Hört mal zu, ihr Jungen!

Eure Vorstellung von Coolness ist lächerlich. Eure Großmütter waren cooler, als ihr es jemals sein werdet. Aber das könnt ihr euch in eurer monochromen Welt der Algorithmus-optimierten Mittelmäßigkeit gar nicht vorstellen.

Coolness war früher nicht nur ein Filter

Eure Großmutter trug Miniröcke, so kurz, dass die katholische Kirche Schnappatmung bekam, hautenge Hosen, die sich wie eine zweite Haut um ihre Beine schlangen, und Stiefel, in denen sie jedem Anzugträger auf Augenhöhe begegnete, und keinen BH. Heute tragt ihr schlabbernde Jogginghosen mit Designerlogo und nennt es Mode. Eure Großmutter wäre lachend auf ihre Vespa gesprungen, um euch die Peinlichkeit eurer selbst gewählten Tristesse zu ersparen.

Spotify-Playlist gegen Vinyl-Sammlung? Bitte.

Ihr haltet euch für musikalisch versiert, weil ihr in euren kabellosen Kopfhörern eine Playlist mit 20 Millionen Songs habt. Eure Großmutter kaufte Platten, stand in verrauchten Plattenläden, debattierte über das beste Album von Led Zeppelin, hörte Janis Joplin nicht wegen eines TikTok-Soundschnipsels, sondern weil sie eine Revolution im Blut hatte. Und ihr? Ihr streamt algorithmisch zusammengestellte Songs, die ihr nach zehn Sekunden skippt.

Wo bleibt euer Wahnsinn?

Eure Großmutter fuhr einen Mini Cooper mit dem Gasfuß eines Formel-1-Piloten, preschte auf ihrer Vespa durch die Stadt, ohne Rücksicht auf Regeln oder rümpfende Blicke. Sie wusste, dass die coolste Art, sich fortzubewegen, nicht im Leasing-Modell mit Elektromotor kommt. Heute bestellt ihr euch ein Uber, weil der Weg zur U-Bahn „zu stressig“ ist. Eure Großmutter wäre entsetzt.

Ihr nennt das Feiern? Ernsthaft?

Eure Großmutter rauchte feine Zigaretten und drehte sich fette Joints, ohne Angst vor „Clean Eating“ und „Self-Care“-Mantras. Sie trank Whisky Shots, nicht Aperol Spritz. Sie kam um vier Uhr morgens nach Hause und ging trotzdem zur Arbeit. Und ihr? Ihr meidet Alkohol wegen „Kalorien“, raucht nur noch „CBD“, und wenn ihr einmal nach Mitternacht wach bleibt, postet ihr „Uff, ich bin zu alt für sowas“.

Eure Großmutter lebte, ihr verwaltet euch nur noch

Sie hatte Skandale. Sie hatte Geschichten. Sie liebte exzessiv, feierte ekstatisch, rebellierte mit Stil. Sie wusste, dass Leben mehr ist als Likes, Matcha-Lattes und Softlife-Philosophien.

Eure Großmutter war die Definition von Coolness. Und ihr? Ihr werdet es nie sein.

Man kann sich alles schönreden.

Wenn Abstürze Erfolge sind, ist Scheitern das neue Gewinnen

Es gibt Tage, da möchte man sich verwundert die Augen reiben, sich kneifen, sich noch einmal kneifen, um sicherzugehen, dass die Welt nicht vollends in die surreale Kulisse einer absichtlich schlechten Satire-Show abgedriftet ist. So ein Tag war der Sonntag, als die „Spectrum“-Rakete des Unternehmens Isar Aerospace – oder sollte man besser sagen: Isar Aerodesaster? – mit donnerndem Ehrgeiz startete, um nur wenige Sekunden später auf die unnachgiebige Realität des Bodens zurückgestürzt zu werden. Und während die Trümmerteile noch dampften und der gesunde Menschenverstand sich ins Exil verabschieden wollte, erklärte das Münchner Unternehmen allen Ernstes: Das war ein Erfolg.

Eine neue Definition von Triumph: Bodenständigkeit in der Raumfahrt

Ja, natürlich, in einer Welt, in der selbst ein Toastbrot als glutenfreie Innovation gefeiert wird, könnte man auch den Sturzflug einer Rakete als Meilenstein der Unabhängigkeit interpretieren. Immerhin hat das Unternehmen eines bewiesen: Man kann auch ohne Hilfe von außen, ganz ohne die NASA, ESA oder SpaceX, grandios scheitern. Europa macht sich also tatsächlich unabhängiger in der Raumfahrt – unabhängiger von erfolgreichen Starts.

Und überhaupt: Ist es nicht gerade die Bodenständigkeit, die man einer europäischen Rakete zutrauen sollte? Während amerikanische Raketen hoch hinaus wollen und chinesische sogar auf dem Mond spazieren gehen, bleibt der europäische Anspruch traditionell bescheiden: kurz durchstarten, dann zurück zur Erde – am besten direkt und ohne Umwege. Effizienz ist schließlich alles.

Die Kunst des positiven Framings: Vom Feuerball zur „heißen Entwicklung“

Aber halt! Vielleicht liegt ja hier das wahre Talent: das Framing. Denn wenn es eine Kunst gibt, die in der modernen PR-Arbeit zur Perfektion gebracht wurde, dann ist es das Schönreden. Ein simpler Satz wie „Das System hat eine kritische Fehlfunktion gezeigt und ist explodiert“ wäre zu einfach, zu direkt, zu nah an der Wirklichkeit. Viel besser klingt: „Unser Prototyp hat wertvolle Daten geliefert und einen Meilenstein erreicht.“ Oder: „Der Testflug hat viele wichtige Erkenntnisse gebracht.“ Und besonders schön: „Der erste Start markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit.“ Natürlich, warum sollte man nicht die misslungene Raketenmission als Befreiungsschlag feiern? Der Satellit kann sich ja jetzt auch ohne Rakete auf den Weg machen, irgendwie, zur Not mit dem Postversand.

Europa auf dem Weg zur Raumfahrtmacht: Ein optimistischer Trümmerhaufen

Und so sehen wir ein Europa, das sich ehrgeizig zur Raumfahrtmacht erklärt – mit Raketen, die den Boden nicht verlassen möchten. Ein mutiges Europa, das technologische Höchstleistungen anstrebt – mit Flugobjekten, die das Prinzip der Gravitation eindrucksvoll bestätigen. Ein zukunftsorientiertes Europa, das stolz die Vision einer neuen Unabhängigkeit verkündet – während die Trümmer noch aufgeräumt werden.

Ja, man kann sich wirklich alles schönreden. Manchmal reicht ein guter PR-Berater, ein Hauch von Optimismus und eine ordentliche Portion Chuzpe. Der nächste Raketenstart wird also zweifellos ein noch größerer Erfolg. Egal, was passiert.

NEIN Andi, das ist nicht mein Problem mit Dir.

Es ist ja eine beliebte Taktik derer, die sich ertappt fühlen: Schnell wird ein Narrativ gesponnen, in dem man sich selbst zum armen Opfer stilisiert. So auch hier. Arbeiterkind! Hochgekämpft! Gegen Widerstände durchgesetzt! Und jetzt haben die da oben ein Problem mit mir. Das klingt gut, das schafft Emotionen, das lässt das Publikum nicken. Nur leider, Andi, leider ist das nicht das Problem. Niemand stört sich daran, dass jemand aus einfachen Verhältnissen Verantwortung übernimmt. Im Gegenteil: Das wäre in einem gerechten und funktionierenden System sogar wünschenswert. Das eigentliche Problem ist, was Du mit dieser Verantwortung anstellst.

Die Kunst der Ablenkung – oder: Wie man ein Problem umschifft, indem man es falsch beschreibt

Es ist doch faszinierend: Wann immer berechtigte Kritik laut wird, wird nicht etwa darauf eingegangen. Nein, es wird ein Ablenkungsmanöver gestartet. Der Kritiker wird in eine Ecke gestellt, ihm werden Motive unterstellt, die er gar nicht hat. „Die haben ein Problem mit meiner Herkunft!“ ruft der, der sich unwohl fühlt, weil ihm jemand mit Fakten kommt. „Die gönnen mir den Erfolg nicht!“ heult der, der seine Macht nicht für das Wohl aller, sondern für das Wohl weniger einsetzt. Und so wird aus einem echten Problem – zum Beispiel Inkompetenz, politische Verantwortungslosigkeit oder moralische Fragwürdigkeit – ein völlig anderes, ein diffuses, ein emotional aufgeladenes. So etwas lässt sich besser verkaufen. So etwas kann man leichter gegen das Publikum wenden. Und plötzlich stehen nicht mehr die Fehltritte zur Debatte, sondern die vermeintlich bösen Motive der Kritiker.

Die Inszenierung des Unverstandenen – ein alter Trick der Macht

Es ist ein geschicktes Spiel, eines, das schon oft funktioniert hat. Wer sich als unverstanden, als gegen den Mainstream kämpfend, als „einer von euch“ inszeniert, der hat oft leichtes Spiel. Dabei ist es egal, wie absurd das ganze Konstrukt ist. Jemand, der längst Teil des Establishments ist, kann sich als Außenseiter präsentieren. Jemand, der längst über die Strippen bestimmt, kann so tun, als ob er dagegen kämpft. Und das Publikum? Das schluckt es, weil es bequem ist. Weil es so viel einfacher ist, an eine Mär vom missverstandenen Helden zu glauben als an die banale Wahrheit, dass auch ein Arbeiterkind zu einem skrupellosen Machtmenschen werden kann.

Verantwortung ist kein Schicksalsschlag

Aber Verantwortung, Andi, ist nichts, was einem widerfährt. Sie ist kein Zufall, kein unverdientes Schicksal, das über einen hereinbricht. Verantwortung ist eine Entscheidung. Verantwortung bedeutet, dass man für das, was man tut – und auch für das, was man unterlässt – gerade steht. Dass man nicht auf Mitleid setzt, wenn die Dinge schieflaufen. Dass man nicht Ablenkungsmanöver fährt, wenn Kritik kommt. Dass man sich nicht hinter der eigenen Biografie versteckt, wenn das eigene Handeln infrage gestellt wird. Verantwortung bedeutet, dass man aufhört, sich als Opfer zu inszenieren – und anfängt, ehrlich zu sein. Aber das, Andi, ist ja bekanntlich der schwerste Schritt von allen.

