
Das Chamäleon der internationalen Politik
Es gibt eine alte Weisheit: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Sie klingt so schlicht und pragmatisch, dass man fast vergisst, wie zynisch sie ist – vor allem, wenn man sieht, wie sie auf dem geopolitischen Schachbrett angewandt wird. Hier, auf diesem blutbefleckten Spielbrett, auf dem Großmächte mit tödlicher Präzision ihre Marionetten hin und her bewegen, haben Islamisten in jüngster Zeit eine bemerkenswerte Karriere hingelegt.
Jene, die gestern noch als fanatische Schurken, als dunkle Inkarnation des „Bösen“ galten, finden sich plötzlich in der Rolle der „guten Rebellen“ wieder. Alles, was dafür nötig ist, ist eine kleine Verschiebung der strategischen Prioritäten. Die Rhetorik ändert sich blitzschnell, und aus „dunklen Mächten“ werden „Freiheitskämpfer“, aus „Gotteskriegern“ plötzlich „Hoffnungsträger der Region“. Ein bisschen PR hier, ein gut platzierter Artikel dort, und schon haben wir ein brandneues Narrativ. Willkommen in der Ära der postfaktischen Diplomatie, in der selbst Terroristen ein Rebranding bekommen, wenn es den geopolitischen Interessen dienlich ist.
Die Neuverhandlung des Dschihad
Doch machen wir uns nichts vor: Hinter jeder politischen Wendung stehen keine moralischen Epiphanien, sondern blanke Kalkulationen. Es ist bemerkenswert, wie flexibel moralische Standards werden, wenn es um geopolitische Vorteile geht.
In Syrien beispielsweise, einem Land, das wie ein zu oft missbrauchtes Brettspiel wirkt, wurden einst ultraradikale Gruppen wie die Nusra-Front (eine Al-Qaida-Abspaltung, wohlgemerkt) plötzlich salonfähig. Nicht, weil sie weniger radikal geworden wären – nein, ihre Ideologie blieb unverändert, ein Cocktail aus Scharia, Märtyrertum und grausamen Videos. Der Unterschied lag allein darin, gegen wen sie kämpften. Da sie sich gegen den „richtigen Feind“ – in diesem Fall das Assad-Regime – stellten, wurden sie in westlichen Medien plötzlich als „Opposition“ bezeichnet. Opposition! Ein Begriff, der normalerweise an Gewerkschaften, Demonstrationen oder hitzige Debatten im Parlament erinnert, wurde für Leute verwendet, die mit Sprengstoffgürteln argumentierten.
Es ist, als hätte jemand beschlossen, ein Menü mit den besten Marketingstrategien der Werbebranche zu kombinieren: „Radikale Gotteskrieger – jetzt mit extra Demokratieflair!“ Natürlich ist das alles auch eine Frage der Finanzierung. Die Staaten, die Waffen, Geld und moralische Unterstützung liefern, wissen genau, worauf sie sich einlassen. Doch wer bezahlt, entscheidet – und so wird der Dschihad neu verhandelt, diesmal mit einem westlichen Preisschild.
Freiheit durch Fundamentalismus
Die Vorstellung, dass radikale Islamisten plötzlich zu Freiheitskämpfern erklärt werden, ist an sich schon eine Groteske. Aber es wird noch absurder, wenn man bedenkt, welche Werte sie angeblich verteidigen sollen. Frauenrechte? Meinungsfreiheit? Religionsfreiheit? Alles Themen, die die westliche Welt gerne als Grund für ihre Interventionen verkauft, aber genau diejenigen, die man jetzt unterstützt, würden lieber ein Kalifat errichten, in dem all das keinen Platz hat.
Hier entsteht eine seltsame Allianz: Der liberale Westen, der stolz auf LGBTQ-Rechte und feministische Errungenschaften ist, verbündet sich mit Gruppen, die Frauen Steinigungen und Schwulen den Tod durch den Strang versprechen. Der Grund? Ein gemeinsamer Gegner. Und während die Bomben fallen und die Raketen fliegen, verkauft man uns diese groteske Allianz als notwendiges Übel. Es ist, als ob ein Vegetarier sich dazu entschließt, Werbung für eine Metzgerei zu machen, weil die Bäckerei nebenan seinen Lieblingskuchen nicht mehr führt.
Doch die Ironie endet nicht dort. Diese „Freiheitskämpfer“ ziehen oft mit westlichen Waffen in den Kampf, unterstützt von Regierungen, die gleichzeitig über die Radikalisierung in ihren eigenen Ländern klagen. Es ist ein moralischer Spagat, der so absurd ist, dass er nur in der Welt der internationalen Politik funktionieren kann.
Wie Terroristen PR-Lektionen lernen
Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Transformation von Terroristen zu Rebellen. In sorgfältig ausgewählten Reportagen wird das Narrativ konstruiert, das die gewünschte Perspektive unterstützt. Kinder in zerrissenen Kleidern, zerstörte Häuser, tränenreiche Interviews – all das wird genutzt, um Sympathie zu erzeugen. Natürlich sind die Leiden der Zivilbevölkerung real, doch die selektive Berichterstattung lässt oft den Kontext aus.
Es entsteht ein Bild, das kaum noch etwas mit der Realität zu tun hat. Die Brutalität der „guten Rebellen“ wird ausgeblendet oder als Einzelfälle dargestellt, während die Verbrechen ihrer Gegner mit Scheinwerferlicht beleuchtet werden. Es ist, als würde man einem Serienmörder applaudieren, weil er sich dazu entschlossen hat, auch mal eine Blutspende zu leisten.
Die Terroristen lernen mit. Sie wissen, wie sie sich inszenieren müssen, um auf der richtigen Seite der Berichterstattung zu stehen. Ein paar strategisch platzierte Statements, ein Video, das mehr Mitleid als Schrecken erzeugt, und schon haben sie die öffentliche Meinung auf ihrer Seite.
Ein bitteres Nachspiel
Doch was passiert, wenn der Zweck erfüllt ist? Was geschieht mit den Islamisten, die einst die „guten Rebellen“ waren? Die Geschichte zeigt, dass sie oft fallen gelassen werden wie heiße Kartoffeln, sobald sie nicht mehr gebraucht werden. Doch bis dahin haben sie Waffen, Geld und Einfluss erhalten – und eine neue Generation von Kämpfern inspiriert. Der Westen beklagt dann die „unerwarteten Konsequenzen“, die er selbst mit geschaffen hat, und beginnt den Zyklus von Neuem.
Am Ende bleiben nur die Opfer zurück. Die Zivilbevölkerung, die zwischen die Fronten gerät, und die Prinzipien, die im Namen der „Realpolitik“ geopfert wurden. Das Ergebnis ist eine Welt, in der Moral zu einem leeren Begriff wird, der je nach Bedarf neu definiert wird.