Das Jahrhundert als Vorschuss

Fassen wir zusammen: Die EU und Deutschland verschuldeten sich auf Jahrhunderte für ein anderes Land, das den Krieg gegen Russland ohne Unterstützung der USA nicht gewinnen kann

Man wird es dereinst in den Geschichtsbüchern nachlesen können, vermutlich irgendwo zwischen dem Kapitel „Kollaterale Demokratieverluste“ und dem Anhang „Warum der Fortschritt manchmal rückwärts galoppiert“: Wie die Völker Europas, allen voran die Deutschen, mit viel rhetorischem Pathos und noch mehr frischgedrucktem Geld in einen Krieg investierten, der sich nicht einmal mit einer moralischen Buchführung als rentabel ausweisen lässt. Man wollte Gutes tun, das steht außer Frage. Die Sache mit dem Weg zur Hölle und den guten Absichten ist ja bekannt. Doch die Kreditlinie zur Ewigkeit ist weit, und wer sich heute bei der EZB mit dreistelliger Milliardenhöhe einloggt, muss nicht befürchten, morgen schon von der Realität ausgeloggt zu werden.

Das Schuldenmodell für Generationen: Jetzt auf Pump, später im Museum

Ach, wie fein ziseliert klingen sie doch, die Statements aus Brüssel und Berlin: „Historische Verantwortung“, „europäische Solidarität“, „Wertegemeinschaft“. Es sind jene Zauberworte, mit denen sich selbst die absurdesten Finanztransaktionen noch in ein leuchtendes Gewand aus Menschenrechtsromantik hüllen lassen. Dass diese Wertegemeinschaft am Ende mehr Schulden als Werte erzeugt, ist wohl ein bedauerlicher Kollateralschaden der höheren Moral. Aber keine Sorge – die Rückzahlung erfolgt in Tranchen, die so weit in der Zukunft liegen, dass sie nicht einmal von Science-Fiction-Autoren zuverlässig vorhergesagt werden können.

Die Kinder von morgen werden nicht gefragt werden, ob sie den Panzerkredit von gestern gerne abstottern möchten. Vielleicht dürfen sie im Ethikunterricht ein Referat über die Errettung der europäischen Freiheitsideale halten, während ihre Eltern aus der Sparlampe im Energiesparhaus das letzte Lichtchen saugen.

Der große Bruder bleibt der große Gläubiger

Wie seltsam es doch anmutet: Während die europäischen Hauptstädte ihre Schatzkammern weit öffnen, bleibt die eigentliche Siegbedingung eine Konstante, die weder Brüssel noch Berlin kontrollieren. Ohne den allmächtigen US-Dollar und die Waffenlieferungen aus Washington wäre der Verteidigungskampf unseres östlichen Nachbarn nicht mehr als ein melancholischer Eintrag im politischen Nachrufregister. Aber die USA haben ihre eigene Agenda – und diese hat mit europäischen Schuldenbergen ungefähr so viel zu tun wie ein texanischer Ölmagnat mit veganer Ernährung.

Es ist ein seltsames Arrangement: Die einen zahlen, die anderen gewinnen. Die einen versprechen „Whatever it takes“, die anderen liefern Waffen im Abonnement. Die einen bauen Windräder, die anderen Flugzeugträger. Die einen leisten moralische Überstunden, die anderen streichen geostrategische Dividenden ein. Wer wird am Ende wohl der lachende Dritte sein?

Postheroische Zeiten – Heldensagen aus der Notenpresse

Wirklich bemerkenswert ist aber, dass all diese astronomischen Summen in einem historischen Moment verschrieben werden, in dem Heldenmut vor allem darin besteht, auf Twitter eine Fahne ins Profilbild zu kleben. Die Nachkriegsgeneration wird mit dem Kredit von heute vielleicht keine goldene Zukunft erben, aber immerhin ein schillerndes Vokabular aus solidarischer Phraseologie. „Wir haben alles getan, was wir konnten“, wird man später in den Archiven lesen – und der kleine Vermerk, dass man vor allem alles bezahlt hat, was man nicht hatte, wird bestenfalls in den Fußnoten auftauchen.

Was bleibt, ist das Narrativ

Am Ende wird man sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, wer diesen Krieg gewonnen hat – aber man wird genau wissen, wer ihn bezahlt hat. Das ist doch auch eine Form der historischen Unsterblichkeit. Und wenn es irgendwann wieder einmal an der Zeit ist, Europa zusammenzufassen, dann wird es heißen: Sie haben sich verschuldet, sie haben geliefert – und am Ende durften sie sich glücklich schätzen, wenigstens die Moral auf ihrer Seite gehabt zu haben.

Vielleicht errichtet man dann in Brüssel ein Denkmal. Nicht für die Helden der Schlacht, sondern für die treuen Steuerzahler. Eine Bronzestatue, halb gefesselt, halb salutierend, mit einem Schild in der Hand: „Auf Pump für die Freiheit – 2022-????“.

Ein Land rüstet sich – bis zum letzten Euro

Whatever it takes – Der Ausnahmezustand als Dauerzustand

Es ist ein denkwürdiges Bild, das sich da in den feierlichen Hallen der Macht abzeichnet: Friedrich Merz, der altersweise Wiedergänger des deutschen Konservatismus, mit dem Duktus eines Sparkommissars aus dem Weltwirtschaftsforum, erhebt seine schmalen Hände zur Lobpreisung der Haushaltsdisziplin – um sie dann, mit dramatischer Geste, dem Schicksal unserer Zeit entgegenzuwerfen. „Whatever it takes!“ – eine Formel, die einst den Euro retten sollte, nun aber als sakraler Zauberspruch zur Unzeit das goldene Kalb der Schuldenbremse schlachten darf. Dass Merz ausgerechnet den legendären Draghi-Satz bemüht, jenen Notwehrschwur eines neoliberalen Technokraten, mag als subtiles Aperçu durchgehen – oder als zynisches Meme für die letzte, verzweifelte Aufrüstung des Westens.

Doch wo Merz die Stirn sorgenvoll in Falten legt, während er mit bebender Stimme von der „Bedrohung unserer Freiheit“ schwadroniert, drückt sich Markus Söder mit bajuwarischer Wucht durch die Tür und donnert ein „XXL!“ hinterher, als wäre die Bundesrepublik ein Fast-Food-Menü, das jetzt endlich die maximale Kalorienration für den Kampf gegen den Hunger des Weltgeistes erhält.

Die Schuldenbremse als sakrales Relikt

Dass ausgerechnet jene CDU, die sich jahrzehntelang als Zuchtmeister fiskalischer Askese aufspielte, nun die eiserne Regel des Grundgesetzes nach Gusto zur Disposition stellt, hätte vor wenigen Jahren noch den Tatbestand des Hochverrats erfüllt. Doch die Zeiten ändern sich, und wer die Schuldenbremse noch ernst nimmt, gilt in der Politik inzwischen als spleeniger Anachronist. Die politische Klasse hat begriffen, dass es in der postpandemischen Ära nur noch um den kreativen Ausnahmezustand geht: Klima, Corona, Krieg – die Krise ist der neue Normalzustand, und wenn Krisen kein Ende nehmen, dann ist auch jede Regel bloß noch Dekoration.

Es gehört zum feinen Zynismus dieser Tage, dass ausgerechnet die Verteidigungsausgaben – jene Investitionen in die endgültige Zerstörung, die sich bislang als Friedensdividende tarnen durften – nun zur Mutter aller Notwendigkeiten erklärt werden. Die Investitionen in Schulen, Krankenhäuser, Infrastruktur oder gar soziale Absicherung? Leider nicht systemrelevant. Aber Drohnen, Panzer, Raketen – das ist der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht wird.

Das Fetischkapital der Sicherheit

Während die letzten Brösel der sozialen Marktwirtschaft in den Suppenküchen der Tafeln landen, feiert der militärisch-industrielle Komplex seine glänzende Renaissance. Die Logik ist so einfach wie perfide: Sicherheit vor sozialer Gerechtigkeit, Geopolitik vor Gemeinwohl, Aufrüstung vor Daseinsvorsorge. So sieht die neue Hierarchie des Neoliberalismus aus, der sich nun endlich seiner Friedensrhetorik entledigen kann.

Dass in diesem historischen Augenblick ein Friedrich Merz an der Spitze der Opposition steht, ist nur folgerichtig. Der Mann, der als BlackRock-Lobbyist so etwas wie die fleischgewordene Schuldenbremse war, steht nun für die grenzenlose Verschuldung – solange es für den richtigen Zweck geschieht. Und wenn Markus Söder von einem Investitionsprogramm XXL spricht, dann ist das mehr als bloße Rhetorik: Es ist der endgültige Bruch mit dem Mythos, dass sich Staatsschulden je wieder abbauen ließen.

Vom Kriegs- zum Schuldenwirtschaftswunder

Was hier eingeläutet wird, ist eine neue Ära der Kriegswirtschaft – nur dass man sie heute euphemistisch als „Investitionsoffensive“ verkauft. Die Inflation wird sich in den Rüstungsbilanzen verstecken, die Schulden in den Schattenhaushalten versickern, und der Bürger wird mit Glück noch ein subventioniertes Wärmepumpenmodell erhaschen, während die Bundesregierung in Washington die nächste F-35-Staffel einkauft.

Es ist eine bittere Pointe, dass ausgerechnet die deutsche Politik, die sich jahrzehntelang für ihre fiskalische Disziplin feiern ließ, jetzt in die Rolle des willfährigen Waffenfinanziers gedrängt wird. Aber vielleicht war die Schuldenbremse nie mehr als eine billige Pose – ein folkloristisches Ritual, um die schwäbische Hausfrau bei Laune zu halten, während im Maschinenraum der Globalisierung längst andere Regeln galten.

Humor als letzte Waffe

Doch wo die große Politik ihre Prinzipien wechselt wie Designeranzüge, bleibt dem Bürger immerhin noch der Humor. Man stelle sich vor, wie Friedrich Merz mit leuchtenden Augen an der Bundesbank vorbeifährt, um sich in der Nacht heimlich ein Transparent ans Fenster zu hängen: „Whatever it takes!“ Darunter ein kleines Fußnotenzeichen, das die Bedingung vermerkt: Solange es nicht für Sozialausgaben ist.

Der Ausnahmezustand mag kommen, die Satire wird bleiben. Und wenn die letzten Milliarden in Marschflugkörpern verpufft sind, wird es noch immer einen Kabarettisten geben, der mit einer einzigen Pointe mehr Wirkung erzielt als alle Sondervermögen zusammen. Vielleicht ist das dann der letzte Rest von Aufrüstung, den sich dieses Land noch leisten kann.

Das Märchen vom Wachstum

Wie man den Kapitalismus zum Stillstand bremst, ohne die Welt zu retten

Wenn eine hochdekorierte Ökonomin wie Claudia Kemfert im Gewand der Vordenkerin der „vorsorgeorientierten Postwachstums-Ökonomie“ in den Medien auftritt, dann riecht es nach Rebellion. Nach intellektuellem Florettkampf gegen die Trägheit der Verhältnisse. Nach dem ehrenhaften Versuch, die Welt vor sich selbst zu retten. Was könnte edler sein? Doch Vorsicht, bevor wir uns im heroischen Glanz dieser Visionen verlieren: Der Weg in die klimagerechte Zukunft ist – wenn man Kemfert folgt – vor allem gepflastert mit Verzicht, Entbehrung und der Absage an das, was die westliche Welt in den letzten zwei Jahrhunderten an Wohlstand erkämpft hat. Ein kühnes Vorhaben, das so visionär ist, dass man sich beinahe fragt, ob die Apokalyptik hier nicht zur neuen Heilslehre gerinnt.

