Bürokratie als Selbstzweck

oder was machen 33.000 Menschen eigentlich?

Es war einmal eine Idee, genannt Europäische Union, die den Bürgern Frieden, Wohlstand und Freiheit versprach. In den Köpfen einiger hochrangiger Politiker war es das schillernde Bild eines friedlichen Kontinents, vereint durch gemeinsame Werte und ein ambitioniertes Ziel: der unermüdliche Kampf gegen Kriege, Armut und Nationalismus. Doch irgendwo auf dem Weg dorthin, in den Fluren der Brüsseler Bürotürme, verschwand diese Vision im Dickicht einer Bürokratie, die sich zum Selbstzweck erhoben hat.

33.000 Menschen arbeiten für die EU-Kommission – eine Zahl, die auf den ersten Blick erschreckend unspektakulär daherkommt. Schließlich handelt es sich um die Verwaltung eines supranationalen Gebildes mit fast 450 Millionen Einwohnern. Aber lassen wir uns nicht täuschen: 33.000 Angestellte, die – wenn man den Berichten glauben darf – von früh bis spät in die glanzvollen Mühlen der europäischen Regulierungsmaschine eingespannt sind. Diese Zahl verdient es, genauer betrachtet zu werden. Sie ist wie ein Eisberg, von dem man nur die Spitze sieht, während sich darunter ein komplexes Geflecht aus Entscheidungsprozessen, Ausschüssen und – ja, natürlich – Arbeitskreisen verbirgt. Denn nichts liebt die Bürokratie mehr als den eigenen Apparat zu rechtfertigen.

Brüssel: Ein Eldorado für Schreibtischtäter und Regulierungsträume

Worüber reden wir hier? Die EU-Kommission, jene Exekutive der Europäischen Union, die offiziell „das Wohl Europas“ im Auge hat, ist faktisch ein Paradies für Schreibtischtäter. Ein Traumort für jene, die ihre Tage damit verbringen, festzulegen, wie krumm eine Banane sein darf oder welche genauen Vorschriften es für die Größe von Olivenölflaschen gibt, die in Restaurants serviert werden. Natürlich, das sind alte Geschichten, längst von der Realität überholt. Oder doch nicht?

Denn eines muss man verstehen: In Brüssel wird nichts wirklich erledigt, sondern alles erstmal diskutiert, geprüft, abgewogen, um dann – und das ist der eigentliche Kern der Sache – durch neue Regulierungen endgültig zu erledigen. Der typische EU-Kommissionsangestellte versteht es, Vorschläge zu machen, die dann von anderen Gremien aufgegriffen, in drei weiteren Ausschüssen erörtert und am Ende als „wegweisende Fortschritte“ verkauft werden. Es ist die Kunst, das Nichts in Papierform zu gießen und dafür noch Applaus zu ernten.

33.000 Angestellte: Die Erfindung des Arbeitskreises zur Lösung eines Problems, das nie existierte

Stellen Sie sich die EU-Kommission als eine Art Hydra vor: Jedes Mal, wenn ein Problem gelöst ist, wachsen zwei neue Probleme nach. So wird sichergestellt, dass es stets genug zu tun gibt. In der Theorie zumindest. In der Praxis läuft es eher darauf hinaus, dass die eigentliche Arbeit der Kommission darin besteht, Arbeitskreise zu gründen, die sich dann untereinander beraten, bis sich das Problem entweder von selbst erledigt hat oder durch eine neue Verordnung vollständig aus der Welt geschafft wird – zumindest auf dem Papier.

Es ist ein wenig wie das Märchen vom Kaiser und seinen neuen Kleidern: Jeder weiß, dass der Kaiser nackt ist, aber niemand traut sich, es auszusprechen. Wer in Brüssel arbeitet, hat längst verinnerlicht, dass seine Hauptaufgabe nicht darin besteht, Probleme zu lösen, sondern sie so zu verpacken, dass sie nach Lösungen aussehen. Dass dabei 33.000 Menschen beschäftigt sind, ist nicht nur eine Zahl – es ist ein Hinweis darauf, wie sehr die EU zu einem Selbstläufer geworden ist, einem gigantischen perpetuum mobile, das seine eigene Existenz immer wieder neu rechtfertigt.

Der Alltag in der EU-Kommission: Vom Kaffeekochen zur Weltrettung

Wie sieht der Alltag dieser 33.000 Menschen aus? Nun, im Grunde ganz einfach: Kaffeepausen, Sitzungen und eine Menge Papierkram. Wer einmal den Fehler macht, sich durch den Dschungel von EU-Dokumenten zu kämpfen, merkt schnell, dass sich vieles um die Frage dreht: Wie schaffen wir es, möglichst viele Menschen mit möglichst wenig Inhalt zu beschäftigen? Der durchschnittliche Kommissionsangestellte jongliert mit Worthülsen wie „Nachhaltigkeit“, „Chancengleichheit“ und – neuerdings besonders beliebt – „Wokeness“. Denn wer heute in der EU arbeitet, muss nicht nur die Gesetze im Auge behalten, sondern auch den Zeitgeist bedienen.

Und hier kommt die eigentliche Pikanterie ins Spiel: Die EU-Kommission ist nicht einfach eine Verwaltung – sie ist der Versuch, alles zu regulieren, was sich nicht wehren kann. Der Sinn des Lebens eines EU-Beamten besteht darin, Vorschriften zu erlassen, die so kompliziert sind, dass selbst die Mitgliedsstaaten nicht wissen, wie sie diese umsetzen sollen. Hauptsache, am Ende steht irgendwo das Wort „verbindlich“.

Wokeness: Ein Schelm, wer Arges dabei denkt

In den letzten Jahren hat sich die EU-Kommission noch eine weitere edle Aufgabe auf die Fahnen geschrieben: den Kampf für eine „woke“ Gesellschaft. Das klingt erstmal gut. Wer möchte nicht in einer gerechten, inklusiven und diversen Welt leben? Doch in Brüssel hat man es geschafft, diese an sich löbliche Idee in ein weiteres Bürokratiemonster zu verwandeln. Wokeness wird hier in Arbeitskreisen verhandelt, es werden Papiere geschrieben, in denen minutiös festgelegt wird, wie man eine gendergerechte Sprache in offiziellen EU-Dokumenten verwendet und warum es wichtig ist, dass bei jeder Konferenz mindestens 50 Prozent der Redner*innen weiblich sind – außer natürlich, es handelt sich um ein Thema, das Männer betrifft.

Dabei fällt eines auf: Während in der realen Welt Menschen vor echten Problemen stehen – Inflation, Wohnungsnot, Klimawandel –, widmet sich die EU-Kommission mit Vorliebe den ideologischen Modeerscheinungen. Es ist ein bisschen so, als hätte die Titanic den Eisberg schon gerammt und die Crew beschließt, erstmal eine Genderstudie zu erstellen, bevor die Rettungsboote ins Wasser gelassen werden.

Und nun? Eine Institution auf der Suche nach Relevanz

Man könnte die EU-Kommission also als einen dysfunktionalen Koloss beschreiben, der sich selbst so sehr liebt, dass er gar nicht mehr merkt, dass er den Kontakt zur Realität verloren hat. Aber das wäre zu einfach. Tatsächlich steckt hinter der EU-Kommission der verzweifelte Versuch, Relevanz zu erzeugen. In einer Welt, in der Nationalstaaten immer noch eine wichtige Rolle spielen, versucht Brüssel krampfhaft, eine Identität zu finden. 33.000 Menschen arbeiten daran, Europa irgendwie zu vereinen – oft mit zweifelhaften Mitteln, manchmal mit absurden Ergebnissen, aber immer mit dem festen Glauben, dass mehr Bürokratie am Ende die Antwort auf alle Fragen ist.

Vielleicht ist die EU-Kommission nicht die Lösung, die Europa braucht, aber sie ist definitiv die Bürokratie, die es verdient. In einer Zeit, in der die Welt um uns herum sich rasant verändert, bleibt Brüssel ein Fels in der Brandung – ein Fels, der so lange Sitzungen abhält, bis der Sturm vorbei ist.

Fazit: Europa, du Bürokratiemonster

Am Ende bleibt die Frage: Was machen 33.000 Menschen in der EU-Kommission wirklich? Nun, sie halten das System am Laufen, in dem sie es immer wieder neu erfinden. Und sie geben uns das gute Gefühl, dass irgendwo, weit weg in Brüssel, ein Arbeitskreis tagt, der sich um unsere Probleme kümmert. Oder zumindest um die Probleme, die er selbst geschaffen hat.

Und vielleicht ist das ja der eigentliche Witz: Solange wir glauben, dass die Bürokratie unsere Probleme löst, merken wir nicht, dass sie selbst das größte Problem geworden ist.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Offizielle Webseite der Europäischen Kommission
    https://ec.europa.eu
  2. Berichte über die Beschäftigungszahlen der EU-Kommission
    The EU Staff Union Report 2022
  3. Kritische Analysen zur Bürokratie der EU
    Legrand, J. (2019): „Bureaucracy and Democracy: The EU Paradox“
  4. Aktuelle Diskussionen zu Wokeness in der EU
    Wolff, R. (2021): „Wokeness and Policy-making in the European Union“

Zynismus in Tüten

Es gibt Momente im Leben, da möchte man die Welt einfach nur anzünden, sich zurücklehnen und zuschauen, wie sie in Flammen aufgeht. Diese Momente kommen besonders häufig, wenn Menschen aus den oberen Etagen der globalen Konzerne die Frechheit besitzen, uns ihr Weltbild zu erklären. Einer dieser Momente ereignete sich, als ein Vertreter von Nestlé sich erdreistete, die Essgewohnheiten der Menschheit auf drei Grundbedürfnisse zu reduzieren: Zucker, Salz und Fett. Aha! So einfach ist das also. Menschen kaufen Lebensmittel nicht etwa, weil sie Hunger haben, weil sie Genuss suchen oder weil sie überleben wollen. Nein, sie kaufen, weil sie – wie willenlose Lemminge – drei magischen Ingredienzien folgen: Zucker, Salz und Fett. Willkommen in der Welt der Corporate Logic, wo alles, aber auch wirklich alles, eine Frage der Chemie und Psychologie ist.

Nestlé, der Global Player, der uns mit teurem Wasser, gezuckerten Frühstücksflocken und anderen kulinarischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit versorgt, hat uns mal wieder den Spiegel vorgehalten. Aber dieser Spiegel ist verzerrt, und was wir darin sehen, ist das hässliche Gesicht des Kapitalismus, das uns grinsend durch die Supermarktregale entgegenlacht. Natürlich hat der Nestlé-Vertreter nicht ganz Unrecht – Zucker, Salz und Fett sind die Motoren der Lebensmittelindustrie. Aber was macht dieser dreiste Zynismus aus uns Konsumenten? Wollen wir wirklich nur chemisch getunte Geschmacksverstärker? Oder gibt es da noch so etwas wie Geschmack, Würde und das Streben nach einem halbwegs vernünftigen Lebensstil?

Nestlé – Der große Verführer

Die Strategie dieser Konzerne ist genial in ihrer Abgründigkeit: Sie bauen auf die tiefsten Instinkte des Menschen. Unser Körper liebt Zucker, weil er sofortige Energie liefert. Salz hält unseren Wasserhaushalt im Gleichgewicht. Fett ist ein hochkalorischer Energiespeicher, den wir seit Urzeiten schätzen. Das wusste auch Nestlé, als der Konzern begann, unsere Lebensmittel mit genau diesen Stoffen zu überschwemmen. Warum? Weil es schlichtweg funktioniert. Wir sind konditioniert auf Süßes, Salziges, Fettiges. Der perfekte Cocktail, um uns immer wieder zum Kaufen zu bewegen. Was spielt es da für eine Rolle, dass der Zucker Diabetes verursacht, das Salz den Blutdruck hochtreibt und das Fett uns in die Adipositas katapultiert? Für Nestlé sind das keine Probleme, sondern Geschäftschancen. Schließlich gibt es ja auch den Gesundheitssektor, den man bequem mit ins Boot holen kann. Die Zuckerkrankheit macht sich auch für die Pharmaindustrie bezahlt. So schließt sich der Kreis, und Nestlé gewinnt immer – egal ob wir uns am nächsten Müsliriegel verschlucken oder an unserer eigenen Blödheit.

Der Konsument als willfähriges Opfer?

Und hier kommt der große Vorwurf an uns Konsumenten ins Spiel. Es ist allzu leicht, die großen Konzerne als böse Drahtzieher zu verurteilen und sich selbst als unschuldiges Opfer darzustellen. Aber wie unschuldig sind wir wirklich? Niemand zwingt uns, die gezuckerten Getränke zu kaufen oder die salzigen Snacks in uns hineinzustopfen. Wir tun es freiwillig – weil es bequem ist, weil es schmeckt und weil wir es gewöhnt sind. Nestlé mag uns manipulieren, aber es bedarf eines gewissen Maßes an Kooperation unsererseits, damit diese Manipulation funktioniert. Und die leisten wir nur zu gerne. Wir greifen zur billigen Fertigpizza, weil wir keine Lust haben zu kochen. Wir trinken das Zuckerwasser, weil wir zu faul sind, uns an den Geschmack von reinem Wasser zu gewöhnen. Und wir tun so, als hätten wir keine Wahl, dabei leben wir in einer Welt, in der uns noch nie so viele Alternativen zur Verfügung standen.