Steuermelken leicht gemacht

Es ist ein stets erfrischendes Vergnügen, wenn kluge Köpfe aus den heiligen Hallen der ökonomischen Weisheit mit neuerlichen Vorschlägen zur fiskalischen Gesundung der Republik ins Rampenlicht treten. Jüngst durfte sich der geneigte Zuhörer der „Pressestunde“ des ORF wieder einmal an der unerschütterlichen Logik erfreuen, mit der uns die wirtschaftliche Elite unseres Landes die Welt erklärt. Holger Bonin, IHS-Chef und somit ein Mann von unbestreitbarer Sachkenntnis, sprach dort aus, was sich so mancher in Regierungsverantwortung wohl nicht offen zu sagen traut: Die Staatsfinanzen sind zu sanieren, und zwar mit tatkräftiger Unterstützung von Ländern, Kommunen und – überraschenderweise – auch von privaten Haushalten.

Die Bösen haben Geld – das kann so nicht bleiben

Nun mag der naive Zeitgenosse an dieser Stelle verwundert die Stirn runzeln und sich fragen: „Moment mal, wer sind eigentlich diese privaten Haushalte?“ Eine berechtigte Frage, denn die Bezeichnung wirkt so abstrakt, so technisch-nüchtern, dass man glatt übersehen könnte, dass es sich dabei um nichts anderes als den gemeinen Bürger handelt – jenes Wesen also, das seine bescheidenen finanziellen Rücklagen in dunklen Zeiten eher für existenzielle Dinge wie Miete, Strom oder gar (höchst luxusverdächtig!) ein Schnitzel mit Erdäpfelsalat zur Seite legt.

Doch Halt! Dieser Tage vernehmen wir aus berufenem Munde, dass „die Menschen aktuell mehr Geld zur Verfügung haben“, während gleichzeitig die Wirtschaftsleistung geschrumpft sei. Ein Skandal! Ein unfassbares Missverhältnis! Menschen haben mehr Geld? Wie kann das sein? Wo bleibt hier der wirtschaftliche Anstand? Und, was noch schwerer wiegt: Warum ist das Geld nicht längst auf den Konten des Staates gelandet, wo es doch viel sinnvoller und effizienter eingesetzt werden könnte?

Die Milchkuh als Schicksalsmetapher – Ein Leben im Dauermelkvorgang

Wenn ein Politiker von „Geld, das die Menschen zur Verfügung haben“, spricht, dann ist dies etwa so, als würde ein Metzger „Rinder, die noch am Leben sind“, kommentieren. Es impliziert eine gewisse Unordnung, einen Missstand, den es zu korrigieren gilt. Denn dass der Bürger plötzlich mehr Geld besitzt, ist in der Logik staatlicher Finanzpolitik ungefähr so akzeptabel wie ein Torwart, der die falsche Mannschaft unterstützt. Ein grober Regelverstoß gegen das Gleichgewicht der Haushaltszahlen, der schleunigst geahndet werden muss.

Doch keine Sorge, die helfende Hand des Fiskus ist bereits erhoben, bereit, den Bürger von seinem unangebrachten Reichtum zu befreien. Und was wäre schließlich fairer als eine gerechte Umverteilung der Mittel – und zwar von unten nach oben, dorthin, wo kluge Ökonomen und umsichtige Politiker sich ihrer sinnvoll annehmen können? Es gilt, Lücken zu stopfen! Haushaltslöcher müssen geschlossen werden! Und das gelingt am besten, indem man Menschen zur Kasse bittet, die ohnehin kaum eine Wahl haben.

Die Krise als Chance – für den Staatshaushalt

Da sich also die Mär von der maroden Staatskasse erneut in den Vordergrund drängt, bleibt es nicht aus, dass altehrwürdige Strategien aus der Mottenkiste geholt werden. Und die bewährteste von allen ist natürlich jene, die beim Otto Normalverbraucher ansetzt: „Da wird man ranmüssen.“ So einfach, so klar, so alternativlos. Doch immerhin – und das ist ja fast schon lobenswert – sagt man es dieses Mal mit einer entwaffnenden Offenheit. Keine Phrasen, kein schöngerädeter Sozialstaat-Talk, sondern eine Art ungeschminkte Wahrhaftigkeit: „Geld her, jetzt!“

Dabei wäre doch noch eine ganz andere Möglichkeit denkbar gewesen. Man hätte vielleicht den Gedanken wagen können, die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung nicht als bloßes Defizit zu begreifen, das nun von unten ausgeglichen werden muss, sondern als Anreiz, dort einzuhaken, wo es strukturelle Versäumnisse gab. Vielleicht wäre es ja von Vorteil gewesen, über Anreize für Wirtschaftswachstum nachzudenken, statt reflexartig die Belastung der ohnehin schon stark gebeutelten Haushalte ins Spiel zu bringen. Vielleicht. Aber das wäre natürlich eine ganz andere Geschichte.

Fazit: Immer mehr nehmen, immer mehr geben – solange es nicht die Falschen trifft

Und so bleibt nur ein bitteres Fazit: Der österreichische Staat gleicht einem passionierten Jäger, der seine eigene Herde zähmt, füttert und schlachtet, stets in der Überzeugung, dass das Wild keinen anderen Zweck haben kann, als seiner Verwertung zu dienen. Der Bürger hat Geld? Dann hat er es wohl übersehen, abzuliefern. Und da wird man ranmüssen.

Also, liebe Leserinnen und Leser: Genießt euer verbleibendes Geld, solange es noch geht – und merkt euch eins: Immer wenn man euch einredet, ihr hättet mehr Geld zur Verfügung als zuvor, dann ist das keine freudige Nachricht, sondern eine Vorwarnung. Die Kassen sind offen, aber nicht für euch.

Jung, jünger, Vietnam

Ein Krieg ist immer eine Mahnung, ein mahnendes Bild von Verlust und Zerstörung, doch es gibt keinen Krieg, der in seiner Brutalität so tief in das Herz einer Nation schneidet wie der Vietnamkrieg. Und wer könnte das besser illustrieren als die schockierende, fast lyrische Zahl der Gefallenen? Über 58.000 US-Soldaten fielen in diesem Konflikt, und das Bild, das sich uns dabei aufdrängt, ist ein erschütterndes: eine Armee von jungen Männern, deren Leben gerade erst zu beginnen schien. Ihre Durchschnittsalter betrug nicht einmal das eines frisch gepressten College-Absolventen. Sie waren jung, verloren und, was noch schlimmer ist, sie starben jung – in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent, ohne wirklich zu wissen, was sie dort suchten. Und doch war es nicht der Krieg selbst, der den Großteil ihrer Zahl forderte, sondern vielmehr der gelebte Wahnsinn der kriegsführenden Nationen, deren Imperium auf den Schultern dieser Jünglinge ruhte. Wer von uns könnte sich nach einem Blick auf diese Alterspyramide nicht fragen: Wo liegt die Würde des Krieges, wenn er in solch blutiger Weise die Unschuld fordert?

Eine verwirrende Altersstruktur

Beginnen wir mit einer durch und durch entlarvenden Tatsache: Die Mehrheit der Gefallenen war jung. Und wie jung? Die große Mehrheit der Toten des Vietnamkriegs war zwischen 18 und 24 Jahren alt. Es ist fast schon eine absurde Ironie, dass gerade die Jahrgänge, die ihr Leben gerade erst begannen, am härtesten getroffen wurden. Wie viele der 58.000 hatten überhaupt die Gelegenheit, in den Genuß einer unbeschwerten Jugend zu kommen? Wie viele von ihnen hatten ihre ersten Zigaretten noch im Mundwinkel, als sie zum Militärdienst eingezogen wurden? Und wie viele von ihnen trugen in ihren Taschen mehr Träume als Ausrüstungen für das, was sie bald erleben würden?

Fast die Hälfte der Toten, 50%, gehörte der Altersgruppe der 18- bis 19-Jährigen an. Da staunt man nicht schlecht, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Gruppe mit ihrer gerade mal frisch abgeschlossenen Schulbildung und ihrer noch vor sich liegenden „Zukunft“ in den fernen Dschungel geschickt wurde, um die militärischen Ideale ihrer Nation zu verteidigen. In welchem Albtraum erstrahlte der amerikanische Traum, wenn er durch diese Kinderaugen hindurch gesehen wurde?

Krieg als Beruf: Die 20- bis 21-Jährigen

Doch die Tragödie dieses Krieges bleibt nicht auf die ganz jungen Rekruten beschränkt. Auch die 20- bis 21-Jährigen, etwa 30% der Gefallenen, gehörten noch jener Generation an, die den Krieg nicht mit Lebenserfahrung konfrontiert fand. Sie waren die gerade erwachsenen, mehr oder weniger reifen Jungen und Mädchen, die in eine Welt katapultiert wurden, die sie sich kaum hätten vorstellen können. Es war der Moment des Erwachsens, der mit einer Kapitulation der Kindheit verknüpft war. Von der Universität, dem Beginn der Karriere oder auch der ersten Liebe aus, fanden sich viele in einem Albtraum wieder, der an Märchen aus längst vergangenen Jahrhunderten erinnerte. Der Krieg wurde für sie zur einzigen „Berufserfahrung“, die sie je sammeln sollten.

Und doch gibt es hier auch eine finstere, aber keineswegs abwegige Erkenntnis: Der Vietnamkrieg war für viele von ihnen ein „Berufseinstieg“. Wie viele junge Amerikaner hatten in den späten 60er-Jahren die Möglichkeit, etwas anderes zu tun, als sich dem Militär zu verschreiben? Wie viele dieser jungen Erwachsenen waren nicht gerade auf der Suche nach einer Möglichkeit, aus dem Alltagsdruck des sich wandelnden Amerika zu entkommen? Der Krieg war für sie eine Art existenzielles „weiter, immer weiter“, ein Ventil für die Entfaltung ihrer Männlichkeit, das vielleicht nie wirklich hinterfragt wurde. Was bleibt von dieser Form von „Berufserfahrung“? Nur die schmutzigen Uniformen, das unendliche Echo von Schüssen und das lange Verweilen im Dunkel der Erinnerung.