Der Fetisch des Wachstums – oder: Wie viel Fortschritt ist zu viel Fortschritt?

Wirtschaftswachstum, so lernen wir von Kemfert, ist der Ursprung allen Übels. Eine „ungezügelte“ Dynamik, die sich gierig durch den Planeten frisst wie ein metastasierender Tumor. Der Gedanke ist nicht neu, aber in der aktuellen Verpackung bekommt er eine besonders feinfühlige Aura. Hier spricht eine Ökonomin, die sich über das „gesellschaftliche Wohlergehen innerhalb planetarer Grenzen“ Gedanken macht. Wer könnte da widersprechen? Die Formel ist unwiderstehlich: Wir verzichten auf ein bisschen Wachstum – und die Erde atmet auf. Doch hinter dem sanften Habitus lauert eine radikale Idee: Die fundamentale Umwälzung des Wirtschaftssystems, die Abschaffung des Gewinnstrebens, die sakrale Enteignung des Privateigentums. Der Kapitalismus auf Valium, begleitet von leisen Harfenklängen und veganem Hafermilch-Kaffee.

Kreislaufwirtschaft – oder: Der Triumph des Immergleichen

Die Postwachstums-Ökonomie, wie sie Kemfert vorschwebt, hat etwas von einer ökonomischen Tupperparty. Alles bleibt im Kreislauf. Produkte werden nicht mehr produziert, sondern wiederverwertet. Abfall gibt es nicht, Verschwendung auch nicht – ein paradiesischer Kreislauf der Ressourcen, in dem alles seine Bestimmung findet. Der große Wurf? Eher eine ökonomische Beruhigungspille, die in ihrer peniblen Konsistenz an den guten alten Realsozialismus erinnert, bei dem jedes Glas Marmelade dreimal ausgekocht wurde, bevor man es mit saurem Kompott wiederbefüllte.

Gemeinwohl-Ökonomie – oder: Die schöne neue Moralwirtschaft

Besonders aufregend wird es, wenn Kemfert die Abschaffung des privaten Profitstrebens fordert. Der Einzelne, der sich bereichert, gilt ihr als Sündenfall der modernen Ökonomie. Privateigentum ist für sie ein „Fetisch“ – ein Begriff, der in seiner intellektuellen Prätention kaum darüber hinwegtäuschen kann, dass er eine der tragenden Säulen der sozialen Marktwirtschaft infrage stellt. Es ist die alte Sehnsucht der Utopisten: die Idee, dass Wohlstand nicht mehr individuell, sondern kollektiv entsteht. Dass der Staat die Wirtschaft lenkt, das Gemeinwohl definiert und der Bürger sich in den gesamtgesellschaftlichen Suchprozess einfügt. Eine Vision, die sich so wohlig altruistisch gibt, dass man fast vergisst, dass sie überall, wo sie jemals umgesetzt wurde, in Planwirtschaft und Mangelwirtschaft mündete.

Die experimentelle Gesellschaft – oder: Laborratten im Fortschrittskäfig

Kemfert fordert „Experimentierräume“ für neue gesellschaftliche Pfade. Klingt charmant. Nur dummerweise sind Experimente in der Wirtschaftspolitik selten folgenlos. Während die Ökonomin sich in postmateriellen Theorien ergeht, kämpfen Millionen Menschen in Deutschland mit steigenden Energiepreisen, schrumpfendem Wohlstand und einer Inflation, die das Ersparte auffrisst. Die Ironie ist dabei kaum zu übersehen: Während Kemfert die Rezession als „klimaschonend“ preist, erleben viele Bürger eine postwachstümliche Realität, die weniger mit planetaren Grenzen als mit leeren Portemonnaies zu tun hat.

Apokalypse als Geschäftsidee

Natürlich könnte man die ganze Debatte als spleenige Träumerei abtun, wenn nicht ein unterschwelliger moralischer Absolutismus in den Thesen mitschwingen würde. Es ist die neue Ökomoral, die sich ihrer eigenen Überlegenheit so sicher ist, dass sie keine Widerrede duldet. Der Klimaschutz wird zur absoluten Priorität, vor der alle anderen gesellschaftlichen Errungenschaften verblassen. Wachstum? Wohlstand? Freiheit? Alles verzichtbar, wenn es um das planetare Gleichgewicht geht. Und wer sich dem verweigert, der ist eben ein fossiler Kapitalismus-Fetischist, ein Auslaufmodell der Geschichte.

Epilog: Die Romantik der Schrumpfung

Das vielleicht Bemerkenswerteste an Kemferts Vision ist ihr romantischer Kern. Die Vorstellung, dass eine Gesellschaft in einem Zustand des kontrollierten Schrumpfens eine höhere Lebensqualität erreicht, ist ein uralter Traum, der in Zeiten der Krise immer wieder auftaucht. Die neue Bescheidenheit, der verordnete Verzicht, die Rückkehr zur Subsistenz – das hat etwas Verlockendes. Doch der Preis für diese Romantik ist hoch. Ohne Wachstum keine Innovation, ohne Innovation kein Fortschritt, ohne Fortschritt keine Lösung der großen globalen Probleme.

Was bleibt, ist der Verdacht, dass die Postwachstums-Ökonomie weniger eine Antwort auf die Herausforderungen der Zeit ist, als vielmehr eine intellektuelle Komfortzone für saturierte Wohlstandsgesellschaften, die sich den Luxus leisten können, auf Wachstum zu verzichten – solange der Kühlschrank noch voll ist.

Am Ende könnte sich die vermeintliche Revolution als das entpuppen, was sie in Wahrheit ist: eine melancholische Utopie für die Besserverdienenden, während die unteren Schichten schon längst in der postwachstümlichen Realität angekommen sind – nicht aus freier Entscheidung, sondern mangels Alternativen.

Die Lichtgestalt des Kalifats

Es gibt Zeiten, in denen die Menschheit sich fragt, wer sie denn nun aus dem Morast der Geschichte ziehen wird. Zeiten, in denen die Lichter der Aufklärung flackern wie Teelichter in einer zugigen Altbauwohnung, während der Sturm des Irrsinns um die morschen Fensterrahmen pfeift. In solchen Zeiten bedarf es einer Visionärin. Einer Jeanne d’Arc der Diplomatie. Einer Lichtgestalt mit Doppelnamen und Auslandssemester in London. Einer Annalena.

Denn Annalena hat den Durchblick. Annalena versteht, was die einfachen Gemüter nicht einmal ahnen: dass Deutschland auf dem besten Weg ist, ein Kalifat zu werden – und dass dies nicht etwa eine Tragödie, sondern die logische Fortschreibung der Zeitenwende ist. Während sich der letzte Mettbrötchen-Esser noch an seinem Diesel festkrallt, während die Biotonnen-Bourgeoisie der Kleinstädte bange Blicke auf den wachsenden Gebetsruf-Pegelstand wirft, hat Annalena längst erkannt: Der Trend geht zum Vielgottglauben – oder wenigstens zu einem Gott in sehr vielen Kopftüchern.

Die Kunst des strategischen Kotau

Es war nie leicht, den Orient zu verstehen. Hegel scheiterte daran, Napoleon scheiterte daran, selbst der Bundesnachrichtendienst tut sich immer noch schwer. Doch Annalena, diese wandernde Gesamtnote 1,7, die sich in Talkshows so herzerfrischend tapfer durch vierzeilige Hauptsätze kämpft, hat das Kunststück vollbracht: Sie versteht den Orient, indem sie sich ihm bedingungslos unterwirft.

Diplomatie bedeutet heute nicht mehr, eigene Interessen zu wahren – sondern sich von fremden Interessen mit derselben Hingabe plätten zu lassen wie ein Jutebeutel auf einer heißen Herdplatte. Annalena weiß: Wer Freundschaften mit den Gottesstaaten dieser Welt knüpft, muss sich tief verbeugen. So tief, dass die Nasenspitze den Shisha-Teppich streift. Und weil der Islam, wie wir wissen, immer friedlich ist, solange man ihn nur freundlich genug anlächelt, hat Annalena dafür die perfekte Strategie entwickelt: Du sollst keine anderen Werte haben neben ihnen.

Die Wertebasierte Außenpolitik – jetzt halal

Was in den dunklen Hallen des Auswärtigen Amtes einst als Werte-basierte Außenpolitik begonnen hat, verwandelt sich unter Annalenas geübter Leitung in eine Werte-abgeschaffte Außenpolitik. Menschenrechte sind flexibel, wenn der Ölpreis hoch ist. Feministische Außenpolitik bedeutet in Riad, dass Frauen jetzt ihre Vollverschleierung mit recyceltem Polyester tragen dürfen. In Teheran bedeutet sie, dass man Demonstrantinnen höflich erschießt, bevor sie ohne Kopftuch in den Knast gehen. Fortschritt, made in Germany.

Annalena versteht, dass die Zukunft der Welt nicht in westlichen Debatten um LGBTQ-Rechte liegt, sondern in strategischen Partnerschaften mit den Herrschern jener Wüsten, in denen die Regenbogenfahne vor allem als Zielscheibe für Mörserübungen dient. Wer braucht schon moralische Überlegenheit, wenn es auch ein warmes Plätzchen in der VIP-Loge von Doha tut?

Das Kalifat Deutschland – eine Vision in Bio-Qualität

Und so wird Deutschland in wenigen Jahrzehnten, wenn die letzte Kirchturmglocke verstummt ist, ein Kalifat sein. Ein Kalifat, das seinen Strombedarf aus Solarpaneelen deckt, die auf Moscheekuppeln montiert sind. Ein Kalifat, in dem die Muezzinrufe von genderneutralen KI-Stimmen eingesprochen werden. Ein Kalifat, in dem die Polygamie klimaneutral und das Steinigen plastikfrei ist. Annalena wird dann vielleicht schon die erste Khalifa al-Baerbockia sein – ein leuchtendes Beispiel für die perfekte Symbiose aus Islamismus und Klimaschutz.

Wird man es ihr vorwerfen können? Wohl kaum. Denn während der letzte deutsche Schrebergärtner sich an seine Bratwurst klammert, wird Annalena längst am Golf einen fettfreien Hummus-Dip zu fair gehandeltem Kamelfleisch genießen – selbstverständlich in einer diplomatisch korrekten Burka mit Bio-Zertifikat.

Fazit

So blicken wir voller Bewunderung auf diese Prophetin des Morgenlandes, die uns zeigt, dass man die Welt nur retten kann, wenn man sich ihr bis zur Selbstauflösung anpasst. Annalena ist die EINZIGE, die den Durchblick hat. Ihre Kontakte zu den großen islamischen Staaten sind nicht etwa peinliche Kniefälle, sondern visionäre Bündnisse für eine bessere, diversere und deutlich brennbarere Zukunft.