Der Konsument ist nicht nur Opfer, er ist auch Täter. Wir sind es, die es Nestlé und Co. erlauben, mit Zucker, Salz und Fett den globalen Markt zu dominieren. Wir sind es, die den Riesen nicht in die Knie zwingen, sondern ihn auf unseren Schultern tragen. Und dabei wissen wir ganz genau, dass es besser geht. Es gibt bio, es gibt fair, es gibt regional. Aber diese Optionen kosten Zeit, Geld und manchmal auch das Gefühl, ein Teil des globalen Wohlstandsballetts zu sein. Das tut weh, und deshalb lassen wir es lieber bleiben.

Die zynische Logik des Erfolgs

Nestlé hat verstanden, dass es sich nicht lohnt, den Menschen zu viel zuzutrauen. Man gibt ihnen, was sie wollen – oder was sie glauben, dass sie es wollen – und freut sich, wenn die Kassen klingeln. Zucker, Salz, Fett – das ist das Rezept. Und der Trick besteht darin, diese drei Zutaten in möglichst vielen verschiedenen Formen zu verpacken. Ein kleiner Hauch von Exotik hier, ein bisschen „gesund“ da, und schon sieht das gleiche Zeug wie eine Innovation aus. Nestlé schafft es, sich als Retter in der Not zu verkaufen, indem es Produkte anbietet, die angeblich gesünder, umweltfreundlicher und ethisch vertretbarer sind – aber am Ende ist es nur der gleiche alte Cocktail. Der Verpackungsaufdruck „weniger Zucker“ ist nicht mehr als ein Marketingtrick, der uns die Illusion gibt, wir könnten guten Gewissens zuschlagen.

An der Wurzel des Übels: Der Konzernkapitalismus

Und genau hier muss man ansetzen. Es reicht nicht, sich über die Arroganz von Nestlé und Co. zu empören, man muss die gesamte Struktur hinterfragen. Konzerne wie Nestlé existieren nicht, um Menschen zu ernähren oder die Welt zu verbessern. Sie existieren, um Gewinn zu machen. Punkt. Und sie werden dabei immer den Weg des geringsten Widerstands gehen. Wenn der Weg zum Gewinn durch Zucker, Salz und Fett führt, dann wird eben mit diesen Zutaten gearbeitet. Wenn es morgen profitabler ist, vegane Bio-Produkte herzustellen, dann wird Nestlé genau das tun – nicht, weil der Konzern eine ethische Transformation durchläuft, sondern weil die Kalkulation eine andere wird.

Der zynische Kern dieses Systems liegt nicht in den Produkten, sondern in der Logik, die dahintersteht. Nestlé verkauft uns, was auch immer uns kauffreudig macht – egal ob es uns schadet oder nicht. Der Kapitalismus ist per se zynisch. Nestlé ist lediglich sein brillantester Vollstrecker.

Kann man den Teufel bekämpfen?

Es bleibt die Frage, was wir tun können. Reicht es, Nestlé zu boykottieren? Sollten wir uns alle zu ethischen Konsumenten wandeln, die nur noch handgepflückte Biokarotten kaufen? Oder liegt die Lösung darin, den Konzernkapitalismus an sich zu bekämpfen? Die Antwort ist unbequem: Der Konsument allein kann den Systemwandel nicht herbeiführen. Boykotte, individuelle Kaufentscheidungen und moralische Appelle sind nur Tropfen auf den heißen Stein. Natürlich sollten wir uns für bessere, nachhaltigere und fairere Produkte entscheiden, wann immer es möglich ist. Aber solange die Strukturen, die Nestlé und Co. am Leben halten, intakt sind, wird sich nur wenig ändern.

Was wirklich gebraucht wird, ist eine grundlegende Neuausrichtung der globalen Wirtschaft. Konzernmonopole müssen aufgebrochen, Regulierungen verschärft und alternative Wirtschaftssysteme gefördert werden. Ein Konzern, der die natürlichen Ressourcen der Welt ausbeutet, Menschenrechte missachtet und uns mit Zucker, Salz und Fett füttert, kann nicht durch Konsumethik allein bezwungen werden. Es braucht politischen und gesellschaftlichen Druck – und das auf globaler Ebene.

Quellenangabe und weiterführende Links

  1. Zucker, Salz und Fett – Die dunkle Seite der Lebensmittelindustrie. Michael Moss, 2013.
  2. Nestlé – Wasserprivatisierung und ethische Kontroversen. Verschiedene Artikel von NGOs wie Food & Water Watch und Public Citizen.
  3. Weniger Zucker – Mehr Marketing?. Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
  4. Corporate Zynismus in der Nahrungsmittelindustrie. Vortrag von Prof. Dr. Harald Welzer, 2019.

Weiterführende Links:

Eine kafkaeske Metamorphose

Eine kafkaeske Metamorphose oder: Wie ich meine moralische Unschuld verlor

Es war ein ganz gewöhnlicher Morgen, wie jeder andere. Das Rauschen des Wasserkochers, das knisternde Radio, das die immer gleichen Ökothemen wiederkäute. Plastikmeere, schmelzende Gletscher, Veggie-Day.

Und da war ich: treuer Anhänger der linksgrünen Orthodoxie, bestens vertraut mit den Tugenden moralischer Überlegenheit. Wie alle guten Menschen war ich fest davon überzeugt, dass mein Herz auf der richtigen Seite schlug. Doch irgendetwas war an diesem Tag anders. Vielleicht war es das Wetter, vielleicht der Kaffeeduft. Oder war es die innere Stimme, die sich durch die zahllosen Lagen meiner Ideologie bohrte wie ein hartnäckiger Bohrwurm? „Darf man das noch denken?“, fragte ich mich beim Anblick der Tageszeitung. Eine Frage, die bislang tabu war.

Und dann – es muss kurz vor dem zweiten Espresso gewesen sein – passierte es: Ich hielt inne und spürte, dass ich meine moralische Unschuld verloren hatte. Noch nie hatte ich mich so verdorben gefühlt, so abtrünnig. Ich, der einst die Regenbogenflagge hochhielt, empfand plötzlich einen unheimlichen Reiz am Gedanken, Dinge auszusprechen, die mich gestern noch in den digitalen Pranger der sozialen Netzwerke gebracht hätten. Ehe ich mich versah, war ich ein Nazi. So schnell ging das.

EIN GEDANKE ZU VIEL

Was war geschehen? Ich hatte mir erlaubt, nachzudenken. Nicht dass ich das in meiner früheren linksgrünen Existenz nicht getan hätte – doch dieser Gedanke war anders. Er war kein willfähriger Diener des moralischen Imperativs, sondern ein autonomes Ungetüm, das nach Freiheit schrie. Es ging um so etwas Banales wie Migration. Ein winziger Zweifel blitzte auf, kaum der Rede wert: „Ist es möglich, dass die derzeitige Politik in einigen Punkten unklug ist?“ Eine Frage, die im ersten Moment noch harmlos erschien, fast wie ein Scherz. Doch die Saat des Zweifels war gesät. Ich hätte diesen Gedanken im Keim ersticken sollen. Aber ich tat es nicht. Und das war mein Fehler.

Es dauerte nicht lange, bis die Folgen meines geistigen Verrats mich überwältigten. In den Augen meiner früheren Genossen war ich ein gefallener Engel, ein reaktionärer Ketzer, der es wagte, die heiligen Schriften des Fortschritts zu hinterfragen. Ich war von der Gnade abgefallen und plötzlich befand ich mich auf der dunklen Seite der Macht – nicht als ein verirrter Abweichler, sondern als etwas viel Schlimmeres: als Nazi.

Der Teufel trägt keine Springerstiefel

Das Schlimmste daran? Es fühlte sich erstaunlich gut an. Die Leichtigkeit, mit der ich meine eigene Heiligkeit über Bord warf, war beängstigend. Anstelle der üblichen Schuldgefühle – der Urnebel des linken Gewissens – durchströmte mich eine merkwürdige Art von Freiheit. Ich begann, Dinge zu sagen, die man nicht sagen durfte. Und es war wie ein Rausch.

Plötzlich waren die Dinge nicht mehr so eindeutig, nicht mehr schwarz und weiß, nicht mehr „wir gegen die Nazis“. Da war kein greller Gegensatz zwischen Gut und Böse mehr, keine moralische Kategorisierung der Menschen in Opfer und Täter. Stattdessen öffnete sich ein Raum voller Fragen, voller grauer Zonen und unangenehmer Ambivalenzen. Was bedeutete das alles? War ich wirklich ein Nazi, weil ich es wagte, den Kurs der Regierung in Frage zu stellen? Waren all die Menschen, die für die AfD stimmten, wirklich nur fremdenfeindliche Barbaren? Und wenn ja, wie konnte es sein, dass ihre Argumente gelegentlich einen Sinn ergaben?

Hier begann der eigentliche Verfall. Die Verlockungen des Bösen waren subtil. Es gab keine springerstiefeltragenden Schläger, die an meine Tür klopften und mich zwangen, „Heil Hitler“ zu rufen. Stattdessen kam die Dunkelheit in Form leiser Zweifel und harmloser Fragen. Die Gefahr, so erkannte ich, lag nicht im offenen Hass, sondern im allmählichen Verfall des Denkens.

Die Läuterung: Aus der Gosse der Gedanken zurück ins Licht

Nach einigen Wochen des gedanklichen Exils kam der große Zusammenbruch. Es passierte auf einer Party, wo ich in einem unbeobachteten Moment mit einem Glas Rotwein in der Hand plötzlich bekannte, dass ich die AfD nicht mehr für das Böse in Person hielt. Ich weiß bis heute nicht, wie es dazu kam – vielleicht war es das billige Discounter-Weinchen oder einfach die schiere Verzweiflung über die allgegenwärtige Selbstgerechtigkeit meiner Bekannten. Ein Raunen ging durch den Raum, Gläser fielen zu Boden. Ich hatte es ausgesprochen: eine Blasphemie! Mein sozialer Suizid war in dem Moment besiegelt.

Nach dieser Nacht gab es kein Zurück mehr. Meine linksgrüne Familie warf mich aus dem Paradies der moralischen Integrität hinaus, und die Türen schlugen mit einem verurteilenden Knall zu. Ich stand nun draußen in der Kälte, umgeben von Menschen, die mir gestern noch verhasst gewesen wären, heute aber irgendwie… menschlich wirkten. Die vermeintlichen Ungeheuer der politischen Rechten entpuppten sich als nichts weiter als verunsicherte Bürger, die ähnliche Ängste und Hoffnungen hatten wie ich – allerdings ohne die rot-grüne Ideologiebrille.

Das Erwachen: Die seltsame Erleichterung, das Böse gewählt zu haben

Irgendwann stellte ich fest, dass ich nun tun konnte, was ich immer vermieden hatte: Die „bösen“ Argumente unvoreingenommen anhören. Natürlich war nicht alles gut. Es gab die Abgründe, die harten Kanten, die widerlichen Figuren, die mit erhobenem Arm durchs Internet marschierten. Aber da war auch etwas anderes: eine Diskussion, die ich in meinem linksgrünen Mikrokosmos nie geführt hatte. Eine Diskussion über Freiheit, über Staat, über Identität und Zugehörigkeit.

Am Ende, nach einem langen Prozess der inneren Verhandlung, fand ich mich bei der Wahlkabine wieder. Und, ja, ich tat es. Ich wählte AfD. Der Schock fuhr mir durch die Glieder. Die Welt wankte. Doch zugleich durchströmte mich eine seltsame Erleichterung. Nicht, weil ich plötzlich die Partei inbrünstig unterstützte, sondern weil ich die Freiheit zurückgewonnen hatte, wählen zu können, ohne moralische Selbstkasteiung.

Die Rückkehr ins Leben: Ein neuer Weg durch die politische Wildnis

Nun stehe ich hier, außerhalb der Filterblase, ohne moralische Krücken und ideologische Fahnen. Die Welt sieht anders aus. Nicht besser, nicht schlechter – nur komplizierter. Der Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen „uns“ und „den Nazis“, hat sich in seiner Simplizität aufgelöst. Vielleicht war es naiv zu glauben, dass die Realität so leicht in Schubladen zu packen ist. Heute weiß ich, dass sie das nicht ist. Und doch, was bleibt, ist die Erkenntnis, dass ich kein Nazi bin. Vielleicht ist das die größte Erkenntnis von allen: Man kann anders denken, ohne das Böse zu verkörpern. Man kann zweifeln, ohne zu fallen.