Erfahrene Soldaten in einem unmenschlichen Spiel

Betrachtet man die Altersgruppen von 22 bis 24 Jahren, in denen noch rund 12% der Gefallenen ihren Dienst in einem Krieg fanden, wird ein weiteres, tiefzerrüttendes Bild sichtbar: Es handelt sich hier um Männer, die in der Regel schon etwas mehr Lebenserfahrung hatten. Sie waren keine frisch gepressten Teenager mehr, sondern hatten bereits den „Ernst des Lebens“ erfahren – entweder durch eine abgeschlossene Berufsausbildung, eine erste Familie oder auch durch den Militärdienst. Sie wurden als erfahrene Soldaten in einen Krieg geschickt, dessen Regeln sie nicht kannten. Ihr Wissen über das Leben war nicht die Art von „street-smart“ Taktik, die man im Krieg braucht, sondern das langsame Wissen um die schmerzliche Einsicht, dass der Mensch – trotz allem Überlebenswillen – ein schwaches Geschöpf ist. Auch diese Gruppe verlor mehr als nur ihre körperliche Unversehrtheit. Sie verloren die letzten Reste von Vertrauen in ein System, das sie als „verantwortungsvoll“ und „erfahren“ in den Kampf schickte.

Ein Tropfen Erfahrung, der im Kriegsmeer ertrinkt

Und dann gibt es die „alten“ Soldaten, jene, die schon über 25 Jahre alt waren – eine kaum nennenswerte Gruppe mit 8% der Gefallenen. Aber vielleicht sind gerade sie die bitterste Pille, die der Krieg zu schlucken hat. Denn sie waren die Berufsmilitärs, die Führungskräfte, diejenigen, die den blutigen Tanz der Massen organisierten und planten. Sie wurden in den Konflikt gesandt, um das Chaos zu lenken, ohne zu wissen, dass ihre Erfahrungen in einer anderen Welt nie in einem so monströsen Setting aufgehen würden. Ihr Tod steht symbolisch für das Scheitern eines Militärsystems, das glaubt, durch Erfahrung eine gewisse Immunität gegen das Absurde des Krieges zu besitzen. Doch auch die älteren Soldaten fielen – nicht weil sie nicht wussten, wie man kämpft, sondern weil sie nicht wussten, wie man in einem Krieg bleibt, der nicht mehr nach den Regeln des menschlichen Anstands spielte.

Eine Generation, zerstört durch den Krieg

Die Frage bleibt, was uns diese Altersstruktur der Gefallenen lehrt. Es ist der bittere Gedanke, dass der Vietnamkrieg eine ganze Generation von Jungen und Männern forderte, die nicht nur in ihrer Unschuld geschlachtet wurden, sondern die auch in einer absurden Mischung aus Ideologie, Patriotismus und der Tragödie des jugendlichen Übermuts in den Krieg geschickt wurden. Der Vietnamkrieg war der „Erwachsenwerdungsprozess“ einer Nation, die niemals reif genug war, den wahren Preis des Krieges zu zahlen. Die Zahl 58.000 ist nicht nur eine Zahl von Toten. Sie ist eine Erinnerung an all das, was eine Generation von jungen Amerikanern nie kennenlernen durfte. Und der Vietnamkrieg? Ein mahnendes Bild, das sich mit jeder Stunde weiter in die Geschichte eingräbt und uns sagt: „Vergesst nicht, was ihr tut. Vergesst nicht, wie jung diese Männer waren.“

Die Aktualität von Hannah Arendts Denken

Die politische Philosophie Hannah Arendts zählt zu den scharfsinnigsten Analysen der totalitären Strukturen des 20. Jahrhunderts und bleibt bis heute von ungebrochener Relevanz. Ihr Werk, das sich mit den Mechanismen des Totalitarismus ebenso befasst wie mit den Bedingungen für politische Freiheit, liefert nicht nur eine brillante Diagnostik vergangener autoritärer Regime, sondern auch eine bestechend klare Linse, durch die sich gegenwärtige politische Entwicklungen betrachten lassen. Besonders aufschlussreich ist ihre Analyse jener gesellschaftlichen Gruppen, die zur Trägerschaft des Faschismus und anderer autoritärer Bewegungen werden. Arendt widerspricht der gängigen Auffassung, dass der Mob lediglich das Lumpenproletariat oder soziale Unterschichten repräsentiere. Vielmehr beschreibt sie ihn als eine heterogene Formation der „Abgehängten aller Klassen“, als eine Allianz jener, die sich – unabhängig von ihrem ökonomischen oder sozialen Status – durch gesellschaftliche Marginalisierung, Ressentiments und Verachtung des bestehenden politischen Systems verbunden fühlen. Diese Charakterisierung des Mobs als amorphes, aber wirkmächtiges Gebilde politischer Frustration hat tiefgreifende Implikationen für das Verständnis rechter Massenbewegungen, damals wie heute.

Der Mob als politischer Akteur jenseits der Klassenzugehörigkeit

Traditionell wurden faschistische Bewegungen entweder als eine Manifestation des Kleinbürgertums gedeutet, das seine soziale Stellung bedroht sieht, oder als eine Revolte der unteren Schichten gegen die als abgehoben empfundene Elite. Arendt jedoch widerspricht dieser Vereinfachung. Sie argumentiert, dass die Zusammensetzung des Mobs nicht entlang klassischer ökonomischer Linien verläuft. Vielmehr vereint er Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, deren gemeinsamer Nenner nicht ihr materieller Status, sondern ihr Gefühl der politischen und kulturellen Entrechtung ist. Der arbeitslose Handwerker, der gescheiterte Intellektuelle, der verarmte Aristokrat, der kleinbürgerliche Angestellte ohne Aufstiegsperspektive – sie alle finden sich im Mob wieder, nicht als einheitliche soziale Klasse, sondern als kollektiv entwurzelte Individuen, die in einer Welt, die sie nicht mehr verstehen und die sie als feindlich empfinden, nach Halt suchen. Arendt beschreibt diese Gruppen als solche, die von der traditionellen Gesellschaft nicht mehr absorbiert werden können, die keine Rolle im bestehenden System mehr finden und sich daher nach radikalen Umbrüchen sehnen. Diese Sehnsucht nach Zerstörung, nach einer Neuordnung, in der sie eine Rolle spielen können, macht sie anfällig für die Verheißungen totalitärer Bewegungen.

Die Entwurzelung als Motor politischer Radikalisierung

Das zentrale Element, das diese disparate Gruppe eint, ist nicht eine spezifische soziale Benachteiligung im ökonomischen Sinne, sondern die Erfahrung der Entwurzelung – eine Erfahrung, die sowohl materielle als auch ideologische Dimensionen besitzt. Die Industrialisierung, die Urbanisierung und die sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen des 19. und 20. Jahrhunderts führten zu einer massiven Auflösung traditioneller sozialer Bindungen. Während einige Gruppen von diesem Wandel profitierten, hinterließ er andere als verlorene Existenzen, die in ihren alten Rollen keine Bedeutung mehr fanden und in den neuen Strukturen keine neue Heimat hatten. Es ist diese Entwurzelung, so Arendt, die den Mob in besonderem Maße anfällig für Ideologien macht, die einfache Erklärungen bieten und Feindbilder präsentieren. Der Mob sucht nicht nur nach ökonomischer Sicherheit, sondern vor allem nach einer neuen Sinngebung seiner Existenz, einer übergeordneten Ordnung, die ihm seine verlorene Stellung in der Gesellschaft wiedergibt – sei es durch Nation, Rasse oder eine andere Form kollektivistischer Identität.

Die Banalität des Bösen und die Verführbarkeit der Abgehängten

Arendts bekannteste These, die „Banalität des Bösen“, beschreibt die Fähigkeit scheinbar gewöhnlicher Menschen, sich in den Dienst monströser Systeme zu stellen, ohne dabei notwendigerweise ein bewusstes moralisches Kalkül zu entwickeln. Diese These ist eng mit ihrer Analyse des Mobs verbunden. Gerade weil sich der Mob nicht durch eine kohärente politische Ideologie auszeichnet, sondern durch Ressentiment, Enttäuschung und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, ist er besonders empfänglich für totalitäre Verheißungen. Die Menschen, die sich in autoritären Bewegungen zusammenfinden, handeln nicht aus einer genuinen Überzeugung heraus, sondern aus einer tiefen existenziellen Notwendigkeit nach Bedeutung. Sie werden von der Struktur der Bewegung aufgesogen, von der Dynamik der Masse mitgerissen und finden in der Partizipation an der Bewegung eine Ersatzidentität, die sie im normalen gesellschaftlichen Leben verloren haben.

Der Mob und die moderne Politik: Eine historische Konstante?

Arendts Analyse des Mobs ist nicht nur eine historische Reflexion über die Entstehung faschistischer Bewegungen im frühen 20. Jahrhundert, sondern auch eine Warnung für die Zukunft. Die Muster, die sie beschreibt, lassen sich in vielen modernen politischen Phänomenen wiedererkennen. Die populistischen Bewegungen des 21. Jahrhunderts, die sich gegen die „Eliten“ richten und eine radikale Umgestaltung des politischen Systems fordern, rekrutieren sich ebenfalls aus einer heterogenen Mischung von Enttäuschten, Abgehängten und Unzufriedenen aller gesellschaftlichen Schichten. Die Mechanismen der Entwurzelung, der Sinnsuche und der Sehnsucht nach einer einfachen, klaren Weltordnung sind heute so wirksam wie in den 1920er- und 1930er-Jahren.

Fazit: Die Herausforderung der Demokratie

Wenn Arendt uns eines lehrt, dann, dass die Demokratie sich nicht auf ihre formalen Institutionen verlassen kann, sondern stets die sozialen und politischen Bedingungen im Blick behalten muss, unter denen Menschen ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft empfinden. Die größte Gefahr für die Demokratie geht nicht von organisierten extremistischen Gruppen aus, sondern von jener diffusen Masse der „Abgehängten aller Klassen“, die sich politisch heimatlos fühlt und bereit ist, sich autoritären Bewegungen anzuschließen, wenn diese ihnen eine neue Identität und Bedeutung versprechen. Demokratie bedeutet nicht nur freie Wahlen und Rechtsstaatlichkeit, sondern auch die kontinuierliche Arbeit daran, gesellschaftliche Teilhabe für alle zu ermöglichen.

Die Herausforderung bleibt also bestehen: Wie kann eine offene Gesellschaft verhindern, dass sich immer wieder Gruppen bilden, die sich selbst als überflüssig empfinden und in ihrer existenziellen Unsicherheit bereit sind, den Verlockungen totalitärer Ideologien zu erliegen? Die Antworten darauf zu finden, ist eine der drängendsten Aufgaben der politischen Philosophie unserer Zeit.

