Wiener Gericht erkennt Scharia an

Die Wiener Melange aus Rechtsstaat und Religionsgesetz

Man stelle sich die Szene vor: Zwischen Mehlspeisen und Melange, irgendwo in einem ehrwürdigen Wiener Kaffeehaus, blättert ein Richter in seinen Akten. Zwischen § 879 ABGB und den neueren Judikaten zum Mietrecht taucht plötzlich ein Dokument auf, das eher in die Bibliothek einer Koranschule gehört. Die Scharia – nicht als exotisches Studienobjekt der Rechtsvergleichung, sondern als ernstzunehmende Rechtsgrundlage für einen in Österreich wirksamen Schiedsspruch. Und was macht der Richter? Er winkt es durch. Kein Widerspruch zu den Grundwerten! Keine kulturelle Inkompatibilität! Alles paletti, nur halt ein bisschen anders gewürzt.

Das klingt wie der Anfang eines schlechten Witzeabends: Treffen sich ein österreichischer Richter, ein Imam und ein säumiger Schuldner… Doch der Pointe entbehrt es nicht: 320.000 Euro, rechtskräftig, nach bestem Wissen, Gewissen und – Allahu Akbar! – nach Billigkeit.

Das Juristische „Anything Goes“

Man könnte fast meinen, Österreich sei ein Land, in dem man sich sein eigenes Rechtssystem wie eine Pizza zusammenstellen darf: etwas BGB als Tomatensauce, ABGB als Käse, oben drauf ein wenig Scharia, und wer mag, würzt noch mit einem Hauch Talmud oder einer Prise römisch-katholischem Kirchenrecht. Wichtig ist nur, dass es den Grundwerten nicht widerspricht – was auch immer diese sagenumwobenen Grundwerte sein mögen.

Das Gericht hat nämlich mit nobler Zurückhaltung darauf verzichtet, die Scharia inhaltlich zu überprüfen. Man will ja nicht unhöflich sein, schließlich ist Wien die Stadt der gepflegten Zurückhaltung: Beim Heurigen fragt man auch nicht nach dem Traubenzuckerwert im Grünen Veltliner. Warum also kleinkrämerisch im Koran nachschlagen, wenn’s um 320.000 Euro geht?

Das Missverständnis namens „Grundwerte“

Der Begriff „Grundwerte“ ist so dehnbar wie der Gummizug einer zu oft getragenen Jogginghose. In den Sonntagsreden der Politiker wird er beschworen, im Gerichtssaal ist er plötzlich so biegsam, dass selbst die Scharia durchpasst.

Natürlich: Man muss den Richtern zugutehalten, dass es bei der Entscheidung um Vermögensrecht ging. Kein Steinigen, keine Handabhackung, kein modischer Hijab-Zwang für die Prozessbeteiligten. Rein pekuniär. Aber wenn schon der schnöde Mammon durch islamisches Recht gedeckt werden darf – was kommt als Nächstes? Scheidungsrecht nach Sure 4, Vers 34? Oder ein Mietrechtsstreit, der damit endet, dass der Vermieter die Mieterin als „ungehorsam“ erklärt und aus der Wohnung prügelt – selbstverständlich „nach Billigkeit“?

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Österreich, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten (solange sie kafkaesk sind)

Man erinnert sich: Österreich ist jenes Land, in dem man nicht einmal im Wirtshaus mehr rauchen darf, weil es die Grundwerte – sprich: die Volksgesundheit – gefährdet. Aber offenbar darf man sich per Vertrag einem mittelalterlichen Religionsrecht unterwerfen, und das verstößt dann nicht gegen die Grundwerte. Eine Zigarette im Beisl? Rechtswidrig! Die Scharia im Gerichtssaal? Rechtskräftig! Man könnte fast meinen, der Qualm einer Marlboro ist gefährlicher für die Demokratie als die Billigkeitsurteile eines Schiedsrichters mit Koran auf dem Pult.

Der Österreicher und sein Verhältnis zur Absurdität

Vielleicht ist das alles nur der logische Endpunkt einer Kultur, die seit Jahrhunderten mit Absurdität kokettiert. Der Wiener Schmäh besteht ja darin, das Tragische ins Komische zu ziehen und das Komische ins Tragische. Und so lacht man schulterzuckend über die juristische Kuriosität, während man innerlich denkt: Na servas, wohin geht denn das noch?

Der Österreicher reagiert auf solche Nachrichten ohnehin mit dem klassischen Dreiklang: Zuerst ein empörtes „Geh, das gibt’s ja net!“, gefolgt von einem lakonischen „Jo eh, wurscht.“ und schließlich einem resignierten „So samma hoid.“

Das große Experiment: Recht als Baukasten

Man könnte fast vorschlagen, die neue Rechtsvielfalt zu institutionalisieren. Warum nicht ein „Juristisches All-you-can-eat“-Buffet? Jeder Bürger wählt bei Vertragsabschluss sein Lieblingsrecht:

  • Scharia für all jene, die Wert auf Tradition legen.
  • Kirchenrecht für katholische Nostalgiker.
  • Römisches Recht für Altphilologen mit Flair.
  • Star Trek-Primärdirektive für die Nerds.

Am Ende entscheidet das Landesgericht Wien, ob’s eh nicht gegen die Grundwerte verstößt. Und falls doch: Man hat ja immer noch die Möglichkeit, das Urteil in eine Melange aus ABGB und Scharia umzuschreiben.

Die Satire schreibt sich selbst

Manchmal bedarf es gar keiner satirischen Zuspitzung. Man muss nur den Zeitungsausschnitt lesen: „Wiener Gericht erkennt Scharia an, kein Verstoß gegen Grundwerte.“ Der Rest schreibt sich von selbst – so wie eine kabarettistische Nummer von Josef Hader, nur dass diesmal das Kabarett nicht auf der Bühne, sondern im Gerichtssaal gespielt wird.

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Und man fragt sich: Wenn die Realität derart grotesk daherkommt – was bleibt dann noch der Satire? Vielleicht nur ein resigniertes Lächeln, ein Kopfschütteln und der Gedanke: Österreich ist wieder einmal über sich hinausgewachsen. Leider nicht nach oben.

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