
Ein Kanzler im falschen Theater
Man muss sich das Bild auf der inneren Bühne ausmalen: Friedrich Merz, frisch in den Sessel des Kanzlers gesunken, die Hände gefaltet wie einer, der im Schachspiel des Lebens glaubt, gerade einen strategischen Zug gemacht zu haben. Er hat die „Waffen-Wende“ verkündet, diese kleine Verschiebung in der politischen Tektonik, die angeblich von Pragmatismus getragen ist, in Wahrheit aber wie ein Kompass wirkt, dessen Nadel nervös zwischen Opportunismus und Selbstbetrug zittert. Und dann, wie auf Stichwort, tritt von der Seitenbühne eine Gestalt in dunklem Anzug auf – der iranische Botschafter, Vertreter eines Regimes, das seine Bürger nicht regiert, sondern veredelt zu Material für Galgen, Zellen und Massengräber. Er lächelt. Er lobt. Er nennt die Entscheidung „sehr spät – ja, viel zu spät“ und schmeichelt, als sei er ein Connaisseur moralischer Reinheit. Merz lächelt zurück, vielleicht höflich, vielleicht erleichtert, vielleicht zu beschäftigt damit, den diplomatischen Handschlag nicht wie eine kalte, klebrige Umarmung zu empfinden. Das Publikum in diesem Theaterstück klatscht nicht – es atmet nur schwer.
Staatsräson als Ramschware
Es war einmal ein Versprechen, das man in Marmor meißelte: Die Sicherheit Israels sei Teil deutscher Staatsräson. Das war kein politischer Slogan, sondern ein Gelübde, das aus der Asche von Auschwitz aufstieg, schwer wie Blei und klar wie Glas. Nun aber liegt dieses Versprechen wie ein beschädigter Gebrauchsgegenstand auf dem Markt der politischen Tagesgeschäfte, wo alles seinen Preis hat und nichts seinen Wert behält. Herr Merz, dieser spätberufene Kanzler mit dem Habitus eines Bilanzprüfers, scheint zu glauben, man könne Staatsräson auf Raten verkaufen, ohne dass jemand den Riss in der Fassade bemerkt. Doch in dem Moment, in dem die Mullahs nicken, ist der Riss keine feine Linie mehr – er ist ein klaffender Spalt, durch den man direkt in die moralische Leere dahinter blickt. Man könnte fast meinen, er habe die Rolle eines Auktionators übernommen, der zwischen Galgenholz und Panzerstahl verhandelt, während er sich selbst als Moderator einer edlen Wertegemeinschaft inszeniert.
Die Mörder als wohlwollende Zeugen
Der Iran hat im Laufe der letzten Jahrzehnte ein Handwerk perfektioniert: die systematische Vernichtung von Dissidenten, Frauen, Minderheiten – jeden, der wagt, die eigene Würde über die staatliche Willkür zu stellen. 343 Menschen hingerichtet in nur vier Monaten – ein Tempo, bei dem selbst die Statistiker ins Schwitzen kommen, nicht vor Anstrengung, sondern vor Abscheu. Jeder Strick, der geknüpft wird, ist eine stille Gesetzesänderung, jede Exekution ein Paragraf in der Verfassung der Angst. Dass ausgerechnet aus diesem Schlachthaus der Geschichte der Satz „Endlich richtig gehandelt, Deutschland“ kommt, ist kein grotesker Zufall, sondern ein makabrer Treppenwitz der Diplomatie. Man stelle sich vor, ein Brandstifter lobt die Feuerwehr, weil sie beim Löschen des Nachbarhauses wenigstens nicht die Flammen im eigenen Schuppen stört – und der Feuerwehrchef bedankt sich artig.
Das Echo der Folterkammern
Wenn der Applaus der Falschen so laut ist, dass er in den Kanzlerfluren widerhallt, dann wird jedes Wort von „Moral“ oder „Verantwortung“ zu einer Hohlformel. Der Klang, der aus Teheran kommt, ist kein höfliches Klatschen – er ist das Echo von geschlossenen Zellentüren, von Schritten auf dem Weg zum Galgen, von der gedämpften Stille, die entsteht, wenn der letzte Atemzug im Seil versiegt. Wer diesen Klang nicht erkennt, hört vielleicht wirklich nichts mehr – oder will nichts mehr hören. Merz, der immer so gerne vom klaren Blick spricht, steht nun mit diesem Echo im Ohr vor der eigenen politischen Bilanz. Es kratzt, es beißt, es hinterlässt einen Schatten auf jedem Satz, den er von nun an über Menschenrechte sagen wird. Denn einmal Applaus aus der Henkersloge – und die eigene Stimme klingt für immer anders.