ein freundliches Lächeln aus Texas

Es wäre beinahe komisch, wenn es nicht so teuer wäre. In Washington reibt man sich die Hände, in Houston gleich mit. Denn während Europa sich unter der Führung seiner Kommissionspräsidentin vom russischen Gas lossagt – und dabei wie ein schlecht vorbereiteter Selbsthilfe-Guru auf Entzug geht – füllt sich das US-Portemonnaie mit europäischem Geld. Flüssiggas aus den USA kostet nicht nur mehr, es ist auch ökologisch fragwürdiger, energieaufwendiger, umweltschädlicher in der Förderung – Stichwort Fracking – und: es bindet Europa dauerhaft an die Versorgungskette der Vereinigten Staaten.

Das nennt man dann „Diversifizierung“. Früher sagte man dazu: Abhängigkeit verlagern. Aber Wörter sind geduldig, und wer genug PR-Agenturen füttert, kann aus jeder Abhängigkeit eine Tugend machen. Das ist die wahre Magie der Gegenwart: Man verkauft Knechtschaft als Fortschritt, nennt Vasallentreue „westliche Wertegemeinschaft“ und lässt den Bürger zahlen. Für den Frieden, versteht sich. Für den Frieden, der aus der Zapfpistole eines LNG-Terminals kommt.

Von der Leyens Neusprech: Wenn Korruption Strategie heißt

Natürlich könnte man fragen: Cui bono? Wer profitiert? Aber diese Frage ist heutzutage altmodisch geworden, beinahe obszön. In den feinen Konferenzräumen von Brüssel und Davos spricht man nicht mehr von Korruption, sondern von „Public Private Partnerships“. Von der Leyen, die mit einem Vertrauensvorschuss operiert, der von ihrer Vergangenheit als Verteidigungsministerin eigentlich restlos aufgebraucht sein müsste, erklärt derweil: Europa müsse resilient werden. Resilient gegen den eigenen Verstand, könnte man hinzufügen.

Die Pipeline durch die Ostsee? Ach was, das war gestern. Heute verlegt man unsichtbare Pipeline-Verträge durch die Gremien der EU-Kommission. Geheim gehalten, versteht sich, wegen „sicherheitsrelevanter Aspekte“. Und wenn dann der nächste Energiekommissar nach seinem Brüsseler Dienstjahr in den Aufsichtsrat eines US-Gasunternehmens wechselt, dann wird das nicht als Schmiergeldaffäre verbucht, sondern als „Expertenkarriere im privaten Sektor“. Der Sumpf hat einen neuen Namen bekommen: er heißt Governance.

Die Moral der Geschichte: Satire ist, wenn man trotzdem zahlt

In Wahrheit ist das alles natürlich ein Treppenwitz der Geschichte. Deutschland und Europa haben jahrzehntelang den Mund vollgenommen vom „Green Deal“, von Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit. Und jetzt? Jetzt brennt in Wilhelmshaven Tag und Nacht das US-Gas, während Habeck die Bürger zum Sparen anhält und Ursula von der Leyen den nächsten Deal mit den Staaten einfädelt. Man könnte lachen, wenn es nicht so wehtäte.

Die Ironie ist perfekt: Wer heute über die Reparatur der Nord-Stream-Leitungen spricht, der ist kein Ingenieur mehr, sondern ein Krimineller. Wer sich fragt, ob es vielleicht günstiger und klüger wäre, beschädigte Infrastruktur instand zu setzen statt Milliarden für neue US-Terminals auszugeben, der gerät ins Fadenkreuz der transatlantischen Zensur. Energiepolitik wird nicht mehr in Kilowattstunden gerechnet, sondern in Loyalitätspunkten. Wer brav ist, darf kaufen – zu Preisen, die andere machen.

Schlussgedanke: Das ist keine Verschwörung – das ist ein Geschäftsmodell

Man sollte den Fehler nicht machen, hinter all dem eine finstere Verschwörung zu vermuten. Das ist viel zu simpel. Nein, das hier ist einfach nur Kapitalismus in seiner ehrlichsten Form: Angebot, Nachfrage, geopolitisches Geschacher. Ursula von der Leyen spielt dabei nicht die Marionette, sondern die Souffleuse, die den Text ins Ohr flüstert: „Strategische Autonomie!“, „Energiewende!“, „Freiheit von russischer Erpressung!“ – und niemand fragt nach dem Preis, solange die Rhetorik stimmt.

Manchmal, ganz selten, gönnt sich die Geschichte einen besonders bitteren Witz. Der aktuelle lautet: Europa befreit sich von einer Gasabhängigkeit, indem es sich in die nächste begibt. Nur teurer. Nur weiter weg. Und mit weniger Optionen, irgendwann wieder auszusteigen.

Die Reparatur von Nord Stream? Kriminalisiert. Die Abhängigkeit von amerikanischem Flüssiggas? Subventioniert. Man nennt das Fortschritt. Und wer widerspricht, der kann ja schon mal den neuen LNG-Vertrag unterschreiben – mit einem zwinkernden Auge und einer Träne im Portemonnaie.

Der Westen rüstet auf, der Osten gräbt sich ein …

… und dazwischen liegt die Wahrheit im Massengrab

Die Weltgeschichte liebt Wiederholungen, vorzugsweise in der grausameren, lächerlicheren, schlechter inszenierten Version. Wir schreiben das Jahr 2025, aber eigentlich könnte es auch 1916, 1942 oder 2003 sein – nur dass diesmal TikTok mitfilmt. Während Europa brav den Scheck ausstellt und Amerika gewohnt zuverlässig den Raketenwerfer liefert, dreht sich das große Hamsterrad der geopolitischen Moritat weiter. Das Drehbuch ist bekannt, die Rollen sind verteilt, und wie immer sind es die unteren Chargen, die das große Finale mit ihrem Blut bezahlen.

Die Europäer, diese alternden Exportweltmeister mit moralischem Zuckerguss, überweisen Milliarden in die Ukraine, als ob der Krieg ein besonders scharf gewürzter Netflix-Account wäre, den man für den Weltfrieden abonnieren muss. Die Amerikaner hingegen, pragmatisch wie immer, schicken das, was sie am besten können: Waffen. Viele Waffen. Mehr Waffen als nötig wären, wenn es jemals um Frieden ginge – aber wer redet noch von Frieden? Der hat in den Talks von Davos oder den Rüstungs-Messen in Abu Dhabi sowieso Hausverbot.

Die Ukro-Betrugsmasche: Kriegswirtschaft als Ponzi-Schema

Man nennt es Hilfe, aber es ist ein perfider Etikettenschwindel. Die Oligarchen, pardon: die „Führungsschicht“ in Kiew, scheffeln sich goldene Keller voll Dollars und Euros, während im Donbas weiter gestorben wird. Der Westen klatscht artig, liefert weiter Panzer und Patronen, schiebt Geld über die Grenze, das unterwegs auf wundersame Weise in Villen am Genfer See und auf Konten in Zypern verschwindet.

Es ist ein gigantisches Umverteilungsprogramm von unten nach oben, von den Steuerzahlern zu den Kriegsgewinnlern. Nur nennt es niemand beim Namen. Lieber versteckt man den Skandal hinter blau-gelben Flaggen-Emojis und moralisierender Rhetorik. Das nennt man heute Wertepolitik. Früher hätte man es organisierten Betrug genannt.

Sterben für die Rüstungsaktienkurse

Die Armen kämpfen, die Reichen zählen das Geld, oder wie es Rosa Luxemburg formulierte: „Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen“. Das ist keine Neuigkeit, das ist der Naturzustand des Kapitalismus im Krieg. Man könnte es zynisch nennen – wäre es nicht einfach nur die logische Fortsetzung der Wirtschaftsordnung, die wir uns eingerichtet haben.

Während Lockheed Martin, Rheinmetall und Co. Kursgewinne feiern, fliegen an der Front die Körperteile durch die Luft. Der Westen nennt das „Verteidigung der Freiheit“. Der Osten nennt es „militärisch-technische Operation“. Die Wahrheit ist: Es ist Geschäft. Und wo Geschäft gemacht wird, stirbt die Moral zuerst. Danach der Mensch.

Die Russen rücken auf, der Westen rückt Papiersoldaten nach

Während in Brüssel noch über die nächste Tranche nachgedacht wird, machen russische Truppen im Osten langsam, beharrlich Geländegewinne. Die Ukraine ist inzwischen ein Dauerprojekt wie der Berliner Flughafen – nur mit mehr Leichenbergen.

Man redet von Offensiven, von Durchbrüchen, von strategischen Umgruppierungen – und meint in Wirklichkeit Rückzüge, Erschöpfung und das schleichende Eingeständnis, dass die „regelbasierte Weltordnung“ an den Schützengräben verblutet. Aber niemand gibt das zu. Stattdessen verlängert man den Krieg wie eine schlechte Fernsehserie, die längst keinen Handlungsbogen mehr hat, nur noch immer neue Staffeln mit höheren Einschaltquoten für CNN und Fox News.

Die unausweichliche Katastrophe

Wie wird das enden? Natürlich hässlich. Es gibt keinen eleganten Ausgang aus einer Farce, die längst zur Tragödie geworden ist. Entweder wird die Ukraine weiter zerschlissen, bis nur noch ein Protektorat übrig bleibt, verwaltet von den Restbeständen der CIA, der BlackRock-Gruppe und den üblichen korrupten Lokalgrößen. Oder der Krieg eskaliert noch weiter, schwappt über in neue Regionen, bis irgendwann jemand in Washington oder Moskau den falschen Knopf drückt – aus Versehen oder aus Berechnung, was am Ende keinen Unterschied macht.

Das Narrativ vom „langen Krieg“ ist bereits Mainstream: Ein Krieg, der nicht gewonnen, sondern verwaltet wird. Ein Krieg als Dauerzustand. Als Geschäftsmodell. Als Polit-Ersatzprogramm für gescheiterte Eliten, die zuhause nichts mehr geregelt kriegen, aber wenigstens auf dem Globus die Muskeln spielen lassen dürfen.

Und wir? Wir zahlen die Rechnung

Am Ende bleibt die bittere Wahrheit: Wir alle bezahlen das – mit unseren Steuergeldern, mit der geopolitischen Destabilisierung, mit den nächsten Flüchtlingswellen, mit der Inflation, mit der Verrohung der politischen Kultur. Während der einfache Ukrainer und der einfache Russe in den Schützengräben erfrieren oder verbrennen, streiten sich westliche Think Tanks um Fußnoten in ihren Papers über „sinnvolle Eskalation“.

Aber trösten wir uns: Die nächsten Friedenspreise sind schon vergeben, die Talkshow-Sessel sind warm, die Journalisten haben ihre Schlagzeilen. Und irgendwo in einem Penthouse in Kiew, Zürich oder Washington wird gerade angestoßen – auf die nächste Waffenlieferung.

Prost.

Die heroische Zumutung – Egon Flaigs Opferkult

Von der Wohltemperierten Kriegsbeobachtung aus dem Lehnstuhl

Man muss schon eine gewisse Chuzpe besitzen, um aus der behaglichen Sesselfalte des FAZ-Feuilletons heraus der Ukraine vorzuhalten, sie habe ihren „Kairos“ verpasst, weil die Diskotheken noch offen sind und die Hantelbänke weiterhin poliert werden. Egon Flaig hat diese Chuzpe – und noch ein bisschen mehr. Er liefert am 11. März 2025 im Feuilleton der FAZ nicht nur eine Lobeshymne auf den heroischen Opfermut, sondern vergibt auch gleich olympische Haltungsnoten für die Kriegsführung der Ukraine, als säße er in der Jury eines martialischen Eiskunstlaufwettbewerbs. Punktabzug fürs fehlende Blutopfer in der Kür, elegante Armführung beim Patriotismus, aber leider zu wenig Selbstaufgabe in der Pflicht. Und immer schön daran denken: Das Leben der anderen ist zum Verbrauchen da.