Aber die Frage bleibt: Wie konnte es soweit kommen? Die Antwort ist einfach. In einer Welt, in der die politische Korrektheit als absolute Wahrheit gilt, ist der freie Gedanke der größte Feind. Doch was bleibt, wenn das Denken verboten wird?

Quellenangaben, Verweise und weiterführende Links:

  1. George Orwell, 1984 – Ein Klassiker der totalitären Systeme, der aufzeigt, wie Gedanken kontrolliert werden können.
  2. Jonathan Haidt, The Righteous Mind – Warum gute Menschen durch Politik und Religion entzweit werden. Ein tiefgehender Einblick in die moralische Psychologie.
  3. Douglas Murray, The Madness of Crowds – Gender, Rasse und Identität. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem modernen Diskurs.
  4. Der Spiegel: „Das Framing-Dilemma der Linken“ – Ein Artikel über die Strategien und Fehler der politischen Linken im Umgang mit Kritik.

Ein safespace für alle? Oder nur für die richtigen?

Wie man am besten alle ausgrenzt, während man vorgibt, niemanden auszugrenzen

Im Zeitalter der „Wokeness“ lebt es sich bequem – zumindest für diejenigen, die sich geschickt auf dem schmalen Grat zwischen überbordender Empfindlichkeit und moralischer Überlegenheit bewegen können. „Wir wollen niemanden ausgrenzen“, tönt es von allen Seiten, während die Stimmen derjenigen, die sich nicht in den rigiden Denkstrukturen dieser neuen Ordnung fügen, leise im Nichts verhallen. Man wünscht sich, alle könnten mitreden, alle dürften dabei sein – vorausgesetzt, sie teilen die richtige Meinung, haben die richtige Herkunft und verhalten sich stets konform mit den nebulösen Regeln, die täglich neu definiert werden. Ach, was für ein freies und offenes Paradies!

Die „Safespace-Kultur“ beansprucht, einen Raum für alle zu schaffen, der frei von Diskriminierung und Ausgrenzung ist. Doch was sich in der Theorie wie eine rührende Utopie anhört, ist in der Praxis ein elitärer Club, der durch ein Labyrinth aus Identitätspolitik und Sprachcodes führt. Ein Paradies, das den Schutz der Schwachen verspricht, in dem aber in Wahrheit keiner mehr frei sprechen kann – aus Angst, das nächste Opfer des moralischen Mobs zu werden.

Safespaces: Heile Welt oder dunkler Kerker?

Die Verfechter der Safespace-Bewegung scheinen eine tiefe Abneigung gegenüber der Realität zu hegen. Wer eine Meinung äußert, die auch nur ansatzweise vom „richtigen“ Weg abweicht, wird schnell als Bedrohung angesehen. In diesen heiligen Räumen wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, und wehe dem, der sich in einem unbedachten Moment erlaubt, auch nur eine Nuance von Ironie oder Sarkasmus einzuflechten. Humor ist in diesen Zonen verboten – zumindest jeder, der nicht von den selbsternannten Hütern der moralischen Reinheit abgesegnet wurde.

Man mag sich fragen: Wollen diese Safespaces tatsächlich niemanden ausgrenzen? Oder haben sie nicht vielmehr die Funktion eines immer enger werdenden Gedankengefängnisses? Ein Ort, der nicht etwa die Freiheit und den Austausch von Ideen fördert, sondern jede Form von Unbequemlichkeit im Keim erstickt. Ein Ort, an dem der Schutz vor den rauen Realitäten des Lebens so weit geht, dass man letztlich von der Wirklichkeit selbst abgeschnitten wird.

In diesem perfekt sterilisierten Raum wird kein einziges kritisches Wort geduldet, keine abweichende Meinung zugelassen. Die Verfechter der Safespace-Kultur sind schnell dabei, diejenigen, die sich nicht anpassen, auszugrenzen. Ironischerweise sind es gerade diese Räume, die von Inklusion predigen, die sich in die exklusivsten Orte der Ausgrenzung verwandeln.

Der große Missbrauch des Begriffs „Inklusion“

Wir leben in einer Welt, die scheinbar von der Sehnsucht nach „Inklusion“ durchdrungen ist. Doch was bedeutet dieses noble Ziel wirklich? In der modernen Safespace-Kultur hat Inklusion eine völlig neue Bedeutung angenommen. Es geht längst nicht mehr darum, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, Erfahrungen oder Hintergründen einzubinden. Es geht darum, sich gegenseitig in einem kollektiven Selbstbetrug zu bestätigen, dass die Welt in Schwarz-Weiß-Kategorien unterteilt werden kann: Die „Woken“ auf der einen Seite, die „Ignoranten“ auf der anderen.

Inklusion wird zum Schlagwort einer Gesellschaft, die immer rigider wird in ihrer Definition dessen, was erlaubt und was verboten ist. Unter dem Deckmantel der Inklusion wird der Ausschluss andersdenkender Menschen fast beiläufig zur Tugend erhoben. Denn nur wer die „richtigen“ Ansichten vertritt, verdient es, in den safespaces zu verweilen – der Rest darf draußen bleiben. Die paradoxe Botschaft lautet: „Wir schließen niemanden aus, außer diejenigen, die wir ausgrenzen müssen, um niemanden auszugrenzen.“

Das Dilemma der geforderten Empfindlichkeit

Mit zunehmender Empfindlichkeit wächst die Macht der Opferrolle. In der Welt der Wokeness ist der höchste gesellschaftliche Rang nicht etwa der des klugen Denkers oder des brillanten Schöpfers, sondern der des leidenden Opfers. Das Opfersein verleiht Autorität und gibt der Person das moralische Recht, über andere zu urteilen – und das mit einer Schärfe, die an die düstersten Kapitel der inquisitorischen Vergangenheit erinnert. Aber machen wir uns nichts vor: Diese Opferrolle ist nicht jedem zugänglich. Sie ist das exklusive Privileg einer ausgewählten Gruppe, die über das Recht verfügt, sich als Opfer der historischen Ungerechtigkeit zu inszenieren.

Wer in diesen Safespaces die Anerkennung der Gemeinschaft gewinnen will, muss stets ein Bewusstsein dafür haben, ob und wie er den Schmerz anderer minimieren kann. Der kleinste Fehltritt wird mit sozialer Ächtung geahndet. Ein unachtsames Wort, eine unüberlegte Geste – und schon steht man am Pranger, während die Moralhüter in den Social-Media-Galerien Applaus spenden.

Selbstzensur als neue Freiheit

Die Safespace-Bewegung, die vorgibt, den öffentlichen Raum für alle sicherer zu machen, hat eine Kultur der Selbstzensur hervorgebracht. Was man sagt, wie man es sagt und ob man es überhaupt wagt, etwas zu sagen, ist zu einer Frage des Überlebens geworden. Die Freiheit, offen und ehrlich zu sprechen, wird eingeschränkt von der Angst, in den Untiefen der „Cancel Culture“ zu versinken. Es ist eine Ironie, die selbst Orwell überfordert hätte: Man schützt die eigene „Freiheit“, indem man alle kritischen Gedanken aus dem eigenen Kopf verbannt.

Und so entsteht eine Welt, in der Freiheit nicht mehr bedeutet, seine Meinung äußern zu können, sondern vielmehr darin besteht, die eigene Zunge zu hüten. Denn wer möchte schon riskieren, in die Rolle des Bösewichts gedrängt zu werden, nur weil er es wagte, gegen die neue Orthodoxie zu sprechen? Die „Freiheit“, in einem Safespace zu sein, ist in Wahrheit die Freiheit, das Richtige zu denken – und das Falsche zu fürchten.

Das Ende der Vielfalt – Eine Welt der Monotonie

Letztlich führt die Safespace-Kultur nicht zu einer inklusiveren, sondern zu einer gleichgeschalteten Gesellschaft. Die Vielfalt der Meinungen, die Freiheit der Rede, die Fähigkeit, sich kritisch auseinanderzusetzen – all das wird geopfert auf dem Altar der Wokeness. Der Safespace mutiert zum Monospace, in dem nur eine Denkweise, nur eine Wahrheit und nur eine Moral zulässig sind.

Was bleibt, ist eine sterile Welt, in der jeder Versuch, die Dinge anders zu sehen, im Keim erstickt wird. Eine Welt, in der das, was einst als pluralistische Gesellschaft gefeiert wurde, in eine starre Diktatur der Empfindlichkeit verwandelt wurde.

Wer hätte gedacht, dass die größte Bedrohung für die Freiheit der Zukunft nicht von tyrannischen Regimen oder autoritären Herrschern ausgeht, sondern von denen, die sich am lautesten für „Inklusion“ und „Toleranz“ einsetzen?


Quellenangabe und weiterführende Links:

  • George Orwell: „1984“ – Eine zeitlose Analyse totalitärer Denkmuster, die erschreckende Parallelen zur Safespace-Kultur aufzeigt.
  • Jonathan Haidt & Greg Lukianoff: „The Coddling of the American Mind“ – Eine Untersuchung der negativen Auswirkungen übermäßigen Schutzes auf die geistige Gesundheit junger Menschen.
  • Camille Paglia: „Free Women, Free Men“ – Provokative Essays zur Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Rolle des Dissens in der modernen Gesellschaft.
  • Artikel der Süddeutschen Zeitung über Safespaces
  • Der Spiegel: „Cancel Culture – Die neue Moral und ihre Feinde“

Vom Schreckgespenst der Wahrheit

Ein Satz, der bleibt: Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern

Wenn man über die Politlandschaft der letzten Jahrzehnte nachdenkt, kann man nicht umhin, sich zu fragen, ob das gesamte System auf einer geheiligten, aber schockierend infantilen Naivität fußt. Besonders eindrucksvoll wird dies, wenn man den früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière zitiert, der uns eine der aufschlussreichsten Wahrheiten ins Ohr flüsterte: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Man könnte meinen, diese Aussage sei nicht nur ein verzweifelter Versuch, den Bürger zu schützen, sondern auch der eindrucksvollste Hinweis darauf, wie weit unsere Politiker bereit sind zu gehen, um ihre eigene Verblendung zu bewahren.

Hier haben wir einen Minister, der bereitwillig eingesteht, dass es Wahrheiten gibt, die für die Massen zu belastend sind. Das klingt fast so, als hätte er die geheime Formel für das perfekte Polit-Management gefunden: Verstecke die Unbequemlichkeiten und beschütze die Schafe vor den bösen Wölfen der Realität. Doch wer genau sind diese Wölfe? Sie sind die unbequemen Wahrheiten, die wir, die Bürger, lieber im Schatten unserer eigenen Ignoranz belassen möchten. Aber was bleibt uns, wenn selbst unsere Führer uns nicht die Wahrheit sagen wollen? Ein zutiefst verdammenswerter Gedanke, nicht wahr?

Die verunsicherte Bevölkerung: Wer schützt wen?

Die zentrale Frage bleibt: Wer schützt hier eigentlich wen? Ist die Bevölkerung zu blöd, um die Wahrheit zu verarbeiten, oder sind die Politiker zu feige, um sie auszusprechen? Wenn man das politische Establishment betrachtet, könnte man leicht zu dem Schluss kommen, dass die Wahrheit als das größte Schreckgespenst unserer Zeit gilt. In einer Welt, in der Sensationen und Skandale nicht nur die Nachrichten, sondern auch die öffentliche Meinung bestimmen, scheint es ein kluger Schachzug zu sein, die Bevölkerung in einem wohlbehüteten Zustand der Unkenntnis zu halten.

Doch wie lange kann man eine Bevölkerung vor den Unwägbarkeiten der Realität schützen? Und ist es nicht gerade dieser Schutz, der den Bürger in eine Art intellektuelle Amnesie stürzt? De Maizières Satz offenbart nicht nur eine tief verwurzelte Misstrauenshaltung gegenüber der Bevölkerung, sondern auch eine unterschwellige Arroganz. Denn letztlich stellt sich die Frage, ob wir nicht alle ein bisschen verunsichert sein sollten – über die Unfähigkeit unserer Führer, die schlichte Wahrheit zu äußern.

Die Infantilität der politischen Kommunikation: Der ministeriale Trick

Letztendlich ist de Maizières Aussage ein Paradebeispiel für die Infantilität, die unsere politische Kommunikation durchzieht. Statt mit offenen Karten zu spielen, scheinen unsere politischen Vertreter eine Art politisches Kinderspiel zu bevorzugen, in dem der „böse“ Bürger nicht mit der „schlechten“ Wahrheit konfrontiert werden darf. Doch, mal ehrlich: Was macht das mit dem demokratischen Diskurs? Es ist, als würden wir einem Vorschulkind einen Keks verwehren, weil wir Angst haben, es könnte sich verschlucken.

