Zwischen Sprachgewalt und Rechtsstaat – Die selektive Empörung

Einleitung in die gepflegte Absurdität

Es ist ein Land, das sich rühmt, aus der Geschichte gelernt zu haben – und sich dabei in grotesker Wiederholung selbst karikiert. Die Bundesrepublik Deutschland, demokratischer Rechtsstaat, Hort der Meinungsfreiheit und Bastion der Würde des Menschen, sofern dieser Mensch die richtige Gesinnung, das passende Parteibuch und eine lupenrein linksrotgrüngewaschene Moralagenda mitbringt. Denn wehe, wehe, wenn er anders denkt, spricht, wählt – oder schlimmer noch: AfD-Mitglied war. Dann wird aus der Würde eine variable Größe, aus dem Recht ein Gummiband, und aus dem „wehrhaften Rechtsstaat“ ein dressiertes Zirkuspferd, das auf Zuruf selektive Pirouetten dreht.

Im Zentrum des neuen Justiz-Kabaretts: die ehemalige AfD-Politikerin Joana Cotar, Zielscheibe eines Beleidigungsmarathons mit dem liebevoll-flapsigen Titel „Nazinutte“. Ein Wort, das in seiner widerwärtigen Doppeldeutigkeit so tief unter die Gürtellinie kriecht, dass selbst ein Schlangenbeschwörer neidisch würde. Strafantrag gestellt. Staatsanwaltschaft: „Och nö.“ Kein öffentliches Interesse. Kein Anfangsverdacht. Man wolle sich die Mühe der Rechtsstaatlichkeit offenbar nicht machen, wenn das Opfer das Falsche vertritt. Anders beim grünen Heilsbringer Habeck, den ein Wutbürger zum „Schwachkopf Professional“ erklärte – ein Kalauer mit Haarpflege-Tiefgang und politischem Schaumfestiger. Doch siehe da: Hausdurchsuchung, Computer beschlagnahmt, mediale Prangerbank reserviert.

Wenn die Justiz zur Gesinnungspolizei wird

Es ist die moralisch aufgeladene Relativitätstheorie des deutschen Strafrechts: Dieselbe Tat wird je nach ideologischer Windrichtung zur Bagatelle oder zur Staatsaffäre hochgejazzt. Man kennt es aus den Talkshows: Wenn Rechte pöbeln, ist es Hassrede. Wenn Linke pöbeln, ist es Satire. Wenn Klimakleber blockieren, ist es ziviler Ungehorsam. Wenn Spaziergänger demonstrieren, ist es Reichsbürgertum. Und wenn jemand wie Joana Cotar als „Nazinutte“ tituliert wird, dann zuckt man allenfalls müde die Achseln – was hatte sie auch erwartet, so als Ex-AfDlerin? Wer sich freiwillig in den medialen Schwefelkessel setzt, darf sich nicht wundern, wenn’s da drin brodelt. Doch so funktioniert ein Rechtsstaat eben nicht. Oder sollte es nicht.

TIP:  Krankenstand, Teilzeit, Arbeitsmoral

Die Unterscheidung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbarer Beleidigung ist eigentlich ein hohes Gut, fein justiert auf dem schmalen Grat zwischen Redefreiheit und Persönlichkeitsrecht. Doch inzwischen scheint diese Gratwanderung eher eine Einbahnstraße zu sein – mit einem dicken „Zutritt nur für moralisch Reine“-Schild am Eingang. Medienanwalt David Geßner bringt es auf den Punkt: Das Cotar-Zitat sei eindeutig beleidigend. Kein Witz, keine Satire, keine Kunstfreiheit, die da noch rettend eingreifen könnte. Und doch: Keine Konsequenz. Der Rechtsstaat macht sich klein, wenn er eigentlich groß sein müsste – weil er Schiss hat, auf der falschen Seite zu stehen. Oder schlimmer noch: weil er längst Partei geworden ist.

Die Dialektik der Doppelmoral

Man stelle sich einmal die umgekehrte Szene vor: Ein grüner Politiker wird auf offener Bühne „linksversiffter Ökonazi“ genannt – von einem rechten YouTuber mit Deutschlandfähnchen im Profilbild. Die Empörungswelle würde Tsunami-ähnliche Höhen erklimmen. Talkshows würden Sondersendungen veranstalten, die ARD würde eine Doku drehen mit dem Titel „Hass hat ein Gesicht – Wie rechte Sprache unsere Demokratie zersetzt“, und die Bundeszentrale für politische Bildung würde das Pamphlet in Comicform an Schulen verteilen. Aber wenn Cotar beleidigt wird, dann heißt es bestenfalls: „Naja, man muss ja nicht gleich alles juristisch klären…“

Es ist diese asymmetrische Empfindlichkeit, die das politische Klima so toxisch macht. Es geht längst nicht mehr darum, was gesagt wird, sondern wer es sagt – und gegen wen. Aus der Verfolgung von Straftaten wird moralisch motivierte Exekution oder selektive Toleranz. Und das ist gefährlich. Denn wer die Gleichheit vor dem Gesetz schleift, der fräst das Fundament der Demokratie an. Mit jeder nicht verfolgten Beleidigung gegen die falsche Person wird die Botschaft ausgesendet: Es gibt Bürger erster und zweiter Klasse. Oder wie man es in neuen Sprachregelungen formulieren könnte: privilegierte Narrative und toxische Mindermeinungen.

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