
„Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“
– Bertolt Brecht
Ähnlichkeiten mit bestehenden Staaten sind selbstverständlich rein zufällig.
Die sanfte Selbstzerstörung – aus Rücksicht, aus Haltung, aus Prinzip
Es gibt Untergänge mit Fanfaren und Feuern, solche mit Bomben und Barrikaden – und dann gibt es den deutschen Weg: Der stille Zerfall im Namen der Vernunft. Man betritt ihn nicht mit Getöse, sondern in Turnschuhen, nickend, debattierend, an der Ladesäule wartend. Es ist ein Pfad der gutgemeinten Selbstverneinung, gepflastert mit Idealen, auf denen längst niemand mehr steht, aber über die sich alle artig hinwegbeugen, um auch ja nicht zu stören. Der Irrsinn hat kein Gesicht mehr, keine Uniform, keine Fahne – er trägt heute das Siegel der Anständigkeit. Und wehe dem, der wagt, in den aufgeregten Kreisen der Debattenschickeria zu fragen, ob all das noch irgendeinen Sinn ergibt.
Denn die größte Tugend dieser neuen Welt ist nicht Weisheit, nicht Mut, nicht gar gesunder Menschenverstand – es ist die Kunst des permanenten Rückzugs vor dem Offensichtlichen. Man duckt sich aus Argumenten, flieht in Haltungsfloskeln, vergoldet das Absurde mit moralischem Klarlack. Und währenddessen marschiert der Wahnsinn weiter, höflich, nachhaltig, gendergerecht.
Krieg I: Der gegen die Realität – erfolgreich verloren
Der erste Krieg war jener gegen die Tatsachen. Er begann harmlos, mit Begriffsumdeutungen, mit netten Gesten und einer Prise Empörung auf Twitter. Es war die Zeit, als man begann, nicht mehr das zu sagen, was ist, sondern das, was sein sollte, wenn alles anders wäre, am besten schöner, reiner, gerechter. Realitätsverweigerung wurde zur Tugend erklärt, zur moralischen Notwehr gegen das Grauen der Wirklichkeit. Wenn die Mieten steigen, schafft man Mietendeckel. Wenn die Strompreise explodieren, erklärt man das zur notwendigen Opfergabe auf dem Altar des Planeten. Und wenn Migration nicht funktioniert, ändert man nicht die Politik, sondern die Definition von Integration.
Die Realität aber, zäh wie sie ist, ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie kam durch die Hintertür zurück – in Gestalt von kalten Klassenzimmern, stillgelegten Kernkraftwerken, an Grenzen kollabierenden Verwaltungen und Rentnern, die sich zwischen Heizung und Abendessen entscheiden müssen. Aber anstatt innezuhalten, wurde nachgelegt. Der Krieg gegen das Reale war nicht zu gewinnen – also erklärte man ihn zum Sieg.
Krieg II: Der gegen die Geschichte – dekorativ revisionistisch
Der zweite Krieg galt der Vergangenheit. Nicht jener düsteren, mit der Deutschland sich zu Recht seit Jahrzehnten schmerzhaft, gründlich und eindrücklich befasst hat, sondern jener breiten historischen Wirklichkeit, die vor lauter moralischer Maniküre kaum mehr zu erkennen ist. Die Geschichte wurde zu einem Disney-Film mit schlechter Regie: edle Opfer, böse Täter, kein Graubereich, keine Widersprüche – alles muss passen ins große Theater der Erbauung. Helmut Schmidt? Raucher. Adenauer? Patriachat. Goethe? Kolonialistisch kontaminiert. Kant? Fragwürdig. Schiller? Männlich. Wagner? Ohnehin erledigt.