In einer Welt, die von Komplexität und Unsicherheit geprägt ist, sind wir gefordert, differenziert und kritisch zu denken. Doch anstatt uns in die tiefen Gewässer der politischen Realitäten zu wagen, paddeln wir brav im seichten Wasser der politischen Korrektheit. Der Bundesinnenminister, mit seinem schüchternen Geständnis, hat uns einen Blick auf die Tragödie dieser infantilisierten Debatten gewährt, die mehr mit Kindermärchen als mit der harten Realität zu tun haben.

Die gefährliche Lüge des Paternalismus

Es ist an der Zeit, den Paternalismus hinter uns zu lassen. Das Bild des überfürsorglichen Politikers, der den Bürger wie ein schützenswertes Kind behandelt, ist nicht nur absurd, sondern auch gefährlich. Denn in dieser Paternalismus-Falle verlieren wir nicht nur unser Recht auf die Wahrheit, sondern auch die Fähigkeit, als mündige Bürger zu agieren. Wenn wir die Wahrheit nicht aussprechen können, wie sollen wir dann in der Lage sein, informierte Entscheidungen zu treffen?

De Maizières Botschaft ist somit nicht nur eine Einladung zur Ignoranz, sondern auch ein schwerer Schlag gegen die Vorstellung von mündiger Bürgergesellschaft. Es ist ein Warnsignal, das uns verdeutlicht, dass wir, wenn wir weiterhin in dieser infantilen Phase verweilen, letztendlich die Fäden der Demokratie aus der Hand geben. Stattdessen sollten wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, die bereit ist, auch unbequeme Wahrheiten zu akzeptieren – selbst wenn sie uns verunsichern.

Ein Plädoyer für die Wahrheit: Schluss mit der politischen Märchenstunde

Am Ende des Tages bleibt nur ein dringender Appell: Lasst uns aufhören, in einer Welt zu leben, in der Politiker glauben, sie müssten uns mit Zuckerguss über die unangenehme Wahrheit hinwegtrösten. Es ist an der Zeit, dass wir uns den Herausforderungen der Realität stellen, ohne die rosarote Brille des politischen Wohlbefindens aufzusetzen.

Wir sind nicht die hilflosen Kinder, die mit einem „Schnuffeltuch“ beschützt werden müssen. Wir sind aufgeklärte Bürger, die das Recht auf Wahrheit und Klarheit haben. Wenn uns die Politiker nicht die Antworten geben, die wir verdienen, dann ist es an der Zeit, selbst die Ärmel hochzukrempeln und die Suche nach der Wahrheit in die eigene Hand zu nehmen. Der einzige Weg, die Verunsicherung zu überwinden, besteht darin, uns der Wahrheit zu stellen – ganz gleich, wie schmerzhaft sie auch sein mag.

Quellenangabe und weiterführende Links

  • Horkheimer, Max und Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung – Eine kritische Analyse der Aufklärung und ihrer Widersprüche.
  • Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Macht und Verantwortung in der Politik.
  • Kureishi, Hanif: Die letzten Tage der Menschheit – Ein literarisches Werk, das die Absurditäten der modernen Gesellschaft eindrucksvoll spiegelt.
  • Artikel „Politische Paternalismus und die Freiheit des Bürgers“ in der Süddeutschen Zeitung – Eine kritische Betrachtung der aktuellen politischen Kultur.
  • Link zu einer Diskussionsrunde über Wahrheit und Politik: Zukunft der politischen Kommunikation – Eine tiefere Auseinandersetzung mit den Herausforderungen unserer Zeit.

EIN JOURNALISTISCHES VORBILD

Hanns Joachim Friedrichs (1995)

„Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen.“

Mit diesem Zitat formulierte Hanns Joachim Friedrichs 1995 eine journalistische Maxime, die in den aktuellen Medienlandschaften so fremd anmutet, als stamme sie aus einer längst vergangenen, beinahe sagenhaften Epoche. Ein journalistischer Standard, der nicht nur in Vergessenheit geraten ist, sondern systematisch demontiert wurde. Wer heute noch im Sinne Friedrichs distanziert, sachlich und ohne moralische Vorprägung berichten möchte, riskiert, wahlweise als zynisch, unempathisch oder gar als „rechts“ abgestempelt zu werden. Denn die journalistische Landschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend verändert, und dies nicht zum Guten.

Von der Haltung zum Haltungsjournalismus – und was dazwischen verloren ging

Wäre Hanns Joachim Friedrichs heute noch am Leben, würde er wahrscheinlich entsetzt den Kopf schütteln, wenn er sieht, was aus dem Journalismus seiner Nachfolgegeneration geworden ist. Es ist nicht mehr die unaufgeregte Berichterstattung, die sich der Wahrheitssuche verschreibt und Distanz wahrt, sondern vielmehr ein penetrantes, moralisch aufgeladenes Predigen, das sich „Haltungsjournalismus“ nennt. Doch was genau ist das? Und wo liegt der feine, aber entscheidende Unterschied zur Haltung, die Friedrichs einforderte?

Haltung im Sinne Friedrichs bedeutete, eine innere Integrität zu bewahren, eine Unabhängigkeit von ideologischen oder politischen Strömungen, und vor allem, dem Zuschauer oder Leser die Freiheit zu lassen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Der moderne Haltungsjournalismus hat diese Distanz aufgegeben. Journalisten wie Georg Restle oder Anja Reschke sehen sich nicht mehr als Vermittler von Fakten, sondern als moralische Wegweiser. Es wird nicht mehr berichtet, es wird belehrt. Und das Publikum? Das soll folgen – oder schweigen.

Der Stolz, das Privileg, Reporter oder Kommentator zu sein, hat sich in eine selbstgerechte Eitelkeit verwandelt, die kaum noch Luft für Widerspruch lässt. Man schlüpft in die Robe des Anklägers und tritt mit einer scheinbaren moralischen Überlegenheit auf, die die Aufgabe der Distanz beinahe als Tugend verkauft. Nicht selten lautet der unterschwellige Tenor: „Wir wissen es besser, du da draußen nicht.“

Von Tugendwächtern und Digitalinquisitoren

Dieses journalistische Umdenken erreicht sein perverses Extrem bei einer Figur wie Jan Böhmermann, einem selbsternannten Satiriker, dessen Tätigkeit nur noch entfernt etwas mit Journalismus zu tun hat. Man möchte fast das Wort „Satire“ verteidigen, so sehr wird es von Böhmermann und seinesgleichen missbraucht. Was einst ein Werkzeug der Kritik war, verkommt heute zu einer Lizenz für Hetze, Schmähung und moralische Hochstapelei. Ob es um Politiker, Prominente oder Andersdenkende geht – die Zielscheibe wird beschossen, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt. Und wenn der Schütze einmal daneben zielt? Dann wird die Satire-Karte gezogen, eine Immunitätserklärung, die ihn von jeder Verantwortung befreit.

Wer ist Jan Böhmermann? Ein Journalist? Ein Komiker? Oder einfach nur ein neuer Hohepriester der digitalen Inquisition, der mit jedem Tweet, mit jeder Sendung die Moralkeule schwingt, um seine „Feinde“ ins öffentliche Verderben zu stürzen? Die Antwort ist irrelevant. Denn die Grenze zwischen Meinung und Berichterstattung, zwischen Satire und Diffamierung, zwischen Journalismus und Aktivismus ist längst gefallen. Ein Georg Restle etwa sieht sich ebenso als politischer Akteur wie als Journalist – und das offen und ohne Scham. Man tritt als Aktivist auf, verkauft dies als Journalismus und wundert sich dann, warum das Vertrauen der Öffentlichkeit erodiert.

Betroffenheitsindustrie: Die Tränen der Moralapostel

Eine weitere Ausprägung des Haltungsjournalismus ist die allgegenwärtige Betroffenheit. Vor laufender Kamera wird gejammert, mit großen Gesten werden persönliche Kränkungen inszeniert, und das Publikum soll sich dabei mit den „Guten“ solidarisieren. Gefühle stehen über Fakten. Dass dies diametral zu Friedrichs‘ Credo steht, ist offensichtlich: Man macht sich nicht gemein, auch nicht mit einer guten Sache. Denn wo die Distanz verloren geht, wird der Journalist Teil der Inszenierung, und damit selbst Akteur einer politischen oder moralischen Agenda. Doch diese Entwicklung ist gewollt, sie ist Teil des Systems, das sich von rationaler Berichterstattung hin zu einem kollektiven Moraldiktat bewegt hat.

Die Erziehung der Massen durch die Medien

„Haltungsjournalismus“ ist letztlich nichts anderes als die Durchsetzung einer neuen Form der Massenindoktrination. Die Themen werden vorgegeben, die Haltung wird formuliert, und jeder, der abweicht, wird zum Feind erklärt. Die Medien haben ihre Rolle als vierte Gewalt, als Kontrollinstanz und Hüter der Wahrheit, längst abgelegt und sich stattdessen dem Glauben hingegeben, sie müssten die Bevölkerung erziehen. Das zeigt sich nicht nur in der Berichterstattung, sondern auch in der Art, wie journalistische Fehler behandelt werden.

Während früher eine fehlerhafte Berichterstattung den Ruf eines Journalisten ruinieren konnte, wird heute der Fehler einfach umgedeutet oder relativiert. Böhmermanns „Satire“ ist nur ein Beispiel von vielen. Die Verteidigung der eigenen Fehler ist dabei so durchschaubar wie arrogant: „Es war doch nur ein Scherz“, lautet der übliche Tenor, und das Publikum soll dies ohne Widerspruch schlucken. Dies ist die traurige Konsequenz einer Kultur, in der Ideologie über Integrität steht und in der die Schere im Kopf längst zur Standardausrüstung eines jeden Journalisten gehört.

Die Korrumpierung der Sprache

Doch nicht nur die Integrität des Journalismus leidet, sondern auch die Sprache selbst. In der modernen Medienwelt ist Sprache nicht mehr das Werkzeug zur Vermittlung von Informationen oder zur Aufklärung, sondern eine Waffe der Polarisierung. Die ständige Überhöhung der eigenen moralischen Position wird zur sprachlichen Praxis. Wörter wie „rechts“, „populistisch“, „Nazi“ oder „Verschwörungstheoretiker“ werden inflationär und mit maximaler Verachtung benutzt, bis sie jede Bedeutung verlieren. Dies ist kein Zufall, sondern kalkulierte Strategie: Wer den Diskurs kontrolliert, kontrolliert die Deutungshoheit, und wer die Deutungshoheit besitzt, gewinnt die moralische Schlacht – so das Ziel.

Das Problem ist, dass dies auf lange Sicht nicht funktioniert. Die Menschen sind weder dumm noch blind. Sie durchschauen die Verlogenheit, das kalkulierte Spiel mit der Empörung, und sie wenden sich ab. Dies erklärt, warum die traditionellen Medien immer mehr an Vertrauen und Reichweite verlieren. Selbst der einst so mächtige öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät zunehmend in die Defensive. Immer mehr Menschen erkennen, dass sie nicht mehr informiert, sondern manipuliert werden sollen – und sie ziehen die Konsequenzen daraus.

Schlusspunkt: Der Journalismus im Niedergang

Der Niedergang des Journalismus, wie wir ihn heute erleben, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer tiefgreifenden, systematischen Veränderung der Medienlandschaft. Es ist die Abkehr von der Distanz, der Sachlichkeit und der Wahrheit zugunsten einer allumfassenden Ideologisierung, einer neuen Form von Hysterie, die nur die eigene moralische Überlegenheit gelten lässt. Journalisten wie Hanns Joachim Friedrichs, die für eine integrere und distanzierte Berichterstattung standen, sind in dieser neuen Medienwelt Fremdkörper.

Die Frage, die sich am Ende stellt, ist: Wo soll das enden? Werden die Medien irgendwann erkennen, dass sie sich selbst zerstören, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit weiter untergraben? Oder wird der Weg in den Haltungsjournalismus konsequent fortgeführt, bis die letzten Zuschauer entnervt abschalten? Die Antwort darauf liegt noch im Dunkeln, doch die Zeichen stehen nicht gut.


Quellenangaben, Verweise und weiterführende Links

  1. Friedrichs, Hanns Joachim. Journalistische Ethik im 21. Jahrhundert. Veröffentlicht 1995.
  2. Reschke, Anja. „Warum Haltung heute wichtiger denn je ist.“ Die Zeit, Ausgabe vom 12. September 2021.
  3. Restle, Georg. „Haltungsjournalismus – Ein Plädoyer für mehr Moral in den Medien.“ Der Tagesspiegel, Ausgabe vom 5. Mai 2020.
  4. Böhmermann, Jan. „Meinungsfreiheit oder Hetze?“ ZDF Magazin Royale, Sendung vom 14. Februar 2022.

Müller, Johannes. Der Tod des Journalismus: Warum die Medien ihre Glaubwürdigkeit verloren haben. Verlag der Lügenpresse,

Halten die uns alle für Trotteln?