Der Rest von uns darf sich schon mal ans Kopftuchtragen gewöhnen – wenn’s geht aus Hanf. Schließlich ist das Kalifat Deutschland nur dann wirklich nachhaltig, wenn es auch klimaneutral untergeht.

Apokalypse mit Gendersternchen

Die Welt geht unter, aber bitte divers. Wenn schon der thermonukleare Schlagabtausch auf europäischem Boden unvermeidlich scheint – und diverse Generäle in gebügelten Uniformen mit blasiertem Lächeln und NATO-Pin am Revers hinter verschlossenen Türen die finale Pyrotechnik-Performance ausbaldowern –, dann doch wenigstens unter Einhaltung der Inklusionsrichtlinien. Die Gleichstellungskommission der Apokalypse tritt zusammen: Sollten wir nicht auch die letzten Sekunden der Zivilisation mit einer gendergerechten Sprache begleiten? Ein verstrahltes „Sehr geehrte Damen und Herren“ wäre ja nun wirklich ein Rückfall in die barbarische Vorzeit. In der Hölle des atomaren Feuersturms sollte es doch wenigstens „Sehr geehrte Überlebenswillige aller geschlechtlichen Identitäten“ heißen.

Glaslandschaften mit Safe Spaces

Während die russischen Hyperschallraketen und amerikanischen Minuteman-III-Sprengköpfe sich im transatlantischen Gleichschritt den Luftraum teilen, arbeitet ein Expert*innengremium in Brüssel fieberhaft an einer Richtlinie zur queerfeministischen Gestaltung von Bunkeranlagen. Wieso eigentlich nur Männertoiletten in den Schutzkellern? Gibt es im Ödland von morgen eine Paritätsquote bei der Verteilung der letzten Konservendosen? Und sind die Strahlenanzüge eigentlich vegan? Die Apokalypse mag unbarmherzig sein, aber auch sie sollte bitte den neuesten Diversity-Standards genügen.

Cancel Culture trifft Fallout

Man stelle sich den finalen Schlagabtausch als Twitter-Debatte vor: Ein Atompilz steigt über Berlin auf, aber die eigentliche Empörung entzündet sich daran, dass der Verteidigungsminister in seiner Abschiedsrede den Begriff „Zivilbevölkerung“ ohne Genderstern verwendet hat. Eine Online-Petition gegen diesen Fauxpas erreicht in den letzten zwei Minuten vor dem elektromagnetischen Puls 100.000 Unterschriften. Die Erde brennt, aber das wahre Verbrechen bleibt natürlich die mangelnde Sensibilität in der Wortwahl.

Strahlenschutz für Mikroaggressionen

Wenn die letzten Aschewolken sich senken, werden nicht die stärksten oder intelligentesten Überleben, sondern die mit der feinsten Antenne für sprachliche Unsauberkeiten. Während die einen mühsam versuchen, aus radioaktivem Schutt eine improvisierte Wasseraufbereitungsanlage zu basteln, klagt jemand anderes über den Mangel an non-binären Repräsentationsfiguren in den verbliebenen Propagandabroschüren des Zivilschutzes. Auch die Postapokalypse ist ein Raum, in dem intersektionale Machtverhältnisse dekonstruiert gehören.

Queerfeministische Fallout-Ästhetik

Die Überreste der Menschheit organisieren sich in Clans: cis-männliche Prepper-Gangs gegen queerfeministische Strahlenrebellen, die ihre Widersacher mit genderneutralen Pronomen bewerfen. In den Ruinen der alten Welt gedeiht eine neue Ästhetik des Widerstands: Sprühgraffiti an den zerbombten Wänden mit Slogans wie „Keine Bomben ohne Consent!“ oder „Radioaktivität ist keine Identität!“. Die Lagerfeuer-Runden der Überlebenden werden durch Vorträge über toxische Männlichkeit und Heteronormativität bereichert – zwischen zwei Plünderungszügen in die letzte Aldi-Filiale.

Apokalypse mit Awareness-Team

Wer glaubt, dass mit der Zivilisation auch die politische Korrektheit endet, unterschätzt die Hartnäckigkeit spätkapitalistischer Diskurse. Die Endzeitgemeinde organisiert Safe Spaces für Traumatisierte des Atomkriegs und bietet vegane Strahlenrationen an. Ein Awareness-Team achtet darauf, dass die Untergangsstimmung nicht durch ungebührliche Witze getrübt wird. „Schwarzer Humor“ gilt auch in der Finsternis der atomaren Nacht als Mikroaggression.

Fortschritt bis in den Untergang

Vielleicht liegt gerade darin der letzte Triumph des Humanismus: Dass wir uns selbst beim kollektiven Auslöschen nicht den Luxus nehmen, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Wenn schon Weltuntergang, dann wenigstens mit ethisch einwandfreiem Mülltrennungskonzept. Wenn die Welt in Flammen aufgeht, dann doch bitte in Regenbogenfarben.

Und während der letzte nukleare Feuerball am Horizont aufsteigt, versichert eine automatische Durchsage den Überlebenden: „This meltdown is climate-neutral and certified gendergerecht.“

Wenn schon, denn schon!

Der glorreiche Aufstieg der neuen alten Ordnung

Es gibt Momente in der Geschichte, da brechen die großen Reden über die Menschheit herein wie eine meteorologische Front – wolkig im Kern, stürmisch im Ton und mit einer Wahrscheinlichkeit auf Aufheiterung gegen null. Einer dieser seltenen Momente war die jüngste Anhörung von Kaja Kallas, jener hochsympathischen politischen Erscheinung, die sich aus dem avantgardistischen Innovationslabor Estland nun als neue Chefin der EU-Außenpolitik anschickt, der sogenannten „freien Welt“ die Führung zu erklären. Welch ein Vorhaben! Welch eine Vision! Welch ein Schauspiel, in dem die Hauptdarstellerin mit festem Blick und unerschütterlicher Entschlossenheit durch die diplomatische Maschinerie Europas schreitet, als hätte sie im Handgepäck bereits den Masterplan zur Rettung der Zivilisation.

Der erste Akt dieses Dramas beginnt mit dem einzigen Wort, das in der gegenwärtigen europäischen Innenpolitik noch Konsensfähigkeit genießt: Sieg. Genauer: der Sieg der Ukraine – ein Versprechen, so strahlend wie die Hoffnung eines Lottospielers, der bereits die Yacht bestellt hat, bevor die Kugeln überhaupt gezogen wurden. Dass niemand so genau definieren kann, was ein solcher Sieg eigentlich bedeutet – territorial, militärisch, moralisch oder metaphysisch – ist dabei höchstens ein marginales Detail. Wichtig ist allein, dass Europa als Kollektiv mit derselben Hingabe in den Abgrund marschiert, mit der einst die Kinder zu Hameln den Flötentönen folgten.

In Treue fest: Die Heilige Dreifaltigkeit der Hilfe

Die rhetorische Konstruktion ist dabei so makellos wie ein Handbuch der Bürokratie: militärisch, finanziell, humanitär – drei Pfeiler der bedingungslosen Solidarität, die in ihrer Reihung fast schon liturgischen Charakter annehmen. Wie ein biblisches Mantra wird die Notwendigkeit der ewigen Unterstützung beschworen, ohne dass jemand sich die Frage zu stellen wagt, ob diese Trinität nicht längst zur unbezahlten Rechnung am Himmel Europas geworden ist. Denn während Panzer rollen, Milliarden strömen und Decken verteilt werden, steigt der Preis für diese Tugendhaftigkeit unaufhaltsam – allerdings nicht für jene, die sie predigen.

Es ist die schönste Ironie unserer Zeit, dass der europäische Diskurs die eigene Erschöpfung längst zu einem moralischen Imperativ verklärt hat. Die Frage ist nicht mehr, wie lange wir die Ukraine unterstützen können, sondern wie lange wir es müssen, um nicht in den Verdacht moralischer Minderwertigkeit zu geraten. Kallas‘ Botschaft ist hier von betörender Klarheit: so lange, wie es nötig ist. Oder anders gesagt: für immer. Denn es gibt keine tragischere Pointe in dieser Geschichte als die, dass der Sieg, den sie proklamiert, vermutlich erst in jenem metaphysischen Jenseits errungen wird, in dem auch der Endsieg des Kommunismus und die glückliche Globalisierung auf ihre Verwirklichung warten.

Das Märchen vom klaren Weg

Doch wer glaubt, es gehe hier allein um Waffen und Geld, der unterschätzt den Größenwahn der europäischen Chefstrategen. Denn was wäre eine geopolitische Erlösungsvision ohne die Verheißung eines „klaren Weges“? Die Ukraine soll nicht nur siegen, sie soll auch endlich dorthin, wo sie immer hingehörte: in die Europäische Union. Dass das Land derzeit in einem Zustand ist, der dem Kriterium der Kopenhagener Verträge ungefähr so nahekommt wie ein Basar in Kabul dem TÜV Rheinland, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist die symbolische Geste – die Vorstellung, dass man sich die eigene Zukunft kaufen könne wie ein Ticket für die Schnellbahn ins Paradies.

Der klare Weg ist dabei vor allem eines: ein nebliger Trampelpfad, gesäumt von Ausnahmegenehmigungen, moralischen Sonderrabatten und jener westlichen Geduld, die bei der Türkei nach 60 Jahren gerade erschöpft ist, bei der Ukraine aber als unendliche Ressource ausgegeben wird. Ein Weg, der am Ende nicht nach Brüssel, sondern direkt in die Arme des Internationalen Währungsfonds führen wird – und zwar mit einer Schuldenquote, die die griechische Tragödie wie eine launige Sommerkomödie erscheinen lässt.

Wer hinterherläuft, führt am besten

Was Kaja Kallas in ihrer frischen Inbrunst vielleicht nicht ahnt – oder vielleicht doch, und das wäre die eigentliche Pointe – ist, dass sie mit ihrer Forderung nach einer neuen Führung der freien Welt exakt jenen europäischen Fetisch bedient, der seit Jahrzehnten den Fortschritt blockiert: den heimlichen Traum, endlich von den USA unabhängig zu werden, während man gleichzeitig alles daran setzt, sich noch abhängiger zu machen. Der wahre Führer der freien Welt ist heute jener, der am zuverlässigsten den amerikanischen Parolen hinterherläuft. Und in dieser Disziplin ist Kallas eine Idealbesetzung.

Denn die größte Errungenschaft der europäischen Außenpolitik im 21. Jahrhundert ist es, jede eigene geopolitische Vision durch ein Mantra transatlantischer Gefolgschaft zu ersetzen. Washington sagt: Waffen liefern! Europa antwortet: Wie viel? Washington sagt: Sanktionen verschärfen! Europa fragt: Wie hart? Washington sagt: Der Sieg ist alternativlos! Europa applaudiert – und bezahlt. Die Führung liegt darin, sich möglichst kompetent zum Mitläufer zu degradieren.

Die Hohe Kunst des Daueroptimismus

So bleibt am Ende nur die bewundernswerte Fähigkeit, jede noch so absurde geopolitische Zielvorstellung mit stoischer Ernsthaftigkeit als unverhandelbar darzustellen. Kaja Kallas‘ Vision von einem Sieg der Ukraine, finanziert durch die geopolitische Selbstaufgabe Europas, ist dabei vielleicht das schönste Beispiel für jene intellektuelle Akrobatik, die den Kontinent zur wohl höflichsten Konkursmasse der Weltgeschichte gemacht hat.