Flaig, der sich sonst als Althistoriker mit spartanischen Hopliten oder römischen Virtus-Kulturen beschäftigt, greift nun beherzt zur Gegenwartsdiagnose: Die Ukraine sei – o Graus – längst eine postheroische Gesellschaft geworden. Der Verzicht auf eine flächendeckende Generalmobilmachung im Frühjahr 2022 wird ihm zum historischen Betriebsunfall. Das Volk, so seine Lesart, hätte nur auf das Startsignal gewartet, um massenhaft den Fitnessstudio-Jargon gegen das Marschlied zu tauschen. Stattdessen, wie der grantige Professor im Brustton der Poseidonius-Rezeption raunt, bleibe die zivilgesellschaftliche Sphäre „pulsierend“ – ein schamloses Leben zwischen Latte Macchiato und Tanzfläche, während an der Front gekämpft und gestorben wird.

Man fragt sich unwillkürlich: Sitzt Flaig da im deutschen Eichenholzstuhl und notiert sich, wie viele Ukrainer heute wieder „wehrkraftzersetzend“ ihr Leben leben? Und wem genau, möchte man anmerken, nützt eigentlich eine Gesellschaft, die sich vollständig selbst verzehrt, um ihre „Kampfmoral“ zu stärken? Vielleicht sollte man den Diskothekenbesuch gerade deshalb als patriotische Tat begreifen: als Verweigerung der totalen Selbstaufgabe. Doch dazu später mehr.

Der Opferdiskurs als Sitzkreis der Staatsphilosophie

Flaigs Argumentation erinnert an ein geistiges Manöver, das man aus den besseren Oberseminaren kennt, in denen spätabends nach zu viel Rotwein und Nietzschelektüre der Punkt erreicht ist, wo jemand den Satz sagt: „Gemeinschaft ist das, was wir brauchen!“ Das klingt immer schön archaisch, nach Lagerfeuer und Heldengesängen, lässt sich aber nur schwer in die Praxis überführen, es sei denn, man steht auf Gruppenzwang, Opfermythen und Blutsbande als politisches Organisationsprinzip.

Dass Flaig hier mit einem wohlmeinenden Plädoyer für den Krieg als nationalstiftendes Sakrament aufwartet, zeigt eine gewisse Verachtung für das, was Soziologen gemeinhin als die moderne, komplizierte Gesellschaft bezeichnen. Helmuth Plessner, ein Philosoph, den Flaig vielleicht als weichgespülten Sozialromantiker abtun würde, hat diese Problematik bereits 1924 seziert: Gemeinschaft ist schön, solange sie im Kleinen funktioniert – im Freundeskreis, beim Kegelclub oder beim kollektiven Schlagerabend. Wird sie jedoch zum politischen Leitbild, wird’s eng und irgendwann auch tödlich.

Denn die Opferlogik der Gemeinschaft kennt keine diplomatische Zwischentöne. Wer nicht mitmacht, ist der Verräter, der Drückeberger, der Schädling im Organismus der Nation. Dass diese Vorstellung ihre intellektuelle Duftmarke eher in den 1930er Jahren als in einer liberalen Demokratie hat, scheint Flaig nicht weiter zu irritieren.

Kant als Kronzeuge? Nur wenn man ihn falsch zitiert

Um seinem Opferdiskurs das philosophische Krönchen aufzusetzen, ruft Flaig dann auch noch Kant zu Hilfe. Das ist ungefähr so, als würde man die vegane Kantine der Grünen als Argument für den Konsum von Tatar heranziehen. Denn Kant ist zwar ein Moralphilosoph, der von Pflichtethik schwärmt, aber ganz sicher kein Fan militärischer Totalverfügbarkeit. Seine berühmte Frage, welches Recht der Staat habe, Bürger in den Krieg zu schicken, beantwortet er mit einem lakonischen: eigentlich keins. Menschen sind, so Kant, keine Kartoffeln, die man nach Belieben schälen, kochen und verzehren darf – auch nicht im Dienste des Vaterlandes.

Nur wenn der Bürger – durch seine Repräsentanten – der Kriegserklärung zustimmt, darf der Staat sein Leben fordern. Es ist also keine Einbahnstraße in Richtung Schlachtfeld, sondern ein Vertrag zwischen gleichberechtigten Akteuren.

Flaig jedoch legt Kant auf die Couch und diagnostiziert ihm posthum eine heimliche Liebe zum heroischen Opfer. Das ist in etwa so, als würde man Schiller auf den Satz reduzieren: „Das Leben der anderen ist das Güter höchste nicht.“ Derart verkürzt klingt sogar Pathos nach Zynismus.

Die Heimatfront als Problemzone der Kriegsführung

Flaigs gefährlichster Gedankengang aber ist der Versuch, den Zustand der Heimatfront zum Schicksalsfaktor der Nation zu erklären. Die Vorstellung, dass sich die Zivilbevölkerung geschlossen hinter den Kampf stellen müsse – und das bitte nicht nur mit moralischer Unterstützung, sondern möglichst mit völliger Selbstaufgabe – trägt den Ruch einer mentalen Generalmobilmachung.

Man kennt das Prinzip aus der deutschen Geschichte, und zwar nicht aus den besten Kapiteln. George Mosse hat es beschrieben: Wie nach dem Ersten Weltkrieg der Kriegsmythos den Frieden vergiftete, wie aus den Frontsoldaten die neuen Heiligen wurden, um die sich der Opferkult schlang wie ein Lorbeerkranz aus Stacheldraht. Dieser Mythos überlebte den Krieg und nährte die faschistische Versuchung: Wer nicht kämpfte, war kein ganzer Mann; wer nicht litt, war kein ganzer Bürger.

Die Parole vom Durchhalten bis zum Letzten ist keine historische Randnotiz, sondern ein gut dokumentierter Weg in den Abgrund. Und wenn heute wieder jemand mit der Pathos-Keule wedelt und den Fitnessstudio-Besuch als zivilisatorischen Verfall anprangert, sollte man hellhörig werden.

Arendt, Schiller und das animalische Niveau

Zum Schluss serviert Flaig noch eine bildungsbürgerliche Dessertvariation mit Schiller und Arendt. Das klingt nobel, ist aber ein ziemlich schaler Aufguss. „Das Leben ist der Güter höchstes nicht“, zitiert er Schiller – ein Satz, den man wahlweise bei Trauermärschen oder bei Herrenabenden nach dem vierten Schnaps hervorholt. Doch wie Ludwig Marcuse schon sagte: Wer so zitiert, meint meist das Leben der anderen.

Und Arendt? Sie hat mitnichten den heroischen Opfermut gepriesen, sondern davor gewarnt, dass totalitäre Systeme den Menschen nicht nur das Leben nehmen, sondern die Welt selbst – den Raum der Freiheit, des Denkens, des Handelns. Arendt wollte keine Gladiatorenschule für den Westen, sondern eine politische Welt, in der Menschen mehr tun dürfen, als sich gegenseitig zu opfern.

Fazit: Das heroische Delirium einer saturierten Gesellschaft

Flaigs Artikel ist letztlich das Symptom einer saturierten Gesellschaft, die sich den Krieg als moralisches Planspiel zurechtlegt. Während reale Menschen sterben, diskutiert man im Feuilleton darüber, ob genug gestorben wird. Das hat etwas von einem makabren Brettspiel: Risiko für Bildungsbürger.

Man kann es auch anders sagen: Wer vom Schreibtisch aus Selbstaufopferung predigt, führt keinen Diskurs über Werte, sondern inszeniert ein Rollenspiel auf Kosten der Betroffenen.

Ja, wir müssen über Wehrhaftigkeit reden, über politische Verteidigungsethik, über den Preis von Freiheit. Aber solange die Antwort darauf aus einem Cocktail aus Carl Schmitt, Schiller und Zuchtmeisterton besteht, bleibt der Nachgeschmack bitter.

Vielleicht hilft hier ein letzter Gedanke von Ludwig Marcuse weiter: „Wer das Leben gering achtet, um der Sache willen, muss sehr sicher sein, dass es wirklich die Sache aller ist – und nicht nur seine eigene Idee davon.“

Vom höflichen Verschweigen des Elefanten im Wohnzimmer

Man stelle sich Folgendes vor: Ein Salon voller kluger Köpfe, die sich zur gepflegten Abenddiskussion eingefunden haben. Der Wein ist dekantiert, der Käse stammt aus der Provence, das Licht ist schummrig genug, um Falten gnädig zu verschleiern, aber nicht so dunkel, dass die Überheblichkeit an Schärfe verliert. Und da steht er: der Elefant im Raum. Groß, grau, schwer, mit dem diskreten Charme eines Obdachlosen im Feuilleton – der Kapitalismus. Alle sehen ihn, keiner spricht ihn an. Stattdessen debattiert man lieber über Symptome: autoritäre Versuchungen, soziale Kälte, Rechtsruck, Fake News, der hässliche Populismus. Ach ja, und irgendwo ganz hinten in der Fußnote: der Faschismus, dieses Relikt aus der Mottenkiste der Geschichte.

Max Horkheimer, dieser grantige Frankfurter mit Zigarette im Mundwinkel und pessimistischer Stirnfalte, war da weniger zimperlich: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, solle auch vom Faschismus schweigen. Klare Kante, man kann sich dran schneiden. Aber wie unangenehm, wie unhöflich! Denn nichts ist im gutbürgerlichen Diskurs so verpönt wie das Wort „Kapitalismus“. Das riecht nach Klassenkampf, nach Marx, nach rotem Fiebertraum. Lieber philosophiert man über das „böse Internet“ oder das „böse Klima“, als über die ganz banale Tatsache, dass die kapitalistische Produktionsweise ein systemischer Zerstörungsautomat ist. Man nennt es Fortschritt. Oder Freiheit. Oder, wenn man besonders weltgewandt ist, „Marktdynamik“. Und wenn dann am Ende dieser Fortschritt wieder einmal in Stiefeln daherkommt, wundert sich die liberal gesinnte Mitte, warum der Tanz auf dem Vulkan so plötzlich brandgefährlich wurde.

Kapitalismus als Naturgesetz: Das göttliche Prinzip der Unveränderlichkeit

Der Kapitalismus – diese Religion ohne Gott, aber mit Kreditkarte. Er wird nicht mehr als historisch gewachsene Wirtschaftsform betrachtet, sondern als Naturgesetz verkauft. Wie die Schwerkraft, nur ein bisschen gieriger. „Es gibt keine Alternative“, verkündete schon Margaret Thatcher, die eiserne Heilige der Neoliberalen. Wer dagegen aufmuckt, wird behandelt wie ein Esoteriker, der Gravitation leugnet.

Dabei ist es gerade diese Alternativlosigkeit, die das politische Denken stranguliert. Alles wird zur Marktfrage umdeklariert: Gesundheit, Bildung, Wohnen, sogar das Sterben wird optimiert – die Palliativpflege als letztes Wachstumssegment. Und wenn irgendwo ein Staat zu stark reguliert, schreien die Märkte auf wie ein beleidigtes Kind, dem man das Eis verweigert hat.

