Lösch Dich

Die neue Welt der freien Meinungsäußerung, die keine mehr ist

Es war einmal eine Zeit, in der die Meinungsfreiheit noch als eines der höchsten Güter einer demokratischen Gesellschaft galt. Man konnte sagen, was man wollte, solange es nicht gegen Gesetze verstieß. Doch in Zeiten von „Hass“, „Fake News“ und „Desinformation“ wurde dieses Privileg zunehmend zu einem gefährlichen Luxus. Der neue „Digital Services Act“ der EU – ein Meisterwerk an schwammiger Gesetzgebung – ist der jüngste Beweis dafür, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht mehr sicher ist.

Nun könnte man natürlich meinen, dass dieses Gesetz ausschließlich gegen strafrechtlich relevante Inhalte eingesetzt wird. Doch weit gefehlt. Die eigentlichen Ziele dieser Regelungen sind viel subtiler und perfider. Es geht nicht um klare Verstöße gegen Recht und Gesetz, sondern um Inhalte, die irgendjemandem schlicht nicht „gefallen“. „Hass“, „Fake News“ und „Desinformation“ – Begriffe, die so vage sind, dass sie alles und nichts bedeuten. Mit solchen Gummiparagraphen kann man jede Kritik, jede polemische Äußerung und jede Satire in Grund und Boden stampfen.

Doch wer entscheidet, was „Hass“ ist? Wer legt fest, welche Nachrichten „fake“ sind? Die Antwort ist erschreckend einfach: Aktivisten. Organisationen, die von der Bundesregierung finanziert werden. Jawohl, der Staat selbst bezahlt jene, die die Meinungsfreiheit abschaffen sollen. Der prominenteste unter ihnen: die „Meldestelle REspect!“.

„Trusted Flagger“, oder: Wie wir lernten, das Denunziantentum zu lieben

Der „Trusted Flagger“ – auf Deutsch: „vertrauenswürdiger Markierer“ – klingt harmlos, fast liebevoll. Doch hinter dieser süßlichen Bezeichnung lauert die Essenz totalitärer Kontrollstrukturen. Diese sogenannten „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ haben die Macht, Inhalte auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder X zu markieren und somit löschen zu lassen – ohne die geringste Notwendigkeit eines gerichtlichen Beschlusses.

Nun, wer könnte diesen „Trusted Flagger“ wohl spielen? Behörden? Experten? Richter? Nein, eine Denunzianten-Organisation mit dem charmanten Namen „REspect!“, deren Logo zufällig an den guten alten sozialistischen Stern erinnert. Zufall? Wohl kaum. Diese Organisation, finanziert von der grünen Familienministerin Lisa Paus, nimmt sich heraus, darüber zu urteilen, was wir noch sagen dürfen und was nicht. Man könnte fast meinen, Orwell hätte ein Drehbuch für die Gegenwart geschrieben.

Beispiel gefällig? Ein User wagte es, einen grünen Landtagsabgeordneten als „Dummschwätzer“ zu bezeichnen. Wie reagierte „REspect!“? Nicht etwa mit einer höflichen Nachricht oder gar einem Versuch der Diskussion. Nein, der Nutzer wurde angezeigt – von einer anonymen, staatsfinanzierten Organisation. Orwell lässt grüßen.

Klaus Müller und die Gedankenpolizei

Im Hintergrund agiert der Strippenzieher: Klaus Müller, ein wahrer Apparatschik der Grünen, Vertrauter des Vizekanzlers Habeck und nun Chef der Bundesnetzagentur. Die Behörde, die ursprünglich für Gas, Telefon und Post zuständig war, hat nun einen neuen Zuständigkeitsbereich: Die Gedanken der Deutschen. Müller lobt die neue Regelung in den höchsten Tönen. Die Zulassung des ersten „Trusted Flaggers“ sei ein großer Erfolg, die Plattformen müssten nun „sofort reagieren“ und unliebsame Inhalte „ohne bürokratische Hürden“ entfernen.

Ohne bürokratische Hürden – klingt das nicht wunderbar? Man könnte fast glauben, der Rechtsstaat sei ein lästiges Relikt aus längst vergangenen Tagen. Wer braucht schon Gerichte, wenn regierungsfinanzierte Aktivisten entscheiden, was gesagt werden darf? Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, verankert im Grundgesetz, ist offensichtlich nichts mehr wert, wenn es der Regierung nicht in den Kram passt.

Terroristen, Nein, Kritiker

Der vielleicht perfideste Teil dieser neuen Zensurmaschinerie ist die Gleichsetzung von terroristischer Propaganda mit „Hassrede“. So verkündet die Pressemitteilung der Bundesregierung stolz, dass sich „REspect!“ auf die Identifizierung von „terroristischer Propaganda, Hassrede und anderen gewalttätigen Inhalten“ konzentriere. Man könnte fast meinen, der ISIS-Kämpfer von nebenan sei auf Facebook genauso gefährlich wie ein Bürger, der einen Grünen-Politiker kritisiert.