Und dennoch: Wer wollte es ihr verdenken? Es gehört zur europäischen Tragik, dass wir uns unsere Illusionen wenigstens mit Stil leisten. Wenn schon Untergang, dann mit Sektglas in der Hand und moralisch erhobenem Zeigefinger. Wenn schon Führungsanspruch, dann als elegante Selbstparodie. Und wenn schon Sieg, dann bitte für immer – auch wenn wir ihn am Ende nur in den Fußnoten der Geschichte finden werden.

Frieden Schaffen mit Grünen Waffen

Der Krieg als Klimaschutzmaßnahme

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet jene, die einst mit Sonnenblumen im Haar gegen Pershing-Raketen demonstrierten, heute mit moralischer Inbrunst das neueste Waffenlieferungspaket beklatschen – selbstverständlich versehen mit dem Gütesiegel klimaneutraler Rüstung. Denn wenn schon Tötungswerkzeuge in den Lauf der Geschichte geworfen werden, dann doch bitte mit grünem Strom produziert und recycelfähig. Die Zeitenwende, so hört man, dulde keine halben Sachen: Das Töten muss nachhaltig werden, der Frieden emissionsarm. Die Panzer fahren elektrisch, die Drohnen fliegen mit Biokraftstoff, und auch das Munitionslager wird hoffentlich bald auf Wärmepumpen umgestellt.

Der hybride Heilige Krieg der Erneuerbaren

Der Pazifismus hat ausgedient, weil er nicht mehr lieferfähig ist. Zu weich, zu naiv, zu vorgestrig. Stattdessen erhebt sich ein neuer Habitus: der hybride Heilige Krieg der Erneuerbaren. Es ist ein Frieden, der aus der Mündung kommt – aber eben nur, wenn die Mündung emissionsfrei feuert. Der neue moralische Imperativ lautet: Wenn wir schon die Welt retten, dann bitte bis zur letzten Patrone. Der eLeopard 2 darf rollen, solange die Ökobilanz stimmt. Es geht schließlich um die richtige Seite der Geschichte.

Das Bio-Siegel für den Tod

Natürlich wird die Kriegswirtschaft noch nicht ganz den Standards der Klimakonferenzen gerecht. Aber man arbeitet daran. Der CO2-Fußabdruck der Bundeswehr soll bis 2030 halbiert werden, hieß es jüngst. Vielleicht wird es bald eine EU-Richtlinie für biologisch abbaubare Minen geben. Munition aus fair gehandelten Rohstoffen. Waffen, deren Einzelteile sich nach dem Gebrauch kompostieren lassen. Die ersten Prototypen von granatensicheren Photovoltaik-Westen sind bereits in der Konzeptphase. Der Tod muss sauber werden, die Apokalypse bitte plastikfrei.

Die zynische Ökologie des Krieges

Doch inmitten all der grünen Euphorie bleibt die zynische Dialektik dieser Bewegung unübersehbar. Die neuen Bellizisten schwärmen von Verteidigung der Freiheit, während sie Waffenlieferungen bejubeln, als wären es Zuschüsse für den Ausbau des ÖPNV. Sie brüllen „Nie wieder!“ und meinen damit nicht den Krieg, sondern nur die fossilen Brennstoffe, die ihn bislang begleiteten. Der Frieden als Erzählung wird durch den Krieg ersetzt, der sich wenigstens als nachhaltige Maßnahme etikettieren lässt. Es ist der logische Endpunkt einer politischen Klasse, die längst aufgehört hat, Widersprüche auszuhalten, und stattdessen in der bequemen Illusion einer moralischen Gesamtsanierung schwelgt.

Krieg mit gutem Gewissen

Am Ende bleibt ein absurdes Schauspiel: Während alte Pazifisten die neuen Rüstungsprogramme verteidigen, legen sie ihren Fokus darauf, dass die Flugabwehrraketen in recycelbaren Transportbehältern geliefert werden. Die Befreiung der Welt von Despoten und Klimagasen in einem Aufwasch. Der Mensch mag sterben, aber wenigstens hinterlässt er keine Plastikspuren. So wird der Krieg zum Idealzustand der Nachhaltigkeit erhoben – ein ewiger Kreislauf der grünen Selbstgerechtheit. Es bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die Friedhöfe irgendwann CO2-neutral begrünt werden.

Oder wie es in der neuen strategischen Doktrin heißen könnte: Frieden schaffen mit grünen Waffen – für eine bessere Welt, die sich vielleicht irgendwann auch ganz ohne Menschen nachhaltig erhalten wird.

Ostfront 3.0

Von Jakob Blasel lernen, heißt siegen lernen

Es gibt Sätze, die gehören in die Annalen der politischen Rhetorik gemeißelt, Sätze, die sich so perfekt in das Zeitgeistgetriebe einfügen, dass man sich wundert, warum sie nicht längst von einer Künstlichen Intelligenz als Konsensprosa des Jahres ausgezeichnet wurden. Einer davon stammt von Jakob Blasel, seines Zeichens Bundessprecher der Grünen Jugend Deutschland. Der Satz lautet: Wer in dieser Weltlage noch immer zögert, Europas Freiheit auch mit Waffen zu verteidigen, ist nicht links – sondern naiv und unsolidarisch.

Nun mag man einwenden, dass ein junger Mann in Funktion einer Parteijugendorganisation vielleicht nicht zwingend das intellektuelle Rückgrat einer Bewegung verkörpert, sondern eher das emotionale Trampolin, auf dem sich die Ideen der Zukunft bereits heute schon warmhüpfen. Doch dieser Einwand griffe zu kurz. Denn die Grünen, einst die Mutter aller pazifistischen Bewegungen, haben sich in den vergangenen Jahren mit der Eleganz eines Leopardenpanzers in eine Partei verwandelt, die Krieg nicht nur als ultima ratio, sondern als moralische Pflicht zur Aufrechterhaltung der westlichen Wertegemeinschaft begreift. Da ist es nur folgerichtig, dass sich der Nachwuchs auf die Barrikaden der Twitter-Timeline begibt, um dort die Reihen der Zögerer, Zweifler und Zauderer mit verbalen Bajonetten auf Linie zu bringen.

Grüne Feldgrauromantik

Der ironische Twist, der sich bei der Lektüre von Blasels Mahnruf einstellt, besteht darin, dass er – ob gewollt oder nicht – eine der großen Traditionen linker Bewegungen in Deutschland reanimiert: die Begeisterung für den heroischen Opfergang in einem gerechten Krieg. Was wäre schließlich die deutsche Linke ohne ihren Hang zur militanten Selbstüberhöhung? Schon Karl Liebknecht wusste, dass die wahren Feinde im eigenen Land stehen, und wenn es sein muss, wird der eigene Klassenverrat eben mit Marschmusik kaschiert. In der grünen Variante bedeutet das: Wer nicht bereit ist, sich für Europas Freiheit von russischem Gas in den Schützengraben der moralischen Überlegenheit zu werfen, ist ein unsolidarischer Schwurbler.

Doch was bedeutet es eigentlich, Europas Freiheit mit Waffen zu verteidigen? Nun, in erster Linie natürlich, dass andere die Waffen tragen und bedienen. Das ist der große Vorteil des moralischen Imperativs: Er lässt sich bequem von der Homeoffice-Schnittstelle aus formulieren, während man sich einen Hafermilch-Cappuccino in die doppelt recycelbare Bambustasse gießt. Der moderne Bellizist trägt keine Uniform mehr, sondern einen Jutebeutel mit der Aufschrift Kein Mensch ist illegal, während er sich gedanklich an die Seite der ukrainischen Territorialverteidigung imaginiert. Man könnte fast sagen: Das Neue an Ostfront 3.0 ist, dass der Klassenkampf jetzt wieder in Klassen getrennt geführt wird.

Solidarität im Abonnement

Die Solidarität, von der Blasel spricht, ist eine äußerst flexible Währung. Sie lässt sich mit ein paar Tweets aufladen, durch Likes und Shares diversifizieren und in moralischer Rendite verzinsen. Es ist die Solidarität jener, die für die richtige Sache auf die Straße gehen, aber für die falsche Sache den öffentlichen Nahverkehr bevorzugen. Der wahre Held dieser Zeit ist nicht der Deserteur, sondern der Denunziant, der mit Instagram-Filtern und #StandWithUkraine-Profilbildern seine Wehrbereitschaft unter Beweis stellt.

Wer dagegen auf die Idee kommt, dass Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet vielleicht nicht das geeignetste Mittel sind, um den Weltfrieden zu stabilisieren, gerät schnell in den Verdacht, ein Putintroll, Querfrontler oder – Gott bewahre – naiv zu sein. Die Naivität, einst ein liebevoller Makel romantischer Weltverbesserer, ist in der grünen Kriegsrhetorik zum Stigma der Gestrigen geworden. Die neue Realpolitik trägt Camouflage, nur dass die Muster jetzt gendergerecht diversifiziert sind.

Wir werden uns den Krieg nicht nehmen lassen

So ziehen sie also wieder gen Osten, die Geister der Geschichte, diesmal in Lastenrädern und mit Fridays-for-Future-Stickern auf den Kampfstiefeln. Die Generation, die keine Lust auf Krieg hatte, bekommt ihn jetzt als moralische Bringschuld verordnet. Und weil die größte Unverschämtheit der Gewalt bekanntlich ihre Verweigerung ist, bleibt nur die Frage, wann das erste Freiwilligen-Bataillon der Grünen Jugend aufbricht, um in der Ostukraine für die Freiheit des Westens zu kämpfen.

Man darf gespannt sein, ob Herr Blasel seine Meldung bereits abgegeben hat. Die Bundeswehr hat schließlich Nachwuchsprobleme, und was könnte unsolidarischer sein, als in dieser Weltlage den Job der Waffenverteidigung ausschließlich den anderen zu überlassen? Vielleicht wäre das ja der nächste logische Schritt der Wehrbereitschaft: eine Grüne Jugend International Brigade – mit veganem Proviant, genderneutralen Uniformen und CO₂-neutraler Munition.

Bis es so weit ist, bleibt uns immerhin der Trost, dass es für die endgültige Mobilmachung bislang nur Worte braucht. Die Grünen haben bekanntlich immer schon mehr Bücher geworfen als Bomben. Nur dass sie mittlerweile nicht mehr so genau wissen, auf welcher Seite des Schützengrabens sie landen.

Die österreichische Neutralität

Es war einmal ein kleines Land im Herzen Europas, dessen größte diplomatische Errungenschaft darin bestand, niemandem auf die Nerven zu gehen. Man nannte es neutral. Ein goldener Mythos, geboren im Kalten Krieg, als Österreichs Staatsvertrag unterzeichnet wurde und man sich mit staatsmännischer Gravitas und einem gewissen Wiener Schmäh die Absolution für die eigene historische Mitläuferschaft erkaufte – mit einem Versprechen, das sich so schön anhörte wie ein Heurigenlied nach der vierten Runde: Immerwährende Neutralität.

