Wenn der Songcontest sich „reinwäscht“

Vorspiel auf offener Bühne

Es gibt Dinge, die klingen so absurd, dass man sie nur mit einer Schale Wiener Melange in der Hand und einem gehörigen Schuss Sarkasmus ertragen kann. Die Vorstellung etwa, Israel aus dem Eurovision Song Contest auszuschließen, während Wien sich gleichzeitig als festlich geschmückte Gastgeberin dieser kulturpolitischen Farce anbiedert, gehört genau in diese Kategorie. Ein ESC ohne Israel ist wie ein Walzer ohne Takt, ein Schnitzel ohne Panier oder eine Sachertorte ohne Aprikosenmarmelade – möglich, aber geschmacklos.

1. Der falsche Ton: Warum ein Ausschluss Israels ein fatales Signal wäre

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Israel aus einem Wettbewerb auszuschließen, der sich selbst mit dem Heiligenschein der Völkerverständigung schmückt, wäre nicht nur ein Treppenwitz der Geschichte, sondern ein zynischer Purzelbaum durch alle Grundwerte, die man in Sonntagsreden so gerne beschwört. Man kann Netanyahus Politik kritisieren, man kann mit Leidenschaft gegen militärische Exzesse protestieren – aber man lädt nicht die Sängerinnen und Sänger aus, als seien sie die diplomatischen Sündenböcke der Nation. Kunst und Politik zu trennen ist schwer, gewiss. Aber wer Künstler*innen für Regierungsentscheidungen abstraft, entlarvt sich als willfähriger Vollstrecker einer perfiden Logik: Kollektivschuld als Showprogramm.

2. Wien, Kulturweltstadt oder Kulissenschieber?

Was bliebe von Wien, wenn es sich vor diesen Karren spannen ließe? Die Stadt, die sich gerne als Opernball der Weltkultur versteht, würde plötzlich zur Marionette eines Polit-Spektakels degradiert. Statt Walzerseligkeit gäbe es moralinsaure Statements; statt Strauß und Schrammelklang dröhnt die dumpfe Basslinie der Gesinnungskontrolle. Wer Wien kennt, weiß: Diese Stadt hat Erfahrung darin, sich feierlich selbst zu inszenieren. Aber diesmal ginge es nicht um Kaffeehaus-Charme, sondern um die schäbige Rolle einer Komparsin, die mit einem frisierten ESC-Logo das Feigenblatt für eine Ausladung liefert, die man nicht beim Namen nennen will.

3. Die heikle Neutralität – Österreich zwischen allen Stühlen

Österreich ist stolz auf seine Neutralität, jenes politisch-moralische Hochseil, auf dem man sich seit 1955 balanciert. Und nun soll Wien – Hauptstadt dieses neutralen Landes – Partei ergreifen, indem es ein Fest ausrichtet, dessen zentrale Botschaft lautet: „Wir schließen Israel aus, aber bitte bleibt fröhlich, Europe!“? Das wäre, als würde man auf dem Stephansplatz einen „Neutralitätsball“ geben, bei dem nur Gäste mit politisch genehmem Tanzpartner zugelassen sind. Wer Neutralität ernst nimmt, kann nicht gleichzeitig Gastgeber eines „judenfreien“ Kulturwettbewerbs sein.

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4. Die verworrene Logik der Ausladung

Und wofür das alles? Die Motive sind so nebelhaft wie ein Novembermorgen an der Donau. Geht es um Antisemitismus, dann ist der Ausschluss nicht nur geschmacklos, sondern ein klarer Rückfall in die dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte. Geht es um Kritik an Netanyahus Politik, dann ist er schlicht absurd: Man bestraft Künstler für Entscheidungen, auf die sie nicht den geringsten Einfluss haben. Statt politische Statements mit transparenten Mitteln zu setzen – etwa durch Boykott einzelner Länder oder kritische Beiträge – nimmt man Musiker in Geiselhaft. Ein peinliches Schauspiel, das jede Menschenrechtsrede in Eurovision-Herzchenpapier einwickelt.

5. Ein Wettbewerb ohne Israel – ein Fest mit Makel

Man stelle sich vor: ein ESC ohne israelische Künstler, ohne jene Mischung aus Pathos, Pop und orientalischem Funk, die den Wettbewerb seit Jahrzehnten bereichert. Statt verbindender Melodien gäbe es betretenes Schweigen zwischen den Strophen der Selbstgerechtigkeit. Ein solcher ESC wäre kein Fest der Vielfalt, sondern ein Mahnmal der Ausgrenzung, ein musikalisches Mah-Jongg der moralischen Überheblichkeit. Wien hätte es nicht nötig, dieser Scharade Bühne und Publikum zu liefern. Wenn jemand ein derartiges „Festival der Reinheit“ austragen will, dann bitte anderswo – vielleicht in einer Stadt, die sich weniger um die eigene historische Verantwortung schert.

6. Das Wiener Gedächtnis – Eichmanns Schatten tanzt mit

Wer in Wien das Wort „judenrein“ auch nur flüstert, ruft Geister herbei, die man längst gebannt glaubte. Es war hier, in dieser Stadt, wo Adolf Eichmann sein Büro hatte, von dem aus die Logistik des Holocaust organisiert wurde. Es war hier, wo man einst mit bürokratischer Akribie und diabolischer Effizienz daran arbeitete, jüdisches Leben auszulöschen. Wer heute auch nur den Anschein erweckt, an diese Tradition der Ausgrenzung anzuknüpfen, sei es durch einen „reinen“ Songcontest, spielt mit einem historischen Feuer, das niemals wieder entfacht werden darf.

Nachspiel: Keine Bühne für Heuchelei

Wien hat schon einmal erlebt, wie es ist, wenn man Kultur „judenrein“ machen will. Die Folgen sind bekannt, die Narben bleiben. Heute, im 21. Jahrhundert, darf diese Stadt nicht auch noch als Kulisse für ein neu aufgelegtes Spektakel der Exklusion dienen. Ein ESC ohne Israel wäre ein Festival der Schande, ein Festakt der doppelten Moral – und Wien täte gut daran, sich selbst aus diesem absurden Drehbuch zu streichen. Soll doch eine andere Stadt den Vorhang für dieses Trauerspiel heben. Wien jedenfalls sollte den Stecker ziehen, bevor der letzte Takt verklungen ist.

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