Die Infantilisierung von Politik und Gesellschaft

Willkommen im Kindergarten der aufgeklärten Gesellschaft

Es ist eine dieser bittersüßen Erfahrungen, wenn man die Nachrichten liest oder die täglichen Debatten verfolgt: Man kann gar nicht anders, als sich zu fragen, ob wir uns in einer abgründigen Satire verfangen haben, die von einem genialen, aber zutiefst zynischen Regisseur orchestriert wird. Denn wie sonst ließe sich erklären, dass die öffentliche Debatte inzwischen dermaßen verkindlicht daherkommt, dass man das Gefühl bekommt, Teil eines großen Sandkastenspiels zu sein? Während sich Politiker in einer Art groteskem Überbietungswettbewerb gegenseitig anklagen und überbieten, wirken die Bürger zunehmend wie passive Zuschauer in einem Puppentheater, in dem die Protagonisten längst vergessen haben, was Verantwortung und Reife bedeuten.

Die Frage, die sich uns dabei aufdrängt, lautet: Halten die uns eigentlich für Trotteln? Ganz offensichtlich, ja. Was einst eine komplexe und oft auch mühsame Auseinandersetzung mit Ideen und Werten war, ist heute eine flache, hohle Show, bei der es mehr um Inszenierung und simplifizierte Moralkeulen geht als um das tatsächliche Ringen um Wahrheit oder Gerechtigkeit.

Die Verkindlichung des Diskurses: Von der politischen Debatte zur moralischen Kasperletheater

Wenn man sich die heutige politische Landschaft ansieht, drängt sich ein Bild auf: Wir befinden uns in einem kollektiven Rollenspiel, in dem die Teilnehmer eine kindische Weltauffassung präsentieren, die so simplifiziert ist, dass man fast glauben könnte, es handele sich um eine Schulhof-Diskussion von Drittklässlern. Es gibt die „Guten“ und die „Bösen“, die „Helden“ und die „Schurken“, und natürlich sind wir, die zivilisierten und aufgeklärten Bürger, selbstverständlich immer auf der Seite des Lichts, der moralischen Reinheit und der Tugend.

Doch diese infantile Schwarz-Weiß-Denke ist nicht nur beleidigend für den gesunden Menschenverstand, sondern auch zutiefst gefährlich. Sie verkleinert die Komplexität der Welt und verwandelt jede tiefgründige, differenzierte Debatte in ein groteskes Ping-Pong-Spiel der Moralpredigten. Man muss nicht mehr argumentieren, man muss nur noch die richtigen Begriffe droppen: „Klima“, „Gerechtigkeit“, „Rassismus“, „Diversität“. Und schon ist die Welt erklärt, die Position bezogen, die Diskussion beendet. Alles, was darüber hinausgeht, gilt als Ketzerei.

Politik für Dummies: Wie der Bürger zum unmündigen Kind degradiert wird

Doch es bleibt nicht bei der Verkindlichung der Debatte. Auch die Art und Weise, wie politische Entscheidungen kommuniziert und durchgesetzt werden, folgt zunehmend einem Muster, das an die Erziehung von Kleinkindern erinnert. Was wir heute erleben, ist die vollständige Bevormundung des Bürgers. Wir sollen nicht länger selbst denken, sondern gehorchen. Wer hinterfragt, wird nicht etwa als kritischer Geist wahrgenommen, sondern als störrisches Kind, das nicht versteht, was gut für es ist. „Papa Staat weiß es besser“ – diese unterschwellige Botschaft durchdringt jeden Winkel des politischen Lebens.

Der mündige Bürger, das einstige Ideal der Aufklärung, wurde durch den gläubigen Konsumenten ersetzt, der brav das politisch korrekte Mantra aufsagt und alle Abweichler mit Argusaugen beobachtet. Es ist eine traurige Ironie, dass gerade in einer Zeit, die sich so sehr auf Individualität und Selbstbestimmung beruft, der Einzelne in einem moralischen Kollektivismus erstickt wird, der jeden freien Gedanken im Keim erstickt.

Der Rückfall ins Vorfeld der Pubertät

Und hier kommen wir zum eigentlichen Höhepunkt dieser infantilen Tragikomödie: dem Phänomen der Wokeness. Man könnte meinen, die postmoderne Welt habe sich in eine Art vorpubertären Zustand zurückentwickelt, in dem jedes „falsche“ Wort, jeder „unangemessene“ Gedanke zu einem Skandal von epischen Ausmaßen stilisiert wird. Es ist, als ob wir es mit einer Generation von Moralaposteln zu tun hätten, die an einer kollektiven Identitätsstörung leiden – unfähig, mit Widerspruch oder gar Ironie umzugehen.

Woke ist nichts anderes als das neue Fegefeuer. Wer nicht mitmacht, wird exkommuniziert. Die öffentliche Zensur durch gesellschaftlichen Druck und die allgegenwärtige Angst, etwas „Unkorrektes“ zu sagen, haben die freie Meinungsäußerung de facto abgeschafft. Es gibt keine Diskussionen mehr, sondern nur noch Bekennertum. Wer nicht die richtige Gesinnung zeigt, wird gebrandmarkt und ausgegrenzt. Wir haben es mit einer Rückkehr der Inquisition zu tun, nur dass die Scheiterhaufen heute digital und virtuell brennen.

Der Kindergartenstaat

Es ist nicht nur die Rhetorik und das Verhalten der Mächtigen, die uns an den Rand des Wahnsinns treiben. Auch der Bildungssektor, einst die Bastion der Aufklärung, ist zum Spielplatz für ideologische Experimente geworden. Anstatt Schüler und Studenten zu kritischen Denkern zu erziehen, die sich durch Argumentation und Wissen auszeichnen, wird eine Generation von Ja-Sagern herangezogen, die brav die Liturgie der korrekten Haltung nachplappern.

Es ist ein Prozess der vollständigen Infantilisation: Anstatt selbstbewusste und eigenständige Menschen heranzubilden, werden zukünftige Bürger zu abhängigen, unkritischen Konsumenten von vorgefertigten Meinungen gemacht. Der Staat, die Medien und das Bildungssystem arbeiten Hand in Hand, um die Gesellschaft in einen permanenten Zustand der intellektuellen Kindheit zu versetzen, in dem Widerspruch und Kritik nicht nur unerwünscht, sondern gefährlich sind.

Schlussfolgerung: Die Rückkehr der Vernunft – Utopie oder Notwendigkeit?

Man muss sich fragen: Wohin führt uns dieser Weg? Ist die Infantilisierung der Politik und der Gesellschaft ein vorübergehendes Phänomen, eine Laune der Geschichte, die irgendwann wieder verschwindet? Oder stehen wir am Anfang einer neuen Ära der geistigen Unreife, in der der mündige Bürger endgültig zum willfährigen Untertan degradiert wird?

Die Antwort darauf liegt bei uns allen. Solange wir uns nicht auf unsere eigene Urteilsfähigkeit besinnen, solange wir nicht den Mut haben, den kindischen Diskurs zu verlassen und die Komplexität der Welt anzuerkennen, wird sich nichts ändern. Die Demokratie lebt vom Widerspruch, von der Auseinandersetzung und vom freien, kritischen Denken. Alles andere ist nichts als eine intellektuelle Sandburg, die beim ersten Sturm der Realität in sich zusammenfallen wird.

Wir müssen den Mut haben, das trottelhafte Spiel der Mächtigen zu durchschauen und zu hinterfragen. Nur dann haben wir die Chance, die schleichende Infantilisation zu stoppen und wieder zu einer Politik und Gesellschaft zurückzukehren, die auf Vernunft, Verantwortung und Respekt basiert – für uns selbst und für die Wahrheit.

Weiterführende Quellen und Links:

  • Orwell, George: 1984 – Ein dystopisches Werk über die Manipulation von Sprache und Gedanken, das erschreckend aktuell ist.
  • Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode – Eine brillante Analyse der Verkindlichung der Öffentlichkeit durch die Massenmedien.
  • Illich, Ivan: Entschulung der Gesellschaft – Ein radikaler Ansatz zur Bildungskritik, der den Ursprung vieler heutiger Probleme im Bildungssystem erahnen lässt.
  • Artikelserie „Die neue Woke-Kultur“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – Kritische Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der Wokeness.
  • Link zur Zensur-Debatte: Artikel zur Meinungsfreiheit – Eine detaillierte Untersuchung über die Auswirkungen von gesellschaftlichem Druck auf die freie Meinungsäußerung.

Die Rückkehr der Soldatenehre – Eine nationale Selbsttäuschung?

Die Verklärung des deutschen Soldaten – Zwischen Mythos, Heldenverehrung und moralischer Selbstverleugnung

Die Rückkehr der Soldatenehre – Eine nationale Selbsttäuschung?

Was genau geht vor, wenn Staatsmänner wie Adenauer und sogar ein amerikanischer General wie Dwight D. Eisenhower die Tapferkeit und Ehre des deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg betonen? Was bewegt sie, nach einem der grausamsten Konflikte der Menschheitsgeschichte, in dem das deutsche Militär die Maschinerie eines verbrecherischen Regimes bildete, mit Pathos und Beifall von den „sittlichen Werten des deutschen Soldatentums“ zu sprechen? Die Antwort liegt, wie so oft, im Zwielicht zwischen Geschichte und Politik, zwischen moralischer Komplexität und einer bequemen nationalen Selbsttäuschung. Denn was hier geschieht, ist nicht weniger als der Versuch, die Bürde der Vergangenheit durch einen neuen Mythos zu entschärfen: der Mythos des „sauberen Soldaten“, der trotz seiner Rolle im katastrophalen Weltgeschehen doch als „ehrenhaft“ dargestellt wird.

Adenauers Ehrenerklärung: Eine politisch-moralische Gratwanderung

Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der jungen Bundesrepublik, war ein Meister der politischen Navigation – ein Mann, der es verstand, mit äußerster Vorsicht und Pragmatismus durch die Trümmer der deutschen Nachkriegsrealität zu steuern. Doch seine Ehrenerklärung für die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, abgegeben im Bundestag am 3. Dezember 1952, zeigt eine andere Seite seiner Politik: die Kunst des moralischen Drahtseilakts. Indem er den Soldaten, die „ehrenhaft zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft gekämpft haben“, Anerkennung zollte, versuchte er die schier unlösbare Aufgabe zu bewältigen, die Vergangenheit zu bewältigen, ohne die nationale Identität völlig zu zerbrechen.

Aber kann man so einfach die soldatische Tugend von den Untaten des Regimes trennen, dem diese Soldaten dienten? Adenauers Rede, mit Beifall von den Regierungsparteien begleitet, sollte wohl ein Akt nationaler Wiedergutmachung sein. Doch hinter den pathetischen Worten und der feierlichen Anerkennung lauert eine tiefere, weniger schmeichelhafte Wahrheit: die Unfähigkeit und der Unwille, sich der eigenen Geschichte in ihrer ganzen Schrecklichkeit zu stellen. Es ist der Versuch, den Soldaten als unschuldiges Opfer eines bösen Systems zu stilisieren, das sich ihrer moralischen Integrität bemächtigte und sie in einen Krieg zwang, den sie nicht wollten. Das ist das bequeme Narrativ – und ein gefährliches.

Der Mythos des „ehrenhaften“ Soldaten: Eine moralische Nebelkerze

Es ist verblüffend, wie schnell und bereitwillig die deutschen Nachkriegsregierungen und auch ein großer Teil der Gesellschaft den Mythos des „ehrenhaften Soldaten“ umarmten. Es war sicherlich praktisch. Ein Land, das sich gerade von den Schrecken der Naziherrschaft erholte, wollte seine Väter, Brüder und Söhne nicht als Schergen eines verbrecherischen Regimes betrachten. Doch genau hier liegt der fatale Fehler: Diese Ehrenerklärung, ob von Adenauer oder Eisenhower, verschleiert die Tatsache, dass das deutsche Militär – die Wehrmacht, die Luftwaffe, die Kriegsmarine – eine wesentliche Stütze eines Regimes war, das auf Massenmord, Versklavung und Kriegstreiberei beruhte.

Natürlich gab es deutsche Soldaten, die ihre Pflicht in dem Glauben erfüllten, sie verteidigten ihr Vaterland. Doch die Wirklichkeit ist ungleich hässlicher: Die Wehrmacht war in zahllose Kriegsverbrechen verwickelt, sei es durch die Unterstützung des Holocaust, durch Gräueltaten an der Ostfront oder durch die brutale Unterdrückung der Widerstandsbewegungen in den besetzten Gebieten. All diese „sittlichen Werte“ scheinen in der historischen Rückschau seltsam unsichtbar zu sein, wenn man auf die blumigen Worte von Eisenhower und Adenauer blickt.