Doch halt – „Hassrede“? Gibt es dafür nicht eigentlich ein Gesetz? Falsch gedacht. Was „Hassrede“ sein soll, entscheiden ab sofort Aktivisten, die von der grünen Ministerin Lisa Paus finanziert werden. Wenn also jemand wagt, die Regierung, ihre Politik oder gar die Grünen zu kritisieren, könnte das als „Hassrede“ eingestuft und gelöscht werden. Die Regierung schafft sich hier ein Instrument, um jede kritische Meinungsäußerung im Keim zu ersticken – natürlich alles im Namen des guten Geschmacks.

Die Rückkehr der Zensur

Wir leben in einer Zeit, in der der Staat nicht mehr bloß mit der Regulierung von Netzen, sondern auch mit der Regulierung der Gedanken betraut ist. Die neue Zensur ist leise, subtil und in einen Mantel von Pseudo-Wohlwollen gehüllt. Doch sie ist real. Sie kommt nicht mehr in Form von offiziellen Zensurbehörden, sondern in der Form von regierungsfinanzierten Denunzianten-Organisationen, die das Internet durchkämmen und alles entfernen, was nicht in das ideologische Weltbild der Regierenden passt.

Wer das vor ein paar Jahren so vorhergesagt hätte, wäre als Verschwörungstheoretiker abgetan worden. Doch die Realität übertrifft manchmal selbst die absurdesten Theorien. Die Regierung hat sich mit dem „Digital Services Act“ einen Mechanismus geschaffen, der es ihr erlaubt, Kritiker mundtot zu machen – ohne Gerichte, ohne Grundrechte, ohne Rechtsstaat.

Am Ende steht ein Satz, der einst das Fundament unserer Demokratie bildete: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Doch dieser Satz hat längst seine Bedeutung verloren. Wir leben in einer Welt, in der die Zensur Realität geworden ist – und sie wird von denen ausgeübt, die sich als Hüter der Demokratie inszenieren.


Quellen und weiterführende Links:

Der böse Wolf

Eine Geschichte von Stolz, Nationalismus und der ewigen Suche nach einem Feind

Es gibt wenige Tiere, die in der Menschheitsgeschichte eine so zwiespältige Rolle gespielt haben wie der Wolf. Mal wird er als mutiger Einzelkämpfer und Symbol der Stärke verehrt, dann wieder als listiger Dieb und gefährlicher Räuber verteufelt. Diese Ambivalenz hat den Wolf nicht nur in Märchen und Sagen zu einer archetypischen Figur gemacht, sondern auch in der modernen politischen Symbolik, wie jüngst der Fall Merih Demiral und der „Wolfsgruß“ eindrucksvoll beweist. Man muss sich nur die Mühe machen, die pawlowschen Reflexe der öffentlichen Empörung kurz beiseitezulegen, um den Wolfsgruß in seiner kulturellen Komplexität und moralischen Schlichtheit zu betrachten. Doch wer hat heutzutage noch Zeit für differenzierte Betrachtungen?

Die Kunst des Aufmerksamkeitsmanagements

Fangen wir bei der Statue an. Bolu, eine Stadt, von der die meisten Menschen nicht einmal wissen, wo sie liegt, hat sich entschieden, ihrem Sohn Merih Demiral ein Denkmal zu setzen. Man könnte sagen, dass dies eine klassische Aktion in der endlosen Liste von Nationalheldenverehrungen ist. Das Denkmal soll Demirals „Wolfsgruß“ zelebrieren – eine Geste, die in den meisten Teilen der westlichen Welt als Symbol des türkischen Rechtsextremismus bekannt ist. Man könnte sich fragen: Wie kommt man auf die Idee, einen derart umstrittenen Gruß in Bronze zu gießen? Doch die Antwort ist so offensichtlich wie trivial: Aufmerksamkeit.

Bolu und sein nationalistischer Bürgermeister Tanju Özcan haben das Rezept für die moderne Mediengesellschaft durchschaut. Es ist nicht mehr wichtig, ob du positiv oder negativ auffällst – Hauptsache, du fällst auf. In einer Welt, in der die Aufmerksamkeitsspanne kürzer ist als der Wimpernschlag eines betäubten Eichhörnchens, ist es die Provokation, die zählt. Also warum nicht eine Statue aufstellen, die die Emotionen zum Kochen bringt? Schließlich ist Skandal das neue Gold. Man darf sich dabei nur nicht von der moralischen Überlegenheit des sich empörenden Publikums täuschen lassen. Denn auch Empörung kann schal schmecken, wenn sie bloß ein Mittel ist, um die eigene Langeweile zu bekämpfen.

