Wiener Solidarität im Dauerbetrieb

Man muss schon ein besonderes Talent besitzen, um in einer Stadt, die seit nunmehr fast einem Jahrhundert von der sozialdemokratischen Weisheit durchregiert wird, stolz zu verkünden, dass es weiterhin warme Mahlzeiten für Bedürftige gibt. Man könnte fast meinen, die Ankündigung, dass in Wien Menschen in Not satt werden, sei eine Sensation, eine Errungenschaft epischen Ausmaßes, als hätte man gerade den Heiligen Gral aus dem Neusiedler See gefischt. Es ist eine Meisterleistung der politischen Rhetorik: So zu tun, als sei die Existenz von Wärmestuben und Notquartieren ein Beweis für fortschrittliches, visionäres Handeln, während man doch lediglich das Offensichtliche, das schon lange selbstverständlich sein sollte, in triumphalem Ton verkündet. Dass in dieser Stadt, in der die rote Fahne schon länger weht als so manche Straßenlaterne funktioniert, Menschen noch immer auf tägliche warme Mahlzeiten angewiesen sind, könnte man als kleinen Schönheitsfehler der „großen roten Utopie“ interpretieren – aber nein, man feiert es als sozialen Erfolg.

Die triumphale Selbstverständlichkeit

„Wien bleibt eine Stadt der Solidarität!“ – welch fulminante Phrase, wie aus einem kitschigen Imagefilm der 1960er Jahre. Die Solidarität wird hier also nicht etwa gelebt, sie wird verkündet, inszeniert und auf Plakaten großgeschrieben. Die Botschaft ist klar: Wir lassen niemanden zurück – zumindest nicht in den offiziellen Dokumentationen der Stadtverwaltung, nicht in den warmen Räumen der Subventionen. Wer jedoch schon einmal in einer Wiener Wärmestube stand, weiß, dass Solidarität auch etwas mit Pragmatismus, Ressourcenplanung und gelegentlicher Hektik zu tun hat. Dass man diese existenzielle Notlage, die wie ein ungebetener Gast seit Generationen an der roten Regierungstafel sitzt, mit Stolz als Erfolg kommuniziert, ist ein rhetorisches Kunststück, das man in der Wiener politischen Schule wohl als „Hofklatschen mit Zynismus“ bezeichnen könnte.

Der poetische Widersinn der Jahrzehnte

Und während Stadtrat Hacker, wie einst Don Quijote gegen die Windmühlen, die Errungenschaften von Wärmestuben, Notquartieren und Kältetelefonen lobt, drängt sich der Gedanke auf: Wäre es nicht weitaus spektakulärer, einmal zu verkünden, dass diese Strukturen – nach nur 100 Jahren roter Herrschaft – nicht mehr nötig seien? Dass Wien endlich die Utopie einer Stadt realisiert hat, in der niemand in Armut leben muss, niemand hungern muss, und niemand auf den Komfort einer Wärmestube angewiesen ist? Ach, welch triumphales Bild! Stattdessen feiern wir, dass wir das Minimum noch immer erreichen. Das ist, als würde ein Marathonläufer nach 42 Kilometern und einigen Stolperern jubelnd die Ziellinie überqueren und dabei betonen, dass er immerhin auf beiden Beinen angekommen ist.

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Satire als städtische Notfallmaßnahme

Man muss dem Humor dieser Inszenierung fast dankbar sein, wenn man die bittere Ironie der Lage begreift. Die Stadtregierung preist die Normalität als Sieg, den Überlebenskampf als sozialen Triumph und die Fürsorgepflicht als revolutionäres Ereignis. Ein Augenzwinkern, ein rhetorisches Schulterklopfen, und schon fühlt sich der Bürger in der Wiener Großzügigkeit aufgehoben, während er heimlich fragt, warum er nach all den Jahrzehnten roten Glanzes immer noch in einer Notlage existieren kann, die man doch angeblich besiegt hat. Satire, in diesem Fall, wird zur letzten Rettungsleine: Man kann lachen, weil man sonst weinen müsste, und man kann applaudieren, weil man sich fragt, ob jemand eigentlich den Unterschied zwischen Pflicht und Heldentum kennt.

Das Endspiel der warmen Mahlzeiten

Am Ende bleibt die Frage, die man sich leise, aber unaufhörlich stellen muss: Wann wird Wien endlich die warme Mahlzeit der politischen Selbstzufriedenheit gegen eine warme Mahlzeit der tatsächlichen Gerechtigkeit eintauschen? Wann verkündet ein Stadtrat nicht, dass es weiterhin Hilfe gibt, sondern dass Hilfe nicht mehr notwendig ist, weil die Stadt ein System entwickelt hat, in dem niemand zurückbleiben muss? Bis dahin werden wir weiter applaudieren, Wärmestuben aufsuchen, Notquartiere nutzen und Kältetelefonate führen, während uns das stille, ironische Lächeln begleitet: ein Lächeln, das sagt: Danke, dass Sie das Offensichtliche als Heldentat feiern.

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