Das wäre noch halb so schlimm, wenn es beim ökonomischen Darwinismus bliebe. Doch der Kapitalismus braucht den autoritären Schatten, der ihm die Aufräumarbeiten erledigt. Er braucht Grenzschutztruppen, Überwachungssysteme, Sündenböcke, Notstandsrechte. Der Markt frisst keine Grenzen, aber der Kapitalismus braucht sie – wenn nicht geografisch, dann zumindest sozial. Wer unten liegt, bleibt unten. Wer oben ist, darf sich „Leistungsträger“ nennen, selbst wenn sein einziges Talent darin besteht, Aktienpakete zu verwalten.

Faschismus als Reinigungsmechanismus: Das Ventil der bürgerlichen Ordnung

Hier kommt der Faschismus ins Spiel, der ungeliebte Bastard der bürgerlichen Gesellschaft. Er ist nicht das Andere des Kapitalismus, sondern sein Rettungsanker, wenn der schöne Schein der Demokratie brüchig wird. Er reinigt den Markt von überflüssigen Elementen – Arbeitslosen, Fremden, Intellektuellen, Oppositionellen – und verpackt das Ganze als patriotisches Projekt. Das Kapital regiert dann weiter, nur halt etwas grobschlächtiger. Statt Feuilleton gibt’s Propaganda, statt Shareholder-Value nur noch Vaterlandsverteidigung. Der Mehrwert bleibt derselbe.

Natürlich will das niemand hören. Besonders nicht jene, die es sich auf der Plüschcouch des liberalen Mainstreams gemütlich gemacht haben. Sie beklagen den Aufstieg der Rechten, ohne zu fragen, warum die Rechten überall da aufsteigen, wo der Markt das Leben zertrümmert hat. Prekariat, Entwurzelung, soziale Kälte – alles Kollateralschäden der Flexibilisierung. Doch statt den Kapitalismus zu benennen, verlagert man die Schuld auf „die Dummen“, „die Abgehängten“, „die Wutbürger“. Man behandelt das Problem wie eine allergische Reaktion des Pöbels, nicht wie eine systemische Konsequenz.

Die Schweigespirale der Wohlmeinenden: Von der Angst, unmodern zu sein

Warum dieses Schweigen? Weil die Linke in den 1990ern in die Wellnesskur ging. Sie hat den Kapitalismus nicht mehr als Gegner betrachtet, sondern als Partner mit sozialem Antlitz. Schröder, Blair, Clinton – alle wollten sie den Tiger reiten, statt ihn zu erlegen. Heraus kam die Agenda 2010, der dritte Weg, das neoliberale Lächeln. Und als das Kartenhaus 2008 zusammenbrach, reichten die Banken den Kassenzettel an die Gesellschaft weiter. Die Konzerne wurden gerettet, die Armen bekamen Hartz IV. Wer sich darüber beschwerte, war „populistisch“.

Heute gibt es zwar wieder Kapitalismuskritik – aber bitte nur in homöopathischen Dosen. Man redet über Nachhaltigkeit, über grüne Start-ups, über „social entrepreneurship“. Der Kapitalismus soll bitte Bio werden, nachhaltig, gendergerecht und klimaneutral. Wie ein veganer Burger, der trotzdem genauso viel Fett enthält wie der alte. Der Elefant bekommt einen Blümchenkranz um den Hals und darf im Raum bleiben.

Der humorvolle Abgrund: Warum wir trotzdem lachen sollten

Das Tragische an der ganzen Farce ist, dass sie so unfassbar komisch ist. Der Kapitalismus frisst seine Kinder – und die Kinder liefern ihm dafür noch das Catering. Influencer verkaufen uns Detox-Tee, während sie an Burnout leiden. Klimakatastrophen werden als Investitionschance verpackt: „Grünes Wachstum!“ Wer sich das nicht schönsaufen kann, sollte wenigstens lachen. Denn Zynismus ist das letzte Refugium des Verstandes in einer Welt, die sich selbst als alternativlos definiert.

Also ja: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte vom Faschismus schweigen. Oder besser noch: die Klappe halten, wenn es wieder heißt, der neue autoritäre Führer sei „aus dem Nichts gekommen“. Er kam nicht aus dem Nichts. Er kam aus dem Markt. Er kam aus dem Shareholder Value. Er kam aus der Angst der Besitzenden, den Laden nicht mehr kontrollieren zu können. Und wenn der Kapitalismus wieder einmal wankt, ruft er nicht nach der Demokratie, sondern nach der Kavallerie.

Coda: Vom Mut, den Elefanten zu benennen

Man muss den Kapitalismus nicht abschaffen, um ihn zu kritisieren. Man muss ihn nur beim Namen nennen, ihn entzaubern, ihn von seinem göttlichen Thron holen. Denn solange wir so tun, als wäre der Markt die Natur und der Faschismus der Betriebsunfall, wird sich die Geschichte wiederholen. Immer wieder. Mit immer neuen Gesichtern, aber demselben alten Spiel.

Der Elefant steht da, freundlich trompetend. Vielleicht wäre es langsam Zeit, ihm ins Auge zu sehen.

Die Stunde der Feldherren

Roderich Kiesewetter und die Kunst der Fernbedienungskriegführung

Vom Oberst zur Schießbudenfigur

Es gibt in der deutschen Politik eine seltene Spezies, die sich selbst als sicherheitspolitischen „Vordenker“ versteht und von der Öffentlichkeit als sicherheitspolitisches Echo empfunden wird. Einer, der immer dann tönt, wenn es gerade besonders knallt. Einer, der militärische Planspiele auf Talkshow-Sofas entwirft wie andere Menschen Kreuzworträtsel lösen. Sein Name: Roderich Kiesewetter, CDU, einst Oberst a.D., heute Oberst im Ankündigungsdienst. Er gehört zu jenen Figuren, die sich in Talkshows nicht setzen, sondern lagern – wie Generäle in Napoleon-Filmen –, den Blick auf unsichtbare Landkarten gerichtet, während sie mit der Hand über den Imaginationsglobus fahren und sich fragen: Warum steht da noch ein Gebäude in Moskau?

Kiesewetter, der inzwischen offenbar als eine Art zivilmilitärischer Eventmanager für Eskalationsrhetorik fungiert, sagte jüngst, was viele sich nicht mal im innersten Stammtischtrauma zu denken trauen: Der Krieg müsse „nach Russland getragen werden“. Ziel: Russische Ölraffinerien, Ministerien, Hauptquartiere, Kommandoposten, Gefechtsstände – kurz gesagt: Alles, was brennt oder sich koordinieren lässt. Die Liste seiner präferierten Einschlagsziele liest sich wie der Wunschzettel eines strategischen Bombers, der das Zeitalter der Diplomatie für einen Betriebsunfall hält.

Man könnte meinen, Kiesewetter habe beim großen Basar der Bellizisten ein All-You-Can-Bomb-Menü gebucht. Außenpolitik als Highscore-Spiel im geopolitischen Arcade-Simulator – mit ihm als Commander-in-Chief im Ledersessel des Morgenmagazins. Der Unterschied zwischen Kiesewetter und einem Computerspiel liegt allerdings darin, dass bei Kiesewetter reale Menschen sterben würden. Aber vielleicht ist gerade das der Reiz für manche, die schon mit Clausewitz als Gute-Nacht-Lektüre einschliefen.

Die Sehnsucht nach der großen Entscheidung

Der Satz „Der Krieg muss nach Russland getragen werden“ hallt durch den deutschen Diskurs wie eine schlecht schallgedämpfte MG-Salve durch eine Bibelstunde. Was Kiesewetter hier vorschlägt, ist nichts Geringeres als die freiwillige Bewerbung Deutschlands als Co-Belligerent. In der Sprache des Völkerrechts klingt das wie ein Eintrittsgesuch ins Clubhaus der Beteiligten. In der Sprache der deutschen Nachkriegspolitik klingt es wie der vollständige Gedächtnisverlust.

Denn während andere noch darüber diskutieren, wie man einen Dritten Weltkrieg verhindern kann, hat Kiesewetter offenbar schon die Einladungskarten gedruckt. Das ist konsequent, wenn man davon ausgeht, dass der historische Fehler des 20. Jahrhunderts nicht der Krieg war, sondern seine unzureichende Führung.

Man spürt in seinen Aussagen die fast kindliche Sehnsucht nach dem „großen Wurf“, nach der „letzten Entscheidung“. Der Krieg als ordnendes Prinzip, als „ultima ratio“, das lateinische Feigenblatt, hinter dem sich die blutige Nacktheit der Gewalt verbirgt. Endlich keine lästige Diplomatie mehr, keine langen Verhandlungen, keine normativen Schwurbeleien. Stattdessen: präzise Einschläge und klare Botschaften.

Man könnte meinen, Kiesewetter habe bei Netflix die Serie „Der Zweite Weltkrieg in Farbe“ gebinged und sich dabei gedacht: „Schade, dass es vorbei ist. Aber vielleicht geht da ja noch was.“

Strategie aus der Fußgängerzone

Nun ist Roderich Kiesewetter kein ungebildeter Mann. Er hat gelernt, er hat gedient, er hat gebrüllt, er hat gebuckelt, er hat befohlen. Er weiß, was Krieg ist – oder zumindest wusste er es einmal. Und genau das macht seine jüngsten Äußerungen so irritierend. Denn wer so genau weiß, was Zerstörung bedeutet, der sollte sich vielleicht zweimal überlegen, ob er sie im öffentlich-rechtlichen Sendeformat propagiert wie den Wetterbericht.

Aber vielleicht sind das gar keine echten Vorschläge, sondern rhetorische Pyrotechnik für das sicherheitspolitische Spektakelpublikum. Ein bisschen wie Schausteller auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, die mit künstlichen Explosionen werben, um den Sicherheitsgurt des Zuschauers enger zu schnallen.

Kiesewetters Strategie ähnelt der eines Spielzeugpanzers, den man mit viel Getöse über den Asphalt der Talkshow-Kulisse schiebt, während man ruft: „Jetzt wird zurückgeschossen!“ Dabei ist der Unterschied zwischen Krieg führen und Krieg fordern ungefähr so groß wie der zwischen einem Scharfschützen und einem Mann, der mit der Fernbedienung auf den Fernseher zielt.

Es ist die Strategie der Fußgängerzone: große Worte, lauter Ton, möglichst martialisch. Der Soundtrack dazu: Pathos auf 180 Dezibel, garniert mit dem altbewährten „Wir dürfen keine Angst haben“-Narrativ, das traditionell immer dann ausgepackt wird, wenn es darum geht, anderen den Kopf hinzuhalten.

Die Moralphilosophie des Marschflugkörpers

Natürlich verkauft Kiesewetter seine Vorschläge nicht als Kriegshetze, sondern als Moralpflicht. Er verpackt sie in das Etikett des „Schutzes der Ukraine“, des „Einfrierens des Konflikts“, des „Schwächens der russischen Kriegsmaschinerie“. Das klingt alles sehr nach ethischer Verpflichtung, nach Kant mit Kalaschnikow. Nur dass Kant am Ende des „Kategorischen Imperativs“ nicht das Wort „Luftschlag“ stehen hatte.