Von grauen Wölfen und schwarzen Schafen

Die Symbolik des Wolfes zieht sich tief durch die Geschichte der Türkei. Die „Grauen Wölfe“, eine nationalistische Bewegung, deren Handzeichen Demiral zur EM prägte, sehen sich in der Tradition des urtürkischen Erbes. Hier greift die Mythologie des Gründungsmythos der Türken: Der Wolf als Führer der frühen Völker durch die Steppe, ein Anführer, stark und unbarmherzig. Doch in der Neuzeit ist der Wolf weniger ein Symbol der Führung als vielmehr ein Maskottchen des Nationalismus geworden, der seine Zähne an den Rändern der Gesellschaft zeigt – bevorzugt an Minderheiten, Flüchtlingen und allem, was nicht in das verklärte Bild des „reinen“ Türkentums passt. Da drängt sich die Frage auf: Warum ist der Wolf immer noch so attraktiv?

Die Antwort darauf liegt in seiner Simplizität. Der Wolf ist kein komplexes Symbol, er verlangt keine tiefgehende Auseinandersetzung. Er ist ein klares Zeichen: „Wir gegen die.“ Er bietet das Versprechen von Identität in einer chaotischen Welt. In einer Zeit, in der Unsicherheiten dominieren, greifen die Menschen nach einfachen Symbolen. Und was könnte einfacher sein, als ein Raubtier, das klar zwischen Freund und Feind unterscheidet? Dass dabei die zivilisatorischen Zwischentöne verloren gehen, wird gerne übersehen. Wölfe bellen nicht. Sie beißen.

Der Wolf und der Schafspelz

Bürgermeister Özcan, der Mann hinter der Statue, hat öffentlich erklärt, dass der Wolfsgruß nichts mit der MHP oder den Grauen Wölfen zu tun habe. Es sei vielmehr ein Symbol des „Türkentums“. Wer so argumentiert, betreibt Geschichtsrevisionismus mit einem Augenzwinkern. Man stelle sich vor, jemand würde behaupten, das Hakenkreuz sei in Wahrheit ein Symbol der Hindu-Kultur (was es ursprünglich war) und habe nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun. Diese Verdrehung der Realität ist so offensichtlich, dass es fast bewundernswert ist, wie sie mit der Selbstsicherheit eines Politikers vorgetragen wird, der nicht an der Realität interessiert ist, sondern an der Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung.

Die Tatsache, dass Demiral der Statue zugestimmt hat, zeigt, dass auch er bereit ist, sich in dieses Netz der Verharmlosung einzuweben. Warum auch nicht? Schließlich ist es bequem, sich als unschuldiges Opfer einer missverstandenen Geste zu inszenieren. Und wer könnte ihm das verdenken, in einer Welt, in der der Widerspruch zwischen öffentlich gezeigtem Gesicht und privater Gesinnung zur Norm geworden ist? Es ist das uralte Spiel von Imagepflege und Ablenkung, nur diesmal in Bronze gegossen.

Die Macht der Verklärung

In Bolu wird Demiral nicht nur als Nationalheld gefeiert, sondern als Verkörperung eines stolzen und kämpferischen Türkentums. Der Wolfsgruß wird zum Symbol dieses Stolzes erhoben – eine stolze Brust, ein durchdringender Blick, und da ist sie: die Faust, die sich zur Geste der Zugehörigkeit erhebt. Die Botschaft? Wir sind hier, wir sind stark, und wir lassen uns nicht unterkriegen. Man könnte darüber spotten, aber das wäre zu einfach.

Denn hinter dieser Verklärung steckt mehr. Der Wolfsgruß ist nicht nur eine Geste, er ist ein Versprechen. Er verspricht Identität und Zugehörigkeit in einer Welt, die zunehmend fragmentiert ist. Nationalismus mag eine gefährliche Ideologie sein, doch er erfüllt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis: das Bedürfnis nach Klarheit in einer komplexen Welt. Hier gibt es keine Grauzonen, nur Schwarz und Weiß. Der Wolf kennt keine Zweifel.

Doch dieser Held der Einfachheit ist zugleich eine tragische Figur. Denn während der Wolf nach außen Stärke demonstriert, zeugt seine Existenz in Wahrheit von Schwäche. Wer sich so sehr an seine Identität klammert, dass er bereit ist, sie mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, der zeigt nur, wie brüchig diese Identität ist. Der Wolf, das stolze Raubtier, ist nichts weiter als ein verängstigtes Tier, das in die Ecke gedrängt wurde und um sein Überleben kämpft. Doch wer wird das schon zugeben?

