
Von Jakob Blasel lernen, heißt siegen lernen
Es gibt Sätze, die gehören in die Annalen der politischen Rhetorik gemeißelt, Sätze, die sich so perfekt in das Zeitgeistgetriebe einfügen, dass man sich wundert, warum sie nicht längst von einer Künstlichen Intelligenz als Konsensprosa des Jahres ausgezeichnet wurden. Einer davon stammt von Jakob Blasel, seines Zeichens Bundessprecher der Grünen Jugend Deutschland. Der Satz lautet: Wer in dieser Weltlage noch immer zögert, Europas Freiheit auch mit Waffen zu verteidigen, ist nicht links – sondern naiv und unsolidarisch.
Nun mag man einwenden, dass ein junger Mann in Funktion einer Parteijugendorganisation vielleicht nicht zwingend das intellektuelle Rückgrat einer Bewegung verkörpert, sondern eher das emotionale Trampolin, auf dem sich die Ideen der Zukunft bereits heute schon warmhüpfen. Doch dieser Einwand griffe zu kurz. Denn die Grünen, einst die Mutter aller pazifistischen Bewegungen, haben sich in den vergangenen Jahren mit der Eleganz eines Leopardenpanzers in eine Partei verwandelt, die Krieg nicht nur als ultima ratio, sondern als moralische Pflicht zur Aufrechterhaltung der westlichen Wertegemeinschaft begreift. Da ist es nur folgerichtig, dass sich der Nachwuchs auf die Barrikaden der Twitter-Timeline begibt, um dort die Reihen der Zögerer, Zweifler und Zauderer mit verbalen Bajonetten auf Linie zu bringen.
Grüne Feldgrauromantik
Der ironische Twist, der sich bei der Lektüre von Blasels Mahnruf einstellt, besteht darin, dass er – ob gewollt oder nicht – eine der großen Traditionen linker Bewegungen in Deutschland reanimiert: die Begeisterung für den heroischen Opfergang in einem gerechten Krieg. Was wäre schließlich die deutsche Linke ohne ihren Hang zur militanten Selbstüberhöhung? Schon Karl Liebknecht wusste, dass die wahren Feinde im eigenen Land stehen, und wenn es sein muss, wird der eigene Klassenverrat eben mit Marschmusik kaschiert. In der grünen Variante bedeutet das: Wer nicht bereit ist, sich für Europas Freiheit von russischem Gas in den Schützengraben der moralischen Überlegenheit zu werfen, ist ein unsolidarischer Schwurbler.
Doch was bedeutet es eigentlich, Europas Freiheit mit Waffen zu verteidigen? Nun, in erster Linie natürlich, dass andere die Waffen tragen und bedienen. Das ist der große Vorteil des moralischen Imperativs: Er lässt sich bequem von der Homeoffice-Schnittstelle aus formulieren, während man sich einen Hafermilch-Cappuccino in die doppelt recycelbare Bambustasse gießt. Der moderne Bellizist trägt keine Uniform mehr, sondern einen Jutebeutel mit der Aufschrift Kein Mensch ist illegal, während er sich gedanklich an die Seite der ukrainischen Territorialverteidigung imaginiert. Man könnte fast sagen: Das Neue an Ostfront 3.0 ist, dass der Klassenkampf jetzt wieder in Klassen getrennt geführt wird.
Solidarität im Abonnement
Die Solidarität, von der Blasel spricht, ist eine äußerst flexible Währung. Sie lässt sich mit ein paar Tweets aufladen, durch Likes und Shares diversifizieren und in moralischer Rendite verzinsen. Es ist die Solidarität jener, die für die richtige Sache auf die Straße gehen, aber für die falsche Sache den öffentlichen Nahverkehr bevorzugen. Der wahre Held dieser Zeit ist nicht der Deserteur, sondern der Denunziant, der mit Instagram-Filtern und #StandWithUkraine-Profilbildern seine Wehrbereitschaft unter Beweis stellt.
Wer dagegen auf die Idee kommt, dass Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet vielleicht nicht das geeignetste Mittel sind, um den Weltfrieden zu stabilisieren, gerät schnell in den Verdacht, ein Putintroll, Querfrontler oder – Gott bewahre – naiv zu sein. Die Naivität, einst ein liebevoller Makel romantischer Weltverbesserer, ist in der grünen Kriegsrhetorik zum Stigma der Gestrigen geworden. Die neue Realpolitik trägt Camouflage, nur dass die Muster jetzt gendergerecht diversifiziert sind.
Wir werden uns den Krieg nicht nehmen lassen
So ziehen sie also wieder gen Osten, die Geister der Geschichte, diesmal in Lastenrädern und mit Fridays-for-Future-Stickern auf den Kampfstiefeln. Die Generation, die keine Lust auf Krieg hatte, bekommt ihn jetzt als moralische Bringschuld verordnet. Und weil die größte Unverschämtheit der Gewalt bekanntlich ihre Verweigerung ist, bleibt nur die Frage, wann das erste Freiwilligen-Bataillon der Grünen Jugend aufbricht, um in der Ostukraine für die Freiheit des Westens zu kämpfen.
Man darf gespannt sein, ob Herr Blasel seine Meldung bereits abgegeben hat. Die Bundeswehr hat schließlich Nachwuchsprobleme, und was könnte unsolidarischer sein, als in dieser Weltlage den Job der Waffenverteidigung ausschließlich den anderen zu überlassen? Vielleicht wäre das ja der nächste logische Schritt der Wehrbereitschaft: eine Grüne Jugend International Brigade – mit veganem Proviant, genderneutralen Uniformen und CO₂-neutraler Munition.
Bis es so weit ist, bleibt uns immerhin der Trost, dass es für die endgültige Mobilmachung bislang nur Worte braucht. Die Grünen haben bekanntlich immer schon mehr Bücher geworfen als Bomben. Nur dass sie mittlerweile nicht mehr so genau wissen, auf welcher Seite des Schützengrabens sie landen.