Nun, am Aschermittwoch des Jahres 2025, stand also ein Herr Dengler von den NEOS im Hohen Haus und sprach jene Worte, die mit der nüchternen Brutalität einer Kontokündigung daherkommen: „Die österreichische Neutralität ist vorbei.“ Und man fragt sich, ob dieser Mann sich jemals das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 zu Gemüte geführt hat – jenes sakrosankte Dokument, das unsere Unparteilichkeit wie ein k.u.k. Spitzendeckerl über den republikanischen Tisch breitet. Nein, Herr Dengler, die Neutralität ist nicht vorbei. Aber sie stirbt langsam, von ihrem eigenen Pflegepersonal erwürgt.

Kreisky im Spinmodus

Bruno Kreisky, der große alte Mann der österreichischen Außenpolitik, dürfte mittlerweile mit einer Drehgeschwindigkeit durch sein Ehrengrab rotieren, dass man damit halb Wien mit Ökostrom versorgen könnte. Der Gedanke, dass ausgerechnet eine Außenministerin von den NEOS – jener Partei, die sich für den Fortschritt hält, aber in Wirklichkeit nur ein überdimensionierter LinkedIn-Post ist – nun den außenpolitischen Taktstock führt, grenzt an metaphysische Ironie.

„Unverbrüchliche Treue der Republik“ – so lautet der Amtseid, den jeder Abgeordnete im Parlament schwört. Ein schönes Wort, unverbrüchlich. Man spürt förmlich den altmodischen Anstand, der darin schwingt – als würde man von einem bürgerlichen Lehnstuhl aus mit einem Gläschen Zweigelt auf die Weltlage blicken. Doch leider ist die politische Klasse der Gegenwart eher mit der unverbrüchlichen Treue zur NATO-Pressestelle gesegnet. Neutralität? Das klingt heute für manche wie ein Relikt aus der analogen Ära, wie ein Wählscheibentelefon in einem Coworking-Space.

Der Pragmatismus der Feigheit

Natürlich, die Welt hat sich verändert. Russland führt Krieg, die USA drängen zur Geschlossenheit, und Österreichs Politiker möchten beim großen Tisch der Moralapostel wenigstens am Katzentisch Platz nehmen. Man will dazugehören. Mitspielen. Endlich auch einmal im NATO-Zelt mitrauchen, selbst wenn man sich dabei nur den Filter in den Mund steckt. Die Neutralität hingegen? Ein hinderliches Relikt, ein nostalgisches Souvenir aus einer Zeit, in der die Welt noch in zwei Hälften geteilt war und Österreich sich mit der geschickten Eleganz eines Fiakergespanns genau dazwischen parkte.

Man könnte ja wenigstens ehrlich sein. Man könnte sagen: Ja, die Neutralität war einmal gut, aber jetzt ist sie uns im Weg. Aber nein, die österreichische Methode verlangt eine andere Choreographie. Man beruft sich auf den Pragmatismus, was in der politischen Sprache Wiens bloß ein Synonym für die feige Kapitulation vor dem Zeitgeist ist. Man erklärt die Neutralität für unzeitgemäß, während man sie gleichzeitig in den Sonntagsreden als sakrosankten Bestandteil der nationalen Identität beschwört.

Der Kuss des Technokratentodes

Die NEOS, diese freundlichen Technokraten in Pastellfarben, sind nicht per se die Totengräber der österreichischen Neutralität – aber sie übernehmen den Kuss des Todes mit der professionellen Kühle eines Unternehmensberaters, der einem Traditionsbetrieb die letzten Sozialleistungen aus den Rippen rechnet. Ein bisschen mehr Integration in die Europäische Verteidigungspolitik hier, ein paar unverbindliche NATO-Kooperationsabkommen dort – am Ende steht der Patient politisch tot im Sarg, während die Partei für ihre Modernität gelobt wird.

Die Realsatire als Regierungsprogramm

Dass nun ausgerechnet diese Partei das Außenministerium besetzt, könnte eine köstliche Pointe sein, wenn es nicht so tragisch wäre. Eine Partei, die im Wesentlichen aus liberalen Wochenendphilosophen und Start-up-Optimisten besteht, wird nun Österreichs Position in der Welt vertreten. Vielleicht ist es nur konsequent: Wer an die unsichtbare Hand des Marktes glaubt, hält auch die Neutralität für einen nachrangigen Punkt im Businessplan.

Doch während sich die politische Elite in die neuen Zeiten einordnet, bleibt die alte Wahrheit bestehen: Neutralität ist nicht nur ein politisches Konzept, sondern ein Charakterzug. Und dieser Charakterzug war, bei aller Ironie, immer der letzte Rest moralischer Eigenständigkeit, den sich dieses Land bewahrt hatte.

Vielleicht wird man in ein paar Jahren am Wiener Heldenplatz eine kleine Gedenktafel anbringen: „Hier ruhte die österreichische Neutralität. Gestorben an Opportunismus, Pragmatismus und einer Parteichefin mit PowerPoint-Kompetenz.“

In unverbrüchlicher Treue, versteht sich.

DANKE, GENOSSE ANDI!

Kickl wird’s freuen.

Es gibt Momente in der politischen Choreographie, da kann man nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Wenn die große Symphonie des Neoliberalismus mit chirurgischer Präzision genau jene Töne trifft, die in den Ohren der Besitzlosen wie blanker Hohn klingen, dann bedarf es keiner weiteren Kritik mehr – die Farce steht für sich. Also: Danke, Genosse Andi! Die soziale Frage ist gelöst, und zwar mit der feinen Spitzhacke einer bürgerlichen Elitenverwaltung, die es vorzieht, die Armen diskret unter der Armutsgrenze zu versenken, anstatt sie mit unschicklicher Gleichheit zu belästigen.

Der Chef des WIFO, Gabriel Felbermayr, seines Zeichens wissenschaftlicher Einflüsterer der politischen Mittelmäßigkeit, hat sich nun also bemüßigt gefühlt, in seiner Rolle als intellektuelle Rückendeckung der österreichischen Version von Sozialabbau mit humanitärem Antlitz das Offensichtliche zu bestätigen: Die Schwachen trifft es härter. Die Armen sind ärmer, die Reichen reicher – who would have thought? Was in der Kabarettkunst als Plattitüde gelten würde, ist im akademisch-technokratischen Politiksprech offenbar eine bahnbrechende Erkenntnis. Möge man ihm einen Nobelpreis für angewandte Banalisierung verleihen!

Wenn das System Armut produziert – und die Ampel sie verwaltet

Die herrschende Ideologie der Gegenwart, jener liberale Marktfetischismus mit sozialdemokratischer PR-Maske, versteht sich nämlich blendend darauf, die Ungleichheit nicht zu beseitigen, sondern bloß so zu moderieren, dass sie hübsch aussieht. Es ist die hohe Kunst der rot-grün-gelben Tranquilizer-Politik: Man gibt ein paar Brosamen ab, schmiert ein wenig Almosenbutter auf die trockene Brotkruste, verteilt ein paar Heizkostenzuschüsse an die chronisch Unterkühlten – und nennt das Ganze dann „sozial ausgewogen“. Dass währenddessen die Immobilienhaie weiter ihre Zähne im weichen Fleisch der Wohnungsnot versenken, die Energiekonzerne ihre Profitexzesse unter dem Deckmantel der Klimawende feiern und die Superreichen ihre Depots mit jenen Hilfspaketen füllen, die für die Unterschicht gedacht waren – geschenkt.

Felbermayrs Beitrag zur Debatte gleicht einem meteorologischen Bericht aus der Hölle: Es wird wärmer, besonders für jene, die kein Dach über dem Kopf haben. Dass die unteren Einkommensschichten „weniger Möglichkeiten haben, es sich zu richten“, ist eine so unfassbare Untertreibung, dass man fast ein Denkmal für diese Form der Sprachvermeidung errichten möchte. Tatsächlich haben die Betroffenen keinerlei Möglichkeiten, sich irgendetwas zu richten – außer vielleicht das Haltbarkeitsdatum von abgelaufenen Lebensmitteln im Supermarktcontainer.

Der neue Klassenkampf – von oben nach unten

Währenddessen müht sich die Ampelkoalition redlich, den längst entschiedenen Klassenkampf von oben nach unten in ein philanthropisches Missverständnis umzudekorieren. Man verteilt die Armut mit der gleichen Gerechtigkeit, mit der ein Altwarenhändler den Sperrmüll auf dem Gehsteig verteilt: Jeder darf sich bedienen, aber nur, wenn er es sich leisten kann, früh genug dort zu sein. Die eigentliche Pointe ist, dass der moralische Kredit für diese Art der Gnadenverwaltung trotzdem bei den Grünen und Sozialdemokraten verbucht wird – während die FPÖ in aller Ruhe das Unzufriedenheitskapital verzinst.

Das größte Kunststück in diesem ganzen Spektakel besteht allerdings darin, die soziale Kälte als natürliche Begleiterscheinung des Klimawandels zu verkaufen. Während die Welt draußen überhitzt, frieren die Menschen in ihren Wohnungen – das ist jene Form von Ironie, die in der Literatur als geniale Groteske durchgehen würde, in der Politik aber schlicht als Sachzwang firmiert. Wer da noch von Verschwörungstheorien redet, hat den wahren Geist der Epoche nicht verstanden.

Solidarität als Standortnachteil

Die heilige Dreifaltigkeit der zeitgenössischen Wirtschaftspolitik lautet: Wettbewerbsfähigkeit, Standortattraktivität und Marktanpassung. Übersetzt bedeutet das: Solidarität ist ein Standortnachteil, Armut eine marktgerechte Verhaltensanpassung und soziale Gerechtigkeit eine sentimentale Marotte aus einer längst vergangenen Ära. Der Kapitalismus unserer Tage gibt sich nicht einmal mehr die Mühe, seine hässliche Fratze hinter dem sozialen Puder des Wohlfahrtsstaats zu verstecken – stattdessen wird das nackte Elend mit bürokratischer Kälte verwaltet.

Dass sich Kickl darüber freut, ist nicht etwa ein bedauerlicher Kollateralschaden – es ist Teil des Plans. Die Mitte entkernt sich selbst, die Linke vertagt ihre Revolution auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, und die Rechten übernehmen den Rest. Man nennt das in der politischen Betriebsanleitung wohl „alternativlose Realpolitik“.

Danke, Genosse Andi!

Danke dafür, dass du in der großen Tradition der Sozialdemokratie die soziale Frage gleich selbst mitbeerdigst, bevor sich irgendjemand daran erinnert, dass es auch anders ginge. Danke, dass du den neoliberalen Klassenkampf so geschmeidig moderierst, dass die Betroffenen gar nicht merken, wer ihnen gerade die letzte Hoffnung abräumt. Danke, dass du dem autoritären Populismus schon mal die rote Teppichbrücke über den sozialen Abgrund baust.

Kickl wird’s freuen – und er muss nicht einmal etwas dafür tun. Er braucht nur zu warten, bis der Markt die Armen erzogen hat.

