
Was braucht man, um Vize-Chef einer europäischen Bank zu werden? Fachkenntnis? Ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, vielleicht gar internationale Finanzpraxis, ein paar durchlebte Quartalsbilanzen, ein Jahrzehnt zwischen Börsenkrach und Aufsichtsrat? Nicht in Österreich. Nicht in der EU. Und vor allem nicht, wenn es um Posten geht, die so gut bezahlt sind, dass selbst ein Hedgefondsmanager sich diskret die Augen reibt. Karl Nehammer, ein Mann, dessen ökonomische Erfahrung nachweislich darin besteht, zu wissen, dass Geld existiert, soll künftig den Vize-Vorsitz einer EU-Bank übernehmen. Warum? Weil er weiß, wer in Brüssel mit wem zu Mittag isst. So jedenfalls die inoffizielle Begründung – die offizielle dürfte irgendwo zwischen „Anerkennung seiner Leistungen“ und „Stärkung der österreichischen Position in Europa“ liegen. Mit anderen Worten: Geschwurbel im Maßanzug.
Nehammer, gelernter Kommunikationssoldat, passionierter Durchhalteappellierer, ist nicht als Banker aufgefallen, sondern als rhetorische Nebelkerze auf zwei Beinen. Seine Kompetenz in Finanzfragen gleicht der eines Bauerns beim Mikrochipsortieren – aber er war halt da. Und loyal. Und verfügbar. Und irgendwann musste man ihn ja unterbringen – also, warum nicht dort, wo’s still ist, prestigeträchtig, und wo man, wenn man brav lächelt, 31.000 Euro im Monat bekommt, exklusive Spesen, exklusive Status, exklusive Realitätsverlust?
Der österreichische Postenschacher – eine Operette in Moll
Die SPÖ, die sich neuerdings wieder als moralischer Notausgang der Republik präsentiert, spielt brav mit: Der Deal ist einfach, klassisch, österreichisch. Die ÖVP darf ihren abgehalfterten Ex-Kanzler parken, die SPÖ bekommt dafür das Finanzministerium – ein Tauschgeschäft, wie es sich Josef II. nicht schöner hätte ausdenken können, barock, verlogen, aber immerhin effizient. Und am Ende – das ist das eigentlich Tragische – sind alle zufrieden. Nur der Bürger, also der Zahler, also der, der nicht gefragt wurde, sitzt da und darf ausrechnen, wie viele Kindergartenplätze, Pflegekräfte oder Klohäuschen man mit 31.000 Euro monatlich betreiben könnte.
Es ist die alte Kunst des politischen Tauschhandels: Du gibst mir dein Amt, ich geb dir meinen Mann. Das ist kein Skandal – das ist gelebte Realverfassung. In Österreich geht Macht nicht verloren, sie wird recycelt. Und manchmal landet sie eben in Brüssel, diesem großen Friedhof gescheiterter Innenpolitiker, wo man seinen Lebensabend damit verbringt, im „European Bubble Bistro“ über „Governance-Strukturen“ zu parlieren, während draußen echte Menschen echte Probleme haben.
Von Null auf Kontenstand: Karriere ohne Kompetenz
Man stelle sich vor, ein einfacher Bürger bewirbt sich auf einen hochdotierten Spitzenposten im Bankensektor. Ohne Ausbildung. Ohne Praxis. Ohne Qualifikation, außer vielleicht: Ich habe beim Budgetausschuss öfter genickt. Der Lebenslauf würde im ersten Rundordner landen – und zwar dem mit dem Etikett „Papierkorb“. Aber in der Politik gelten andere Maßstäbe. Nicht Können zählt, sondern Zugehörigkeit. Netzwerke. Loyalität. Die Fähigkeit, stillzuhalten, wenn’s peinlich wird, und laut zu werden, wenn’s taktisch ist. Nehammer hat das perfektioniert: Er war nie der Scharfmacher, nie der Strippenzieher – er war immer das Gesicht vor dem Vorhang. Der Mann, der sagt, was andere sich nicht trauen – oder nicht merken, dass man es besser lassen sollte. Und dafür wird man belohnt. Nicht mit Anerkennung, aber mit Alimentierung.