Die Sicherheitsarchitektur der Angst

Es gibt Dinge, die sind so offensichtlich, dass man sie eigentlich gar nicht mehr aussprechen müsste, wäre da nicht das beharrliche Schweigen des offiziellen Narrativs, das jede Diskrepanz zwischen Ideologie und Realität mit der Eleganz eines antiken Redekünstlers in wohlgesetzte Euphemismen verpackt. Und so stehen in Österreich Synagogen unter Polizeischutz, während Moscheen es nicht müssen. Eine Banalität, ein bloßes Faktum, in Zahlen ausgedrückt: etwa 15.000 Juden, aber über 750.000 Muslime. Doch was sagen Zahlen schon aus in einer Gesellschaft, die sich unaufhörlich in der metaphysischen Selbstbefragung über Identität, Schuld und Fortschritt ergeht? Und vor allem: Warum ist das so?

Der asymmetrische Sicherheitsdiskurs: Wer schützt wen und warum?

Es gibt eine einfache Erklärung, die allerdings in der moralisch erhabenen Blase der gutgemeinten Gesellschaftsdialoge als „unangemessen verkürzt“ gelten würde: Synagogen werden bedroht, Moscheen nicht. Oder genauer: Die größte Gefahr für Juden in Österreich geht nicht von Repräsentanten der Mehrheitsgesellschaft aus, sondern von einer importierten Ideologie, die sich unter dem schönen Banner des Multikulturalismus unbemerkt eingeschlichen hat. Dies auszusprechen, ist jedoch in etwa so ratsam, wie einem versoffenen Wirt zu erklären, dass sein Bier nach Spülwasser schmeckt – es stößt auf wenig Gegenliebe.

Die Logik der Bedrohung ist asymmetrisch: Es gibt keine jüdischen Terroristen, die sich in europäischen Fußgängerzonen in die Luft sprengen. Keine Rabbiner, die fatale Bekenntnisse in schlecht übersetztem Arabisch raunen. Keine jüdischen Gemeinden, die schariarechtliche Paralleljustizen etablieren. Und doch ist es genau diese Asymmetrie, die im allgemeinen Diskurs nicht vorkommen darf. Die feinsinnigen politischen Deuter erklären uns stattdessen, dass Antisemitismus in Österreich ein „gesamtgesellschaftliches Problem“ sei, während die steigenden Sicherheitsmaßnahmen für Synagogen ein „bedauerlicher, aber notwendiger Schutz gegen Extremismus jeglicher Art“ darstellten. Jeglicher Art! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, während der örtliche Polizeibeamte vor dem jüdischen Gemeindezentrum einen kalten Kaffee schlürft und sich fragt, wie lange es dauert, bis seine Präsenz nicht mehr als provokative Machtdemonstration der übergriffigen Staatsgewalt, sondern als bloße Notwendigkeit anerkannt wird.

Der multikulturelle Balanceakt: Zwischen Opferstatus und Herrschaftsanspruch

Die Krux ist nun, dass sich die kulturelle Hegemonie des Diskurses nicht nach empirischer Evidenz, sondern nach ideologischen Modeerscheinungen richtet. So ist die Vorstellung, dass in Österreich Muslime strukturell benachteiligt würden, so tief in den politischen Reflexen verankert, dass jedes Gegenargument als Ketzerei gilt. Der Schutz von Synagogen wird in dieser Logik nicht als Ausdruck einer realen Bedrohung, sondern als Teil einer verschwörungstheoretischen Rhetorik des „rechten Lagers“ abgetan, das natürlich nur darauf wartet, jede Form islamischer Präsenz zu diffamieren.

Dabei ist die Situation viel einfacher und zugleich unendlich komplizierter: Der Islam in Österreich ist nicht monolithisch, sondern ein Patchwork aus nationalen, ethnischen und theologischen Fraktionen, die einander teils misstrauisch beäugen, teils offen bekämpfen. Und trotzdem eint sie eines: das Image des ewig Bedrohten, des strukturell Diskriminierten, des Marginalisierten. Es ist eine komfortable Position, die es ermöglicht, einerseits als Opfer aufzutreten und andererseits kulturelle Deutungshoheit zu beanspruchen.

Der blinde Fleck des Mainstreams: Warum keine Debatte stattfindet

Die Tatsache, dass Synagogen polizeilich bewacht werden müssen, ist also weniger eine Folge staatlicher Paranoia als vielmehr ein Indikator dafür, dass die real existierenden Spannungen nicht thematisiert werden dürfen. Wer wagt es, die Frage zu stellen, warum die jüdische Minderheit, die in Österreich kaum 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, als Sicherheitsrisiko betrachtet wird – nicht für andere, sondern für sich selbst? Und warum jene Gruppen, die sich als Opfer institutioneller Islamophobie stilisieren, in der Praxis nicht dasselbe Maß an Bedrohung erfahren?

Die Antwort ist unbequem, also wird sie nicht gegeben. Lieber verbleiben wir im Kokon der wohlmeinenden Ignoranz, in dem jede Form der Islamkritik als Hetze, jede Mahnung zur Vorsicht als Xenophobie und jede Sicherheitsmaßnahme für jüdische Einrichtungen als „traurige Notwendigkeit“ bezeichnet wird, ohne dass jemand die Frage stellt, warum diese Notwendigkeit eigentlich besteht.

Aber gut. Solange man noch ohne Polizeischutz einen Kaffee trinken kann, soll man es wohl einfach dabei belassen.

Zuschauer wie Du und Ich

Ein Spiegelbild des Volkes – oder etwa doch nicht?

Man stelle sich vor, es gäbe eine Institution, deren erklärtes Ziel es sei, das Publikum eines öffentlichen Rundfunksenders zu vertreten, dessen Meinungen und Interessen in die Gestaltung des Programms einfließen zu lassen und, mit einer demokratischen Grundhaltung bewaffnet, eine Art Brücke zwischen Medienbetrieb und Volk herzustellen. Welch noble Idee! Welch strahlende Vision! Eine direkte Mitsprache der Menschen, die schließlich den Rundfunk mit ihren Gebühren alimentieren, wäre ein geradezu revolutionärer Schritt in einer Medienlandschaft, in der Entscheidungen oft hinter verschlossenen Türen fallen. Doch wie so oft klafft zwischen Theorie und Praxis ein tiefer Graben, den selbst die ambitioniertesten Ingenieure der Demokratie nicht mit einer schnöden Hängebrücke zu überwinden vermögen.

Wer bestellt, bezahlt – und bestimmt

Um die Vertretung des Publikums zu gewährleisten, werden die Mitglieder des ORF-Publikumsrats nicht etwa von den Zuschauern selbst gewählt – nein, das wäre ja ein geradezu anarchistischer Gedanke, eine unkontrollierbare Volte in Richtung direkter Demokratie, die nur Unruhe stiften würde! Stattdessen dürfen jene entscheiden, die schon immer über den Medienkonsum des kleinen Mannes gewacht haben: Die honorigen Institutionen der Wirtschaft, der Religion, der Wissenschaft und – nicht zu vergessen – die politische Elite des Landes. Ein Gremium, das wahrlich nichts dem Zufall überlässt. Die Mitgliedschaft in diesem erlauchten Kreis verdankt sich nicht etwa Popularität, Fachkenntnis oder gar einem brennenden Interesse am ORF-Programm, sondern der Zugehörigkeit zu Organisationen, die das Wohl des Volkes stets über ihre Eigeninteressen stellen. Ironie? Nein, nein, das ist die pure Realität!

Die erlesene Auswahl der Volksvertreter

Man könnte sich fragen: Wer vertritt hier eigentlich wen? Hier eine kleine Auswahl der Institutionen, die jeweils ein Mitglied direkt entsenden:

  • Die Wirtschaftskammer Österreich – denn wer kennt den Geschmack und die Sorgen des Durchschnittszuschauers besser als jene, die für Firmeninteressen lobbyieren?
  • Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern – eine Institution, die zweifellos einen unbestechlichen Blick auf den urbanen Medienkonsum hat.
  • Die Bundesarbeitskammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund – was wäre eine mediale Volksvertretung ohne jene, die zwischen Betriebsversammlungen und Tarifverhandlungen ein feines Gespür für das ORF-Nachmittagsprogramm entwickeln?
  • Die Kammern der freien Berufe – denn wer, wenn nicht Notare, Ärzte und Anwälte, könnten das ungeschminkte Meinungsbild des durchschnittlichen TV-Konsumenten abbilden?
  • Die Römisch-katholische und die Evangelische Kirche – man munkelt, der direkte Draht nach oben erleichtere die Programmplanung ungemein.
  • Rechtsträger der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien – was in simpler Sprache bedeutet: Die Parteien schicken jeweils einen ihrer handverlesenen Meinungsführer, um die Unabhängigkeit des ORF mit zarter Hand zu lenken.
  • Die Akademie der Wissenschaften – denn ein Physiknobelpreisträger kann sicherlich mitreden, wenn es um die Sendezeiten von Volksmusik-Shows geht.

Und als Sahnehäubchen auf diesem Fest der gelebten Demokratie bestellt der Bundeskanzler dann noch 17 (!) Mitglieder höchstpersönlich. Ja, so fühlt sich echte Bürgernähe an!

Fazit: Ein Publikum, das sich selbst fremd ist

Es ist doch beruhigend zu wissen, dass die wahren Bedürfnisse der ORF-Zuseher von einer handverlesenen Elite vertreten werden, die sich zweifellos mit den Belangen des Durchschnittsbürgers bestens auskennt. Kritiker könnten einwenden, dass eine Wahl des Publikumsrats durch eben jene Zuschauer, die er repräsentieren soll, eine demokratischere Lösung wäre – doch das wäre naiv. Schließlich wissen die Menschen selbst oft nicht, was sie wollen, und bedürfen der weisen Führung jener, die sich von Berufs wegen mit Machtstrukturen auskennen.

So bleibt der Publikumsrat das, was er immer war: Eine Institution, die sich von der Basis des Volkes so weit entfernt befindet wie der ORF von einem mutigen, unabhängigen Journalismus. Aber das macht nichts. Hauptsache, die Gebühren werden pünktlich bezahlt!