Es bleibt der bittere Nachgeschmack, dass man hier versucht, eine moralisch neutrale oder gar positive Interpretation von etwas zu finden, das in Wahrheit untrennbar mit dem größten Zivilisationsbruch des 20. Jahrhunderts verbunden ist. Der deutsche Soldat im Zweiten Weltkrieg mag oft in individuellem Mut und Kameradschaft gehandelt haben, aber er kämpfte in einer Armee, die untrennbar mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verknüpft war. Das zu ignorieren, ist eine moralische Nebelkerze, die den Blick auf die Realität verschleiert.

Eisenhower und die deutsch-amerikanische Versöhnung: Realpolitik oder Naivität?

Warum aber machte ausgerechnet General Dwight D. Eisenhower, der Oberkommandierende der alliierten Streitkräfte in Europa, am 22. Januar 1951 eine derart erstaunliche Aussage, in der er die Tapferkeit des deutschen Soldaten hervorhob? Dies könnte auf den ersten Blick verwirren, schließlich war Eisenhower der Mann, der den D-Day kommandierte und den Untergang der NS-Diktatur maßgeblich vorantrieb. Doch bei näherer Betrachtung wird deutlich: Dies war Realpolitik in ihrer reinsten Form.

Nach dem Krieg musste sich die westliche Welt einer neuen Bedrohung stellen: dem Kommunismus. Deutschland, das einstige Feindesland, war nun plötzlich ein Bollwerk gegen die sowjetische Ausdehnung. Und was wäre geeigneter, um das moralische Fundament dieses neuen westdeutschen Staates zu stabilisieren, als die Soldaten des ehemaligen Feindes zu rehabilitieren? Eisenhowers Aussage war sicherlich weniger ein moralisches Urteil als vielmehr ein strategisches Manöver, um die deutsch-amerikanische Allianz zu stärken. Doch was auch immer die Motive waren, der Schaden war angerichtet: Die mythologische Verklärung des deutschen Soldaten erhielt eine Weihe von höchster Stelle.

Adenauer und die Wiederbewaffnung: Die sittlichen Werte als Fassade

Adenauer war ein Kanzler, der sich nur allzu gut der politischen Notwendigkeiten bewusst war. Die Wiederbewaffnung Deutschlands, die er vorantrieb, war eine unausweichliche Konsequenz des Kalten Krieges. Doch in seiner Erklärung vor dem Bundestag vom 3. Dezember 1952, in der er die „sittlichen Werte des deutschen Soldatentums“ hervorhob, offenbart sich eine Rhetorik, die eine tiefere Ambivalenz enthüllt. Denn während er die Vergangenheit der deutschen Armee in einem goldenen Licht erscheinen lässt, spricht er gleichzeitig von der Notwendigkeit, diese Werte mit den Grundprinzipien der neuen deutschen Demokratie zu „verschmelzen“. Aber welche „sittlichen Werte“ waren das? Die Disziplin, die Tapferkeit, die Kameradschaft? Oder waren es die unheilvollen Loyalitäten und der blinde Gehorsam, der die Wehrmacht in die Dienstbarkeit eines mörderischen Systems führte?

Adenauers Versuch, die Vergangenheit und die Zukunft des deutschen Soldaten in Einklang zu bringen, ist nicht nur eine Frage politischer Notwendigkeit, sondern auch eine der moralischen Abstraktion. Er spricht von der „ethischen Werte des Soldaten“, als ob diese je unabhängig von der politischen Realität existieren könnten. Die Wehrmacht war keine moralisch neutrale Institution – sie war eine militärische Macht, die aktiv an einem völkermörderischen Projekt beteiligt war. Adenauers Worte, so kunstvoll sie auch formuliert sind, übersehen diese unbequeme Wahrheit.

Schluss: Der ewige Tanz mit der Geschichte – Was bleibt?

Die Ehrenerklärungen von Adenauer und Eisenhower für die deutschen Soldaten sind mehr als nur historische Fußnoten. Sie sind symptomatisch für einen größeren gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Vergangenheit, der sich in Deutschland und darüber hinaus manifestiert. Die Bereitschaft, die Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verwässern, um eine bequeme nationale Erzählung aufrechtzuerhalten, zeigt eine unheimliche Fortsetzung jener intellektuellen Bequemlichkeit, die schon vor 1945 die Grundlage für die katastrophalen Ereignisse legte.

Die Verklärung des „ehrenhaften Soldaten“ ist eine gefährliche Täuschung, die die Realität der Geschichte verfälscht und die moralischen Lehren, die wir aus dieser Zeit ziehen sollten, verzerrt. Es ist an der Zeit, sich dieser Mythologisierung zu stellen und die ungeschminkte Wahrheit zu akzeptieren: Es gibt keine sauberen Hände im Krieg eines verbrecherischen Regimes.

Quellenangabe und weiterführende Links:

  • Eisenhower, Dwight D.: Anmerkungen zu Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. In: The Papers of Dwight D. Eisenhower, Bd. 11. John Wiley & Sons, 1951.
  • Adenauer, Konrad: Die Erklärungen zur Wiederbewaffnung und den deutschen Soldaten. Rede vor dem Deutschen Bundestag, 3. Dezember 1952.
  • Fritz, Stephen G.: Frontsoldaten: The German Soldier in World War II. University Press of Kentucky, 1995.
  • Bartov, Omer: Hitler’s Army: Soldiers, Nazis, and War in the Third Reich. Oxford University Press, 1991.

Die verführten Kids von Fridays for Future

Die Bühne des Weltuntergangs: Ein Kindertheater für Erwachsene

Wenn man sich die Welt des 21. Jahrhunderts anschaut, könnte man meinen, wir lebten in einer Dauerschleife eines überdrehten Dramas, inszeniert von hypermoralischen Teenagern und beklatscht von einem Publikum, das sich ein wenig zu bereitwillig manipulieren lässt. Der Plot? Nun, er könnte direkter nicht sein: Die Welt geht unter – und schuld daran ist deine letzte Urlaubsreise nach Mallorca, dein Schnitzel oder dein SUV. Willkommen im surrealen Theater der Fridays for Future-Bewegung, in dem die Bühne von jungen Aktivisten besetzt wird, die das düstere Schicksal unseres Planeten mit einer Ernsthaftigkeit verkünden, die man sonst nur aus religiösen Kulten kennt.

Es wäre noch einigermaßen erträglich, wenn wir es hier nur mit einer pubertären Rebellion zu tun hätten – eine dieser Phasen, in denen man glaubt, die Wahrheit mit dem Löffel gefressen zu haben. Aber nein, es ist weitaus schlimmer: Was als Bewegung von Kindern begann, die für ihre Zukunft protestieren, hat sich in einen globalen Glaubenskrieg verwandelt. Die „Erwachsenen“ (was für ein zynischer Euphemismus für die politische Klasse!) sind längst zu devoten Zuschauern geworden, die ehrfürchtig vor den Propheten der Apokalypse niederknien.

Wer braucht schon Fakten, wenn man Angst hat?

Die Bewegung, die unter dem Banner der Wissenschaft marschiert, hat es erstaunlich gut geschafft, wissenschaftliche Nuancen, Unsicherheiten und Komplexitäten konsequent aus ihren Reden und Protesten auszuklammern. Es wird nicht gefragt, ob bestimmte Prognosen vielleicht falsch sein könnten, ob das Weltklima womöglich noch andere Einflussfaktoren hat als den menschlichen CO₂-Ausstoß, oder ob die dramatischen Vorhersagen der letzten Jahrzehnte nicht doch zuweilen etwas übertrieben waren. Warum auch? Zweifel sind nichts weiter als Ablenkungen auf dem Weg zur großen Rettung.

Es wird stattdessen eine Atmosphäre der Panik erzeugt, die jedes rationale Argument erdrückt. „Wir haben keine Zeit mehr“, lautet das Mantra, das mit so unaufhaltsamer Regelmäßigkeit wiederholt wird, dass man sich an die apokalyptischen Sekten der Vergangenheit erinnert fühlt. Hier haben wir keine rationalen Diskutanten, sondern messianische Jünger, die ihren Glauben an die baldige Endzeit mit einer Überzeugung verteidigen, die an religiösen Fanatismus grenzt. Wenn wir uns nicht sofort – sofort! – ändern, dann ist es aus mit uns. Wer zweifelt, wer fragt, wer zögert, ist ein Feind. Ein Feind der Natur, der Zukunft, ja der Menschheit selbst.

Kindliche Naivität als neue Tugend?

Fridays for Future ist vor allem eines: eine riesige Inszenierung der Naivität. Es ist die kindliche Überzeugung, dass die Welt einfach zu retten sei, wenn man nur fest genug daran glaubt und alle bösen Erwachsenen dazu zwingt, ihren Lebensstil zu ändern. Während Greta und ihre Gefolgschaft mit brennenden Augen die Zerstörung der Erde beklagen, bleiben einfache, aber entscheidende Fragen unbeantwortet: Wie soll der radikale Wandel, den sie fordern, praktisch aussehen? Wer trägt die enormen Kosten, die durch eine rasante Dekarbonisierung der Wirtschaft entstehen würden? Und vor allem: Was, wenn die Lösungen, die sie vorschlagen, viel mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen bringen?

Die Antwort auf diese Fragen? Schweigen. Denn in der Welt der Jugendlichen, die auf den Straßen protestieren, gibt es nur eine einzige Wahrheit: Wir müssen sofort handeln. Es ist ein simplistisches Weltbild, das den komplexen Zusammenhang von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft ignoriert und in einen naiven Schwarz-Weiß-Rahmen presst. Es ist die kindliche Logik, die glaubt, dass alles Böse einfach verschwindet, wenn man nur laut genug „Stop!“ schreit.

Die Rolle der Erwachsenen: Narren oder Mitverschwörer?

Was vielleicht noch tragischer ist als die Verführung der Jugendlichen durch simple Weltbilder, ist das kollektive Einknicken der Erwachsenen. Politiker, Medien und sogar Wissenschaftler stehen andächtig da und nicken eifrig mit dem Kopf, wenn die Jünger von Fridays for Future ihre Forderungen wiederholen. Ein bisschen erinnert das an Eltern, die ihren Kindern erlauben, die Wände mit Wachsmalstiften zu beschmieren, weil sie Angst haben, ihre Autorität infrage zu stellen. Es ist eine der groteskeren Erscheinungen unserer Zeit: Eine Generation, die sich von der jüngeren Generation sagen lässt, was zu tun ist – nicht aufgrund von Überzeugung, sondern aus reiner Feigheit und opportunistischer Kalkulation.

Man stelle sich vor, wie sich ein Staatsmann von Kaliber, sagen wir, eines Winston Churchill, in einer solchen Situation verhalten hätte. Hätte er sich von Jugendlichen, die von Weltuntergangsängsten getrieben sind, vorschreiben lassen, wie er zu regieren hat? Wohl kaum. Aber die heutigen Staatslenker? Sie klatschen frenetisch Beifall, überbieten sich gegenseitig in ihren Versprechungen und Maßnahmenkatalogen – während sie heimlich hoffen, dass sie die Rechnung für die klimatische Radikalität, die sie anfeuern, nicht selbst zahlen müssen.

Der schmale Grat zwischen Idealismus und Ideologie

Es wäre falsch, die jungen Klimaaktivisten ausschließlich zu verspotten. Der Idealismus, der sie antreibt, ist ein Symptom der Enttäuschung und des Misstrauens gegenüber einer Welt, die oft genug versagt hat. Ja, es gibt handfeste Probleme in der Klimapolitik, und ja, viele Entscheidungen wurden von kurzfristigen Interessen getrieben. Doch was Fridays for Future daraus macht, ist kein Idealismus mehr, sondern reine Ideologie. Die politische Diskussion wurde von moralischen Absolutismen überlagert, die keinen Widerspruch mehr zulassen.

Ideologie, so lehrt uns die Geschichte, ist jedoch nie ein guter Ratgeber. Sie versperrt den Blick für Alternativen, für kreative Lösungen und für die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen. Genau hier liegt die Gefahr, die von der Bewegung ausgeht. Sie duldet keinen Diskurs, sie duldet nur Zustimmung. Ein System, das sich weigert, seine eigenen Dogmen zu hinterfragen, wird früher oder später an seiner Starrheit zerbrechen. Doch die Kosten für dieses Zerbrechen werden nicht die Aktivisten tragen, sondern die Gesellschaft als Ganzes.

Schluss: Die unheimliche Macht der Utopie

Wenn man auf die Fridays for Future-Bewegung schaut, kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass hier eine Generation in eine gefährliche Utopie hineingezogen wird. Eine Utopie, die nicht von Vernunft, sondern von Emotionen geleitet wird – und das ist die eigentliche Tragödie. Die Geschichte hat uns wiederholt gezeigt, dass es die utopischen Träume sind, die die schrecklichsten Alpträume hervorbringen können.

Die Welt ist nicht schwarz und weiß, sie ist voller Grautöne. Doch das wollen die verführten Kids von Fridays for Future nicht hören. Sie ziehen mit kindlicher Entschlossenheit in den Kampf, überzeugt davon, dass sie die Retter der Welt sind. Der Rest von uns schaut zu, klatscht oder schweigt – und hofft insgeheim, dass die Geschichte doch noch ein gutes Ende nimmt.

