Die unkaputtbare Korruption

Die Ukraine hat es wieder einmal geschafft. Nein, nicht in die NATO, nicht in die EU, nicht einmal auf die Liste der lupenreinen Demokratien, aber immerhin – auf Platz 105 des Corruption Perceptions Index (CPI). Eine Platzierung, die zwar nicht für Applaus sorgt, aber immerhin eine Art stillschweigender Anerkennung verdient: Man ist nicht die absolute Katastrophe, sondern eine moderat korrupte Nation. Hier korrupt zu sein, ist kein Skandal, sondern Kultur. Ein Wert von 35 – das klingt doch beinahe so, als hätte man sich zumindest bemüht, nicht ganz in der Hölle der Oligarchenherrschaft zu versinken.

Man könnte also sagen: Die Ukraine ist kein völliger Korruptions-Slum, aber auch nicht das leuchtende Vorbild, das sie so gerne sein möchte. Korruption, das ist hier kein skandalöser Unfall, sondern ein zähflüssiger Dauerzustand. Man hat es sich gemütlich gemacht zwischen wackeligen Reformen, westlichen Erwartungen und der unerschütterlichen Fähigkeit, aus jeder Krise eine profitable Gelegenheit zu basteln.

Naja, irgendwas dazwischen.

Im Demokratieindex rangiert die Ukraine unter den „Hybriden Regimen“. Das klingt nach Fortschritt, nach Entwicklung – oder etwa nicht? Die nüchterne Realität: Man hat sich einen Platz im exklusiven Club der Grauzonen-Staaten gesichert, irgendwo zwischen „Wir wollen ja eigentlich“ und „Aber irgendwie geht es auch anders“. Ein Indexwert von 0.514 ist nichts, worauf man sich ausruhen sollte – es ist eher der verzweifelte Versuch, sich nicht vollends in den Abgrund der Autokratien zu verabschieden. 2006 lag das Land übrigens noch auf Platz 92 – ein nicht minder beeindruckender Beweis für die erstaunliche Fähigkeit, im Schneckentempo rückwärts zu marschieren.

Dabei sind es doch gerade die demokratischen Beteuerungen, die in internationalen Diskursen so gerne angeführt werden: „Wir kämpfen für westliche Werte!“ Und das ist nicht einmal gelogen – nur sind es eben ganz eigene, spezifische Interpretationen dieser Werte, irgendwo zwischen neoliberalem Wunschdenken, knallharter Oligarchie und einer erstaunlichen Fähigkeit zur Selbsttäuschung. Die Ukraine ist eine Demokratie? Ja, aber nur, wenn man es nicht allzu genau nimmt.

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Die westliche Romantisierung

Es gehört zum guten Ton in Brüssel und Washington, die Ukraine als tapfere Bastion der Demokratie zu stilisieren. Dass diese Bastion auf korrupten Fundamenten steht, wird dabei gerne übersehen – oder wohlwollend als „Übergangsproblem“ deklariert. Es ist ein seltsames Schauspiel: Während die Ukraine sich mit milliardenschweren Hilfspaketen über Wasser hält, bleibt der öffentliche Sektor eine Spielwiese für Netzwerke aus Oligarchen, Beamten und politisch gut vernetzten Geschäftsleuten.

Doch hier kommt der Zaubertrick: Westliche Politiker tun so, als sei die Ukraine ein demokratisches Projekt, das nur noch ein wenig Feinschliff braucht. Korruption? Ja, gibt es. Aber sehen Sie doch, wie sie dagegen kämpfen! Man müsse nur etwas Geduld haben, schließlich sei Rom auch nicht an einem Tag erbaut worden. Oder ein korrupter Staat in einem Jahr reformiert.

Alles bleibt anders

Was bleibt also? Ein Land, das sich irgendwo zwischen westlicher Wunschprojektion, innerer Zerreißprobe und struktureller Korruption bewegt. Ein Land, das offiziell für Freiheit und Rechtsstaat kämpft, während es sich gleichzeitig eine politische Parallelrealität gönnt. Ein Land, das zwar nicht die schlimmste Autokratie der Welt ist, aber auch noch lange keine Demokratie, die den Namen verdient. Es bleibt also spannend – oder auch einfach nur frustrierend.

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