Ein groteskes Loblied auf den ewigen Konflikt

Der moderne Krieg hat viele Vorteile. Man kann ihn als Konjunkturprogramm, als identitären Katalysator oder gar als eine Form evolutionärer Selektion betrachten. Natürlich nur aus der wohltemperierten Distanz klimatisierter Ministerbüros, wo Schreibtische groß, Stühle weich und Kriege vor allem eine Frage der Strategie sind. Also so, wie es der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl unlängst in seinem bahnbrechenden Plädoyer für einen unermüdlichen Fortbestand des Ukraine-Krieges dargelegt hat. Ein Krieg, so scheint es, ist dann am wertvollsten, wenn er niemals endet.

Die geostrategische Blütezeit der Moral

Der Gedanke ist bestechend einfach: Ein längerer Krieg schwächt Russland. Und was könnte erstrebenswerter sein als eine Nation, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg in Schüttelfrost taumelt, anstatt sich zu regenerieren und eines Tages möglicherweise als gefährlicher Akteur zurückzukehren? Dass die Ukraine dabei geopfert wird, ist im Grunde zweitrangig. Sie ist nicht das Ziel, sondern das Werkzeug.

Diese Auffassung sorgt nun für Empörung – allerdings nicht in deutschen Regierungskreisen, wo man sich gewohnt ist, mit betontem Ernst und leiser Stimme „harte Realitäten“ zu akzeptieren. Nein, es sind ausgerechnet die Ukrainer selbst, die plötzlich zur Erkenntnis gelangen, dass ein Krieg auf unbestimmte Zeit vielleicht doch keine optimale Zukunftsperspektive bietet. Eine unfassbare Naivität!

Die Überlegenheit der westlichen Langzeitstrategie

Man möge sich das einmal vorstellen: Ein schneller Frieden? Ein früher Waffenstillstand? Geradezu absurd! Es gibt doch noch so viele Rüstungsaufträge zu vergeben, so viele moralische Sonntagsreden zu halten, so viele Think-Tank-Analysen zu schreiben! Was sollte aus den medialen Heroisierungskampagnen werden, wenn der ewige Kampfplätze von heute zu den Ruinen von morgen werden?

Die Forderung der ukrainischen Opposition nach einem sofortigen Friedensabkommen erscheint in diesem Lichte geradezu als Sabotageakt am Fortschritt. Was ist schon ein einzelnes Land, wenn es um die viel größere Ordnung Europas geht? Eine Ordnung, die sich – natürlich rein zufällig – auch durch eine strategische Demontage von Konkurrenten definiert. Und wenn es dabei Menschenleben kostet? Nun, das sind doch nur Zahlen in Berichten. Die Weltgeschichte wurde nie von denen geschrieben, die sich vor Verlusten fürchteten.

Eine Welt ohne Krieg – eine trostlose Vision

Doch stellen wir uns für einen kurzen Moment das Schlimmste vor: Der Krieg endet früher als 2029. Was wäre dann? Womöglich eine Art von Frieden? Oder noch schlimmer: Diplomatie? Es wäre das Ende der klaren Fronten, des einfachen Gut-und-Böse-Narrativs, in dem sich westliche Staaten so wunderbar moralisch inszenieren können. Keine heroischen Reden mehr, keine milliardenschweren „Hilfspakete“, keine grenzenlose Empörung in Talkshows – was für eine Tristesse!

Und erst die wirtschaftlichen Folgen! Was sollten die rüstungsindustriellen Komplexe all jener Nationen tun, die sich auf ein langjähriges „Engagement“ eingestellt haben? Eine rückwirkende Rezession droht! Arbeitsplätze in Gefahr! Es ist ein altbekanntes Problem: Friede mag edel klingen, aber er ist einfach verdammt schlecht fürs Geschäft.

Fazit: Ein Krieg für die Ewigkeit

Während in der Ukraine Millionen Menschen versuchen, ihren Alltag zwischen Luftalarm und Inflation zu meistern, hat Europa längst seine Prioritäten gesetzt. Und Bruno Kahl hat sie in einem ungewollt ehrlichen Moment ausgesprochen. Der Krieg ist keine Tragödie, sondern ein nützliches Werkzeug – das lässt sich mit ein wenig zynischer Distanz und der nötigen Portion politischer Eiseskälte erkennen. Er ist nützlich für Strategie, für Wirtschaft, für die Selbstinszenierung.

Wäre es da nicht am besten, wenn er einfach weitergeht? Unendlich. Oder zumindest, bis die Karten neu gemischt sind. Bis zur nächsten Krise. Bis zum nächsten Großprojekt der Weltordnung.

Denn wer braucht schon Frieden, wenn man einen guten Krieg haben kann?

Die selbstverschuldete Ohnmacht der Eliten

Fake News und Desinformation funktioniert nur in Ländern, wo Politiker und Medien ihre eigene Glaubwürdigkeit verloren haben

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet jene, die sich als Fackelträger der Wahrheit und Wächter der Demokratie inszenieren, am eifrigsten an ihrem eigenen Glaubwürdigkeitsverlust arbeiten. Politiker und Medien – zwei einst ehrwürdige Säulen der öffentlichen Ordnung – taumeln mittlerweile durch den Sumpf der Selbstgerechtigkeit und Skandalisierung, unfähig zu erkennen, dass ihr erbärmlicher Zustand nicht das Werk finsterer Mächte ist, sondern das Ergebnis ihrer eigenen Hybris.

Da stehen sie also, die Meinungsmacher und Würdenträger, fassungslos vor dem Scherbenhaufen ihrer Autorität, während sich das gemeine Volk, müde von unzähligen Widersprüchen, Manipulationen und offensichtlichen Lügen, kopfschüttelnd abwendet. Die größte Tragödie dabei? Sie begreifen nicht einmal, dass ihr Problem hausgemacht ist. Denn Fake News gedeihen nicht im luftleeren Raum – sie wurzeln in der Desillusionierung der Massen, die ihren sogenannten Leitfiguren längst nicht mehr vertrauen.

Die Kunst der Inszenierung – oder: Wie man sich selbst entlarvt

Es beginnt mit der Sprache. Einst war sie ein Werkzeug zur Differenzierung und Klärung. Heute dient sie vor allem der Moralisierung und Manipulation. Ein Politiker, der sich erwischen lässt, hat nicht einfach einen Fehler gemacht – er hat „versagt“. Ein Journalist, der eine unbequeme Meinung äußert, ist nicht nur umstritten – er ist ein „Gefährder der Demokratie“. In dieser aufgeheizten Atmosphäre gibt es nur noch Gut und Böse, nur noch Schwarz und Weiß.

Und genau hier setzt das Problem an: Wer ständig „Wahrheit“ predigt, aber selektiv informiert, wer sich als moralische Instanz inszeniert, aber doppelte Standards anlegt, der verliert auf lange Sicht jegliche Glaubwürdigkeit. Fake News entstehen nicht, weil das Volk dumm ist. Fake News entstehen, weil das Volk intuitiv spürt, dass es von offizieller Seite belogen wird. Und wenn die Wahrheit erst einmal als manipulierbar entlarvt wurde, dann öffnen sich die Tore für jede noch so absurde Alternative.

Der Preis der Arroganz: Die Geburt der Alternativrealitäten

Jahrelang predigten die selbsternannten Eliten, dass sie wüssten, was für die Gesellschaft am besten sei. Die Wirtschaft müsse „wachsen“, Kriege müssten „notwendig“ geführt werden, Freiheitsrechte müssten „temporär“ eingeschränkt werden. Und jedes Mal, wenn sie widerlegt wurden – sei es durch wirtschaftliche Krisen, gescheiterte Militärinterventionen oder übergriffige Maßnahmen –, erwarteten sie doch allen Ernstes, dass man ihnen weiterhin vertraut. Aber Vertrauen ist eine fragile Währung, und es hat sich abgenutzt wie eine überstrapazierte Kreditkarte.

In dieser Atmosphäre gedeihen die „alternativen Fakten“ prächtig. Denn wer einmal erkennt, dass die offiziellen Narrative mindestens genauso verzerrt sind wie die wildesten Verschwörungstheorien, wird sich irgendwann fragen: Warum sollte ich den einen glauben und den anderen nicht? Hier beginnt der eigentliche Erosionsprozess der Wahrheit – ein Zerfall, der nicht durch dunkle Machenschaften fremder Mächte, sondern durch die unersättliche Selbstgefälligkeit der herrschenden Klasse befeuert wird.

Der verzweifelte Kampf um Deutungshoheit

Nun stehen sie also da, die Kommentatoren und Experten, ratlos und entsetzt. Sie schimpfen über den „Populismus“, klagen über die „Verrohung der Debattenkultur“, warnen vor „Desinformation“. Doch in Wirklichkeit beklagen sie nichts anderes als ihren eigenen Bedeutungsverlust. Die Bürger informieren sich längst auf anderen Wegen, die Glaubwürdigkeit klassischer Medien liegt am Boden, und Politik wird zunehmend als Schauspiel entlarvt.

Anstatt sich mit Selbstkritik zu befassen, setzen die vermeintlichen Wahrheitswächter auf Repression: Zensurgesetze, Faktenchecker-Orgien, moralische Brandmarkung Andersdenkender. Sie merken dabei nicht, dass sie den Niedergang ihrer eigenen Deutungshoheit nur noch beschleunigen. Denn wer das Recht auf eigene Meinungen, auf Skepsis, auf Zweifel unterdrückt, dem glaubt man erst recht nicht mehr.

Die bittere Pointe: Das Vertrauen ist weg – und es wird nicht zurückkommen

Die Wahrheit ist eine paradoxe Geliebte: Wer sie zu sehr umklammert, wer sich selbst zum Alleinherrscher über sie erklärt, der verliert sie. Politiker und Medien haben ihre Glaubwürdigkeit über Jahrzehnte hinweg selbst demontiert. Das kann kein Faktenchecker und kein Gesetz der Welt mehr reparieren. Die Menschen wissen längst, dass sie es mit Berufsrednern und Inszenierungskünstlern zu tun haben. Und wer einmal erkennt, dass die Realität nicht von oben diktiert, sondern durch eigene Wahrnehmung erschlossen wird, der wird sich nicht mehr so leicht für dumm verkaufen lassen.

Fake News gedeihen, weil die Wahrheit korrumpiert wurde. Und in einer Welt, in der die Eliten selbst den Grundstein für ihre Irrelevanz gelegt haben, bleibt nur eine Frage offen: Wer glaubt eigentlich noch, dass das Problem bei den Falschnachrichten liegt – und nicht bei denen, die sie möglich gemacht haben?