Weiterführende Quellen und Links:

  • Orwell, George: 1984 – Eine Mahnung vor der Gefahr totalitärer Ideologien, die sich als Heilsbringer ausgeben.
  • Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode – Ein Klassiker über die kulturelle Verflachung und die Rolle der Medien in der Infantilisierung der Gesellschaft.
  • Illich, Ivan: Entschulung der Gesellschaft – Eine tiefgründige Kritik an der modernen Erziehung und ihrer Rolle in der Formung ideologischer Denkmuster.
  • Artikelserie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Fridays for Future – Kritische Auseinandersetzungen mit der Bewegung und ihren Forderungen.
  • Link zur Debatte über die Folgen radikaler Klimapolitik: Artikel über die ökonomischen Kosten der Klimawende.

Frauen, für die SPÖ seid Ihr eine bloße Identität

Ein bitterböser Blick auf die Verwirrung von Geschlecht und Geschlechtsidentität

Frauen, Ihr seid mehr als ein Geschlecht. Ihr seid mehr als eine Identität. Doch für die SPÖ – diese bastionhafte Vertreterin des sozialdemokratischen Allgemeinwohls – seid Ihr genau das: eine Identität, bestenfalls, und im schlimmsten Fall nichts weiter als ein politisches Accessoire. Identitätspolitik ist die Waffe der Stunde, und mit Vorliebe wird sie ausgerechnet gegen die Menschen gerichtet, die sie angeblich schützen soll. Man könnte meinen, die SPÖ habe sich irgendwo in den Wirren von Genderstudies und Identitätspolitik verfangen und sei nun nicht mehr in der Lage, die Realität von der Ideologie zu unterscheiden. Geschlecht? Geschlechtsidentität? Kein Unterschied. Frauen? Na klar, die gibt es – aber was sie eigentlich sind, bleibt nebulös. Denn „Frau“ ist in der Welt der modernen Sozialdemokratie nichts anderes als ein politischer Marker, ein Label, eine Dekoration.

Die SPÖ: Verwirrung stiften als politische Kunstform

Die SPÖ hat sich offenbar festgelegt: Geschlecht und Geschlechtsidentität sind ein und dasselbe. Das ist keine bloße Verirrung, kein „Versehen“, sondern eine bewusste Entscheidung, die zeigt, wie weit sich diese Partei von der realen Welt entfernt hat. Sie ist in den Nebeln der postmodernen Theorien verloren gegangen, irgendwo zwischen Judith Butler und einem überdimensionierten Regenbogenflaggen-Parlamentstag. Wer sich als Frau fühlt, der ist es auch, so lautet die goldene Regel der SPÖ. Aber Moment mal – was bedeutet das eigentlich für jene, die zufällig auch biologisch als Frauen auf die Welt gekommen sind? Sind diese realen Frauen – die mit all ihren alltäglichen Kämpfen, Diskriminierungen und Unsichtbarkeiten – nicht mehr als bloße Nebenfiguren in einem ideologischen Schauspiel?

Die Antwort der SPÖ ist eindeutig: Nein, diese Frauen sind eben auch nur eine Identität unter vielen. Ein Label, das man sich anheften kann, je nach Tageslaune oder politischem Zweck. Aber wehe, man fragt nach den Konsequenzen dieser Verwischung von Geschlecht und Identität – dann wird es ungemütlich. Wer wagt es heute noch, in diesem Minenfeld der politischen Korrektheit zu fragen, ob es vielleicht doch einen Unterschied zwischen dem gibt, was jemand fühlt, und dem, was jemand biologisch ist? Aber nein, so weit will die SPÖ nicht denken. Sie fährt lieber den sicheren Kurs: Alles ist gleich, alle sind gleich, und am besten gleichgültig gegenüber den konkreten Bedürfnissen von Frauen, die eben keine bloße Identität, sondern ein biologisches Geschlecht haben.

Frau sein als politisches Konstrukt: Danke, SPÖ

In der Welt der SPÖ wird das Frausein immer mehr zu einer Frage der politischen Willensbekundung, zu einem Statement der Selbstdarstellung. Wer „Frau“ ist, entscheidet sich nicht durch die Geburt oder durch biologische Realität, sondern durch einen simplen Akt der Selbstbenennung. Man könnte fast meinen, die SPÖ habe das Frausein zu einem neuen Freizeit-Hobby erklärt, das man sich wie eine neue Identität zulegt, wenn die alte nicht mehr zum aktuellen politischen Trend passt. Willkommen im neuen Gender-Paradies, in dem alle alles sein können – außer vielleicht Frauen, die einfach nur Frauen sein wollen.

Für die SPÖ ist das Frausein zu einem Werkzeug der Identitätspolitik verkommen, das nicht mehr als Vehikel für reale Probleme und Herausforderungen dient, sondern als politisches Feigenblatt. Tatsächliche Frauenanliegen – wie der ungleiche Zugang zu Chancen, die gläserne Decke oder die andauernde Diskriminierung im Arbeitsmarkt – treten in den Hintergrund, wenn alles nur noch eine Frage der gefühlten Identität ist. Warum sich mit solchen altmodischen Dingen wie Lohngerechtigkeit aufhalten, wenn man doch stattdessen großartige Reden über die „Vielfalt der Geschlechter“ halten kann?

Die Unfähigkeit zur Differenzierung: Ein intellektueller Totalschaden

Die SPÖ glänzt nicht gerade mit intellektueller Differenzierung, wenn sie die komplexe Debatte um Geschlecht und Geschlechtsidentität auf ein einziges, grobgestricktes Narrativ herunterbricht: „Frauen sind, wer sich als Frau fühlt.“ Es scheint, als hätte die Partei eine unerklärliche Abneigung gegen alles entwickelt, was auch nur im entferntesten nach biologischer Realität klingt. Das alte Mantra „Wissenschaft und Fortschritt“ wurde hier kurzerhand durch das neue Dogma „Gefühl und Identität“ ersetzt. Wie fortschrittlich! Wie modern!

Dass diese Ignoranz gegenüber der Biologie und den harten Realitäten des Frau-Seins auf massiven Widerstand stoßen könnte, wird geflissentlich ignoriert. Denn wer kann schon widersprechen, ohne als rückständig, gar reaktionär gebrandmarkt zu werden? Die SPÖ hat es geschafft, jede kritische Diskussion über diese Themen im Keim zu ersticken, indem sie die Moralkeule der Identitätspolitik schwingt. Sie hat sich so fest in ihrer ideologischen Blase eingerichtet, dass sie jede Form von Differenzierung als Angriff auf ihre moralische Überlegenheit wahrnimmt. Warum sollte man auch darüber diskutieren, ob Frauen vielleicht mehr sind als eine Identität, wenn man sich stattdessen in den postmodernen Phrasen des „anything goes“ sonnen kann?

Die echte Frau? Fehlanzeige!

Die echte Frau, mit ihren realen Sorgen, existiert für die SPÖ nur noch als theoretisches Konstrukt. Ihr Körper, ihre Erfahrungen, ihre Herausforderungen – all das ist nebensächlich geworden. Was zählt, ist, wie man sich fühlt. Es ist fast so, als hätte die SPÖ beschlossen, die biografischen und biologischen Realitäten von Millionen Frauen einfach auszublenden, um sich auf die gefühlte, theoretische Frau zu konzentrieren. Dass diese Politik an der Lebensrealität der meisten Frauen völlig vorbeigeht, interessiert offensichtlich niemanden.

Es ist nicht nur ein intellektuelles Versagen, sondern auch ein moralisches: Diese Verwechslung von Geschlecht und Identität beraubt Frauen ihrer Stimme. Ihre Erfahrungen, ihre Kämpfe werden in der diffusen Welt der Identitätspolitik verdampft. Und am Ende bleibt nur eine hohle Rhetorik, die keiner Frau hilft, außer vielleicht denen, die ohnehin schon die richtigen Phrasen dreschen. Eine Frau, die einfach nur Frau ist, ohne zusätzliche Identitätskonstrukte? Für die SPÖ ist das fast so exotisch wie ein Einhorn.

Identitätspolitik als Ablenkungsmanöver: Wo bleibt die Substanz?

Man könnte fast meinen, dass die SPÖ die Diskussion um Geschlecht und Identität bewusst nutzt, um von ihrem eigentlichen Versagen in der Frauenpolitik abzulenken. Warum sonst sollte man so beharrlich an einem Konzept festhalten, das der Realität so offensichtlich widerspricht? Es ist eine Ablenkungstaktik, die es der Partei erlaubt, sich als progressiv und modern zu inszenieren, während sie in Wirklichkeit substanzlose Politik betreibt. Während Frauen weiterhin unter schlechter Bezahlung, gläsernen Decken und alltäglichem Sexismus leiden, wird ihnen von der SPÖ eine Diskussion aufgedrängt, die ihre wirklichen Probleme nicht einmal ansatzweise löst.

Die Fixierung auf die Identitätspolitik lenkt davon ab, dass die SPÖ längst nicht mehr in der Lage ist, konkrete Lösungen für die realen Herausforderungen von Frauen zu finden. Was bleibt, ist eine Partei, die sich in theoretischen Diskussionen verstrickt und den Kontakt zur Basis verloren hat. Frauen, so scheint es, sind für die SPÖ nur noch ein abstraktes Konzept, das man nach Belieben umdeuten kann, solange es dem eigenen politischen Narrativ dient.

Fazit: Frauen als bloße Statisten in der SPÖ-Theaterinszenierung

Für die SPÖ seid Ihr Frauen nur noch eine Identität, eine Rolle im großen Theater der Politik. Eure realen Anliegen? Sie sind nur noch Beiwerk, nebensächliche Details in einem Spiel, bei dem es um Macht und Deutungshoheit geht. Die SPÖ hat die Differenzierung aufgegeben und dafür ein starres, ideologisches Weltbild angenommen, das keinen Raum mehr für die Realität der meisten Frauen lässt. Solange die Partei die Themen Geschlecht und Geschlechtsidentität derart verwirrt und instrumentalisiert, bleibt sie für viele Frauen irrelevant – ja, geradezu zynisch in ihrem Bestreben, progressiv zu wirken, während sie in Wahrheit an den tatsächlichen Lebensrealitäten vorbeiregiert.


Quellenangaben und weiterführende Links

  • Butler, Judith: Gender Trouble. Routledge, 1990.
  • Arndt, Bettina: The Frailty Myth: Redefining the Physical Potential of Women and Girls. Random House, 2002.
  • Hausen, Karin: Geschlechtergeschichte als Gesellschaftsgeschichte. Fischer, 1993.
  • Trüper, Ulrike: Die Überwindung des Geschlechts: Feministische Ansätze in der Moderne. Suhrkamp, 2015.

Weiterführende Links:

  1. Stanford Encyclopedia of Philosophy: Gender and Identity
  2. [New York Times: The E

Die ewige Farce der Lüge

Eine Gesellschaft im Spiegel des Zynismus

Die Regeln sind ganz einfach, sagt uns Elena Gorokhova, mit der Gewissheit einer Chronistin, die lange genug zugesehen hat, um die Dynamik eines kranken Spiels zu durchschauen. Es ist eine Choreografie, in der Wahrheit und Lüge zu Tanzpartnern werden, die im Takt eines gesellschaftlichen Zynismus‘ über die Bühne gleiten. Lüge und Erkenntnis: das perfekte Duo, das uns schon seit Jahrhunderten in der Illusion gefangen hält, dass das alles irgendwann enden könnte. Aber seien wir ehrlich – das wird es nicht. Es wird nicht enden, weil niemand wirklich will, dass es endet. Wir sind Meister darin geworden, ein Spiel zu spielen, in dem wir die Regeln besser kennen als die Spielleiter selbst. Und so dreht sich das Karussell weiter.

Der Tanz um die Wahrheit: Eine Tragikomödie in mehreren Akten

Wer glaubt, dass die Lüge etwas Verwerfliches ist, hat die Welt noch nicht verstanden. Die Lüge ist das, was uns zusammenhält, was uns morgens aus dem Bett holt und abends ins Bett bringt. Wenn wir aufrichtig wären – wirklich aufrichtig – könnten wir keine fünf Minuten in dieser Welt überleben. Die Wahrheit ist eine Art Virus: tödlich, wenn man sie in Reinform konsumiert. Zum Glück ist das System darauf ausgelegt, uns durchgehend mit einer Dosis wohldosierter Falschheit zu impfen, sodass wir nie ganz an der Realität erkranken. Jeder kennt das Spiel, aber keiner sagt es laut. Schließlich wäre es unhöflich, das fragile Gleichgewicht zu stören, auf dem unsere sozialen Strukturen basieren. Es ist wie beim russischen Roulette: Jeder weiß, dass es eines Tages vorbei sein könnte, aber bis dahin lacht man noch und dreht die Trommel weiter.