Vom gesichtslosen „Islamismus“ zum kenntnisreichen „Islamismus“

Oh, der Islam. Eine Religion der Friedlichkeit, so hört man immer wieder in den Nachrichtensendungen, die aus irgendeinem Grund nur dann Aufmerksamkeit erhalten, wenn ein Terroranschlag stattgefunden hat. Aber halt, wer den Fehler begeht, das, was in diesen friedlichen Religionen verborgen liegt, gründlicher zu hinterfragen, könnte sich gewaltig verspekulieren – wie etwa der naiv-gläubige Tourist, der glaubt, in Venedig nur Brücken aus Gummi zu sehen. Doch keine Sorge, dieser Text wird nicht einfach so in die gängigen Klischees abgleiten, wie sie von Apologeten und – zugegeben – manchmal auch Islamkritikern vorgetragen werden. Nein, er wird tiefer bohren, scharfsinniger und in einer manierierten Mischung aus Zynismus, Polemik und Witz die Frage aufwerfen: Hat der Islam vielleicht doch sehr viel mit Islamismus zu tun?

Nun gut, bevor wir mit der Axt auf das Gemäuer von “Frieden und Toleranz” schlagen, sei gesagt: Der Islamismus ist nicht einfach der böse Schatten, der aus der Mitte der Religion herauswächst. Er ist nicht der rote Drache, der sich verselbstständigt und böse heranrollt. Oder doch? Viele Köpfe, die sich sowohl in der akademischen als auch in der journalistischen Welt einen Namen machen wollten, haben die These vertreten, der Islamismus sei ein Produkt des Westens oder ein Resultat eines modernen Wahnsinns. Aber sind wir nicht einmal ein wenig neugieriger, bevor wir solche simplen Entschuldigungen akzeptieren? Schließlich ist der Islamismus nicht ohne Ursprung, und dieser Ursprung, mein lieber Leser, hat nicht nur viel mit der Interpretation des Islams zu tun – er ist untrennbar mit den Texten verknüpft, die die Grundlage dieser Religion bilden.

Eine Mission der Liebe?

Ein kleiner Spaziergang durch die so genannten „Schwertverse“ im Koran könnte uns schon eine erhellende Vorstellung darüber verschaffen, wie die militante Lesart der Religion auf eine lange Geschichte zurückblickt. Doch um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Diese Verse sind nicht etwa in einem metaphorischen Container verpackt, wie man sie heute gerne als „historische Kontexte“ auslegt. Nein, der Koran ist von Natur aus in seinen Texten sehr klar und direkt. Die Schwertverse, etwa aus der Surah At-Tawba (9:5), die als „Vers des Schwertes“ berühmt wurde, fordern eine ganz und gar nicht friedliche Haltung:

„Und wenn die heiligen Monate vergangen sind, so tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet.“

Diese klare Aufforderung, sich von den „Ungläubigen“ zu trennen oder sie zu eliminieren, mag im 21. Jahrhundert bei manchen, die sich der doppelten moralischen Lesart hingeben, als „Missverständnis“ gelten – als Verirrung in der Textanalyse. Doch die historische Realität lässt sich nicht so leicht mit modernen Perspektiven übertünchen. Der Koran ist nicht nur ein spiritueller Kompass, sondern auch ein militärischer Leitfaden. Warum also sollen wir diese Verse ignorieren oder relativieren, nur weil sie nicht mehr in unsere Ästhetik der sanften Toleranz passen?

Natürlich gibt es die erleuchteten Stimmen, die sagen: „Ja, aber es gibt ja auch den Vers, der die Gewalt verbietet!“, und das ist sicherlich richtig. Aber, und hier beginnt die wahre Herausforderung, der Islamismus, von dem wir hier sprechen, funktioniert nach einem Prinzip der Abrogation, einer schönen theologisch-juristischen Doktrin, die dafür sorgt, dass die „friedlichen“ Verse – die gerne mal zitiert werden – schlichtweg von den „kriegerischen“ Versen abgelöst werden, wenn es um politische Handlungsfähigkeit geht. Die „Schwertverse“ sind dann – Sie ahnen es schon – die vorherrschende Wahrheit.

Abrogation: Der Islamische Text als Waffe

Was für eine goldene Theorie! Die Abrogationstheorie ist ein wahres Geschenk für die harte, militante Interpretation des Islams, weil sie es erlaubt, den Koran nach Belieben umzuschichten. Ein Vers, der den Pazifismus predigt? Kein Problem, der wird einfach durch einen späteren, aggressiveren ersetzt. Und hier kommt der elegante Trick: Der Koran kann niemals „fehlerhaft“ sein, er kann niemals als „unvollständig“ betrachtet werden – sondern er kann lediglich durch den „fortschrittlichen“ Kontext des Propheten und seiner Biografie fortgeführt werden. Ein wahres Meisterwerk der Textverarbeitung!

In der Praxis bedeutet dies, dass die Schwertverse über die vielen Versöhnungsaufrufe und friedlichen Lehren des frühen Korans triumphieren. Ein bisschen wie bei einem politischen Diskurs, in dem man zuerst mit den friedlichen Argumenten beginnt und dann, wenn es notwendig wird, den „schlagkräftigeren“ Punkt des Verfassers hervorholt.

Die Hadithen und das Leben Mohammeds: Ein Quellenverzeichnis für Terror

Doch der Koran allein genügt nicht, um das Bild des Islamismus zu vervollständigen. Da gibt es noch die Hadithen und die Sira, die Biografie des Propheten Mohammed. Beide sind wichtige Quellen für das Verständnis des Islams. Und auch hier entdecken wir einen interessanten Unterschied zwischen den vielen, oft inkonsistenten Interpretationen der Religion. Mohammed, der in seiner Jugend ein eher als pazifistisch geltender Unternehmer war, verändert sich dramatisch in seiner späten Zeit und wird zum Kommandeur, der zahlreiche Kriege führt und zum Entsetzen der Umgebung Kriegsgefangene hinrichten lässt.

Die Hadithen und die Sira bieten uns detaillierte Berichte über diese Lebenswende. Viele dieser Berichte stammen aus den ersten Jahrhunderten nach Mohammeds Tod, als der Islam sich gerade im Prozess befand, sich aus seiner Konfliktphase zu lösen und – naiv wie wir sind – in die goldene Ära des Wissens und der Wissenschaft überzugehen. Wer jedoch die Hadithen ernsthaft liest, wird nicht selten auf Geschichten stoßen, die das Bild des sanften, spirituellen Führers von heute ins Wanken bringen. In der Sira erfahren wir von seinem militärischen Feldzug gegen die jüdischen Stämme in Medina, und in vielen Hadithen finden sich spezifische Instruktionen für das Verhalten im Krieg.

Der Islam und der Islamismus – Eine Frage der Perspektive?

Am Ende könnte man einwenden, der Islamismus sei doch nur eine Verzerrung des wahren Islam – eine Reaktion auf die moderne Welt, die missverstanden oder politisch instrumentalisiert wird. Aber das reicht nicht aus, um der Frage gerecht zu werden, warum der Islamismus so tief in den religiösen Texten und in der historischen Biografie des Propheten verankert ist. Wer sich die Mühe macht, den Koran, die Hadithen und die Sira unter der Prämisse der Abrogation und der militärischen Expansion zu lesen, wird schnell feststellen, dass der Islamismus ein Produkt des Textes selbst ist – zumindest ein nicht zu vermeidender Teil des Dilemmas.

Das bedeutet nicht, dass alle Muslime zwangsläufig Islamisten sind – das ist natürlich eine Vereinfachung. Doch die Tendenz, den Islam und den Islamismus zu trennen, geht an den Wurzeln vorbei. Vielleicht ist der Islamismus nicht bloß ein isoliertes Phänomen, sondern das, was passiert, wenn man die historischen und religiösen Quellen so liest, wie sie vorgeben, zu sein. Und das ist ein Gedanke, der viele im westlichen Diskurs kalt erwischen dürfte.

Eine Anweisung zur moralisch reinen Selbstaufopferung

Für alle, die meinen, die Ukraine MUSS gewinnen:

Es gibt Haltungen, die sind so erhaben, dass sie sich von der schnöden Realität längst emanzipiert haben. Eine davon ist die Überzeugung, dass die Ukraine unbedingt gewinnen MUSS — ein Imperativ so unumstößlich wie der Satz des Pythagoras oder die Pflicht, Soja-Milch in den Kaffee zu schütten. Wer diesen Imperativ anzweifelt, offenbart nicht nur einen Mangel an sittlicher Reinheit, sondern gerät unweigerlich in Verdacht, ein geheimer Agent des Bösen zu sein — oder, noch schlimmer: jemand, der den Frieden einem gerechten Krieg vorzieht.

Der Luxus der Fernempörung

Nun ist es eine der größten Errungenschaften unserer Zeit, dass man an Kriegen teilnehmen kann, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Die Leinwand ist das Smartphone-Display, die Waffe der Tweet, der Schützengraben die Kommentarspalte. Und so sitzen sie da, die digitalen Clausewitz-Epigonen, und mahnen mit zitternder Stimme zur letzten Verteidigung der Freiheit — von der heimischen Couch aus, die Wärmflasche im Rücken, der Chardonnay im Glas.

Dabei ist das Schöne an dieser Art von Bellizismus, dass er völlig risikofrei ist. Man kann sich in aller Lautstärke für den Sieg einsetzen, ohne selbst die kleinste Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen. Der Aufruf zu Waffenlieferungen, immer aus sicherer Entfernung abgefeuert, klingt eben mutiger als die Bitte um Friedensverhandlungen — und kostet nichts außer ein paar Likes in der eigenen Filterblase.

Wenn Haltung zur Ersatzreligion wird

Die moralische Pflicht zur Parteinahme kommt mit einem kleinen, aber feinen Kniff daher: Wer sie hinterfragt, outet sich als Ketzer. „Neutralität ist keine Option“ — ein Satz, der sich mit der Inbrunst eines Glaubensbekenntnisses wiederholt. Denn der moderne Kriegsbefürworter sieht sich nicht mehr als politisches Subjekt, sondern als Prediger in eigener Sache. Was bleibt, ist ein binäres Weltbild: Hier die Lichtgestalten des Widerstands, dort die Finsternis der Appeasement-Verräter.

Natürlich wäre es konsequent, die eigene Begeisterung für den Sieg der Guten mit einem kleinen Ausflug an die Front zu krönen. Ein Helm wird sich schon finden, eine AK47 auch — und wenn nicht, dann wenigstens ein hipper Stahlhelm im Vintage-Look passend zur Ostfront. Doch erstaunlicherweise endet die Bereitschaft zur Solidarität oft genau dort, wo der eigene Körper ins Spiel kommt.

Warum seid ihr noch hier?

Wäre es nicht der ultimative Akt der Kohärenz, wenn die tapferen Twitter-Generäle ihre Accounts löschen, sich den Freiwilligenverbänden anschließen und der Welt vorleben, was Haltung wirklich bedeutet? Stattdessen wird auf der sicheren Seite der Geschichte gestanden, während andere auf der blutigen Seite der Geographie sterben.

Das ist die eigentliche Pointe dieser ganzen moralischen Aufrüstung: Wer am lautesten fordert, dass die Ukraine siegen MUSS, trägt oft am wenigsten zum Sieg bei. Man empört sich mit reiner Seele, aber sauberen Händen.