Schreibe etwas…

Das demokratische Paradoxon

oder wie man einen Elefanten im Raum unsichtbar macht

Es gibt Strategien, die sind so raffiniert, dass sie in ihrer Brillanz fast wieder dümmlich wirken. Die Methode, eine unliebsame Partei einfach zu ignorieren, auszugrenzen und in eine Art politisches Vakuum zu verbannen, ist eine davon. In der deutschen Demokratie des 21. Jahrhunderts hat sich genau dieses Verfahren als probates Mittel etabliert, um sich eines Problems zu entledigen, indem man es demonstrativ nicht sieht. Oder besser gesagt: indem man so tut, als wäre es ein unsichtbares Gespenst, ein kontaminiertes Element, dessen bloße Erwähnung bereits toxische Dämpfe freisetzen könnte.

Der Bundestag als Hochsicherheitstrakt der Moral

Man könnte fast meinen, der Bundestag sei ein Hochsicherheitstrakt der moralischen Reinheit geworden. Hier drinnen nur die „Guten“, dort draußen (oder zumindest in einer symbolischen Quarantäne) die „Bösen“. Dumm nur, dass 152 Abgeordnete der AfD einfach nicht kleinzukriegen sind, weil sie – und das ist die eigentliche Unverschämtheit – demokratisch gewählt wurden. Sie sitzen nun einmal da, mitten im Plenarsaal, von der rechten Seite aus bis tief in die Mitte hineinragend, eine unübersehbare Tatsache, die man jedoch mit aller Gewalt unsichtbar machen möchte.

Nun hat man sich allerlei Tricks ausgedacht, um das Problem zu lösen. Der erste und vielleicht eleganteste dieser Kniffe bestand darin, kurzerhand die Geschäftsordnung des Bundestags zu ändern. Früher war es Usus, dass der älteste Abgeordnete als Alterspräsident die erste Sitzung eröffnete. Das mag altmodisch sein, aber es hatte Tradition. Blöd nur, dass diese Regel dazu geführt hätte, dass 2017 Alexander Gauland diese Ehre zuteil geworden wäre. Also änderte man die Vorschrift, sodass nicht mehr der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete das Amt übernahm. Eine „Lex AfD“, könnte man sagen. So durfte statt Gauland Gregor Gysi von der Linkspartei ans Rednerpult treten, ein Mann, dessen rhetorische Schärfe unbestreitbar, aber dessen politisches Erbe mindestens diskussionswürdig ist.

Vizepräsident? Nein, danke!

Es gehört zum parlamentarischen Brauchtum, dass jede Fraktion einen Bundestagsvizepräsidenten stellt. Das klingt logisch, ist aber nur so lange praktikabel, wie alle Beteiligten genehm sind. Die AfD hat bislang konsequent keinen ihrer Kandidaten durchgebracht. Der neueste Fall: Gerold Otten, ein Mann, der dreimal an der Wand des Widerstands zerschellte, weil die anderen Fraktionen schlicht nicht für ihn stimmen wollten. Das ist einerseits legal, andererseits könnte man sich fragen, was das über die Demokratie aussagt, wenn eine Partei mit 152 Abgeordneten nicht einmal eine zeremonielle Funktion besetzen darf.

Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic erklärte dazu mit strengem Blick, dass die AfD mit ihrer Kritik an dieser Praxis „parlamentarische Prozesse diskreditiere“ und die „Würde des Hauses“ störe. Es ist eine bemerkenswerte Argumentation: Wer sich darüber beschwert, systematisch ausgeschlossen zu werden, gefährdet also die Demokratie? Das ist ungefähr so, als würde man einem Fußballteam, dem man alle Tore zunagelt, vorwerfen, es schade dem Spiel, weil es sich über die Ungerechtigkeit beschwert.

Demokratie – aber bitte nur mit den Richtigen

Die Strategie der demonstrativen Ausgrenzung könnte funktionieren, wenn sie nicht so sichtbar absurd wäre. Die AfD ist kein Virus, den man durch Nichtbeachtung austrocknen kann. Sie ist ein politisches Phänomen, das sich nicht in Luft auflöst, nur weil man so tut, als existiere es nicht. Im Gegenteil: Diese Form der taktischen Ignoranz wirkt vielmehr wie eine Bestätigung für ihre Anhänger, dass das System tatsächlich etwas gegen sie hat – ein Geschenk für jede Protestpartei.

Eine wehrhafte Demokratie zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie politische Gegner aus dem Parlament verbannt oder deren Existenz leugnet, sondern dadurch, dass sie sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzt. Die Strategie der Ausgrenzung mag bequem erscheinen, sie ist aber letztlich ein Armutszeugnis für eine parlamentarische Demokratie, die sich ihrer eigenen Stärke nicht mehr sicher zu sein scheint.

Der Elefant im Raum bleibt also weiterhin sichtbar. Und er wächst mit jeder Wahl weiter.

#FreeShlomo

Es ist ein klarer Fall, oder vielleicht auch nicht – zumindest, wenn man dem rotierenden Karussell der öffentlichen Meinung Glauben schenken darf. Der Fall des „rechten Streamers“ Aron P., alias Shlomo Finkelstein, spaltet die Gemüter wie ein schlecht geführtes Messer durch Butter. Denn eines ist sicher: Hier wird mehr geklärt als nur die Frage, ob man ihn nun als rechten Hetzer oder als Opfer politischer Verfolgung begreifen soll. Nein, hier geht es um das viel tiefer liegende Problem einer zunehmend politisierten Justiz, die sich offenbar nicht mehr nur mit der Anwendung von Recht und Ordnung begnügt, sondern längst zum Werkzeug politischer Agenda geworden ist. Willkommen in einer Welt, in der der Stempel „rechts“ als Freifahrtschein für extreme Maßnahmen fungiert, der Staat sich als moralischer Richter aufspielt und der Zuschauer darüber entscheiden muss, ob er nun mit dem oder gegen das System sympathisiert.

Der erste Akt: Die Festnahme – Dramatischer als ein Actionfilm, aber weniger unterhaltsam

Am 10. Dezember 2020 wurde der junge Aron P. also wegen Volksverhetzung, der Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole und des Anstößigen gegen Religionsgemeinschaften verurteilt. Und man fragt sich: Hat er diese „verruchten“ Taten wirklich begangen, oder sind wir es gewohnt, uns eine Schablone zurechtzulegen, mit der alles, was von der normativen Linie abweicht, in eine schiefe Ecke gestellt wird? Die Gerichtsentscheidung, ein Jahr Haft zur Bewährung, klingt fast schon wie der Versuch, eine politische Haltung durch ein Gerichtsverfahren zu manifestieren, die in einer Demokratie eigentlich keinen Platz haben sollte. Doch das ist nur der Anfang. Denn was danach kam, hat das Potenzial, eine neue Dimension der staatlichen Überwachung zu eröffnen.

Die Bilder von P.s Festnahme bleiben im Gedächtnis: Ein Spaziergang mit seinem kleinen Kind – was ein wunderbares Setting für einen Horrorfilm wäre. Über ein Dutzend, teilweise maskierte Polizisten, die den jungen Mann auf offener Straße in die Mangel nehmen, wie einen Schwerverbrecher. So lautete jedenfalls das Bild in P.s Schilderungen. Der entscheidende Moment ist dabei weniger die Festnahme an sich als die Tatsache, dass die Behörden darauf bestanden, in diesem Moment zu handeln, unter den Augen eines Kindes, ohne Rücksicht auf dessen psychische Belastung. Auch die Frage, warum die Behörden nicht auf subtilere Methoden zurückgriffen, drängt sich auf: Hätte man nicht in der Wohnung, im Büro oder zu einem anderen Zeitpunkt zugreifen können? Hier erweist sich der Fall nicht nur als rechtlich bedenklich, sondern auch als politisch motiviert – oder im besten Fall als übertriebene Symbolpolitik. Es ist ein Strafverfahren, das als Schauprozess inszeniert wird, ein Akt der Einschüchterung und der Demütigung.

Der zweite Akt: Die Haft – Wo Gesetze zu einer Waffe werden

Der Fall nimmt jedoch eine noch bizarresere Wendung, wenn es um den Haftstatus von P. geht. Hier schlägt das Pendel der Justiz noch weiter in die Richtung politischer Repression. Ein Antrag auf Halbstrafe, also die Möglichkeit, die Strafe nach der Hälfte der Haftzeit zur Bewährung auszusetzen, wurde von einer Richterin abgelehnt – nicht etwa aus Mangel an Kriterien oder aus Sicherheitsbedenken, sondern explizit aufgrund der politischen Ansichten von Aron P. Dies ist kein Vorfall, den man als bloße Anekdote abtun kann. In diesem Moment wurde deutlich, dass nicht mehr das Gesetz die Messlatte für die Urteile darstellt, sondern das politische Weltbild des Richters – oder, noch schlimmer, der Staat als politischer Akteur, der sich nicht nur in die Vergangenheit einmischt, sondern auch in die Ideologien seiner Bürger.

In einer demokratischen Gesellschaft sollte die politische Ausrichtung eines Angeklagten keinerlei Einfluss auf die Rechtsfindung haben. Doch die Richterin, deren Name hier nicht genannt werden muss, sprach in einer höchst fragwürdigen Entscheidung aus, dass P. aufgrund seiner politischen Einstellung keine Möglichkeit auf eine vorzeitige Haftentlassung habe. Es ist ein beunruhigendes Zeichen für die Unabhängigkeit der Justiz, wenn politische Zugehörigkeit über den Ermessensspielraum von Richterinnen und Richtern bestimmt.

Der dritte Akt: Die Konsequenzen einer ideologisierten Justiz

Die bitterste Ironie dieser Geschichte liegt darin, dass P. nie als Sicherheitsrisiko galt. Berichte seines Umfelds deuten darauf hin, dass er sich im Gefängnis absolut regelkonform verhielt und keinerlei Auffälligkeiten zeigte. Sogar die Haftleitung soll ihn als unauffällig und kooperativ eingeschätzt haben. Doch all das spielte keine Rolle. Der Mann, der sich bereit erklärte, an einem Deradikalisierungsprogramm teilzunehmen, der seine Strafe mit scheinbar aufrichtigem Bedauern absitzen wollte, wurde dennoch mit der Härte behandelt, die einem politischen Gegner vorbehalten ist. Die Frage stellt sich also: Was passiert hier eigentlich? Geht es um Gerechtigkeit? Oder geht es lediglich darum, einem politischen Gegner ein Exempel zu statuieren?