Doch genau in diesem moralischen Selbstüberhöhungslabor werden die gefährlichsten Ideen geboren. Wer den Marschflugkörper mit Gewissen versieht, der verliert schnell den Überblick über die Trümmerlandschaften, die er erzeugt. Denn wenn der Krieg nicht mehr nur Mittel ist, sondern plötzlich Tugend – dann gibt es keine Grenze mehr zwischen Verteidigung und Angriff, zwischen Notwehr und Eskalation. Dann wird der Präventivschlag zur Wohltat, der Angriff zur Fürsorge, der Krieg zur Therapie.

Kiesewetter liefert uns das in Reinform. Der Krieg muss nach Russland getragen werden – nicht aus Lust am Zerstören, nein, sondern aus einer geradezu pädagogischen Verpflichtung heraus: Der böse Putin muss „lernen“. Das klingt fast so, als hätte man einen lauten Nachbarn, den man nun aus Erziehungsgründen mit der Abrissbirne besucht.

Applaus vom Balkon der Verantwortungslosigkeit

Die Reaktionen auf Kiesewetters Vorschläge sind bezeichnend: Einige applaudieren, andere schweigen, wieder andere zucken mit den Schultern und sagen: „Naja, irgendwer muss es ja mal sagen.“ Dass dieser Satz meistens der Vorbote für Desaster ist, hat die Geschichte bewiesen. Aber in Zeiten der medialen Empörungskonjunktur kann man mit sowas eben Quote machen.

Der moralische Balkon, von dem Kiesewetter seine Wortsalven abfeuert, ist hoch, sehr hoch. Er steht dort oben, weht das Fähnchen der Verantwortung und schreit in den Hof der Realpolitik hinab: „Jetzt seid doch endlich mal mutig! Zieht mit!“ Dass unten auf dem Boden Menschen leben, sterben, frieren, fliehen – das fällt von da oben schwer auf.

Finale Furiosa

Man kann von Roderich Kiesewetter halten, was man will. Ein Dilettant ist er nicht. Ein Leisetreter auch nicht. Er ist vielmehr der Vertreter jener deutschen Post-Helmut-Kohl-Sicherheitselite, die den Krieg als politisches Werkzeug rehabilitieren will, um endlich nicht mehr als Zauderer dazustehen. Lieber „verantwortungsvoll eskalieren“ als „nichts tun“, lautet die Devise. Das klingt klug, solange man sich nicht überlegt, was „alles tun“ eigentlich konkret bedeutet. Oder wie viele Menschenleben dieser „Krieg, den wir nach Russland tragen“, kosten wird – und wessen Leben genau. Spoiler: Vermutlich nicht das von Kiesewetter.

Und so bleibt am Ende der Eindruck eines Mannes, der mit dem Schwert der Moral fuchtelt, während er auf der geopolitischen Bühne steht und ruft: „Ich will nur helfen!“ Aber wer mit solchen Vorschlägen hilft, der sollte sich nicht wundern, wenn am Ende kein Feuer gelöscht, sondern der ganze Kontinent abgefackelt wird.

Der Krieg nach Russland? Vielleicht fangen wir erst einmal damit an, den Wahnsinn zu Hause zu lassen.

Der Opfermut-Industriekomplex

Präludium der Pietät: Wenn der Krieg ins Wohnzimmer klopft

Manchmal öffnet sich das Fenster zur Hölle nicht mit Panzern, sondern mit Interviews. Auf 3sat, jenem Kanal, der sonst mit Beethoven-Sonaten, Astrophysik-Dokus und der neuesten Kafka-Interpretation die Bildungsbürger zum Einschlafen bringt, wurde jüngst das Tor aufgestoßen für eine viel fundamentalere Debatte: die der Opferbereitschaft. Nicht für den Nächsten, nicht für das Gemeinwohl im Sinne der Wohlfahrtspflege oder der Nachbarschaftshilfe. Nein, für den Krieg.

Der Historiker Egon Flaig, offenbar der Hofchronist der neuen Bellizistenklasse, beklagte im Fernsehen öffentlich die Unwilligkeit der Eltern, ihre Kinder als Soldaten zu sehen – als zukünftige tote Soldaten, präziser gesagt. Ein bitteres Lamento über mangelnden Opfermut. Über verweichlichte Eltern, die partout nicht bereit sind, ihre Brut dem Kugelhagel anzuvertrauen, damit diese dort am Frontabschnitt X für das sogenannte Gemeinwesen bluten, wahlweise sterben.

Man müsse, so Flaig, endlich Schluss machen mit diesem „jahrzehntelangen Pazifismus“, der die Gesellschaft lethargisch und moralisch verkommen habe lassen. Die Lösung? Eine kulturelle Umprogrammierung. Wie beim Thermostat: auf kalt stellen. Herz ausschalten, Gewehr sichern.

Die neue Menschenopferkultur: Ein Upgrade aus der Mottenkiste der Geschichte

Da reibt man sich als Zeitgenosse die müden Augen: Ein Historiker will das Kinderopfer zurück. Nicht in Karthago, nicht im alten Sparta, sondern im Jahr 2025, im deutschen Fernsehen.

Natürlich nicht als religiösen Ritus – nein, viel moderner soll es sein, aufgeklärt quasi, mit didaktischer Begleitbroschüre und PowerPoint-Präsentation. „Eltern, lernt eure Kinder loszulassen“, so könnte das Seminar heißen. Untertitel: „Heldentum statt Helikoptereltern“.

Dass die alten Götter nach Blut schrien, ist bekannt. Baal forderte Erstgeborene, die Azteken versorgten Huitzilopochtli täglich mit Menschenherzen. Und nun also Flaig, der sich vermutlich bei Tacitus und Clausewitz warmgelesen hat und dabei übersah, dass wir seit dem Zweiten Weltkrieg dachten, wir seien wenigstens in Mitteleuropa aus dem Schlachthaus der Geschichte ausgestiegen. Dachten wir. Irrtum.

Offenbar wird das Menschenopfer neu ins Sortiment aufgenommen. Der Markt verlangt es.

Der Krieg als Coachingprogramm: Vom Soft Skill zum Hard Kill

Natürlich geschieht das alles mit dem schönsten Euphemismus-Feuerwerk, das die deutsche Sprache hergibt. „Gemeinwohl“, „Verantwortung“, „Tapferkeit“ – es klingt wie eine Mischung aus Bundeswehr-Broschüre, Ratgeberliteratur für Führungskräfte und Sonntagspredigt. Nur dass zwischen den Zeilen das Maschinengewehr lauert.

Der neue Opfermut ist eine Pflicht zur Selbstabschaffung – am besten der anderen, versteht sich. Und damit kommen wir zum eigentlichen Kern der Debatte: Die, die solche Töne anschlagen, sind in der Regel selbst aus dem Alter der Kriegsverwendbarkeit heraus. Der Altersdurchschnitt der Bellizisten-Clique liegt meist deutlich über dem der Wehrpflichtigen. Flaig selbst? Jahrgang 1949. Den Wehrdienst hat er, man darf es annehmen, erfolgreich überlebt – vermutlich, ohne den Atlantikwall gegen die Invasion verteidigen zu müssen. Umso fröhlicher verteilt er jetzt Einsatzbefehle in Talkshow-Studios.

Das nennt man dann „Diskurs“.

Vom Verteidigen zum Vernichten: Wie Sprache zur Waffe wird

Man sollte genauer hinsehen, wenn Begriffe wie „Verteidigung“ benutzt werden. Verteidigung ist so ein freundliches Wort. Es klingt nach Schutzschild, nach Heimatschutz, nach „Mama, der Wolf kommt, ich mach die Tür zu“. Doch in Wahrheit geht es um das Gegenteil: um Angriffskrieg mit moralischem Etikettenschwindel. Wer heute von Verteidigungsbereitschaft spricht, will Aufrüstung. Wer von Opfermut redet, meint Leichen.

Dabei ist es nicht so, dass Pazifismus ein Irrweg wäre. Pazifismus ist schlicht die zivilisatorische Restintelligenz, die nach den zwei Weltkriegen übriggeblieben ist. Wer ihn diskreditiert, will zurück auf Los. Nicht weil er es muss, sondern weil er es kann.

Das Geschäft mit dem Krieg: Shareholder der Waffenlobby klatschen Beifall

Die Waffenindustrie reibt sich die Hände. Rüstungskonzerne jubeln still in ihren Aktionärsberichten, wenn Professoren und Kommentatoren endlich wieder den Krieg als Notwendigkeit verkaufen. Der Satz „Schuld sei ein jahrzehntelanger Pazifismus“ ist der feuchte Traum jeder PR-Abteilung von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann.

Das Marketing des Todes hat wieder Konjunktur. Die alten Muster werden neu lackiert: Die Kriegspropaganda des 21. Jahrhunderts kommt im Design-Sakko daher, mit Kulturphilosophie-Duktus, in arte-nahen Talkrunden. Sie trägt Lesebrille und ruft zum Töten auf – für das „Gemeinwesen“.

Man könnte lachen, wenn es nicht so perfide wäre.

Die Alternative: Diplomatie als Feindbild

Was wäre denn eigentlich die Alternative? Ganz einfach: Reden. Verhandeln. Diplomatische Lösungen suchen. Verstehen wollen, warum Konflikte eskalieren. Sich die Mühe machen, Friedenslogik zu denken, anstatt Kriegslogik zu befeuern.

Doch das klingt heute wie von einem anderen Planeten. Wer Diplomatie fordert, wird wahlweise als „naiv“, „weltfremd“ oder gleich als „Putin-Versteher“ diffamiert. So einfach ist das. Wer nicht für den Krieg ist, ist gegen das Gute.

Dass es genau das Gegenteil braucht – ein entschiedenes Nein zur Aufrüstung, zu Waffenlieferungen, zur Wiedereinführung des Wehrdienstes –, wird als defätistisch, als unpatriotisch gebrandmarkt. Wer auf Frieden besteht, wird als Gesinnungspazifist beschimpft. Ein Schimpfwort, das es im Duden gar nicht geben sollte, aber in Talkshows inflationär benutzt wird.

Das Resümee: Der Krieg als letzte Antwort der Ideenlosen

Man muss es aussprechen: Wer Opfermut von Eltern fordert, der betreibt nicht Diskurs, sondern Demagogie. Er propagiert das Ende der Zivilisation im Namen ihrer Rettung. Ein Friedhof wird gebaut und als Tempel verkauft.

Die Idee vom „Opfer für das Gemeinwesen“ klingt heroisch, wenn man sie nicht zu Ende denkt. Wer sie zu Ende denkt, sieht Leichensäcke, gebrochene Mütter, amputierte Söhne. Wer sie zu Ende denkt, sieht Propaganda.

Es wird Zeit, sich klar zu positionieren: Nein zu Flaigs Opfermut. Nein zu einer kulturellen Umprogrammierung zurück in die Barbarei. Nein zur Normalisierung des Krieges als Notwendigkeit.

Was es braucht, ist nicht mehr Kriegsbereitschaft, sondern mehr Bereitschaft zum Frieden. Nicht mehr Waffen, sondern mehr Worte. Nicht mehr Helden, sondern mehr Menschen.

Und wenn das naiv klingt, dann sei es so. Lieber naiv als nekrophil.