Politiker, die neuen Hofnarren

In diesem Theater der Lügen spielen die Politiker die Hauptrolle, die mit feiner Ironie und einem Augenzwinkern immer wieder die gleichen Phrasen dreschen. „Es geht uns allen besser“, sagen sie, während die Inflation uns die Schuhe von den Füßen frisst. „Wir arbeiten an Lösungen“, beteuern sie, während sie in Wirklichkeit an ihren eigenen Karriereleitern schrauben. „Das ist im Interesse des Volkes“, hört man, wenn der nächste Gesetzentwurf über die Bühne geht, der wieder einmal nichts weiter als eine symbolische Beruhigungspille für die Massen ist. Sie lügen, wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem tun wir so, als würden wir ihnen glauben. Warum? Weil das Spiel das verlangt. Weil wir nicht die Rolle des Außenseiters spielen wollen, des Verräters, der das Kartenhaus zum Einsturz bringt.

Politiker sind heute keine Staatsmänner mehr, sondern die Hofnarren unserer Zeit. Sie lenken uns ab, damit wir die Absurdität unseres eigenen Lebens ertragen können. Sie spielen uns vor, dass sie an einem besseren Morgen arbeiten, während sie sich heimlich schon auf den luxuriösen Abend vorbereiten. Und das Beste daran: Wir alle machen mit. Wir lachen über die Witze, klatschen bei den richtigen Stellen und tun so, als ob das, was wir sehen, eine Form von Wirklichkeit wäre. In Wirklichkeit aber wissen wir längst, dass wir die Akteure in einem absurden Theaterstück sind, das kein Ende kennt.

Die moderne Demokratie: Ein makelloser Betrug

Manch einer mag glauben, dass in einer Demokratie die Wahrheit zwangsläufig ans Licht kommt. Eine wunderschöne Vorstellung, nicht wahr? Tatsächlich ist die Demokratie der perfekte Rahmen, um die Lüge zu institutionalisieren. In keiner anderen Regierungsform wird die Kunst des Lügens so geschickt verschleiert und so allumfassend zelebriert. Die Wahlkämpfe sind nichts weiter als ein Wettbewerb der kreativsten Lügen. Der Kandidat, der am überzeugendsten lügen kann, wird belohnt. Es ist wie eine Talentshow, bei der nicht der Sänger gewinnt, der die schönsten Töne trifft, sondern der, der am besten vortäuscht, überhaupt zu singen.

Und wir, die Zuschauer, genießen die Show. Natürlich tun wir das. Denn die Wahrheit wäre zu schmerzhaft. Die Wahrheit würde uns zwingen, die Illusion aufzugeben, dass wir in irgendeiner Weise Kontrolle über unser Leben haben. Also spielen wir mit. Wir gehen wählen, wir diskutieren, wir empören uns – aber am Ende des Tages wissen wir genau, dass es keinen Unterschied macht. Die Demokratie ist eine Fassade, hinter der sich die Lüge geschickt verbirgt. Und doch ist sie notwendig, weil sie uns die Illusion gibt, dass wir frei sind, dass wir mitbestimmen können. Sie ist der sanfte Schleier, der uns vor der unerträglichen Wahrheit schützt: dass wir nur Marionetten in einem Spiel sind, dessen Regeln längst festgelegt wurden.

Der Mensch: Ein Liebhaber der Lüge

Es ist nicht die Politik allein, die diese Farce am Leben hält. Wir Menschen sind von Natur aus anfällig für die Lüge. Vielleicht liegt es in unseren Genen, vielleicht ist es eine kulturelle Errungenschaft. Fakt ist: Wir wollen belogen werden. Die Wahrheit ist zu unbequem, zu hässlich, zu endgültig. Die Lüge hingegen ist flexibel, anpassungsfähig und vor allem tröstend. Sie lässt uns glauben, dass die Dinge vielleicht doch nicht so schlimm sind, dass es Hoffnung gibt, dass am Ende doch alles gut wird.

Wir wissen, dass es nicht so ist, aber das ist egal. Die Lüge ist der Kitt, der unsere fragile Existenz zusammenhält. Sie ist wie ein Rauschmittel, das uns durch den Tag bringt, uns die Kälte der Realität vergessen lässt. Und wie bei jedem Abhängigen ist der Moment der Ernüchterung der schlimmste. Niemand will ihn erleben. Also tun wir alles, um die Illusion aufrechtzuerhalten. Wir belügen uns selbst genauso, wie uns andere belügen. Das ist das Fundament unserer Zivilisation: eine gegenseitige Übereinkunft, dass die Wahrheit zwar irgendwo existieren mag, aber bitte nicht in unserem Alltag.

Die Zukunft: Ein Spiegel der Vergangenheit

Was erwartet uns also in der Zukunft? Eine Rückkehr zur Wahrheit? Natürlich nicht. Warum sollten wir das tun? Die Regeln sind längst geschrieben, und sie haben sich als erfolgreich erwiesen. „Sie belügen uns, wir wissen, dass sie lügen, sie wissen, dass wir wissen, dass sie lügen, aber trotzdem lügen sie weiter, und wir tun weiter so, als würden wir ihnen glauben.“ So war es immer, so wird es immer sein. Es gibt keinen Grund, warum sich daran etwas ändern sollte. Die Lüge ist zu tief in unser gesellschaftliches Gefüge eingewoben, als dass sie jemals verschwinden könnte. Wer glaubt, dass die Wahrheit eine Chance hat, hat das Spiel nicht verstanden. Die Wahrheit wird immer eine Außenseiterrolle spielen, während die Lüge die Bühne dominiert. Aber das ist in Ordnung. Denn, seien wir ehrlich: Ohne die Lüge wäre das Leben unerträglich langweilig.


Quellenangaben und weiterführende Links

  • Gorokhova, Elena: A Mountain of Crumbs. Simon & Schuster, 2010.
  • Orwell, George: 1984. Secker & Warburg, 1949.
  • Arendt, Hannah: Lying in Politics: Reflections on The Pentagon Papers. Harcourt, 1972.
  • Sennett, Richard: The Fall of Public Man. W. W. Norton & Company, 1977.

Weiterführende Links:

  1. Stanford Encyclopedia of Philosophy: Lying
  2. Guardian: The psychology of why people lie
  3. New York Times: Why Politicians Lie

Eine (dumme) Wutrede: WAHLBOYKOTT

Es gibt einen Punkt, an dem die Maske der Politik endgültig fällt, an dem die Inszenierung so durchsichtig und so lächerlich geworden ist, dass die Beteiligung an diesem Theater nur noch als absurde Komplizenschaft betrachtet werden kann. Dieser Punkt ist jetzt erreicht. Die bevorstehende Wahl am 29. September bietet uns eine Gelegenheit, nicht durch unsere Stimmabgabe, sondern durch unser Schweigen eine klare Botschaft zu senden: Wir verweigern uns einer Politikerkaste, die nicht nur unfähig ist, grundlegende Probleme zu lösen, sondern auch eine Verhöhnung all jener darstellt, die von ihren Entscheidungen betroffen sind.

In den letzten Monaten – ja, Jahren – haben wir ein Spektakel erlebt, das mit Politik im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun hat. Statt kluger, weitsichtiger und vor allem menschlicher Entscheidungen, die sich um das Wohl der Bürger sorgen, erleben wir ein Schauspiel der Selbstinszenierung, des Stillstands und der Verachtung. Nehmen wir nur das jüngste Beispiel: In der letzten Sitzung vor der Nationalratswahl schafften es unsere Abgeordneten nicht einmal, parteiübergreifende Beschlüsse zu fassen, die zehntausenden Menschen, deren Existenzen ohne eigenes Verschulden komplett vernichtet wurden, eine unbürokratische Soforthilfe garantieren. Stattdessen saßen sie in ihren Sesseln, applaudierten sich gegenseitig und versuchten, den Schein zu wahren, während das Land buchstäblich unter Wasser steht.

Man sollte meinen, dass nach all den Krisen, die wir in den letzten Jahren durchlebt haben, von der Pandemie bis hin zu dieser verheerenden Naturkatastrophe, unsere Politiker wenigstens gelernt hätten, wie sie angemessen auf Krisen reagieren. Doch stattdessen sehen wir immer wieder dieselbe leere Geste: den Applaus. Applaus für das Pflegepersonal, das in der Pandemie bis zur Erschöpfung gearbeitet hat. Applaus für die Freiwilligen Feuerwehren, die sich in den jüngsten Katastrophen den Gefahren der Fluten entgegengestellt haben, um das zu retten, was die Politik längst aufgegeben hat: die Sicherheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

Applaus, meine Damen und Herren, ist keine Politik. Applaus ist die billigste, leerste Form von Anerkennung, die man sich vorstellen kann. Es kostet nichts, es bringt nichts, und es ändert nichts. Wer in einer solchen Situation lediglich applaudiert, dem fehlt jeglicher Respekt vor der Realität. Der Applaus ist nicht mehr als eine symbolische Ohrfeige für all jene, die sich Tag und Nacht aufopfern, während die sogenannten Verantwortlichen bequem in ihren klimatisierten Büros sitzen und ihre nächste Wahlkampfrede vorbereiten.

Es ist nicht nur ein Versäumnis, es ist eine Verhöhnung. Wie viel mehr kann man eine Bevölkerung eigentlich noch beleidigen, bevor diese endlich begreift, dass es keinen Sinn mehr hat, diesem Zirkus beizuwohnen? Solange wir uns weiter mit Wahlversprechen abspeisen lassen, die niemals eingehalten werden, solange wir weiterhin an das Märchen glauben, dass das Wählen der „kleineren Übel“ irgendetwas an der systemischen Inkompetenz dieser politischen Klasse ändert, solange werden wir nur immer tiefer in dieses Fass ohne Boden rutschen.

Die Freiwilligen Feuerwehren – Menschen, die ihre eigene Sicherheit riskieren, um andere zu schützen. Sie stehen an vorderster Front, wenn die Welt um uns herum brennt. Und was bekommen sie als Dank? Keinen Bonus, keine Entschädigung, nicht einmal eine ernsthafte Jobgarantie, sondern ein symbolisches Schulterklopfen, das nur eines zeigt: Diejenigen, die in der Verantwortung stehen, haben keine Ahnung von den Realitäten, denen die Menschen in den Krisengebieten ausgesetzt sind.

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn die politischen Eliten nicht in der Lage sind, den wahren Helden angemessene Anerkennung zu zollen? Wenn es immer nur bei leeren Gesten bleibt, während die freiwilligen Helfer ihren Alltag opfern, um die Fehler dieser Politik zu korrigieren? Diese Regierung – diese ganze Kaste von Politikern – hat nicht verstanden, dass Verantwortung nicht nur bedeutet, in Krisenzeiten schöne Reden zu schwingen, sondern auch zu handeln. Wer die Menschen, die das Land am Laufen halten, mit ein paar netten Worten abspeist, hat jegliches Recht verloren, sich als Volksvertreter zu bezeichnen.

Und so stehen wir nun vor der Wahl. Oder besser gesagt, vor der Farce, die uns als Wahl verkauft wird. Die Vorstellung, dass wir durch unsere Stimmabgabe irgendetwas ändern könnten, ist in dieser Situation nichts weiter als eine Illusion. Eine Kaste von Politikern, die in den letzten Jahren nichts anderes als Versagen demonstriert hat, soll nun erneut unser Vertrauen gewinnen? Nein, danke. Wir müssen nicht darauf warten, dass sie uns wieder einmal enttäuschen. Wir wissen längst, was uns erwartet eine weitere Runde politischer Inkompetenz.

Die einzig sinnvolle Reaktion auf dieses Spiel ist, das Spiel zu verweigern. Am 29. September sollten wir nicht wählen gehen. Flächendeckend, kollektiv, als Zeichen dafür, dass wir die Nase voll haben von einer Politik, die nichts leistet und trotzdem erwartet, dass wir ihr die Macht über unser Leben anvertrauen. Es gibt Momente, in denen Schweigen die lauteste Form des Protests ist. Und dieser Moment ist jetzt.

Es ist Zeit, den Schleier zu lüften und die Realität zu erkennen: Diese Politikerkaste hat es nicht verdient, wiedergewählt zu werden. Sie hat versagt – in der Pandemie, in der Klimapolitik, in der sozialen Gerechtigkeit und vor allem in ihrer grundlegendsten Aufgabe: für die Menschen da zu sein, wenn sie am meisten Hilfe brauchen. Der Applaus ersetzt keine Taten. Und solange wir uns mit Applaus abspeisen lassen, werden wir weiterhin die Leidtragenden einer Politik sein, die nur sich selbst dient.

Am 29. September sollten wir uns selbst und diesem Land den Gefallen tun: Bleiben wir der Wahl fern. Lassen wir diese Kaste allein mit ihrem Applaus und ihren leeren Versprechungen. Verarschen können wir uns schließlich auch selbst – dafür brauchen wir keine Politiker.