Ein solches Vorgehen hat weitreichende Konsequenzen für die Glaubwürdigkeit unseres Rechtssystems. Denn was passiert, wenn sich Bürger eines Staates fragen, ob sie vor Gericht nicht nach der Schwere ihrer Taten, sondern nach ihrer politischen Ausrichtung beurteilt werden? Was bleibt von der Vorstellung einer neutralen Justiz, die sich nur an den Fakten orientiert? Diese Fragen sind nicht nur theoretischer Natur, sondern betreffen die Grundfesten unserer demokratischen Werte.

Der epische Schlussakt: Ein System, das gegen seine eigenen Prinzipien kämpft

Die Frage bleibt: Wo endet dieser Fall? Und was wird aus den Idealen von Gerechtigkeit und Freiheit? Die Antwort ist sowohl bedrohlich als auch tragisch: In einer Welt, in der der Staat als Hüter der politischen Ordnung fungiert, droht eine Aushöhlung von Grundrechten und einer fairen Rechtsfindung. Denn hier geht es nicht nur um einen Mann, der in Haft sitzt, sondern um die Integrität des gesamten Systems.

Die Politik hat das Justizsystem längst in ihre Fänge genommen. Der Fall P. mag nur der erste Schritt sein, doch wenn er nicht mit einer breiten Diskussion über die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechte von Bürgern endet, könnte dies die Richtung vorgeben, die in den nächsten Jahren immer mehr Menschen betrifft. Und wer weiß? Vielleicht finden sich dann bald schon nicht nur die rechten Strömungen, sondern auch die gemäßigten, die sich zu „fehlerhaften Staatsbürgern“ stempeln lassen müssen, wenn ihre Meinung nicht den „richtigen“ Konsens widerspiegelt.

Die Frage bleibt: Was ist wichtiger? Ein Fall von politischer Verfolgung im Namen des Rechtsstaates oder die Aufrechterhaltung einer Gesellschaft, die sich durch Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit auszeichnet? Es ist ein Dilemma, das nicht nur Aron P. betrifft, sondern uns alle – und eines, das sich auf einer Ebene abspielt, die mehr ist als nur ein juristisches Theaterstück. Es geht um die Werte, die wir als Gesellschaft vertreten. Und die stehen heute auf dem Prüfstand.

Rüstungslobby und ihre kreativen Vorschläge zur Weltverbesserung

Normalerweise machen Hersteller Werbung für ihre Produkte. Sie preisen ihre Nützlichkeit an, ihre Qualität, ihre bahnbrechende Technologie. Manchmal wird sogar ein bisschen geflunkert – das Auto hält dann doch nicht ewig, das Handy ist in zwei Jahren ein langsamer Schrotthaufen, und die revolutionäre Diätpille führt eher zu revolutionärem Heißhunger. Doch Hersteller von Kriegsgeräten? Die machen keine Werbung. Die fordern. Sie begehren. Sie flehen quasi darum, dass ihre Innovationen endlich zur Anwendung kommen – mit dem kaum verhohlenen Unterton: „Macht doch endlich Krieg, verdammt noch mal!“

Und so fordert die Firma Helsing, die sich auf militärische KI-Technologie und Drohnensysteme spezialisiert hat, nichts Geringeres als einen „Drohnenwall“ an der NATO-Ostflanke. Eine Mauer aus fliegenden Robotern, eine Festung aus algorithmischer Wachsamkeit, ein Bollwerk gegen das drohende Unheil aus dem Osten. Natürlich – rein zufällig – ist Helsing bereits bestens darauf vorbereitet, diesen Bedarf zu decken. Wobei „Bedarf“ hier wohl eher ein rhetorischer Kniff als eine real existierende Notwendigkeit ist.

Die Logik der Aufrüstung: Vom Nutzen zum Zwang

Man kennt das Prinzip aus anderen Branchen: Der Energydrink-Hersteller informiert uns eindringlich darüber, dass ohne seine koffeinhaltigen Zuckerbomben die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung dramatisch sinken könnte. Der Brillenhersteller Fielmann argumentiert, dass Soldaten an der Front eine Zweitbrille brauchen – falls der erste Sehbehelf im Getümmel verloren geht. Und die Hersteller von kugelsicheren Westen werben nicht etwa mit Schutz, sondern mit der Frage: „Wollen Sie etwa sterben?“

Helsing geht da natürlich einen Schritt weiter. Es wird nicht mehr nur argumentiert, dass Drohnen nützlich seien. Nein, sie sind jetzt essenziell. Alternativlos. Wer nicht sofort zigtausend Einheiten ordert, handelt fahrlässig, setzt Europa einer untragbaren Gefahr aus, ist möglicherweise sogar ein Komplize des Gegners! Wir haben diesen Logik-Kreislauf bereits erlebt: Erst sind Waffen eine „Abschreckung“, dann eine „Sicherheitsmaßnahme“, dann eine „Präventionsstrategie“ – und schließlich eine „verantwortungsvolle Pflicht“. Am Ende liegt dann eine ganze Region in Schutt und Asche, und der Hersteller zieht Bilanz: „Das war ein erfolgreicher Monat!“

Von der Drohne zur Utopie: Ein Europa voller fliegender Maschinen

Doch träumen wir einmal mit den Herren und Damen von Helsing. Stellen wir uns ihr Europa vor, durchzogen von einem lückenlosen Netz aus Drohnen, die wie emsige Bienen den Himmel bevölkern. Immer auf der Hut, immer bereit. Sie erkennen Gefahren, bevor sie entstehen. Sie alarmieren die Bevölkerung, bevor die Bedrohung real wird. Sie greifen ein, bevor ein Gegner auch nur den Finger am Abzug hat. Sie patrouillieren über unseren Wäldern, Städten und Vorgärten, damit die Sicherheit nicht mehr von menschlichem Versagen abhängig ist. Und irgendwann? Irgendwann brauchen wir vielleicht gar keine Menschen mehr.

Denn warum noch Soldaten ausbilden, wenn es autonom ablaufende Kampfmechanismen gibt? Warum noch Grenzen durch Grenzposten sichern, wenn eine KI das effizienter erledigen kann? Warum noch politische Diskussionen führen, wenn die Algorithmen bereits errechnet haben, was am besten für uns alle ist?

Ein Europa, geschützt durch Helsing-Technologie – eine vollautomatisierte, gesicherte Zukunft, in der sich niemand mehr Sorgen machen muss. Klingt verlockend, oder?

Oder doch eher nach einer Dystopie, in der nicht nur die Freiheit, sondern auch der gesunde Menschenverstand still und heimlich zu Grabe getragen wird?

Der Markt entscheidet: Krieg als Wirtschaftszweig

Helsing ist nicht das Problem. Helsing ist die logische Konsequenz eines Systems, in dem Krieg nicht mehr eine Notwendigkeit ist, sondern ein Geschäftsmodell. Eine Industrie, die nicht aufhören kann, neue Bedrohungen zu erfinden, weil sie sonst selbst überflüssig wird. Ein Markt, der nicht nur Waffen verkauft, sondern auch die Narrative, die ihren Einsatz rechtfertigen. Eine Maschinerie, die sich selbst füttert – mit Ängsten, Feindbildern und der Hoffnung, dass der nächste Konflikt doch bitte nicht zu früh vorbei sein möge.

Und so fordert Helsing einen Drohnenwall. Morgen fordert ein anderer Hersteller etwas anderes. Und irgendwann fordern sie nicht mehr – sondern liefern einfach. Weil wir uns so sehr an ihre „Notwendigkeit“ gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr merken, wie tief wir bereits in ihrem perfiden Spiel stecken.

Denn eines ist sicher: Wer heute Drohnen bestellt, braucht morgen eine Rechtfertigung für ihren Einsatz. Und übermorgen eine neue Bedrohung, die noch mehr Drohnen erfordert. Willkommen im endlosen Kreislauf der Rüstungslogik. Möge der Beste gewinnen – oder besser gesagt: Möge derjenige mit der größten Produktionskapazität triumphieren.

Warum der deutsche Michel an allem schuld ist

Forscher der Technischen Universität Berlin haben eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Nach über drei Jahren akribischer Forschung, finanziert mit bescheidenen 660.000 Euro aus Steuergeldern, kommt die Studie zu einer revolutionären Erkenntnis: Die Schuld an der Clankriminalität trägt – Trommelwirbel – nicht etwa die Clans selbst, sondern die deutsche Gesellschaft! Ein Paukenschlag, der die Art, wie wir über Kriminalität, Verantwortung und die magische Macht der Sozialisation nachdenken, für immer verändern wird.

Kriminalität? Aber doch nur aus Versehen!

Man stelle sich das Drama vor: Junge Männer mit familiären Wurzeln in Palästina und dem Libanon, aufgewachsen in einem Land, das ihnen nichts als Möglichkeiten bietet, müssen – oh Schreck! – erleben, dass man sich in Deutschland an Gesetze halten soll. Der Schock sitzt tief. Denn die Mehrheitsgesellschaft, in ihrer abgrundtiefen Bosheit, hat es versäumt, diesen Männern eine reibungslose Integration auf dem goldenen Tablett zu servieren. Stattdessen überlässt man sie skrupellos dem Alltagstrott, der so gar nichts mit Schutzgelderpressung, Drogenhandel oder Juwelendiebstahl zu tun hat. Und dann wundert man sich, wenn sie aus purem Protest einen Tresor mit 100 Kilo Gold leeren!

Das methodische Meisterwerk: Interviews in der Shisha-Bar

Die bahnbrechenden Erkenntnisse dieser Studie beruhen auf zehn tiefgehenden Interviews von ein bis drei Stunden Länge. Das sind insgesamt stolze 30 Stunden intensiver Feldforschung! Ein beeindruckender Umfang, den man nur mit bahnbrechenden wissenschaftlichen Werken wie der Relativitätstheorie vergleichen kann. Die Interviews wurden – und jetzt halten Sie sich fest – in Shisha-Bars geführt. Welch idealer Ort, um die ungeschönte Wahrheit ans Tageslicht zu bringen! Vermutlich fand die Forschung in einer gemütlichen Rauchwolke aus Wassermelonen-Minze-Duft statt, während die Befragten mit ihrer Ehrlichkeit um die Wette qualmten.