Und wieder die Ukraine – eine nie versiegende Quelle von Absurditäten

Der Wiederaufbau als Endlosschleife: Willkommen im geopolitischen Perpetuum Mobile

Es gibt Länder, bei denen man den Eindruck hat, sie existieren vor allem als Kulisse für Konferenzen. Die Ukraine ist so ein Land. Man rekonstruiert es permanent, aber nie vollständig. Jede Ruine wird zur Bühne für neue Milliardenversprechen, jedes zerbombte Verwaltungsgebäude zur PowerPoint-Folie in einem G7-Sonderausschuss. Der Wiederaufbau ist längst nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck geworden – wie ein Fitnessstudio-Abo, das man nie kündigt, obwohl man längst weiß, dass man nie hingeht.

Gerade wieder ist es so weit: In Rom – jener Stadt, die selbst so viele Kaiser und Konsuln überlebt hat, dass sie heute alles mit einem milden Lächeln der Ironie betrachtet – treffen sich die westlichen Macher des Fortschritts. Sie sitzen in schallgedämmten Tagungsräumen, tippen auf MacBooks Air, tragen Business-Casual und hören einem Mann zu, der via Video zugeschaltet wird.

Sein Name: Oleksii Chernyshov.
Sein Job: Vizepremierminister der Ukraine für Wiederaufbau.
Sein Status: Angeklagt vom ukrainischen Antikorruptionsbüro wegen Millionenschadens für den Staat.

Und was tut dieser Mann? Er hält – ungerührt, charmant, glatt wie die Fassade eines neu gebauten Shoppingcenters in Dnipro – eine flammende Rede an die Weltgemeinschaft: Investiert in die Ukraine! Helft uns, unsere Zukunft zu gestalten! Vertraut uns!

Die Reaktion? Höflicher Applaus. Einige Notizen. Man nickt zustimmend. Schließlich geht es hier um den Aufbau der Demokratie. Wer wollte da kleinlich sein?

Korruption als System: Der ukrainische Alltag im postheroischen Zeitalter

Man muss das verstehen: In der Ukraine ist Korruption kein Ausrutscher, sondern eine Struktur. Sie ist nicht das Problem des Systems – sie ist das System.

Seit den neunziger Jahren hat sich das Land zu einer Art wirtschaftlicher Parallelwelt entwickelt, in der öffentliche Ämter weniger als Vertrauenspositionen denn als renditestarke Beteiligungen gehandelt werden. Wer ein Ministerium leitet, betreibt kein Ressort – sondern eine Lizenz zur Gewinnmaximierung. Der Staat ist ein Franchise-Modell der Selbstbereicherung.

Oleksii Chernyshov ist da keine Ausnahme, sondern der Prototyp. Der moderne Funktionär, der in teuren Anzügen auftritt, mit perfektem Englisch brilliert und sich im nächsten Atemzug von den gleichen Clans abhängig macht wie seine Vorgänger in den neunziger Jahren, als Oligarchen sich Minister kauften wie andere Leute Golfclubs.

Und das funktioniert bis heute blendend.

Die Oligarchen – oder: Der Elefant im Konferenzraum

Man spricht im Westen gern von „Reformen in der Ukraine“, aber niemand will so genau wissen, was das bedeutet. Das Wort ist längst zu einem Ritual geworden – ein magisches Mantra, das in jedem Statement vorkommen muss, um Seriosität zu simulieren.

Doch in Wirklichkeit weiß jeder: Das Land gehört nach wie vor den Oligarchen. Der Krieg hat das nicht geändert. Im Gegenteil: Krieg ist teuer. Und wer den Krieg finanziert, bekommt auch weiterhin die besten Stücke vom Kuchen.

Die großen Clans – Achmetow, Kolomoiskyi, Firtasch – sie alle sind noch da, auch wenn der ein oder andere zwischendurch mal kurz ins Ausland ausweichen musste, um Sanktionen zu umschiffen. Und immer wenn der Westen Geld schickt, sei es für Waffen, Infrastruktur oder humanitäre Hilfe, dann fließt ein Teil davon – wie von selbst, ohne dass es jemand direkt steuern müsste – in die Taschen dieser Leute.

Das ist keine Panne, das ist Design.

Die NGO-Karawane zieht weiter – mit glänzenden Broschüren und moralischer Überheblichkeit

Aber natürlich sind nicht nur die Oligarchen unterwegs. Auch die NGO-Industrie hat längst die Ukraine als Geschäftsmodell entdeckt.

Von Kiew bis Lwiw zieht eine ganze Armada von westlichen Beratern, Gender-Experten, Transparenz-Coaches und Good-Governance-Konsulenten durchs Land, die den Ukrainern erklären, wie moderne Verwaltung funktioniert. Es ist ein bisschen wie Kolonialismus, nur mit besseren PowerPoint-Folien und ethischen Grundkursen.

Die Honorare der westlichen Berater erreichen bisweilen schwindelerregende Höhen, während sie den Ukrainern die Kunst der Korruptionsbekämpfung näherbringen – in einem Land, in dem jeder weiß, dass das Hauptproblem nicht mangelndes Wissen ist, sondern mangelnder Wille.

Aber das stört niemanden. NGOs sind längst Teil des ökonomischen Ökosystems der Ukraine geworden – sie gehören dazu wie der Zollbeamte an der Grenze oder der Bote mit dem Umschlag im Regierungsflur.

Der Westen will betrogen werden – und die Ukraine liefert

Die eigentliche Pointe ist: Der Westen weiß das alles. Aber er will es nicht ändern. Denn die Ukraine ist zur geopolitischen Projektionsfläche geworden.

Man braucht sie als Bollwerk gegen Russland, als Sinnbild für Freiheit, Demokratie und den Kampf des Guten gegen das Böse. In diesem Narrativ ist kein Platz für Grautöne. Deshalb muss man sich einreden, dass es sich um ein Land handelt, das tapfer auf dem Weg zur europäischen Wertegemeinschaft ist – auch wenn es in Wahrheit ein Clan-Staat mit westlichen Etiketten bleibt.

Das ist die große Doppelmoral:

Man schimpft auf Korruption in Afrika, fordert good governance im Nahen Osten, lässt Entwicklungshilfeprojekte wegen Unregelmäßigkeiten stoppen – aber wenn es um die Ukraine geht, ist plötzlich alles egal.

Weil man es braucht. Weil es nützlich ist. Und weil niemand Lust hat, sich einzugestehen, dass man Milliarden in einen Staat pumpt, der auf den Schmiergeldflüssen reitet wie ein Surfer auf der perfekten Welle.

Und so geht es weiter. Unaufhaltsam.

Der Vizepremier wird also auch weiterhin auftreten. Trotz Anklage. Trotz der Millionen, die irgendwo verschwunden sind. Und das Publikum wird weiterhin zuhören, nicken, investieren, Broschüren drucken und „Zukunft“ sagen, wenn es in Wirklichkeit Gegenwart meint.

Die Ukraine ist eben kein Failed State. Sie ist ein Managed Corruption State.

Mit PR-Abteilung, Konferenzbeteiligung und geopolitischem Freifahrtschein.

Man könnte es fast für eine Satire halten.

Aber es ist Realität.

Und die Realität ist bekanntlich immer die härteste Form des Witzes.

Willkommen im neuen Normal

Vom europäischen Achselzucken im Angesicht iranischer Einschüchterung

Es gibt Dinge, über die man in den besseren Cafés Europas noch nicht spricht. Oder wenn, dann höchstens mit dieser speziellen Mischung aus Weltläufigkeit und schulterzuckender Gleichgültigkeit, die sich so angenehm zwischen Croissant und Flat White einfügt. Zum Beispiel darüber, dass der IRGC – der iranische Revolutionsgarden-Komplex, jene fröhliche Mischung aus Geheimdienst, Miliz und mafiösem Unternehmenskonglomerat – in Schweden mal eben 15.000 Drohbriefe verschickt hat. Ja, richtig gelesen: nicht 15, nicht 150, sondern fünfzehntausend. Das sind mehr als die Auflage mancher Regionalzeitung. Und während sich der durchschnittliche Schwede noch fragt, ob der nächste Brief vom Zahnarzt, von der Steuerbehörde oder vom persischen Gottesstaat kommt, faltet Brüssel sich gemütlich in seine gewohnte Pose der strategischen Ohnmacht.

Man könnte meinen, 15.000 Drohbriefe seien eine Kriegserklärung in Briefmarkenformat. Aber im postheroischen Westen reicht das offenbar gerade einmal für ein betretenes Räuspern auf einer Konferenz. „EU und Iran am Scheideweg“, hieß die Veranstaltung, bei der Shiva Mahboubi, die Sprecherin des Komitees für die Freiheit der politischen Gefangenen, diese kleine Anekdote aus dem europäischen Alltag vortrug. 15.000 Drohungen. Das ist in etwa die Einwohnerzahl von Eslöv. Oder, wenn Sie wollen, die Sitzplatzkapazität eines mittelgroßen Fußballstadions. Nur dass hier eben nicht über den letzten Spieltag geredet wird, sondern über Morddrohungen – ausgeführt mit der Effizienz eines Massenmailings, vermutlich per Excel-Tabelle organisiert.

Das Exportprodukt: Angst

Der Iran hat Öl, Gas und Schiitenmilizen – aber sein Haupt-Exportprodukt scheint mittlerweile die Einschüchterung zu sein. Und diese wird gerne auch mal direkt ins europäische Wohnzimmer geliefert, Porto inklusive. Der IRGC, den Europa immer noch nicht offiziell als Terrororganisation gelistet hat (man will ja niemanden verärgern, schon gar nicht die, die bereits beleidigt sind), nutzt westliche Meinungsfreiheit als Waffe gegen die westliche Meinungsfreiheit. Man könnte fast sagen: Postkoloniale Dialektik auf Scharia-Basis.

Da brennen also irgendwo in Schweden ein paar Bücher – der Koran, um genau zu sein – und die Antwort darauf ist kein theologisches Traktat, sondern eine Drohkulisse aus 15.000 Einschüchterungspostsendungen. Was lehrt uns das? Dass der Gottesstaat den Rechtsstaat nicht fürchtet, sondern benutzt. Während europäische Parlamente noch darüber diskutieren, ob eine Koranverbrennung Ausdruck der Meinungsfreiheit oder nur besonders schlechter Geschmack ist, hat Teheran längst entschieden: Das alles ist eine Einladung zum Mitspielen im asymmetrischen Psychokrieg.

Europas höfliche Kapitulation

Und Europa? Europa murmelt irgendetwas von „Dialog“ und „kritischer Partnerschaft“, bestellt hie und da mal einen Botschafter ein (unter drei Kameras, versteht sich), um dann wieder den diplomatischen Autopilot zu aktivieren. Schließlich geht es um das große Ganze, das berühmte geopolitische Schachbrett, auf dem man sich traditionell lieber selber Schachmatt setzt als unangenehme Züge zu machen. Menschenrechte? Ja, natürlich, ganz oben auf der Agenda – direkt unter Gaslieferungen, Handelsabkommen und der Angst vor noch mehr Flüchtlingen.

Dass der IRGC in Schweden Drohbriefe verschickt, wird da schnell zur „bedauerlichen Einzelfallmaßnahme“. Die EU reagiert mit derselben Entschlossenheit, mit der man auf ein schlechtes WLAN-Signal reagiert: Man tut so, als sei es gleich wieder vorbei, wenn man nur lange genug den Kopf schüttelt.

Sicherheitsgarantie? Nein, danke!

