ENDE GUT, ALLES GUT

Kapitalistische Märchenstunde: Der Tanz auf den Allzeithochs

Die Welt ist, man kann es nicht anders sagen, in Ordnung. Wirklich! Lassen Sie sich nicht von den panisch schreienden Schlagzeilen irritieren, die da von Klimakatastrophe, sozialer Ungerechtigkeit und wirtschaftlicher Schieflage sprechen. Die harten Zahlen lügen nicht, und die sprechen eine eindeutige Sprache: 2024 war ein Triumphjahr! Der ATX erklimmt mit athletischer Eleganz Gipfel, die selbst Reinhold Messner ins Staunen versetzen würden. Der deutsche DAX, stets ein Musterknabe des europäischen Finanzadels, tanzt mit 19 Prozent Jahresperformance beschwingt durch die Flure des globalen Kapitalismus. Und der Dow Jones, der alte Cowboy unter den Indizes, zeigt mit seinen 14 Prozent Plus, dass er noch immer genug Pulver im Revolver hat. Was will man mehr?

Gewinner des Jahres? Die Banken! Natürlich. Ihre Aktien schossen nach oben wie Champagnerkorken, 69,1 Prozent bei der Erste Group, 62,4 Prozent bei der BAWAG. Zahlen, die so schwindelerregend sind, dass sie manchem Kleinanleger die Tränen in die Augen treiben dürften – nicht vor Freude, sondern weil diese Gewinnprognosen für sie so unerreichbar sind wie eine Eigentumswohnung im ersten Wiener Gemeindebezirk. Aber halt, die Banken haben es verdient. Schließlich haben sie während der Inflation mit ihrer, sagen wir, kreativen Kreditvergabe und Gebührenpolitik heldenhaft dafür gesorgt, dass wir alle den Gürtel enger schnallen konnten. Bravo!

Während die einen feiern, kämpfen die anderen ums Überleben

Doch während die Börsenkurse steigen, fallen die Reallöhne. Während die Elite die Korken knallen lässt, fristet ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ein Dasein als Statist in dieser grotesken Kapitalismussatire. Sie können die Miete nicht zahlen? Nun, vielleicht haben Sie Ihre Karriere falsch geplant. Stromrechnungen werden zur Bürde? Wahrscheinlich haben Sie den Fehler gemacht, zu wenig in Aktien zu investieren. Das ist natürlich Ihre Schuld. Hätten Sie doch nur auf die großzügigen Ratschläge der Finanzberater gehört, die Ihnen, freundlich und uneigennützig, erklärt haben, dass Sparen allein Sie nicht reich macht, sondern nur der Aktienmarkt – der Aktienmarkt, der 2024 ein Schlaraffenland war.

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Aber seien wir ehrlich: Ihre Stromrechnung interessiert an der Börse niemanden. Ob Sie im Dunkeln sitzen, ist für den Dow Jones ungefähr so relevant wie ein tropischer Sturm für die Aktienkurse von Ölkonzernen. Oh, Moment – schlechte Analogie, denn genau solche Katastrophen haben oft positive Auswirkungen auf die Börse. Schließlich steigt dann die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen und anderen Dingen, die man so braucht, um den Planeten effizienter zu zerstören.

Der Mensch als Fußnote der Statistik

Natürlich, es wäre unfair, die Finanzwelt pauschal zu verurteilen. Sie arbeitet hart – für sich selbst. Der Kapitalismus war noch nie gut darin, Gleichheit zu schaffen, und 2024 war da keine Ausnahme. Was jedoch besonders faszinierend ist, ist die Geschwindigkeit, mit der jede Form von Realitätsbezug in den oberen Etagen der Macht verpufft. Die Märkte jubeln über Zinserhöhungen, die der Normalbürger in Form explodierender Hypothekenraten spürt. Analysten feiern Rekorddividenden, während Mindestlöhner vor der Wahl stehen, ob sie lieber heizen oder essen.

Das alles wird jedoch mit einer Leichtigkeit und Eleganz beiseite gewischt, die einem Ballettstück gleicht. „Schwere Zeiten? Investieren Sie in Bildung, machen Sie einen Kurs über Finanzmanagement!“ heißt es dann. Ein Ratschlag, der ungefähr so hilfreich ist, wie einem Ertrinkenden zu rufen, er solle doch schwimmen lernen.

Und die Moral von der Geschichte? Es gibt keine

Aber vielleicht sollten wir es nicht so ernst nehmen. Schließlich leben wir in einer Welt, in der Satire oft schwer von der Realität zu unterscheiden ist. Während der ATX seine Höhenflüge feiert, bleibt für den Rest nur der Galgenhumor. Man lacht, um nicht zu weinen. Und während die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft, bleibt uns wenigstens die Erkenntnis: Zahlen lügen nicht – sie sagen nur nicht immer die ganze Wahrheit.

In diesem Sinne: Prost auf die Märkte! Denn wenn das Glas halb leer ist, kann man es immerhin immer noch verkaufen. ENDE GUT, ALLES GUT? Vielleicht, aber nur für diejenigen, die auf der richtigen Seite der Statistik stehen. Für den Rest bleibt die Hoffnung auf ein nächstes Jahr, in dem vielleicht auch einmal andere Geschichten geschrieben werden.

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