Der Traum von Europa

oder: Wie man mit offenen Grenzen in geschlossene Gesellschaften taumelt

Die Erschöpfung des Abendlands – Europa zwischen Werteexport und Werteverzicht

Es war einmal ein Kontinent, der sich selbst für die Krone der Zivilisation hielt, für den goldenen Mittelweg zwischen Dionysos und Descartes, zwischen Aufklärung und Avocado-Toast, zwischen Kant und Kaffeesatzlesen. Europa, das war das Flaggschiff der Freiheit, das Mutterschiff der Menschenrechte, das rollende Museum der Moral. Ein alter, weißhaariger Herr mit Pfeife und Prinzipien, der von sich glaubte, die Welt verstanden zu haben – und sie daher missionieren zu dürfen.

Doch siehe da: Der Herr ist müde geworden. Die Pfeife verloschen, die Prinzipien verblichen, der Kanon kultureller Selbstvergewisserung in sich zusammengefallen wie ein schlecht aufgestellter Liegestuhl. Europa, einst streitbar und stolz, schaut heute betreten zu Boden, wenn es um seine eigenen Werte geht, flüstert leise von Toleranz, während es schweigt zu Intoleranz. Der Kulturrelativismus – ursprünglich gedacht als noble Geste des Respekts gegenüber dem Anderen – ist längst zum Biedermäntelchen einer moralisch zahnlosen Selbstverleugnung verkommen.

Denn was bedeutet es heute, Europäer zu sein? Ein Herkunftslabel? Eine Staatsbürgerschaft? Eine postnationale Befindlichkeitsgemeinschaft, die sich lieber mit Gendertoiletten beschäftigt als mit der Frage, wie viel Islamisierung die Demokratie eigentlich verträgt, ohne dass sie zur Karikatur ihrer selbst wird?

Gold oder Glaube – Martin Schulz und die romantische Migrationserzählung

Martin Schulz, jener tragikomische Berufs-Europäer mit der Eloquenz eines Lateinlehrers im Rausch der Weltethik, sagte 2016 in jener legendären Rede, Flüchtlinge brächten „etwas mit, das wertvoller ist als Gold“: den Glauben an Europa. Was für ein Satz! Was für ein Pathos! Man hätte fast den Eindruck gewinnen können, die Züge, die damals über die Balkanroute rollten, seien keine Nottransporte, sondern Epiphanien. Jeder Migrant ein Prophet. Jeder Ankommende ein europäischer Erlöser in Turnschuhen.

Doch der Realität ist das Pathos selten bekommen. Denn: Wer bringt da eigentlich was mit – und vor allem: wohin? In die Vororte von Paris, wo die Republik längst resigniert hat? In die Problemviertel deutscher Städte, in denen das Grundgesetz zwar offiziell gilt, aber in der Praxis oft das islamische Ehrgefühl regiert? Oder vielleicht in die Berliner Schulen, wo Lehrer sich mitunter weniger vor Matheversagen als vor Vätern mit Allah-Komplex fürchten?

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Es mag Menschen geben, die mit ehrlichem Herzen nach Europa kamen – vor Krieg geflüchtet, von Freiheit geträumt. Aber es ist nicht minder wahr: Viele kamen auch mit Erwartungen, die sich nicht mit westlicher Offenheit decken, sondern sie schamlos ausnutzen. Sozialstaat ja, Säkularismus nein. Meinungsfreiheit ja, Karikaturen nein. Frauenrechte ja, aber bitte nur für die anderen. Und so verwandelt sich der europäische Traum nicht selten in ein Schlafwandeln zwischen Multikulti-Romantik und Integrationsverweigerung.

Vom Tugendstolz zur Tugendstarre – Wie Europa sich selbst neutralisiert

Es war einst die Stärke Europas, Gegensätze zu integrieren – Götter und Glaube, Monarchie und Markt, Rockmusik und Rousseau. Heute jedoch gleicht der Kontinent einem Allergiker, der auf jede Form von Abgrenzung mit einem Schock reagiert. Grenzen? Xenophob. Leitkultur? Rassistisch. Kritik am Islam? Islamophob, natürlich. Die kollektive Angst, „rechts“ zu wirken, hat die politische Linke in eine Art ethisch-therapeutischen Selbstkastrationszustand versetzt, in dem man sich selbst am liebsten in Diversity-Flyern und moralischer Selbstbeweihräucherung auflöst.

In dieser Stimmung sind offene Grenzen kein Ausdruck von Großmut mehr, sondern von Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit gegenüber jenen, die bereits hier leben – und jenen, die kommen. Denn Integration ist kein naturwüchsiger Prozess, sondern harte Arbeit – auf beiden Seiten. Doch während der eine Teil sich bemüht, Multikulturalität mit Sozialpädagogik zu kitten, nutzt der andere die Freizügigkeit Europas als Einbahnstraße zur Anspruchsmentalität.

