Wohin steuern wir?

Europas innere Front als Theater der Absurdität

Europa steuert nicht, nein, es taumelt, stolpert in die Zukunft, als ob es einen Kompass hätte, der ausschließlich aus Angst, bürokratischem Furor und rhetorischer Eleganz zusammengesetzt wäre. Frankreich verkündet mit feierlicher Nüchternheit, dass das Gesundheitssystem ab sofort „Kriegsmodus“ erreicht, und man kann kaum übersehen, dass dieser Modus eine Mischung aus Horrorvision, logistischer Meisterleistung und absurdem Theater ist: Zehntausende Verwundete, mobile Lazarette an Häfen und Flughäfen, nationale Reserven, die so geheim sind, dass selbst die Akten darüber die Lesebrille der Vernunft benötigen. Doch wessen Krieg wird hier vorbereitet? Offiziell heißt es: die Frontlinien Osteuropas. In Wahrheit ist die Sprache der Regierung so doppeldeutig wie die französische Küche: elegant, schwer verdaulich und voller versteckter Zutaten. Man spricht vom Feind draußen, doch er sitzt längst auf dem Bürgersteig vor der Metro, in den Banlieues, in den urbanen Zonen, die seit Jahren wie schwelende Minen auf jede unbedachte Bewegung warten.

Die doppelte Sprache der Macht und der kultivierte Panikmodus

Die Kriegsrhetorik ist kein Zufall, sie ist eine strategische Theateraufführung. Wer von Moskau spricht, darf nicht von Marseille reden. Wer den Feind im Osten heraufbeschwört, muss nicht über die zerbrochenen Loyalitäten, die Proteste, die Gelbwesten und die urbanen Explosionen sprechen. Gleichzeitig verschafft diese Rhetorik den Regierenden die Legitimation, Ressourcen zu mobilisieren, Budgets in Milliardenhöhe freizuschaufeln, Notfallkapazitäten zu errichten – offiziell gegen äußere Aggression, inoffiziell gegen die eigene Bevölkerung, die schon lange gelernt hat, dass die Stadt die Frontlinie ist, selbst wenn kein Panzer in Sicht ist. Frankreich bereitet sich vor, Deutschland verhüllt die gleiche Angst in technokratischen Formeln: „kritische Infrastruktur“, „Resilienz“, „Rahmenpläne“. Alles klingt nüchtern, administrativ, wie das Vorspiel einer Bürokratie, die den eigenen Untergang in Excel-Tabellen zu messen versucht.

Krieg und Aufstand: die Gleichung der Unsicherheit

Hier offenbart sich ein paradoxer Kern: Krieg und Aufstand sind längst keine Gegensätze mehr. Die Betten, die Frankreich zählt, könnten sowohl für Gefechte an der Ostfront als auch für Straßenschlachten in den Vorstädten bestimmt sein. Die Metropolen Europas werden zu einer Art simultanem Schlachtfeld, wo Verwundete auf beiden Seiten der vermeintlichen Front landen, wo Panik und Organisation, Propaganda und Panade ineinanderfließen wie Remoulade auf Fischstäbchen – nur dass hier keine kulinarische Freude, sondern gesellschaftliche Panik serviert wird. Und wer es nüchtern betrachtet, erkennt, dass die eigentliche Schlacht nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb der eigenen Städte, Krankenhäuser und Köpfe stattfindet.

TIP:  Die stille Revolution der Grenzenlosigkeit

Ein Dokument der Zerrissenheit und der absurden Selbsttäuschung

Frankreichs Schreiben vom 18. Juli 2025 ist somit mehr als ein Plan für militärische Evakuierungen oder Lazarette. Es ist ein Dokument der Unsicherheit, der inneren Zerrissenheit Europas, der Fähigkeit, sich selbst zu belügen, während man sich auf „den Ernstfall“ vorbereitet. Die größte Schlacht der kommenden Jahre wird nicht an der Grenze geführt, sondern in den Herzen der Metropolen – in Krankenhäusern, die gleichzeitig Lazarett, Theaterbühne, Bühne der Panik und Spiegel innerer Zerwürfnisse sind. Europa inszeniert sich selbst als Akteur in einem Krieg, dessen Feind, so scheint es, längst nicht mehr greifbar ist. Er wohnt in den eigenen Straßen, in den eigenen Strukturen, in der subtilen, fast schon komischen Widersprüchlichkeit der politischen Sprache. Wer hier überlebt, wird nicht nur an Mut, sondern an satirischer Resilienz gemessen.

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