Der Satz „Was wird getan, um die EU-Bürger zu schützen?“ wirkt da fast wie ein Witz mit Anlauf. Was getan wird? Nun ja, man diskutiert. Vielleicht gibt es demnächst ein weiteres Positionspapier, in dem „zutiefst besorgt“ konstatiert wird, dass Bedrohungen dieser Art „inakzeptabel“ seien. Ungefähr so, wie es „inakzeptabel“ ist, wenn ein Hund auf den Teppich macht – nur dass in diesem Fall niemand den Hund wegschickt. Stattdessen streicht man ihm noch übers Fell, weil man auf die nächste Gaslieferung hofft.

Man muss sich das einmal vorstellen: Ein ausländischer Geheimdienst schüchtert europäische Bürger in Massen ein – und die Antwort ist: nichts. Keine Sanktionen. Keine Einreisesperren für Funktionäre. Kein juristisches Vorgehen gegen die Hintermänner. Stattdessen betritt man das Feld der symbolischen Politik und bestellt zum 47. Mal den iranischen Botschafter ein, der sich das wie immer höflich anhört, innerlich gähnt und danach wahrscheinlich sofort den nächsten Telegram-Kanal aktualisiert.

Die Drohung als Normalzustand

Wir leben in Zeiten, in denen der Terror längst nicht mehr mit Bomben kommt, sondern mit Briefumschlägen. Der Schrecken wird nicht mehr in Nacht-und-Nebel-Aktionen ausgeführt, sondern mit der Logik des Callcenters: „Guten Tag, hier ist der IRGC – möchten Sie bedroht werden?“ Und während der postmoderne Europäer noch überlegt, ob das Satire ist oder Ernst, hat der Gottesstaat längst die nächste Excel-Liste vorbereitet.

Die Frage ist also nicht mehr, ob Europa auf der internationalen Bühne eine Rolle spielt. Die Frage ist, ob Europa überhaupt noch Zuschauer ist – oder längst Teil der Kulisse. Der iranische Staat exportiert Drohungen, und der europäische Staat importiert sie klaglos, weil Widerstand unbequem wäre. Das ist der Deal. Das ist der Preis der sogenannten „Zurückhaltung“.

Fazit: Ein Kontinent am Scheideweg – und niemand biegt ab

Man darf sicher sein: Es wird noch viele Konferenzen geben wie „EU und Iran am Scheideweg“. Wahrscheinlich gibt es sie bald im Monatsrhythmus. Und man wird dort viele schöne Worte sagen, die sich gut anhören und nichts bedeuten. Aber am Ende bleibt es beim alten Muster: Der Gottesstaat droht, der Rechtsstaat duckt sich. Und während Shiva Mahboubi noch fragt, wie das alles akzeptabel sein kann, poliert Europa seine rhetorischen Phrasen – bis sie so glatt sind, dass man darauf ausrutschen kann.

Die Drohbriefe sind längst angekommen. Die Frage ist nur: Wann kommt endlich die Antwort?

Das Licht am Ende des Kabels

Von der elektrifizierten Zukunft und der Realität des Verlängerungskabels

Es war einmal ein kleines, wohlhabendes Land mit Windmühlen im Herzen und Solarpaneelen auf den Dächern, das den wohlmeinenden Entschluss fasste, die Welt zu retten – zuerst die eigene, dann vielleicht die der Nachbarn. Die Niederlande, selbsternanntes Paradebeispiel für Klimaschutz und Fortschritt, haben sich in einen leuchtenden Solarstaat verwandelt, in dem selbst der letzte Hinterhof-Kaninchenstall über Photovoltaik verfügt, während der Hase sich fragt, ob er seine Möhre noch roh verzehren darf oder besser kurz über der induktiven Herdplatte gart, bevor das Netz wieder „voll“ ist.

Denn siehe da: Der Strom ist zwar da – nur kommt er nicht mehr durch. Oder nicht überall gleichzeitig. Willkommen in der Ära des Elektro-Stau-Managements, einer Neuinterpretation des technischen Fortschritts: Statt Kohlekraftwerken jetzt Wartelisten für Steckdosen. Man kann es nicht anders nennen: Holland hat sich erfolgreich ins elektrische Nirwana katapultiert, bloß hat niemand daran gedacht, vorher die Verlängerungsschnur zu kaufen.

Von der Gasnadel zur Öko-Überlastung – Ein Volk lernt Entwöhnung

Jahrzehntelang genoss das Land der Tulpen den Luxus, auf seinem eigenen Methan-Kissen zu ruhen, das unter Groningen vergraben lag wie der Schatz des modernen Wohlstands. Doch dann beschloss man, das Gas abzudrehen – ein lobenswerter, geradezu heiliggesprochener Akt ökologischer Buße. Leider war der Beichtstuhl noch nicht fertig verkabelt. Der nationale Netzbetreiber Tennet und seine Kollegen standen also plötzlich da wie ein Elektriker, der am Krankenbett verkündet: „Der Strom kommt… irgendwann. Vielleicht 2034.“

Die Niederlande, so lernen wir, haben die Elektrifizierung mit der Begeisterung eines Vierjährigen angegangen, der das erste Mal mit Bauklötzen spielt: Alles soll größer, bunter, digitaler sein – aber das Fundament ist ein bisschen schief geraten. Man produziert nun brav Solarstrom in rauen Mengen – 2,6 Millionen Haushalte mit Dachmodulen! – nur um festzustellen, dass der selbst erzeugte Strom den Ausgang aus der Steckdose gar nicht mehr findet. Eine Nation erstickt am eigenen ökologischen Ehrgeiz, während auf den Umspannwerken „Überlastet – Bitte später wiederkommen“ blinkt.

Die neue Bescheidenheit: Blackout mit Rabatt

Doch keine Sorge, man hat Lösungen. Und sie sind, wie es sich für ein Land mit Sinn für Pragmatismus gehört, kundenfreundlich verpackt: Wer bereit ist, seinen Stromverbrauch in die Zeit zwischen Frühstück und Mittagsschlaf zu verlegen, darf das zu einem freundlichen Discount tun. Ladestationen für E-Autos? Gerne – aber bitte nicht zwischen 16 und 21 Uhr, da ist das Netz im Koma. Industrielle Großverbraucher erhalten künftig Sonderkonditionen, wenn sie sich verpflichten, zur besten Stoßzeit einfach mal abzuschalten. Das ist kein Witz, sondern Tarifmodell.

Derweil läuft im Fernsehen eine Werbekampagne für „bewussteren Umgang mit Energie“. Im Subtext steht: „Bitte nicht alle gleichzeitig den Toaster benutzen.“ Das ist Klimaschutz mit volkspädagogischer Note, halb Erziehung, halb Kapitulation. Die Technik ist da, das Netz nicht. Aber immerhin die Moral stimmt.

Die Zukunft der Wirtschaft: Batterie oder Bankrott

In Eindhoven, der Region Brainport, sitzt Europas technologische Avantgarde – ein Ort, der lieber Chips herstellt als Kartoffeln schält. Doch auch ASML, Thermo Fisher und Co. müssen jetzt lernen, dass der technische Fortschritt manchmal schneller ist als die Sicherungskasten-Modernisierung. Über 11.900 Unternehmen warten auf einen Netzanschluss, Krankenhäuser inklusive. Innovation braucht Strom, aber den gibt’s nur noch auf Zuteilung. Willkommen in der Planwirtschaft 2.0 – diesmal nicht mit Brotmarken, sondern mit Stromkontingenten.

Die Wirtschaft reagiert pragmatisch: Wer es sich leisten kann, kauft sich ein paar Batterien und baut ein Solarfeld auf dem Parkplatz. Das klingt nach Resilienz, ist aber nichts anderes als der Versuch, die selbst verursachte Netz-Notlage privatwirtschaftlich zu umgehen. Eine elegante Form der Parallelgesellschaft: Während der Mittelstand in Warteschlangen steht, speist der Großkonzern seinen Serverpark aus der eigenen Kellerbatterie.

Der Preis der Dekarbonisierung: 200 Milliarden und ein nervöser Bürgermeister

Die niederländische Regierung schätzt, dass der Ausbau des Stromnetzes bis 2040 rund 200 Milliarden Euro kosten wird. Ein Teil dieser Summe soll durch den Verkauf der deutschen Tennet-Tochter an Investoren aufgebracht werden – was ungefähr so klingt, als würde man den Gartenzaun verkaufen, um den Dachstuhl zu sanieren. Der Rest? Kommt über die Tarife. Also über Sie. Der niederländische Bürger zahlt dann eben, und zwar jedes Jahr mehr – 4,3 bis 4,7 Prozent real, bis mindestens 2034. Wahrscheinlich länger.

Die Bürgermeister sind in heller Aufregung. Jeroen Dijsselbloem aus Eindhoven rechnet bereits durch, wie viele Unternehmen noch abspringen werden, bevor das nächste Umspannwerk fertig ist. Es fehlen 28.000 Techniker, um die Kabel zu verlegen – das ist nicht nur eine Zahl, das ist ein Menetekel. Wer heute Elektriker wird, hat garantierte Vollbeschäftigung bis zur Rente. Wer heute Unternehmer wird, sollte über einen Dieselgenerator nachdenken.

Europa schaut zu – und lernt nichts

Die Niederlande sind, so mahnt man in Brüssel, ein Frühwarnsystem für den Rest der EU. Aber wer hört schon auf Frühwarnsysteme? Wir kennen das aus der Klimapolitik: Erst, wenn der Deich bricht, wird über Sandsäcke gesprochen. Der Kontinent taumelt also weiter in die Elektrifizierungs-Offensive, während die Kupferkabel glühen. Man will das Klima retten – und übersieht dabei, dass auch die banalsten Infrastrukturen irgendwann an ihre Grenzen stoßen.

Vielleicht ist das ja die große Ironie der Energiewende: Am Ende scheitert sie nicht an der Technik, nicht an den Kosten, nicht an der Politik – sondern an der simplen Tatsache, dass kein Mensch rechtzeitig ein Verlängerungskabel bestellt hat.

Fazit? Kein Fazit. Nur ein Stromausfall in Zeitlupe.

Was will uns der Economist damit sagen?

Vom Schlaraffenland der Kriegsökonomie: Die Mär vom Krieg ohne Schweiß, ohne Ruß, ohne Werkbank

Der „Economist“, jenes immer leicht britisch-herablassend grinsende Wochenblatt der Globalisierungseliten, hat wieder einmal in die Zukunft geblickt – und dabei aus Versehen in den Rückspiegel geschaut. Es verkündet, mit jener blendend arroganten Sicherheit, die man sich nur leisten kann, wenn man beim Mittagessen gleichzeitig über Staatsanleihen und Gin-Cocktails parlieren darf, dass der Westen den Krieg neu erfunden hat. Genauer: den Krieg ohne Fabriken, ohne Arbeiter, ohne das ölige Gestöhne von Zahnrädern.

Die Ukraine liefert den Anlass, der Economist liefert die Deutung: Man kann heute Kriege führen, ohne sich mit dem lästigen Ballast einer produzierenden Wirtschaft herumzuschlagen. Der „Komplexe post-industrielle Krieg“ lautet das neue Paradigma. Waffen kommen künftig aus PowerPoint-Präsentationen, Rüstungsproduktion ist ein Software-Update, Drohnen werden bei Amazon bestellt (Prime-Shipping selbstverständlich inklusive). Und falls es doch einmal an Raketen mangelt? Dann ruft man Lockheed Martin an – oder besser noch: man ruft an und lässt den Anrufbeantworter sprechen, während man mit Raytheon schon den nächsten Zoom-Call plant.