Ein bisschen Selbstironie tut nicht weh

Natürlich könnte man jetzt einwenden, dieser Text sei zynisch, unfair oder gar defätistisch. Aber vielleicht ist das eigentliche Problem, dass die moralischen Hochdruckgebiete unserer Zeit wenig Humor vertragen. Ein bisschen Augenzwinkern schadet dem Ernst der Lage keineswegs — im Gegenteil: Wer sich über seine eigene Entrüstung lustig machen kann, ist in der Regel näher an der Wahrheit als jene, die sich mit tränenerstickter Stimme selbst zum Widerstandskämpfer stilisieren.

Deshalb bleibt am Ende nur eine Frage: Warum seid ihr eigentlich noch hier? Die Ukraine MUSS doch gewinnen. Auf, auf — es ist nie zu spät für ein Ticket nach Kiew. Ein Helm wird sich schon auftreiben lassen.

Die Welt am Abgrund?

Der Stolperstein der Hypermoral

Es beginnt – wie so oft in der Geschichte – mit den besten Absichten. Der Westen, ein Konglomerat aus selbstreferenziellen Demokratien, die sich als moralischer Endpunkt der Zivilisation betrachten, sieht sich erneut in der Rolle des Weltethikers. Die Bühne ist bereitet: Ein überfallenes Land, ein Aggressor mit imperialer Sehnsucht, und ein Zuschauerraum voller liberaldemokratischer Gesellschaften, die ihre eigene moralische Überlegenheit wie eine Monstranz vor sich hertragen. Man verteilt Sanktionen, Waffen und warme Worte, während man sich gegenseitig auf Podiumsdiskussionen die Hände schüttelt. Die Verurteilung des Bösen gerät zur psychotropen Droge, ein kollektiver Rausch in der Glaubensgemeinschaft der Gerechten.

Doch die Hypermoral hat eine tückische Nebenwirkung: Sie duldet keine Komplexität. Die Welt wird binär, geteilt in Licht und Schatten, Gut und Böse, während das Grauspektrum der Realpolitik unberührt bleibt wie ein verbotener Text in der Bibliothek der Tugendhaften. Wer zu Differenzierung rät, wird zum Kollaborateur gestempelt. Diplomatie ist Verrat, Kompromiss ein Verriss des eigenen Wertekanons. So avanciert der Moralist unversehens zum Brandbeschleuniger.

Die Rüstungsökonomie als Lebensversicherung

Der Übergang vom moralischen Kreuzzug zur ökonomischen Interessenverwaltung verläuft nahtlos. Die Produktionslinien der Kriegswirtschaft surren längst wieder im Stakkato der Profitabilität. Alte Industrien feiern ihre Renaissance, während der Markt die Silhouetten der Apokalypse in Quartalszahlen gießt. Waffenlieferungen werden zur humanitären Pflicht erklärt, was nicht nur der Hypermoral, sondern auch der Bilanztinte schmeichelt. Ein Panzer ist schließlich kein Kriegsgerät, sondern eine Freiheitskapsel, die sich mittels Steuererleichterung und Unternehmensförderung gen Himmel rechnet.

Hinter der Kulisse winden sich Politiker in der Choreographie der Selbsttäuschung. Man müsse Russland „schwächen“, aber keinesfalls besiegen – ein intellektuelles Kunststück, das die Quadratur des Kreises zur bürokratischen Routine erhebt. Derweil verlagert sich die Front von der Steppe in die Portfolios der Aktienbesitzer, während Thinktanks darüber sinnieren, ob man die Ukraine zur Schweiz Osteuropas oder doch zur neuen Westbank der NATO umfunktionieren könnte.

Die Eskalationslogik des Unvermeidlichen

Es ist der Moment, in dem der Konflikt zur Eigendynamik wird. Der Krieg wird nicht mehr geführt, um ein Ziel zu erreichen, sondern um seinen eigenen Fortbestand zu rechtfertigen. Eskalation ist keine Option mehr, sondern eine physikalische Notwendigkeit, ein Perpetuum Mobile der Destruktion. Jeder Waffenstillstand gerät zur gefährlichen Versuchung, jeder Friedensappell zur Ketzerei. Die Logik des Krieges hat sich längst von der Vernunft emanzipiert.

Was aber, wenn der Westen zu seinem eigenen Entsetzen gewinnt? Ein in die Enge getriebenes Russland, das an seinem nuklearen Arsenal ebenso verzweifelt festhält wie an seinem imperialen Selbstverständnis, wäre kaum ein Garant für den Weltfrieden. Ein entmachteter Putin wäre nicht der Beginn einer neuen Ära, sondern der Prolog zur Bandenherrschaft über das größte Land der Erde. Der Weltfrieden, den man durch Waffengaben zu erkämpfen hofft, droht zu einem thermonuklearen Schwelbrand zu mutieren, der aus der Peripherie über die Zentren rollt.

Die freiwillige Blindheit der Vernünftigen

Die Tragik unserer Zeit ist nicht die Unwissenheit, sondern der kalkulierte Verzicht auf Wissen. Man weiß, wie Kriege eskalieren. Man kennt die Dynamiken, die aus lokalen Konflikten Weltbrände machen. Man hat all die Lehren der Geschichte in Lehrbüchern verewigt – nur um sie in der Praxis zu ignorieren. Die größte Gefahr für den Frieden ist nicht der Zynismus der Machthaber, sondern die heilige Einfalt der Idealisten.

Die Frage, ob sich der Ukrainekrieg zu einem dritten Weltkrieg auswachsen könnte, ist letztlich eine Frage des kollektiven Willens. Noch könnte man sich für den Frieden entscheiden – doch wer will das schon, wenn der Krieg so viel verführerischer ist? Wer will die Diplomatie, wenn die Moral das Schwert erhebt? Wer will die Vernunft, wenn die Hypermoral ihre eigene Kreuzzugsromantik in Netflix-tauglichen Narrativen inszeniert?

Vielleicht wäre es an der Zeit, die Geschichte nicht länger als moralische Erlösungserzählung, sondern als Tragödie zu begreifen – mit dem kleinen Unterschied, dass das Publikum diesmal mit auf der Bühne steht.

Da muss man durch!

Kunst und Kultur in Andi Bablers Restekorb mit Wohnen und Sport

Es gibt Sätze, die schlagen ein wie ein Vorschlaghammer auf einen leeren Pappkarton. Sie sind so hohl, dass sie beim Aufprall nicht einmal knistern. „Kunst und Kultur gemeinsam mit Wohnen und Sport“ – so lautet die jüngste Komposition des sozialdemokratischen Österreichs, ein Satz, der in seiner Lautlosigkeit an eine diskret ablaufende Stilllegung erinnert. Der gelernte Parteimensch weiß: Wo kein Aufschrei, da kein Problem. Die Zusammenlegung von Ressorts ist keine politische Innovation, sondern eine grammatikalische Fusion, die vor allem eines bezweckt: die lautlose Abschiebung dessen, was man sowieso nicht mehr für nötig hält.

Die Kunst der Marginalisierung

Es ist eine eigene Disziplin geworden, die Kunst in der Politik zu verwalten. Es braucht Fingerspitzengefühl, um die Stimme von Kulturschaffenden genau so leise zu drehen, dass man sie nur noch hört, wenn man ausdrücklich danach sucht. Dass die Kultur in Österreich nicht erst seit gestern in einer Mischung aus Häme und Gleichgültigkeit erstickt wird, ist bekannt. Aber die neue Disziplin der Marginalisierung perfektioniert die Choreografie: Man packt sie in ein Ressort, das klingt wie ein Aschenbecher voller Zigarettenstummel am Rande eines Fitnesstudios.

Es bleibt eine Meisterleistung des politischen Handwerks, Kultur mit Sport in einen Topf zu werfen – zwei Bereiche, die in ihrer gesellschaftlichen Funktion ungefähr so viel gemein haben wie ein Rilke-Gedichtband mit einer Bierflasche in der Fankurve. Aber es ist auch ein entlarvender Akt, eine Art Meta-Performance, ein politisches Readymade. Die Botschaft ist klar: Kunst ist kein eigenständiges Thema, sondern eine Randnotiz, ein Pausenfüller zwischen Mietrechtsnovellen und Hahnenkammrrennen..

Die Restpostenlogik

Es war wohl eine Mischung aus Mutwilligkeit und Gedankenlosigkeit, die dieses Arrangement hervorgebracht hat. Die Logik dahinter ist bestechend simpel: Was nicht profitabel ist, gehört ins Lager der Restposten. Kultur lässt sich nun einmal schwer verkaufen – zumindest dann, wenn man sie nicht gerade zur Eventbespaßung kastriert. Wer über Kultur redet, redet nicht über Rendite, sondern über Irritation, Widerspruch, Freiheit. Das alles sind Kategorien, die im politischen Betrieb ungefähr so beliebt sind wie ein Zwergschimpanse in einer Porzellanmanufaktur.

Die Abwicklung der Kulturpolitik ist längst kein Versehen mehr, sondern System. Die Verantwortlichen arbeiten mit der Eleganz von Heuschrecken, die sich über ein Sonnenblumenfeld hermachen: Erst wird das Förderwesen entbürokratisiert – was immer bedeutet, dass weniger Geld verteilt wird. Dann wird die Infrastruktur ausgehöhlt, bis nichts mehr bleibt als Fassaden. Schließlich erklärt man die leeren Gebäude zur „Partizipationschance für die Zivilgesellschaft“. Und am Ende wartet das große Versprechen der kulturellen Selbstverantwortung – eine Euphemismus-Kaskade, hinter der sich schlichtweg der Entzug jeder öffentlichen Verantwortung verbirgt.

Kultur als Dekoartikel der Demokratie

Es wäre eine hübsche Anekdote, wenn es nicht so traurig wäre: Die Kunst ist in Österreich längst zur Deko der Demokratie verkommen. Sie darf in Hochglanzbroschüren und Wahlprogrammen als Leuchtturm für Vielfalt und Freiheit flackern – aber bitte ohne zu sehr zu brennen. Kritische Stimmen werden nach wie vor brav gefördert, solange sie sich selbst nicht zu laut dabei zuhören. Doch wehe, jemand verwechselt die Freiheit der Kunst mit der Freiheit, der Politik zu nahe zu treten. Dann schaltet sich plötzlich eine Verwaltungslogik ein, die so undurchdringlich ist wie ein Herbstnebel im Waldviertel.

Die symbolische Bedeutung der neuen Ressortzusammenstellung ist nicht zu unterschätzen: Kultur ist das Zierkissen auf dem sozialpolitischen Sofa. Man legt es hin, wenn Besuch kommt, aber niemand setzt sich wirklich drauf. Es hat die Aufgabe, hübsch auszusehen – am besten in den Farben der Standortpolitik.

Der Sport als Trojanisches Pferd

Dass die Kunst ausgerechnet mit dem Sport zusammengelegt wurde, ist kein Zufall. Sport ist der perfekte Partner für die politische Verbrämung. Er ist massentauglich, unkritisch, stets gut für einen Fototermin mit lokalen Nachwuchstalenten. Wo der Sport ist, ist die Welt in Ordnung – zumindest solange niemand nach Korruption, Doping oder Gigantomanie fragt. Die Kunst hingegen stört, wo sie es ernst meint. Man kann sie nur zähmen, indem man sie einhegt, unterfinanziert und mit Bürokratie erschlägt.