Die EU-Bank ist kein Ort für Banker mehr – sie ist ein Lazarett für Karrieren, ein politisches Endlager, ein Hochsicherheitstrakt für Unbrauchbares mit Parteibuch. Dort sitzen Menschen, die Europa gestalten sollen, aber nicht einmal ein Haushaltsbuch führen könnten, ohne sich über das Minus zu wundern. Und währenddessen verkünden sie in feierlichen Broschüren, dass „wirtschaftliche Resilienz“ und „nachhaltige Investitionen“ die Zukunft seien – ohne zu erklären, was das eigentlich ist. Muss man auch nicht. Die Sprache der Eurokratie funktioniert wie Weihrauch: Undurchsichtig, aber irgendwie bedeutungsvoll.
„Bezahlt wird’s von uns.“ Oder: Demokratie als Geschäftsmodell
Natürlich – und das ist der schönste Hohn in dieser ganzen Posse – wird das alles finanziert von uns. Den Steuerzahlern. Den Idioten der Demokratie. Denjenigen, die tatsächlich glauben, mit einer Wahlstimme würden sie mitbestimmen, wer was wann wo macht. Aber Wahlen sind in der politischen Wirklichkeit nichts als Kulissenwechsel. Die Schauspieler bleiben dieselben. Nur ihre Kostüme ändern sich – mal Kanzler, mal EU-Banker, mal Aufsichtsrat, mal Experte in eigener Sache.
Was für ein Geschäftsmodell: Du ruinierst deine Glaubwürdigkeit in der Innenpolitik und wirst dafür mit einem hochdotierten, risikofreien Auslandsjob belohnt. Kein Unternehmen der Welt würde so operieren – außer, es wäre ein Staatsbetrieb. Und genau das ist der feuchte Traum aller Parteistrategen: Ein Staatswesen, das sich selbst verwaltet wie eine Erbengemeinschaft auf Valium.
Historischer Nachhall oder: Metternich lächelt aus dem Off
Es hat Tradition in Österreich, dass politische Ämter keine Aufgabe, sondern ein Besitz sind. Von Metternich über Kreisky bis zu Faymann wurde Politik stets als Form der elitären Eigenverwaltung verstanden. Wer einmal oben ist, bleibt oben – auch wenn er fällt. Die Fallhöhe wird abgefedert von Parteinetzwerken, Loyalitätsprogrammen und einer Öffentlichkeit, die so abgestumpft ist, dass sie Korruption nur noch dann erkennt, wenn jemand wirklich den Koffer voller Geld fotografiert.
Karl Nehammer reiht sich nahtlos in diese Tradition ein: kein Fürst, kein Revolutionär, kein Visionär – aber ein Mann des Apparats. Ein Teil des Problems, das sich selbst als Lösung tarnt. Wäre er in einem anderen Jahrhundert geboren, säße er heute vermutlich im Schatten eines Fürsten und würde dessen Kutschenfahrplan organisieren. Heute organisiert er halt „europäische Investitionsstrategien“. Inhaltlich macht das keinen großen Unterschied.
Schlussakkord in B-Moll: Wenn Scheitern Karriere ist
Und so endet diese kleine österreichische Tragödie nicht mit Empörung, sondern mit Achselzucken. Der Bürger hat sich längst daran gewöhnt, dass Leistung in der Politik ungefähr so viel zählt wie Ehrlichkeit auf einer Parteispende. Es ist alles ein Spiel – und Karl Nehammer hat gelernt, wie man es spielt. Nicht gut. Nicht glaubwürdig. Aber effizient.
Der Deal? Er steht. Die SPÖ bekommt ein Ministerium, die ÖVP bekommt ihren Ex-Kanzler entsorgt, Europa bekommt eine neue Investitionsfigurine – und wir bekommen die Rechnung. Wie immer.
Und am Ende, wenn wir unsere Steuererklärung ausfüllen, dürfen wir uns leise fragen: Wer isst eigentlich heute mit wem zu Mittag in Brüssel?