
Wenn einer aus der Tiefe des Gewerkschaftskellers, wo die Neonröhren brummen und das Linoleum die Tränen gescheiterter Tarifverhandlungen aufgesogen hat, aufsteigt in die verstaubte Ehrenloge der sozialdemokratischen Selbstgerechtigkeit, dann hat das schon etwas Erhabenes, beinahe Biblisches: Andi B., der Bürgermeister aus T., der Mann, dessen rhetorisches Arsenal irgendwo zwischen Volkshochschule und Fußballkantine changiert, hat sich erhoben wie ein rot eingefärbter Phoenix aus dem Aschenbecher der Partei. Man kann ihm das fast nicht übelnehmen. Fast. Denn wie so viele, die sich plötzlich als tragische Helden ihrer eigenen Netflix-Serie begreifen, fehlt auch ihm ein entscheidendes Korrektiv: die Erkenntnis der eigenen Begrenztheit. Wo andere zögern, zweifeln, korrigieren, marschiert er – angetrieben von einer Mischung aus Sendungsbewusstsein, verklärtem Klassenkampf und einem unterschätzten Hang zur Selbstüberschätzung – durch Talkshows und Parteitage, als wäre er der letzte aufrechte Sozialist in einer Welt aus neoliberalen Zuckerbäckerfiguren.
Die Inkompetenz der Selbstsicheren
Der Dunning-Kruger-Effekt – dieses herrlich zynische Geschenk aus der psychologischen Forschung, das besagt, dass gerade jene, die am wenigsten wissen, am lautesten verkünden, sie wüssten alles – scheint bei B. nicht nur wirksam zu sein, sondern seine Lieblingsstrategie. Seine Interviews klingen, als hätte man einen Fünftklässler mit einem Che-Guevara-T-Shirt in ein Uniseminar über politische Ökonomie gesetzt: viele große Worte, wenig Substanz, und stets das Gefühl, dass die eigentliche Pointe in einem Revolutionspamphlet aus den 70ern steht. Der Unterschied zwischen Idealismus und Naivität ist schmal, und B. tanzt diesen Drahtseilakt mit einer Selbstsicherheit, die nur jemand haben kann, der nie ernsthaft damit konfrontiert wurde, wie komplex die Welt tatsächlich ist. Seine Behauptung, Marx hätte heute TikTok – ein ungewollt brillanter Einblick in die historische Bildungslücke der Generation Realo-Sozialist – ist sinnbildlich für die intellektuelle Tapferkeit, mit der er gegen Windmühlen kämpft, die längst zu Windrädern mutiert sind.
B.ismus – Die Utopie der Dampfplauderer
Es ist ein Phänomen unserer Zeit, dass gerade jene, die sich als Gegenentwurf zum Establishment stilisieren, die gleiche hohle Rhetorik, das gleiche Selbstlob, die gleiche Rechthaberei kultivieren wie ihre Gegner. B. ist hier keine Ausnahme, sondern Paradebeispiel. Sein „B.ismus“, wie manche seiner Jünger es zärtlich nennen, ist weniger eine politische Richtung als eine performative Dauerempörung, eine Art moralischer Diarrhö, bei der jeder Halbsatz in ein Manifest gegossen wird. Ihm fehlt, was große Politiker einst auszeichnete: Ironie, Maß und die Fähigkeit, eigene Fehler nicht als Verrat, sondern als Chance zur Reflexion zu begreifen. Stattdessen serviert er uns eine dialektisch entkernte Version des Sozialismus, gewürzt mit billigem Pathos und einem verklärten Blick auf eine Arbeiterklasse, die längst E-Scooter fährt und Lieferando nutzt.
Mit dem Herz am linken Rand und dem Kopf in der Wolke
Und doch, bei aller Kritik, liegt in B. auch ein Stück Tragik. Er meint es ja gut. Und das macht es so viel schlimmer. Denn wer gutmeinend ist, aber schlecht informiert, richtet am meisten Schaden an. Die Sozialdemokratie, ohnehin in der Midlife-Crisis ihrer politischen Relevanz, hat mit B. eine Figur geschaffen, die aus den richtigen Gründen das Falsche tut. Sein Hang zu flachen Phrasen über „echte Arbeit“, seine kindliche Begeisterung für Klassenkampfparolen, sein trotziges Pochen auf Werte, die er selbst nicht differenziert durchdringt, all das macht ihn zur Gallionsfigur jener Linken, die lieber in der Vergangenheit schwelgt, als sich der unbequemen Gegenwart zu stellen.
Fazit: Die Tragikomödie eines Funktionärs
Am Ende bleibt B. eine emblematische Figur für eine Zeit, in der moralischer Rigorismus als Ersatz für intellektuelle Tiefe gilt. Er ist kein Scharlatan, kein bewusster Blender. Er ist einfach das, was passiert, wenn Überzeugung ohne Selbstreflexion auf öffentliche Bühne trifft. Der Dunning-Kruger-Effekt ist keine Krankheit – er ist ein Spiegel. Und in diesem Spiegel sehen wir nicht nur B., sondern auch uns: wie wir klatschen, wenn jemand laut ist, statt klug; wie wir Hoffnung verwechseln mit Kompetenz; wie wir vergessen, dass Politik kein Poetry Slam ist. Andi B. ist das traurige, manchmal amüsante, oft peinliche Symptom einer sozialdemokratischen Selbsttäuschung, die sich lieber in Wohlfühl-Rhetorik ergeht, als sich den Mühen der Ebene zu stellen. Und wenn der Applaus verklungen ist, wird selbst der treueste Genosse merken, dass Lautsein nicht dasselbe ist wie Recht haben.