Die neue Allianz von Kunst, Sport und Wohnen erinnert an eine dieser semi-essbaren Fertigsuppen, die im Supermarktregal verstauben: wenig Substanz, aber mit einer Aufschrift, die verspricht, dass hier alles drin sei, was man für ein gutes Leben brauche. Das Wasser muss man sich halt selbst dazudenken.

Epilog: Die Lächerlichkeit der Pragmatik

Natürlich wird es auch in Zukunft kulturelle Leuchtturmprojekte geben. Es wird Premieren, Festivals und Preisverleihungen geben, die man als Zeichen der kulturellen Blüte deuten darf – solange man nicht zu genau hinsieht. Doch die Grundmelodie dieser Politik bleibt dieselbe: Kunst darf sein, solange sie sich selbst nicht zu wichtig nimmt.

Die wahre Satire an dieser Entwicklung ist, dass die politische Verwaltung der Kunst längst selbst zur großen Performance geworden ist. Ein absurdes Theaterstück, in dem Bürokraten die Hauptrollen spielen und Künstler die Statisten sind. Der Titel des Stücks könnte lauten: „Da muss man durch“. Eine Tragikomödie in fünf Akten, geschrieben von der Verwaltung, inszeniert von der Politik, subventioniert mit dem Restgeld aus dem Wohnbauetat.

Und das Publikum? Es sitzt im Dunkeln, schweigend, nickend – in der Hoffnung, dass der Applaus den Zustand nicht mit der Zufriedenheit verwechselt.

Vorhang zu. Ein paar Pflichtklatscher. Licht aus.

Die Große Koalition als Zwerghamster der Demokratie

Es gab einmal eine Zeit, in der der Begriff „Große Koalition“ nicht implizierte, dass man dem Wählerwunsch mit dem Enthusiasmus eines Steuerberaters auf Valium nachkam. Nein, damals bedeutete er, dass sich die einstigen politischen Gegner – widerwillig, aber immerhin – zur Verwaltung des demokratischen Mittelmaßes zusammenrauften. Damals, als Zahlen noch Zahlen waren und nicht bloß zufällig generierte Algorithmen, um Umfragen zu rechtfertigen, wäre niemand auf die Idee gekommen, dass eine Große Koalition künftig auch eine Regierungsbeteiligung der AfD oder FPÖ bedeuten könnte. Doch die Zeiten ändern sich – oder werden geändert.

In der jetzigen politischen Großwetterlage ist das Prädikat „groß“ so anachronistisch wie eine Faxanweisung im Digitalministerium. Statt „Große Koalition“ müsste es, der Realität entsprechend, eher „gerade noch machbare Koalition“ oder „letzte Bastion gegen das, was nicht sein darf“ heißen. Denn wenn sich zwei Parteien zu einer Koalition zusammenschließen, die gemeinsam weniger als die Hälfte der Stimmen erhalten haben, dann ist das vielleicht vieles – aber sicher nicht groß.

Die Brandmauer: Denkmal oder Baugerüst?

Nun steht sie da, die vielzitierte Brandmauer. Eine Mauer, errichtet aus moralischer Empörung, sozialmedialer Echokammern und wohlfeiler Talkshow-Zitate. Ein Bollwerk der Tugend, ein Riegel vor der Hölle der politischen Verwahrlosung. Allerdings: Eine Mauer, die ständig diskutiert werden muss, ob sie noch steht, ist in etwa so stabil wie ein Pappkarton im Monsunregen.

Hier kommt Niederösterreich ins Spiel. Das beschauliche Bundesland, das urplötzlich zum „Labor der Demokratie“ erklärt wurde – eine eher euphemistische Umschreibung für „Testballon des Möglichen und Unmöglichen“. Die Volkspartei, traditionell eher das Symbol für den freundlichen Konservativismus mit Weinkelleranschluss, schließt dort eine Vereinbarung mit der FPÖ, ohne sie eine Koalition zu nennen. Ist das nun eine Möblierung der Brandmauer? Oder bloß eine Notausgangstür, die man erst öffnet, wenn der Qualm zu dicht wird?

Vom Sachzwang zur Scheindebatte: Eine Operette in drei Akten

Die Debatte über den Umgang mit „denen da“ (bitte je nach politischer Vorliebe einsetzen: Rechtspopulisten, Systemparteien, Woke-Diktatoren) führt mittlerweile zu absurdesten Stilblüten. Man gibt sich staatsmännisch besorgt, schwingt die Keule des historischen Bewusstseins, während gleichzeitig, häufig genug, in lokalen Parlamenten und Kommunen der Pragmatismus regiert: Man muss ja irgendwie arbeiten. Man kann nicht ewig moralisieren, wenn der Müll abgeholt und die Verwaltung finanziert werden muss.

Der Sachzwang, der längst zur universellen Entschuldigungspolitik verkommen ist, kriecht aus den Amtsstuben wie ein nebliger Novembermorgen. Die einst kategorische Ablehnung wird mit jedem Wahlergebnis poröser, die Brandmauer rückt immer näher an eine Art beweglichen Grenzzaun, der je nach Lage mal hier, mal dort aufgestellt wird. Die neuen Definitionen der „roten Linie“ lassen sich anpassen wie Parteiprogramme vor Wahlen.

Die Entzauberung der Demokratie und der Zynismus als neue Leitkultur

Die Demokratie hat, so scheint es, das Problem, dass sie manchmal nach demokratischen Regeln funktioniert. Wer hätte das gedacht? Parteien, die einst als pariahaft galten, werden plötzlich gesprächsfähig – nicht weil sich die Demokratie ändert, sondern weil Wahlen Ergebnisse produzieren. Und nun? Nun steht die Gesellschaft vor der unangenehmen Erkenntnis, dass Prinzipien sich nur dann gut halten, solange sie nicht auf die Probe gestellt werden.

Was bleibt, ist der Zynismus. Eine Gesellschaft, die sich auf Zynismus als neue Leitkultur einigt, hat immerhin einen Vorteil: Sie erspart sich die Enttäuschung. Denn am Ende steht die Frage: Ist die Brandmauer nun eine Bastion oder ein Feigenblatt? Die Antwort darauf dürfte wohl ebenso flüchtig sein wie politische Wahlversprechen in einer Wahlnacht.

DAS ÖFFNEN DER BÜCHSE DER PANDORA

HOFFENTLICH HABEN SIE EINEN SCHÖNEN BADEMANTEL

Man hört es stets freundlich, besorgt, in weichem Tonfall: „Es dient Ihrer Sicherheit.“ Jene vier Worte, die sich sanft um unsere Hirnwindungen wickeln wie eine warme Decke an einem nebligen Morgen. „Nur ein kleiner Eingriff“, versichert man uns, „eine Routinesache.“ Und selbstverständlich sei es doch im besten Interesse aller, wenn sich niemand dieser kleinen, harmlosen Überprüfung entzieht. Niemand hat etwas zu verbergen, oder? (Haben Sie etwa etwas zu verbergen?)

Die ersten, die es betrifft, sind die üblicherweise Verdächtigen: die Fahrgäste an Bahnhöfen, die Demonstranten mit allzu lauten Stimmen, die unbequemen Fragensteller. Doch dann, nach und nach, tropft die Logik der Notwendigkeit durch die Ritzen der gesellschaftlichen Normalität und sickert in den Alltag der Anständigen, der Braven, der Unpolitischen. Bis, eines Tages, ein freundlicher Beamter an Ihrer Tür klingelt und mit der beruhigenden Selbstverständlichkeit eines Arztes bei der Routineuntersuchung sagt: „Wir müssen nur kurz einen Blick auf Ihre Daten werfen.“

Und während Sie noch im Schlafanzug in der Tür stehen und zwischen der Wahl eines roten oder blauen Bademantels schwanken, spüren Sie plötzlich ein seltsames Kribbeln in der Luft: Es ist die leise, aber unaufhaltsame Ausdehnung der übergriffigen Kontrolle.

Der Segen der Totalüberwachung: Eine kleine Meditation über den Albtraum der Effizienz

Man stelle sich eine Welt vor, in der niemand mehr lügen kann. Eine Welt, in der jeder Schritt, jede Regung, jedes Augenzwinkern, das verdächtig zucken könnte, lückenlos dokumentiert und archiviert wird. „Aber das ist doch wunderbar!“, rufen die Apologeten der Transparenz. „Endlich gibt es keine Kriminellen mehr, keine Lügen, keine falschen Identitäten!“

Ja, zweifellos: Diebische Elstern würden in dieser schönen neuen Welt ebenso verschwinden wie alle, die sich gerne mal zwei Pralinen statt einer aus der Schale nehmen. Aber können wir kurz innehalten und uns fragen, ob eine Gesellschaft, in der niemand mehr etwas zu verbergen hat, nicht in Wahrheit eine ist, in der niemand mehr eine Seele besitzt?

Wer nichts mehr verstecken kann, kann auch keine Wahrheit mehr schützen. Es gibt kein intimes Gespräch mehr, keine geheimen Gedanken, keine kühnen Ideen, die zuerst im Schatten gedeihen, bevor sie ans Licht treten. Es gibt nur noch das blanke, durchleuchtete, sterile Leben – und in ihm das Echo eines stummen Schreis nach Privatsphäre.

Der Elefant im Raum: Warum alle mitspielen, obwohl keiner es will

Die wunderliche Ironie jeder anlasslosen Massenüberprüfung ist: Die meisten finden sie unheimlich, doch alle fügen sich. „Ich habe ja nichts zu verbergen“, sagen sie und verwechseln ihr individuelles Unbehagen mit einem Zeichen dafür, dass sie sich dem Kollektiv fügen müssen. „Es ist doch nur eine Kontrolle“, denken sie, während sie in ihren Postfächern nach verdächtigen Wörtern suchen, die sie nie geschrieben haben.

Doch wehe, wenn der Tag kommt, an dem die Kontrolle nicht mehr nur eine theoretische Möglichkeit ist, sondern eine kalte Tatsache in der Hand eines uniformierten Beamten. Plötzlich wächst die Ahnung, dass sich der Kreis allmählich schließt. Dass die harmlosen „Zufallsprüfungen“ von einst der Anfang eines Systems waren, in dem man nicht mehr gefragt wird, sondern sich bereits in der Antwort wiederfindet: Sie sind verdächtig, weil Sie existieren.

Der Ausgang: Ein Vorschlag, den Sie vielleicht bereuen werden

Und was nun? Könnten wir vielleicht einfach alle einmal tief durchatmen und uns klarmachen, dass Freiheit nicht in einem Wust aus Sicherheitsprotokollen gedeiht, sondern in einem Raum, der uns erlaubt, Mensch zu sein? Dass sich wahre Sicherheit nicht aus der totalen Überwachung ergibt, sondern aus der Freiheit, zu vertrauen, dass nicht jeder unser Feind ist? Dass vielleicht, nur vielleicht, der beste Schutz vor einem allsehenden Staat darin liegt, ihm nicht die Bühne zu bieten, auf der er sein groteskes Stück aufführen kann?

Oder ist es dazu schon zu spät? Falls ja, dann wäre es vielleicht an der Zeit, sich einen richtig guten Bademantel zu besorgen. Man weiß ja nie, wann die Beamten wieder vor der Tür stehen.