Manchmal wirkt die internationale Debatte wie ein groteskes Bühnenstück, in dem die Hauptdarsteller so tun, als hätten sie den Text vergessen, während sie sich doch in moralischer Überlegenheit gegenseitig überbrüllen. Die Anklage lautet „Genozid“, das Schlagwort, das jedes Gespräch beendet, bevor es beginnt – ein rhetorisches Endspiel, das nicht auf Aufklärung, sondern auf Entrüstung setzt. Man könnte fast meinen, es handle sich um eine neue olympische Disziplin: Wer kann in kürzester Zeit die größte moralische Empörung unter maximaler Ignoranz juristischer Feinheiten entfachen?
Die seltsame Mathematik der Schuld
Damit der Genozid-Vorwurf gegen Israel überhaupt eine Chance hat, muss ein besonders kreatives Buchhaltungssystem der Moral greifen. Die Ausgangsrechnung lautet:
Alles, was die Hamas tut – Massaker, Entführungen, Raketen auf Kindergärten – ist im Prinzip ein bloßer Nebensatz, eine Fußnote, die man überspringen darf, um schneller zum eigentlichen Hauptsatz zu kommen: „Israel ist schuld.“
Es ist eine bemerkenswerte intellektuelle Akrobatik: Man addiert die Opfer der eigenen Bevölkerung, subtrahiert die Verantwortung derjenigen, die diese Opfer bewusst als menschliche Schutzschilde benutzen, und multipliziert das Ganze mit der medialen Lust am moralischen Skandal. Heraus kommt ein Ergebnis, das jedem Buchhalter die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste – wenn es denn noch Scham gäbe.
Vom Schutzstatus und seiner selbstverschuldeten Erosion
Das humanitäre Völkerrecht ist eigentlich ein ernstes, fast sakrales Konstrukt. Doch wer es ausschließlich als Einbahnstraße interpretiert, macht daraus ein Clownskostüm.
Die Hamas und die von ihr indoktrinierte Mehrheit in Gaza betreiben ein perfides Doppelspiel: Zuerst werden Kriegsverbrechen akribisch inszeniert – Geiselnahmen, gezielte Angriffe auf Zivilisten, das Verschmelzen von militärischen Zielen mit Krankenhäusern und Schulen. Dann, wenn die unvermeidliche Reaktion kommt, präsentiert man die eigenen Opfer als Monstranz, um die Weltöffentlichkeit in den Chor des Anklagegesangs zu treiben.
Nach klassischem Völkerrecht verliert ein Kombattant, der Zivilisten systematisch missbraucht, tatsächlich den Schutz, den er sich so verzweifelt auf die Fahne schreibt. Doch dieser nüchterne juristische Befund hat im hysterischen Theater der Empörung ungefähr so viel Chance, gehört zu werden, wie ein Flötensolo während eines Düsenjetstarts.
Der finale Rettungsschuss der Logik
Hier drängt sich eine Analogie auf, so grob wie erhellend: Ein Geiselnehmer, der sich hinter seinen Opfern verschanzt und dabei die Forderung erhebt, unangreifbar zu sein, darf sich in keinem Rechtsstaat der Welt wundern, wenn die Polizei nicht nur verhandelt, sondern im äußersten Fall schießt.
Das heißt nicht, dass man jubelt, wenn der Schuss fällt – es bedeutet lediglich, dass der Rechtsstaat das Leben der Unschuldigen höher bewertet als das Recht des Mörders, unbehelligt weiterzumachen.
Und doch scheint genau diese simple Logik in weiten Teilen der Weltpolitik als obszön zu gelten. Lieber verurteilt man die Rettung, als den Geiselnehmer zur Rechenschaft zu ziehen.
Das moralische Schlaraffenland der Empörer
Warum aber diese hartnäckige Verweigerung gegenüber Realität und Recht?
Weil es bequemer ist, die Welt in ein Schlaraffenland der moralischen Schwarz-Weiß-Malerei zu verwandeln. Israel wird zum ewigen Täter, Palästinenser zu ewigen Opfern – eine Rollenverteilung, die so alt ist wie politisch nützlich. Wer an dieser Mythologie kratzt, riskiert die Verbannung aus den erhabenen Salons der Empörungskultur.
Es ist die alte Geschichte: Moral als Pose, nicht als Pflicht.
Epilog: Die Tragik der Zyniker
Das Bittere an dieser Farce ist, dass hinter all den spitzen Formulierungen und zynischen Beobachtungen reales Leid steht – Tote, Verstümmelte, Traumatisierte auf beiden Seiten.
Satire kann die Widersprüche bloßlegen, aber sie heilt keine Wunden. Doch vielleicht zwingt sie den einen oder anderen dazu, zumindest für einen Augenblick die wohlfeile Empörungspose zu verlassen und sich mit der unbequemen Realität auseinanderzusetzen: Dass Recht nicht immer angenehm, aber notwendig ist.
Und dass ein Geiselnehmer, wie poetisch seine Forderungen auch klingen mögen, am Ende doch kein Heiliger wird, nur weil er die Kamera liebt.