Kriegstreiber an die Front

Der demokratische Konsens, jener goldene Teppich, auf dem sich unsere Parteien selbstgefällig durch die Geschichte tragen, ist endgültig zur Sprengfalle geworden. Man glaubt, sich in einem gut geölten System öffentlicher Debatte zu befinden – doch plötzlich zündet einer den Applaus. Und siehe da: Krieg ist wieder eine Option! Nein, nicht als Schicksal, nicht als letzte Notwehr. Sondern als wohltemperiertes Planspiel, das man zwischen Sonntagsrede und Sicherheitskonferenz lässig in den Diskurs schiebt.

Was früher den politischen Außenseitern, den Großmäulern mit Stahlhelmfetisch und geschichtsvergessener Libido vorbehalten war, trägt heute das Siegel der Mitte. Ausgerechnet dort, wo einst Mahner und Brückenbauer residierten, sitzen jetzt die Bastler am geopolitischen Kippschalter. Verteidigung wird zur Glaubensfrage, Angriff zur Option. Der Pazifismus, einst moralischer Fels, verkommt zur Laune von Ewiggestrigen – und alle nicken, als wäre das logisch.

Und während der Bürger noch denkt, man müsse doch verhandeln, marschiert der Bundestag bereits im Stechschritt durch Twitter. Nur, dass man heute keine Helme mehr verteilt, sondern Hashtags. Keine Uniformen näht, sondern Narrative.

Eine Million Mann: Die neue Wehrpflicht heißt Mitgliedsausweis

Eine Million Menschen? Für den Krieg mit Russland? Kein Problem, wir haben doch die Parteien! Die Truppe steht bereit, die Uniformen liegen metaphorisch im Abgeordnetenflur, gleich neben dem Lastenradstellplatz.

  • SPD: 365.189 Mitglieder
  • CDU: 363.101 Mitglieder
  • CSU: 125.996 Mitglieder
  • Grüne: 125.991 Mitglieder
  • Linke: 50.251 Mitglieder

In Summe: 1.030.528 potentielle Krieger im Namen der liberalen Ordnung.

Na bitte. Wer das Schwert schwingen will, soll sich auch blutige Hände holen dürfen. Und wer Tag für Tag mit moralisierendem Furor erklärt, dass Waffen Frieden bringen, dass mehr Panzer weniger Krieg bedeuten, der möge bitte die erste Reihe bilden. Denn wie sagte schon der große Philosoph Habeckus von Scholzenstein: „Es gibt keinen Frieden ohne die Bereitschaft zum totalen Verteidigungsimport.“

Von der Friedenspartei zur Frontlinie – Metamorphosen einer Moral

Was ist nur aus den Grünen geworden, diesen einstigen Waldbesetzern mit Jutebeutel und Nato-Abneigung? Sie wollten Bäume retten – heute liefern sie Leopard-Panzer. Sie protestierten gegen den Irakkrieg – heute machen sie Antrittsbesuche bei Rüstungsfirmen, als handle es sich um Biohöfe. Und die SPD? Der letzte Rest an Willy Brandt wird aus dem Willy-Brandt-Haus gekehrt wie eine peinliche Jugendphase, ein pazifistisches Mißverständnis, das es bitte zu vergessen gilt.

TIP:  Über welche Dimensionen sprechen wir heute

Linke? Gänzlich gespalten. Die einen zucken, die anderen zucken noch mehr – aber in die jeweils andere Richtung. Derweil fordert die CDU militärische Führungsfähigkeit, während sie selbst keine Führungspersönlichkeiten mehr hat, sondern bloß politische Roommates im Co-Working-Space des Zeitgeistes.

Alle reden von Verantwortung. Aber gemeint ist immer: für andere. Für Ukrainer, für Amerikaner, für „die Freiheit“, deren Definition sich in den letzten Monaten häufiger geändert hat als die Netflix-Empfehlungen. Nur eines bleibt konstant: Die eigenen Bürger werden in der Pflicht gesehen, zu zahlen, zu frieren, zu glauben.

Realitätsverlust mit parlamentarischer Mehrheit

Wahlprogramme? Lesen sich heute wie Bewerbungen bei der Rüstungsindustrie. Zwischen digitaler Offensive und moralischer Überlegenheit bleibt nur Platz für eines: Eskalation. Wer auf Deeskalation pocht, gilt als naiv. Wer von Diplomatie spricht, ist „Putinversteher“. Wer Zweifel äußert, wird aus dem Diskurs exkommuniziert wie ein Ketzervater im digitalen Mittelalter.

Der politische Realismus, einst Kompass vernunftbegabter Führung, ist ersetzt worden durch eine Mischung aus Pathos, Panik und Pixelrhetorik. Abgeordnete zitieren Churchill, aber verhalten sich wie Influencer auf Speed. Wer keine Ahnung von Geopolitik hat, der tweetet sie sich einfach zurecht.

Und die Medien? Sie klatschen, dichten mit, machen Meinung zur Munitionshilfe. Wer eine Talkshow besucht, wird nicht befragt, sondern geprüft: auf Kriegswilligkeit, auf Standhaftigkeit gegenüber der „russischen Gefahr“. Die Bühne ist frei, das Skript geschrieben – und wer sich nicht fügt, wird in der nächsten Ausgabe als „antieuropäisch“ etikettiert.

Die Rückkehr der Wehrpflicht? Nein – der Applauspflicht!

Was früher mit Trommelwirbel und Fanfare zur Musterung rief, geschieht heute stiller, subtiler – aber nicht weniger brutal. Man wird nicht mehr eingezogen – man wird eingestimmt. Auf Linie gebracht. Die Trommel heißt heute Algorithmus, die Pflicht zum Marschieren wird ersetzt durch die Pflicht zur Meinungskonformität.

Die neue Front verläuft durch Zeitungen, durch Talkshows, durch Social Media-Profile. Wer noch Fragen stellt, gerät ins Kreuzfeuer. Wer widerspricht, ist kein Bürger, sondern ein Problem. Der Ruf zur Waffe ist nicht mehr körperlich – er ist rhetorisch. Und millionenfach geteilt.

TIP:  Keine Rettung in Sicht

Finale furioso: Der Preis der Pose

Und so stehen sie da, die eine Million Mitglieder – theoretisch kriegsbereit, praktisch tastaturbewaffnet. Die SPD-Funktionärin, die gegen Atomkraft kämpfte und heute Uranmunition duldet. Der grüne Bundestagsabgeordnete, der gegen die NATO demonstrierte und jetzt stolz auf den 100-Milliarden-Etat blickt. Die CDUlerin, die einst den Wehrdienst aussetzte und nun die Wehrpflicht zurückholen will – allerdings bitte mit sozialen Elementen, Gendergerechtigkeit und einem Fokus auf Diversität in der Schützengrabengestaltung.

Der Wahnsinn, meine Damen und Herren, ist keine Abweichung mehr. Er ist der neue Normalzustand. Eingebettet in wohlformulierte Absichtserklärungen, abgestützt durch Parteitagsbeschlüsse und eingewickelt in das flauschige Tuch einer moralischen Notwendigkeit.

Und während draußen der Frieden stirbt, schreibt man drinnen an der nächsten Pressemitteilung. Der Krieg? Kommt nicht überraschend. Er wurde bestellt – von einer Mehrheit, die sich selbst nicht an die Front traut.

Also: Kriegstreiber an die Front.
Viel Vergnügen. Wir, die Zweifler, behalten uns vor, zuzusehen – mit Spaten, falls jemand wieder raus will.

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