So wird ein Volk, das sich einst durch Erinnerungskultur definierte, zu einer Kultur ohne erinnerbare Tiefe. Statt Lehren aus Geschichte zu ziehen, werden Namen von Schulen getilgt, Straßenschilder umgepinselt, Denkmäler umgewidmet. Der historische Diskurs degeneriert zur postmodernen Entrümpelungsshow. Was bleibt, ist ein leerer Raum – ideal für neue Narrative, praktisch für eine Gesellschaft, die sich jeden Tag neu erfinden muss, weil sie ihr Gestern für peinlich hält und ihr Morgen für unproblematisch.
Krieg III: Der gegen das Selbst – mit voller Hingabe
Und nun der dritte Krieg. Der finale. Der gegen das Eigene, das Nationale, das Konkrete. Und damit: der Krieg gegen das Überleben. Denn wenn ein Gemeinwesen sich nicht mehr erlaubt, sich selbst zu denken – dann hat es bereits aufgehört zu existieren. Deutschland, einst durch Identität geformt und durch Verantwortung genährt, ist heute ein Land, das sich schämt, zu sein. Alles, was deutsch klingt, muss relativiert werden. Einwanderung ist kein Problem, sondern eine Chance, auch wenn sie nicht funktioniert. Sprache ist nicht Ausdruck, sondern Tatwaffe. Grenzen sind nicht Schutz, sondern Rückfall. Selbstkritik wird zur Selbstverleugnung. Und der Bürger? Der Bürger wird zum Betreuten, zum Teilnehmer, zum Schweigenden.
Das Land wird aufgelöst wie eine Brausetablette in der heißen Brühe seiner eigenen Schuldgefühle. Was nicht sofort auf globaler Ebene Gültigkeit beansprucht, hat hier keine Berechtigung mehr. Nationales Interesse? Völkisch! Leistung? Sozial kalt. Autorität? Faschistoid. Und während die Polizei das Gendern lernt, kämpfen Alleinerziehende mit Formularen, und Lehrer mit der Grammatik ihrer Schüler.
Die Rückkehr des Karthago-Moments
Karthago war eine stolze Stadt. Handelsreich. Strategisch klug gelegen. Dreimal hatte es die Stirn, Rom herauszufordern. Am Ende stand kein Kompromiss, kein Runder Tisch, kein „Bündnis für Nachhaltigkeit“. Am Ende stand: Salz in der Erde. Vergessen.
Die Parallele ist – rein zufällig. Deutschland führt seine Kriege nicht gegen äußere Feinde. Es führt sie gegen sich selbst. Mit Verwaltungsakten, mit Talkshows, mit der Unterschrift unter jedes noch so absurde Abkommen. Es führt sie mit grünem Lächeln, unter Genderfahnen, im Takt der Empörungswelle. Die Panzer sind Phrasen, die Granaten sind Narrative, das Giftgas: Konsensdruck. Und der Rauch, der aufsteigt, ist der aus den Resten eines öffentlichen Diskurses, der früher einmal durch Widerspruch lebte.
Ein letzter Versuch der Ironie – oder: Brecht hätte gelacht (geweint)
Wenn man heute sagt: „Das ist Wahnsinn“, antworten sie: „Nein, das ist Fortschritt“. Wenn man fragt: „Wohin führt das?“, sagen sie: „Nach vorne.“ Und wenn man dann, vorsichtig, auf das Offensichtliche zeigt – auf das knirschende Fundament, die bröckelnde Infrastruktur, die zersetzte Sprache, das fehlende Personal, das explodierende Defizit, die symbolbesoffene Gesetzgebung – dann kommt der letzte Satz, das finale Totschlagargument: „Aber was ist die Alternative?“ Und so steht man da, schweigend, unter einem Windrad, mit schlechtem Netz und einer kalten Dusche – und versteht Brecht.
Das große Karthago…
Deutschland nach dem ersten Krieg – noch mächtig, aber verwirrt.
Nach dem zweiten – noch bewohnbar, aber unkenntlich.
Und nach dem dritten?
Vielleicht noch da. Aber ohne sich selbst.