So klingt es jedenfalls, wenn ein Londoner Finanzjournalist mit Oxford-Diplom über Artillerieproduktion philosophiert. Das Schöne an dieser Sichtweise: Sie befreit uns von der lästigen Realität der Materialschlachten. Wer noch an Stahlwerke denkt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Der neue Krieg ist clean, digital und vor allem: ausgelagert. Es braucht keine Arbeiterklasse mehr, um ihn zu gewinnen – nur noch Berater, Cloud-Dienste und ETFs mit Rüstungsaktien.

Der Krieg als Cloud-Service: Militärischer Sieg im Abo-Modell

Natürlich, der Artikel drückt es etwas geschmeidiger aus. Der „Economist“ wäre ja nicht der „Economist“, wenn er nicht den neoliberalen Duktus in Reinform beherrschen würde. Da liest sich das dann so: Der Westen muss nicht mehr wie im Zweiten Weltkrieg Fabriken im Akkord umstellen, Frauen an die Fließbänder beordern, Aluminium rationieren oder Nachtschichten in der Munitionsfabrik schieben. Heute erledigen das Märkte und modulare Lieferketten. Wer braucht schon industrielle Kapazitäten, wenn man ein globales Sourcing-Netzwerk hat?

Panzerketten aus Südkorea, Halbleiter aus Taiwan, Zielsuchsysteme aus Kalifornien, Schrauben aus Mexiko, Software-Updates aus Israel – fertig ist das post-industrielle Waffensystem. Der Krieg als Cloud-Service.

Man stelle sich das Szenario vor: Während im Donbass Granatsplitter regnen, läuft im Pentagon das nächste Procurement-Meeting. Man klickt sich durch ein paar Slides, entscheidet zwischen Option A (etwas teurer, aber schneller lieferbar) und Option B (etwas günstiger, aber leider mit 6 Wochen Lieferzeit, da gerade der Containerhafen in Schanghai blockiert ist). Krieg als Betriebswirtschaft. Supply Chain Management mit Todesfolge.

Der Scharfsinn dieses Gedankens liegt natürlich darin, dass er niemandem wehtut – zumindest nicht den westlichen Lesern des „Economist“. Der post-industrielle Krieg hat keine verschwitzten Arbeiter mehr, keine Munitionsfabriken, keine Schlote. Er hat nur noch Algorithmen, Grafiken und Wertschöpfungsketten. Krieg als betriebswirtschaftliche Optimierungsaufgabe.

Die entfesselte Simulation: Warum der „Economist“ immer noch an die unsichtbare Hand glaubt – auch wenn sie inzwischen eine Drohne steuert

Das ist, mit Verlaub, eine ebenso absurde wie konsequente Fortschreibung der neoliberalen Religion. Der Markt wird es schon richten – selbst den Krieg. Rüstung als globalisierter Just-in-Time-Prozess, munitioniert von Start-ups, die gerade noch an der Blockchain gebastelt haben, jetzt aber Drohnenplattformen für den Verteidigungsmarkt bauen. Die Supply Chain der Gewalt ist angeblich so stabil, dass es keiner „Kriegswirtschaft“ im klassischen Sinne mehr bedarf.

Man könnte lachen, wenn es nicht so tragisch wäre. Denn was der „Economist“ hier skizziert, ist nicht nur ein techno-optimistisches Märchen – es ist eine Einladung zur Verantwortungslosigkeit.

Die Ukraine verbraucht Artilleriegranaten im Tempo der industriellen Hölle, der Westen liefert sie im Tempo der PowerPoint-Konferenz. Warum? Weil eben doch keine moderne Kriegsführung ohne industrielle Basis funktioniert. Die Lager sind leer, die Produktionslinien veraltet, die Arbeitskräfte fehlen. Aber der „Economist“ macht daraus eine Tugend: Wir haben die Rüstungsindustrie verschlankt! Wir müssen nicht mehr selbst bauen, wir können delegieren, auslagern, verschieben – auf morgen, auf übermorgen, auf irgendwen.

Zwischen Silicon Valley und Stahlwerk: Die bittere Pointe der digitalen Kriegsführung

Was der „Economist“ wirklich sagt, wenn er schreibt, dass der Westen aufrüsten kann, ohne sich zu re-industrialisieren? Er sagt: Wir wollen das mit dem Krieg schon machen – aber bitte ohne schmutzige Hände. Kein Stahl, kein Schweiß, keine Werkbank. Nur noch KI, Plattformen, Netzwerkzentrierung. Der Krieg der Zukunft soll so sauber aussehen wie ein Apple Store.

Doch die Realität ist bekanntermaßen störrisch. Sie besteht aus Lieferengpässen, aus Mangel an Facharbeitern, aus rostenden Fertigungshallen, die sich nicht mit Excel-Tabellen ersetzen lassen. Die Waffenproduktion ist keine PowerPoint-Präsentation. Sie ist Industrie – ob es dem „Economist“ gefällt oder nicht.

Die zynische Pointe: Während der Westen noch darüber sinniert, wie man den Krieg möglichst effizient ins Digitale outsourcen kann, re-industrialisiert sich der Osten längst wieder. Russland stampft Munitionsfabriken aus dem Boden, China baut Werften im Akkord, und der Westen? Der optimiert weiter seine Slides.

Fazit: Post-industrieller Krieg ist wie Diät-Schokolade – klingt gut, funktioniert nicht

Der „Economist“ hat mal wieder gezeigt, was er am besten kann: Das Unangenehme wegmoderieren. In der eigenen post-industriellen Komfortzone wird der Krieg zum Software-Problem umgedeutet. Bloß keine schmutzigen Hände, bloß keine soziale Frage. Krieg als Dienstleistung, Sieg als PowerPoint-Möglichkeit.

Die Frage bleibt: Was will uns der „Economist“ damit sagen?

Antwort: „Keine Sorge, ihr müsst nichts ändern.“

Und das, man ahnt es, ist genau das Problem.

Ein abendländisches Requiem

Vom Untergang der eigenen Wertschätzung – Oswald Spengler, der Selbsthass und der moralische Narzissmus der Schuld

Es gibt Bücher, die man nur noch mit Samthandschuhen aus dem Regal nimmt, weil sie Staubschichten aus Jahrhunderten angesetzt haben – metaphorisch wie real. Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes ist so eines. Es wird oft genannt, selten gelesen und fast nie verstanden. Die Kulturpessimisten lieben ihn, weil er ihnen eine Weltuntergangs-Prognose schenkt, die sich wie ein warmer Mantel anfühlt: „Seht her, ich habe es immer schon gewusst.“ Die Linksliberalen wiederum zitieren ihn gelegentlich als abschreckendes Beispiel, ohne es nötig zu finden, auch nur den Klappentext zu überfliegen. Und die restliche Gesellschaft? Sie hat Wichtigeres zu tun: Selfies, Gender-Debatten, Nachhaltigkeits-Workshops mit Alpro-Sojamilch-Cappuccino.

Spengler sah den Abendstern des Westens schon leuchten, als Europa noch in Pickelhauben steckte. Sein Befund war klar: Hochkulturen haben biologische Lebenszyklen. Sie werden geboren, sie blühen, sie degenerieren, sie verfaulen – und dann kommt die nächste. Das Leben einer Zivilisation ist wie ein überzüchteter Dackel: erst süß, dann neurotisch, dann tot. Daran ist nichts besonders originell, das wusste schon Polybios. Doch Spengler gab dem ganzen eine barocke Wucht, ein Pathos, das heute kaum noch erträglich scheint, weil unsere Gegenwart alles liebt – außer Pathos.

Und genau darin liegt der Kern unserer Misere: Wir haben nicht nur den Glauben an unsere eigene kulturelle Tragfähigkeit verloren, wir haben uns angewöhnt, daran auch noch Wohlgefallen zu finden. Der Westen, das ist heute nicht mehr das römische Recht, nicht mehr die gotische Kathedrale, nicht mehr Goethe, Kant oder Beethoven – der Westen, das sind TED-Talks über Diversity, unironische LinkedIn-Posts mit Hashtag #Purpose, die Selbstbezichtigung in endlosen Büßerritualen und das Abfeiern der eigenen Dekadenz als Fortschritt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Westen nicht stirbt, sondern Selbstmord begeht – aus einer Mischung aus schlechtem Gewissen, Hypermoral und intellektuellem Masochismus.

Die Lust an der eigenen Verdammung

„Wir sind schuld.“ Das ist der Kernsatz unserer Zeit. Schuld am Kolonialismus, Schuld an den Weltkriegen, Schuld am Kapitalismus, Schuld an CO₂, Schuld an der Geschichte an sich. Die Selbstanklage ist der neue Katechismus der spätabendländischen Wohlstandsgesellschaft. Wer etwas auf sich hält, geißelt die eigene Herkunft, das eigene Geschlecht, die eigene Zivilisation. Man entschuldigt sich für das Abendland, als hätte man es persönlich in die Knechtschaft geführt.

Es ist ein seltsamer Kult: Ein säkularisiertes Christentum ohne Gott, aber mit umso mehr Sünde. Der Bußfertige schleppt heute keine Geißel mehr durch die Straßen von Perugia, sondern postet auf Instagram über Privilegien-Check und postkoloniale Theorie. Er verzichtet nicht auf Fleisch wegen des Leibes, sondern wegen der CO₂-Bilanz. Er fastet nicht für das Seelenheil, sondern für die Fridays-for-Future-Ästhetik. Es ist ein neuer Ablasshandel entstanden, diesmal mit Bio-Siegel.

Spengler hätte das nicht überrascht. Er sah den Zivilisationsmenschen als saturierten Dekadenzbürger, der sich für seinen eigenen Erfolg schämt, weil er keine metaphysische Legitimation mehr findet. Der moderne Mensch glaubt nicht mehr an Gott, aber umso inbrünstiger an den Klimawandel. Er lacht über den Ablasshandel des Mittelalters, während er im selben Atemzug CO₂-Kompensationen bucht, als würde ihn das von allen Reisen ins All-Inclusive-Hotel moralisch freisprechen.

Der Selbsthass wird zum Distinktionsmerkmal der gebildeten Schicht. Wer heute noch stolz auf seine Kultur ist, steht unter Faschismusverdacht – es sei denn, es handelt sich um eine fremde Kultur, die darf selbstverständlich bewundert, gehuldigt und folkloristisch gefeiert werden. Nur die eigene nicht. Denn wer die eigene Geschichte anerkennt, muss sich auch mit deren Schatten beschäftigen. Und weil man dazu weder Mut noch Maß hat, geht man lieber gleich ganz in den Keller und zieht sich den Sack über den Kopf.

Der Schuldkult als Klassenzeichen

Man muss es klar sagen: Der neue Schuldkult ist nicht Ausdruck von Verantwortung, sondern von Dekadenz. Wer sich die ewige Selbstanklage leisten kann, gehört zu den Gewinnern des Systems. Es ist ein luxuriöses Hobby der saturierten Mittelschicht, sich für die Weltlage zu schämen. Der Selbsthass ist der Champagner der Besserverdiener. Wer in der Plattenbausiedlung aufwächst, hat andere Sorgen, als sich im Feuilleton über postkoloniale Gerechtigkeit zu ereifern.