Die Täter sind eigentlich Opfer – oder so ähnlich

Aus den Interviews geht klar hervor: Die „kriminellen“ Clanmitglieder sind gar nicht so kriminell, wie wir alle immer dachten. Vielmehr sind sie missverstandene Genies der alternativen Wirtschaftsförderung. Die Polizei? Nervig. Der Rechtsstaat? Ein Witz. Die Gesellschaft? Unfair. Und überhaupt, wenn jemand in einer Parallelwelt lebt, dann doch wohl der biedere Durchschnittsdeutsche mit seiner absurden Vorstellung von Recht und Ordnung!

Die Medien sind übrigens auch nicht unschuldig: Sie propagieren ein Zerrbild der „bösen Clans“, statt die wahre Geschichte zu erzählen – nämlich die von einer Gesellschaft, die diese Menschen mit fadenscheinigen Erwartungen wie „gesetzestreues Verhalten“ oder „Arbeiten gehen“ belastet. Skandalös!

Der Staat als Beihilfetäter?

Da stellt sich natürlich die Frage: Wenn nicht die Täter, sondern das System Schuld trägt – müsste dann nicht der Staat ebenfalls angeklagt werden? Schließlich hat er es versäumt, diesen talentierten jungen Männern lukrative Jobs in der Hochfinanz oder der Kunstszene zu vermitteln. Anstatt Millionenbeträge mit Banküberfällen zu erbeuten, hätten sie vielleicht als Investmentbanker Millionen in Cum-Ex-Geschäften verschieben können. Statt teure Uhren bei Juwelieren zu rauben, hätte man ihnen doch einfach welche schenken können!

Fazit: Es bleibt, wie es immer war

Wer nun erwartet, dass sich nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis die gesellschaftliche Debatte ändert, der irrt gewaltig. Der brave deutsche Michel wird weiterhin seine Steuern zahlen, während sich Forscher, Politiker und andere Wohlmeinende mit der Erklärung beschäftigen, warum Kriminalität nicht von Kriminellen ausgeht. Und währenddessen wird in Shisha-Bars weiter über die Absurdität der deutschen Gesellschaft gelacht – natürlich nur, wenn die Rauchwolken die Sicht nicht zu sehr beeinträchtigen.

Vergelt’s Gott, Frau Minister

In den ehrwürdigen Hallen des Bundeskanzleramts zu Wien, wo die Geschichte Österreichs in jedem Winkel flüstert und die Schatten vergangener Staatsmänner und -frauen über die polierten Marmorböden huschen, hat sich jüngst eine Szene abgespielt, die selbst den abgebrühtesten Beobachter der politischen Bühne zum Stirnrunzeln bringt. Bundesministerin Claudia Plakolm, frisch ernannt und voller Tatendrang, ließ es sich nicht nehmen, ihr neues Büro von Erzbischof Franz Lackner segnen zu lassen. Ein Akt, der in seiner Symbolik so reichhaltig ist wie ein barockes Gemälde, aber in seiner Botschaft ebenso zwiespältig wie ein schlecht komponiertes Menuett.​

Die heilige Allianz von Staat und Kirche

Man stelle sich vor: In einem säkularen Staat, der stolz auf seine Trennung von Kirche und Staat verweist, wird das Büro einer Regierungsvertreterin mit Weihwasser besprengt, als wäre es ein frisch getauftes Kind. Erzbischof Lackner, seines Zeichens Vorsitzender der Bischofskonferenz und somit oberster Hirte der katholischen Herde in Österreich, schwingt den Weihwedel über den Schreibtisch der Ministerin, während die Kabinettsmitarbeiter andächtig das Haupt senken. Ein Bild für die Götter – oder vielmehr für die Chronisten der politischen Satire.​

Ein schlechtes Vorbild für alle Andersgläubigen

Doch was sagt dieser Akt aus in einem Land, das sich der Integration verschrieben hat? Wie mag sich ein Bürger muslimischen, jüdischen oder konfessionslosen Glaubens fühlen, wenn er sieht, dass höchste Regierungsämter mit christlichen Ritualen eingeweiht werden? Ist dies das Signal einer offenen, pluralistischen Gesellschaft, die alle Religionen und Weltanschauungen gleich behandelt? Oder manifestiert sich hier eine subtile Botschaft, dass einige Glaubensrichtungen eben doch näher am Machtzentrum sind als andere?​

Die Themenverfehlung einer Integrationsministerin

Frau Plakolm, in ihrer Funktion auch zuständig für Integration, hätte hier die Chance gehabt, ein Zeichen der Neutralität und Offenheit zu setzen. Stattdessen wählt sie den Weg der konfessionellen Einseitigkeit und lässt ihr Büro im Beisein des Klerus segnen. Eine Themenverfehlung, die in ihrer Deutlichkeit kaum zu überbieten ist. Man könnte fast meinen, die Ministerin habe das Kapitel über die Trennung von Kirche und Staat in ihrem politischen Handbuch überblättert.​

Vergelt’s Gott, Frau Ministerin!

In Anbetracht dieser Geschehnisse bleibt dem staunenden Beobachter nur noch, der Ministerin ein herzliches „Vergelt’s Gott“ zuzurufen – nicht ohne eine gehörige Portion Ironie. Denn wenn die Grenzen zwischen Staat und Kirche derart fließend sind, könnte man fast meinen, wir befänden uns im Österreich des 19. Jahrhunderts, als der Klerus noch direkten Einfluss auf die Staatsgeschäfte hatte. Doch nein, wir schreiben das Jahr 2025, und solche Bilder sollten eigentlich der Vergangenheit angehören.​

Ein humorvoller Blick auf ernste Fragen

Natürlich könnte man all dies als harmlose Folklore abtun, als liebenswerten Anachronismus in einer sonst so nüchternen politischen Landschaft. Doch gerade in Zeiten, in denen Integration und Gleichbehandlung aller Bürger höchste Priorität haben sollten, wirken solche Aktionen wie ein Schritt zurück in vergangene Zeiten. Vielleicht sollte man der Ministerin beim nächsten Mal statt eines Erzbischofs einen interreligiösen Chor vorschlagen, der mit einem fröhlichen Lied die Vielfalt und Offenheit unseres Landes besingt. Das wäre dann wahrlich ein Segen für alle.

Ein Denkmal der deutschen Energiewende – aus Beton und Sturheit

So einfach weicht das ausgemusterte Hamburger Kohlekraftwerk nicht

Es war einmal ein Kraftwerk. Kein gewöhnliches, sondern ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst, ein Symbol für Effizienz und Leistungsfähigkeit. Das Kohlekraftwerk Moorburg, erst 2015 in Betrieb genommen, markierte mit einem Wirkungsgrad von 46,5 Prozent die Weltspitze der Steinkohlekraftwerke. Zwei Blöcke mit jeweils 800 Megawatt Leistung versorgten eine pulsierende Wirtschaftsregion mit kostengünstiger und verlässlicher Energie. Aber das reicht in diesen Zeiten nicht mehr. Effizienz und Funktionalität? Schnee von gestern. Ideologie ist gefragt, nicht Ingenieurskunst. So wurde der Koloss nach nicht einmal sechs Jahren Laufzeit aufs Abstellgleis geschoben, die Zukunft besiegelt von grünen Schreibtischkriegern mit Abschaltreflex.

Milliarden für den Schrottplatz

Die Zahlen sind absurd, aber so ist eben die Energiewende: 3,5 Milliarden Euro Baukosten, jahrzehntelange Planungen, Umweltauflagen, Genehmigungsverfahren – alles für ein Kraftwerk, das für mindestens 25 Jahre ausgelegt war. Doch bereits im Juli 2021 war Schluss. Die Bundesnetzagentur, unter grünem Einfluss stehend, winkte die Schließung durch, als gäbe es keinen wirtschaftlichen und energiepolitischen Schaden. Hamburg verlor eine seiner wichtigsten Strom- und Fernwärmequellen, der Hamburger Hafen, Airbus und die metallverarbeitende Industrie mussten sich anderweitig behelfen. Ein Ersatzplan? Fehlanzeige.

Aber immerhin bleibt die Symbolik: Hier ruht ein weiteres Denkmal der deutschen Energiewende, ein Mahnmal aus Stahl und Beton für blinden Eifer und wirtschaftliche Kurzsichtigkeit.

Nicht mal die Sprengung bekommen sie gebacken

Nun könnte man meinen, wenn ein Bauwerk schon zwangsgeschlossen und sinnlos entsorgt wird, könnte dies wenigstens mit einem würdevollen Finale geschehen. Eine finale Explosion, ein sauber inszenierter, präzise geplanter Abriss. Doch auch das misslang grandios. Am Sonntagvormittag sollte es so weit sein: Die beiden riesigen Kesselhäuser, Symbole der einstigen Energieautonomie Hamburgs, sollten mit jeweils 600 Kilogramm Sprengstoff in sich zusammenfallen. Doch nur eines folgte brav dem Plan, das andere widerstand stoisch. Die Sprengladungen zündeten – und nichts geschah.

Die Hamburger Energiewerke geben sich ratlos. Woran lag es? War der Beton zu widerstandsfähig? Die Bauweise zu robust? Oder einfach nur die Planung, typisch für die neue deutsche Gründlichkeit, mangelhaft? Es bleibt eine bittere Ironie: Ein Kraftwerk, das nicht hätte abgeschaltet werden sollen, wehrt sich selbst bei der Demontage gegen sein Schicksal. Vielleicht ein letztes Aufbäumen gegen die Absurdität der Verhältnisse.

Und was jetzt? Planlos ins energetische Vakuum

Mit der Abschaltung von Moorburg wurde nicht nur ein hocheffizientes Kraftwerk geopfert, sondern auch jede Form von Weitsicht. Ersatz gibt es nicht. Während die Stadt Hamburg über Notlösungen für die Fernwärmeversorgung brütet, springen teure Gas- und Ölkraftwerke ein, um die entstandene Lücke zu füllen – wenn sie denn genug Brennstoff bekommen. Die Preise steigen, die Versorgungssicherheit sinkt, aber Hauptsache, der politische Wille wurde exekutiert.

Und so bleibt am Ende eine Stadt, die sich selbst die Lichter ausknipst. Ein Wirtschaftsstandort, der sich mutwillig in eine Abwärtsspirale begibt. Ein Kraftwerk, das nicht einmal würdevoll zu Boden gehen durfte. Und eine Nation, die sich fragt, wie lange sie sich diesen Irrsinn noch leisten kann.