Das Resultat: Der naive Glaube an die Friedensfähigkeit aller Kulturen wird regelmäßig von der Realität erschüttert – sei es durch Silvesternächte in Köln, antisemitische Ausfälle auf Schulhöfen oder islamistische Anschläge, die mit zynischer Präzision immer wieder beweisen, dass auch im pluralistischen Paradies Hölle wohnen kann. Doch statt daraus zu lernen, beruhigt man sich mit Ritualen: Kerzen, Hashtags und der ewige Satz „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“.

V. Die Doppelmoral der Liberalität – Wenn Toleranz zur Intoleranz gegenüber Kritik wird

Der vielleicht größte Treppenwitz dieser Entwicklung ist die Umkehrung des Diskurses: Diejenigen, die auf Missstände hinweisen, gelten als Gefährder. Wer fragt, wie viel Islam eine offene Gesellschaft verträgt, wird nicht ernstgenommen, sondern eingebrannt in die Bannflamme des Verdachts. Rassismus! Populismus! Rechte Hetze! – so tönt es aus den Echokammern der Besserwisserei, die sich selbst für die letzte Bastion der Humanität hält, während draußen auf der Straße das Klima der Einschüchterung wächst.

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Und so darf ein Kopftuch Symbol der Emanzipation sein, solange es in den narrativen Kontext der „kulturellen Vielfalt“ passt. Eine Moschee ist ein Ort der Spiritualität, auch wenn dort in der Freitagspredigt über „Ungläubige“ gewettert wird. Kritik? Verstöße gegen das „gesellschaftliche Klima“, wie ein Hausmeister der Meinungsfreiheit, der bei jedem Windstoß sofort die Fenster schließt.

Es ist, als hätte man den Begriff der Toleranz ausgehöhlt, bis nur noch ein moralisches Vakuum übrig blieb – in dem alles möglich ist, außer kritischer Debatte. Europa hat seine liberale DNA nicht verloren – es hat sie mutwillig wegsediert, um sich nicht mit dem zu konfrontieren, was „schwierig“ sein könnte. Aus Angst, falsch zu handeln, tut man lieber gar nichts. Und aus Angst, das Eigene zu behaupten, sagt man lieber: Alles ist gleich wert. Auch das Gegenteil.

Der Preis der Offenheit – Und was passiert, wenn der Westen sich auflöst

Was also ist der Preis dieser postmodernen Selbstentgrenzung? Vielleicht: Der schleichende Verlust des Vertrauten. Der öffentliche Raum, in dem plötzlich der Ramadan mehr Präsenz zeigt als Weihnachten. Die Debatten, in denen die Angst vor „falschen Assoziationen“ schwerer wiegt als die Faktenlage. Die Selbstverleugnung, die zur Identitätsersatzhandlung wird: Wer keine gemeinsame Kultur mehr definieren will, der klammert sich eben an CO₂-Werte, Veggie-Days und Drag-Queens im Kindergarten.

Europa – so scheint es – will gefallen, aber nicht führen. Es will bewahren, aber nichts mehr fordern. Es will Weltretter sein, ohne Hausmeister der eigenen Ordnung. Der Migrationspakt ersetzt die Grenzkontrolle, und „Willkommenskultur“ den gesunden Menschenverstand. Doch eine Gesellschaft, die sich selbst nicht definiert, wird definiert – von außen. Und wer keine Bedingungen stellt, der bekommt Bedingungen gestellt.


Epilog: Der europäische Traum – oder: Wenn man beim Träumen vergisst, aufzuwachen

Martin Schulz sprach vom „Traum von Europa“. Es ist ein schöner Satz, wirklich. Poetisch. Idealistisch. Ein Satz für Sonntagsreden und PowerPoint-Präsentationen in Brüssel. Aber vielleicht ist es genau das Problem: Europa träumt – und vergisst zu wachen. Es träumt von Einheit und bekommt Spaltung. Es träumt von Vielfalt und erlebt Parallelgesellschaften. Es träumt von Integration, aber praktiziert Assimilationsverzicht.

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Es träumt – und verliert. An Substanz. An Sicherheit. An Selbstbewusstsein.

Was bleibt? Ein Kontinent im Koma seiner eigenen Ideale. Und eine Bevölkerung, die sich fragt, wann aus offenen Grenzen offene Rechnungen wurden.

Zwischenruf: Europa, wach auf. Bevor du aus deinem Traum nicht mehr erwachst.

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