Oswald Spengler schrieb von der „Zivilisation“ als Spätform der Kultur: steril, technokratisch, bürokratisch, sittlich erschöpft, geistig orientierungslos. Der heutige Westen ist diese Zivilisation in Reinform. Aber statt nüchtern den Verfall zu registrieren, verwandeln wir ihn in eine Religion der Reue. Die Moralindustrie hat Konjunktur. Jeder tweetet sich rein in die große Kollektivbeichte, alle halten sich für schuldig, und wer sich nicht an diesem Selbstgeißelungsritual beteiligt, wird gecancelt.

Der neue Puritanismus ist nicht prüde, sondern hypermoralisch. Früher fragte man: „Ist es wahr?“ Heute lautet die Frage: „Ist es moralisch anschlussfähig?“ Wer widerspricht, ist rechts, rückständig oder – noch schlimmer – nicht empathisch. Dabei übersieht man geflissentlich, dass der moralische Narzissmus selbst eine Form der Selbstvergöttlichung ist: Ich bin so sensibel, dass ich mich selbst hasse – was für ein Held!

Zwischen Hybris und Hysterie

Vielleicht liegt das alles in der Logik der Geschichte. Spengler sagte: Am Ende jeder Kultur steht der Zynismus der überreifen Intelligenz. Und genau das erleben wir. Der Westen ist nicht mehr schöpferisch, sondern reflexiv. Er produziert keine Kathedralen mehr, sondern Diskurse. Kein Epos, sondern Ironie. Kein Fortschritt, sondern Dekonstruktion. Wir reden uns zu Tode, während die Welt weiterzieht.

Der Aufstieg der anderen Kulturen – Asien, Afrika, der globale Süden – ist nicht unbedingt ein Zeichen ihres Triumphs, sondern unseres Rückzugs. Wir haben aufgehört, zu wollen. Wir wollen nur noch verstanden werden. Wir sind die ersten Menschen der Geschichte, die glauben, durch Selbstkritik das Rad der Geschichte anhalten zu können. Das ist entweder genial oder wahnsinnig – vermutlich beides.

Spengler war kein Demokrat, kein Liberaler, kein Menschenfreund. Er war ein melancholischer Prophet des Verfalls. Seine Diagnose war hart, aber vielleicht realistischer, als wir es heute wahrhaben wollen. Der Westen stirbt nicht, weil ihn andere besiegen, sondern weil er selbst beschlossen hat, sich aufzulösen – aus einer Mischung aus moralischer Überdehnung, kultureller Erschöpfung und einer fast schon liebevollen Hingabe an den eigenen Niedergang.

Das bittere Fazit mit einem Augenzwinkern

Was also tun? Nichts. Der Gang der Geschichte ist nicht aufzuhalten, das wusste schon Spengler. Wer aber heute noch den Humor hat, sich das alles anzuschauen – die Hypermoral, den Schuldkult, den Selbsthass und das ironisch gebrochene Pathos der westlichen Gesellschaft –, der kann immerhin aufrecht den Niedergang beobachten. Vielleicht mit einem Glas Wein in der Hand, während draußen die Klimakatastrophe tobt, die postkoloniale Theorie zitiert wird und der nächste Twitter-Shitstorm gegen irgendwen entfacht wird, der es gewagt hat, Kant zu lesen, ohne sich dafür zu entschuldigen.

Vielleicht ist das der wahre Widerstand heute: nicht mitmachen beim kollektiven Selbstzerstörungsprogramm – und trotzdem freundlich bleiben. Denn wer zynisch lächelt, lebt länger.

NEIN, MÜSSEN WIR NICHT

Denn diese Gefahr gibt es nicht!

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit der westliche Alarmismus seine grellen Sirenen aufdreht, obwohl längst niemand mehr am Schalter steht. Da läuft der Lautsprecher von allein weiter – wie ein ausgeleierter Leierkasten am Rande eines Jahrmarkts, den es längst nicht mehr gibt. Russland kommt! Russland greift an! Russland bedroht uns alle! Das ist der neue Soundtrack für Talkshows, Hinterbänkler-Reden und Leitartikel voller transatlantischer Treuegelöbnisse. Dabei hat Russland seit Jahr und Tag – mit Ausnahme seiner unnachahmlich brummigen Rhetorik – keinerlei Anstalten gemacht, auch nur den kleinen Finger in Richtung Europa zu rühren.

Doch wehe, wer das laut sagt. Dann folgt sofort das Tribunal der Hypermoralisten, das die Kategorie „gesunder Menschenverstand“ längst aus seinem Vokabular gestrichen hat. Und überhaupt: Wo kämen wir denn hin, wenn wir den Drohkulissenabbau einmal mit der Realität abgleichen würden? Das geht natürlich nicht. Sonst müsste man ja zugeben, dass der Milliardenaufwand für Waffen und Wehrpflicht-Reanimationsversuche eine Art Selbstbetrug ist – frech finanziert aus den Taschen der Bürger, die jeden Tag an der Supermarktkasse einsehen dürfen, wofür sie die Rechnung zahlen. Spoiler: Nicht für Sicherheit. Sondern für das große Spiel der Machtprojektion.

Ein Phantom namens Putin unter dem Bett der NATO

Der Russe kommt? Nein, der Russe kommt nicht.

Das ist aber schlecht für diejenigen, deren Geschäftsmodell genau davon lebt, dass er es täte. Rüstungslobbyisten, transatlantische Thinktank-Vasallen, sowie jene Minister, die auf dem Gebiet militärischer Planspiele brillieren, weil sie sich sonst nirgends durch Kompetenz auszeichnen. Sie brauchen den Feind wie der Fisch das Wasser. Ohne den Feind gibt es keine Rechtfertigung für die eigenen Aufrüstungsfantasien, keine Rechtfertigung für Milliardenbudgets, keine Rechtfertigung für die Wiederkehr der Wehrpflicht unter dem bunten Tarnanstrich von „Zeitenwende“.

Der Ukrainekrieg ist schlimm, gewiss. Aber wer sich die Mühe macht, mal jenseits der Tagesschau-Narrative nachzulesen, der erkennt: Dieser Krieg begann nicht 2022, sondern 2014. Und es ist eben kein schwarz-weißes Märchen von Gut gegen Böse. Es ist ein klassischer Stellvertreterkrieg, von langer Hand vorbereitet – nicht nur in Moskau, sondern eben auch in Washington, Brüssel und Kiew.

Dass Russland sich nach dem Westen hin ausweiten will, gar die NATO angreifen möchte, ist eine Chimäre. Keine einzige russische Quelle, keine offizielle Verlautbarung, kein Indiz weist darauf hin. Das Gegenteil ist der Fall: Selbst in der russischen Propaganda wird der Westen nicht als militärisches Angriffsziel beschrieben, sondern als dekadenter Gegner, der sich selbst zerlegt.

Doch was passiert, wenn man das sagt? Dann wird man in Deutschland mit der größten Waffe bekämpft, die der politische Diskurs zu bieten hat: der Moralkeule mit NATO-Emblem. „Putinversteher!“ brüllen sie dann.

Danke für das Kompliment. Verstehen ist nämlich besser als Kriegstreiberei.

Wie man Milliarden verbrennt, ohne den Herd anzuschalten

Was ist der Unterschied zwischen einem echten Krieg und einem präventiven Rüstungswahn für einen Krieg, den es gar nicht gibt?

Antwort: Der echte Krieg ist teurer – aber wenigstens hat er einen Gegner.

In Deutschland allerdings geben wir gerade Hunderte Milliarden aus für einen Phantomkrieg. Für Panzer, die nicht fahren, für Flugzeuge, die nicht fliegen, und für Munition, die so teuer ist, dass man sie besser auf einem Sparbuch liegen lässt, als sie zu verschießen.

Das ist kein Verteidigungsfall, das ist eine Mischung aus Diebstahl am Steuerzahler und Schilda-Politik im militärischen Karnevalskostüm.

Die Wehrpflicht soll zurückkommen? Ja gerne, aber gegen wen genau sollen die Jahrgänge 2005 bis 2007 denn kämpfen? Gegen russische Panzer auf der Autobahn A2? Gegen Fallschirmspringer, die über Castrop-Rauxel abspringen? Lächerlich.

Russland steckt militärisch bis zum Hals im ukrainischen Morast, ökonomisch unter westlichen Sanktionen, und geopolitisch auf einem Drahtseil zwischen China, Indien und dem Rest der Welt. Russland ist mit sich selbst beschäftigt.

Aber wenn man den Leuten das sagt, dann heißt es: „Na, warten Sie mal ab!“

Genau. Warten wir mal ab. Seit 30 Jahren warten wir auf den russischen Angriff. Er kommt nicht.

Bündnisfall? Aber gegen wen denn, bitteschön?

Kommen wir zu einer der größten Doppelmoral-Farcen unserer Zeit: dem sogenannten Bündnisfall.

Man könnte meinen, nach der Sprengung von Nord Stream 2 müsste Deutschland einen solchen ausrufen. Denn da wurde die wirtschaftliche Lebensader der deutschen Industrie in die Luft gejagt. Und es spricht vieles dafür, dass Kiew mehr wusste, als es zugibt.

Doch was macht die deutsche Politik? Sie schweigt. Sie schaut betreten auf den Boden wie ein Schüler, der beim Abschreiben erwischt wurde. Ein NATO-Bündnisfall gegen die Ukraine? Undenkbar!

Stattdessen liefern wir weiter Waffen, zahlen die Rechnungen und leisten „Beistand“, den wir niemandem schulden.

Denn, Achtung: Deutschland hat keinerlei rechtliche oder moralische Verpflichtung, sich in der Ukraine einzumischen. Wir sind nicht die Weltpolizei, wir sind auch nicht die Zuchtmeister des Ostens.

Und wenn wir uns ehrlich machen würden, müssten wir sagen:

Unsere Aufgabe ist es, die deutschen Interessen zu vertreten. Nicht die der Ukraine. Nicht die der USA. Und schon gar nicht die der Rüstungsindustrie.

Russland wird Europa nicht angreifen. Punkt.

Putin wird nicht in Berlin einmarschieren. Nicht in Warschau. Nicht in Paris. Er wird nicht die NATO angreifen, weil er weiß, was dann passiert: Das wäre der Untergang seines Landes. Und nein, er ist nicht verrückt. Er ist ein zynischer Machtpolitiker, aber kein Selbstmordattentäter im Kreml-Bunker.

Der Westen hat sich eine Bedrohung herbeigeredet, weil es praktisch ist. Weil es den Lobbyisten nutzt. Weil es den Medien Einschaltquoten bringt. Und weil es den Politikern hilft, die eigenen Versäumnisse zu kaschieren.

Teure Sozialpolitik? Nicht finanzierbar!

Aber Panzerlieferungen? Kein Problem!

Marode Schulen? Kein Geld!

Aber Rüstung? Open Bar!

Das ist die eigentliche Zeitenwende: vom Sozialstaat zur Kriegswirtschaft – ohne Krieg.

Die Gefahr ist ein Geschäftsmodell, nicht die Realität

Also hören wir doch endlich auf mit diesem albernen Theater.

Putin ist kein Heiliger, aber auch kein Hitler. Russland ist ein schwieriger Nachbar, aber kein imperialer Aggressor, der Europa erobern will.

Wer das Gegenteil behauptet, verdient entweder Geld mit der Lüge – oder glaubt an Gespenster.

Und beides ist gleichermaßen gefährlich.

Denn das Spiel mit der Angst führt uns nicht in die Sicherheit, sondern in den Abgrund der Vernunft.