
Fassen wir zusammen: Die EU und Deutschland verschuldeten sich auf Jahrhunderte für ein anderes Land, das den Krieg gegen Russland ohne Unterstützung der USA nicht gewinnen kann
Man wird es dereinst in den Geschichtsbüchern nachlesen können, vermutlich irgendwo zwischen dem Kapitel „Kollaterale Demokratieverluste“ und dem Anhang „Warum der Fortschritt manchmal rückwärts galoppiert“: Wie die Völker Europas, allen voran die Deutschen, mit viel rhetorischem Pathos und noch mehr frischgedrucktem Geld in einen Krieg investierten, der sich nicht einmal mit einer moralischen Buchführung als rentabel ausweisen lässt. Man wollte Gutes tun, das steht außer Frage. Die Sache mit dem Weg zur Hölle und den guten Absichten ist ja bekannt. Doch die Kreditlinie zur Ewigkeit ist weit, und wer sich heute bei der EZB mit dreistelliger Milliardenhöhe einloggt, muss nicht befürchten, morgen schon von der Realität ausgeloggt zu werden.
Das Schuldenmodell für Generationen: Jetzt auf Pump, später im Museum
Ach, wie fein ziseliert klingen sie doch, die Statements aus Brüssel und Berlin: „Historische Verantwortung“, „europäische Solidarität“, „Wertegemeinschaft“. Es sind jene Zauberworte, mit denen sich selbst die absurdesten Finanztransaktionen noch in ein leuchtendes Gewand aus Menschenrechtsromantik hüllen lassen. Dass diese Wertegemeinschaft am Ende mehr Schulden als Werte erzeugt, ist wohl ein bedauerlicher Kollateralschaden der höheren Moral. Aber keine Sorge – die Rückzahlung erfolgt in Tranchen, die so weit in der Zukunft liegen, dass sie nicht einmal von Science-Fiction-Autoren zuverlässig vorhergesagt werden können.
Die Kinder von morgen werden nicht gefragt werden, ob sie den Panzerkredit von gestern gerne abstottern möchten. Vielleicht dürfen sie im Ethikunterricht ein Referat über die Errettung der europäischen Freiheitsideale halten, während ihre Eltern aus der Sparlampe im Energiesparhaus das letzte Lichtchen saugen.
Der große Bruder bleibt der große Gläubiger
Wie seltsam es doch anmutet: Während die europäischen Hauptstädte ihre Schatzkammern weit öffnen, bleibt die eigentliche Siegbedingung eine Konstante, die weder Brüssel noch Berlin kontrollieren. Ohne den allmächtigen US-Dollar und die Waffenlieferungen aus Washington wäre der Verteidigungskampf unseres östlichen Nachbarn nicht mehr als ein melancholischer Eintrag im politischen Nachrufregister. Aber die USA haben ihre eigene Agenda – und diese hat mit europäischen Schuldenbergen ungefähr so viel zu tun wie ein texanischer Ölmagnat mit veganer Ernährung.
Es ist ein seltsames Arrangement: Die einen zahlen, die anderen gewinnen. Die einen versprechen „Whatever it takes“, die anderen liefern Waffen im Abonnement. Die einen bauen Windräder, die anderen Flugzeugträger. Die einen leisten moralische Überstunden, die anderen streichen geostrategische Dividenden ein. Wer wird am Ende wohl der lachende Dritte sein?
Postheroische Zeiten – Heldensagen aus der Notenpresse
Wirklich bemerkenswert ist aber, dass all diese astronomischen Summen in einem historischen Moment verschrieben werden, in dem Heldenmut vor allem darin besteht, auf Twitter eine Fahne ins Profilbild zu kleben. Die Nachkriegsgeneration wird mit dem Kredit von heute vielleicht keine goldene Zukunft erben, aber immerhin ein schillerndes Vokabular aus solidarischer Phraseologie. „Wir haben alles getan, was wir konnten“, wird man später in den Archiven lesen – und der kleine Vermerk, dass man vor allem alles bezahlt hat, was man nicht hatte, wird bestenfalls in den Fußnoten auftauchen.
Was bleibt, ist das Narrativ
Am Ende wird man sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, wer diesen Krieg gewonnen hat – aber man wird genau wissen, wer ihn bezahlt hat. Das ist doch auch eine Form der historischen Unsterblichkeit. Und wenn es irgendwann wieder einmal an der Zeit ist, Europa zusammenzufassen, dann wird es heißen: Sie haben sich verschuldet, sie haben geliefert – und am Ende durften sie sich glücklich schätzen, wenigstens die Moral auf ihrer Seite gehabt zu haben.
Vielleicht errichtet man dann in Brüssel ein Denkmal. Nicht für die Helden der Schlacht, sondern für die treuen Steuerzahler. Eine Bronzestatue, halb gefesselt, halb salutierend, mit einem Schild in der Hand: „Auf Pump für die Freiheit – 2022-????“.