Wolf im Spiegel

Am Ende bleibt die Frage: Was sagt dieser Fall über uns aus, über unsere Gesellschaften, über unsere Zeit? Der böse Wolf, so scheint es, ist nicht nur ein Symbol der türkischen Politik. Er ist ein Spiegelbild unserer globalen Unsicherheit. Wir alle sehnen uns nach einfachen Antworten, nach klaren Feinden, nach Symbolen, die uns Halt geben. Doch dieser Halt ist eine Illusion. Der Wolf ist kein Feind, er ist eine Projektion unserer Ängste.

Merih Demiral, Bolu, Tanju Özcan – sie alle spielen nur ihre Rollen in einem größeren Drama, das wir alle mitgestalten. Der böse Wolf ist am Ende nicht mehr als eine Geschichte, die wir uns erzählen, um die Leere zu füllen, die uns umgibt. Vielleicht sollten wir aufhören, den Wolf zu verteufeln, und stattdessen fragen, warum wir überhaupt nach ihm suchen.


Quellen und weiterführende Links:

Ihr Kinderlein kommet

Das Paradies auf Erden

Felix Banaszak, der nächste Vorsitzende der Grünen, hat sich in einer Mischung aus Naivität und Unverfrorenheit für die radikale Offenheit Deutschlands ausgesprochen. In einer Welt, in der islamistischer Terror und Migrationsströme den politischen Diskurs prägen, fordert Banaszak doch tatsächlich: „Deutschland dürfe nicht die falschen Konsequenzen ziehen.“ Und damit meint er nicht etwa, dass wir es mit überbordender Bürokratie und integrationsunfähigen Parallelgesellschaften zu tun haben. Nein, Banaszak will offenbar, dass die Tore Deutschlands weiterhin weit offen bleiben – und das ohne nennenswerte Kontrollen.

Man mag den Mann ob seiner idealistischen Positionierung belächeln, aber das wahre Problem liegt tiefer. Was sich hier als moralische Haltung präsentiert, läuft letztlich auf eine Illusion hinaus: die Idee eines grenzenlosen Deutschlands. Ein Ort, an dem jeder, der nur will, sein Glück finden darf – ohne Rücksicht auf die Tragfähigkeit der Gesellschaft. Banaszak will „offen bleiben für Menschen, die hierhin gekommen sind, um ihr Glück zu suchen“. Klingen da nicht die Weihnachtslieder der Kindheit mit? „Ihr Kinderlein kommet“, mag man vernehmen, und man ahnt die künftige Völkerwanderung, die Banaszak freudig begrüßt.

Der naive Glücksbegriff

Schön ist dieser Gedanke – Menschen, die „ihr Glück“ suchen. Doch was genau meint Banaszak damit? Wohl kaum das Schlaraffenland, in dem gebratene Tauben von selbst in den Mund fliegen, aber etwas in der Art schwebt ihm wohl vor. Deutschland, ein Land, in dem man keine Risiken eingehen muss, ein Land, das allen Schutz gewährt, die keine kriminellen Absichten hegen. Denn, so scheint es, wer nicht kriminell ist, der hat in den Augen des Grünen-Politikers einen Freifahrtschein. Ein wenig erinnern wir uns hier an das alte liberale Ideal des Nachtwächterstaates: Die einzige Aufgabe des Staates ist es, Verbrecher zu fangen, alles andere regelt sich von selbst.

Doch Banaszak und seinesgleichen vergessen die Grundlagen des sozialen Zusammenlebens. Ein „Recht auf Einwanderung“ für alle „Nicht-Kriminellen“ setzt voraus, dass dieses Land unerschöpfliche Ressourcen und unendliche Kapazitäten hat. Es setzt voraus, dass jeder Neuhinzugekommene sich in die Gesellschaft einfügt, produktiv ist und den gleichen Wohlstand beisteuert, den er sich erhofft. Doch die Realität ist eine andere. Für viele bedeutet die Einwanderung nach Deutschland nicht das Glück, sondern das Erwachen in einer Parallelgesellschaft – ohne Job, ohne Zukunftsperspektive, in der das ersehnte Glück am Horizont bleibt.

Deutschland als Arkadien

Banaszaks Vorstellung von Deutschland als Zuflucht für alle, die „ihr Glück“ suchen, ist romantisch – aber unendlich naiv. Wir leben nicht in einem Arkadien, in dem Reichtum und Wohlstand unendlich sind. Unsere Sozialkassen, unsere Infrastruktur, unsere Gesellschaft insgesamt – sie haben Grenzen. Und diese Grenzen sind nicht nur finanzieller, sondern auch kultureller Natur.

Die Idee, Deutschland müsse „offen bleiben“, ignoriert, dass Offenheit auch ihre Schattenseiten hat. Eine unkontrollierte Migration bringt Spannungen mit sich – nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch sozialer Natur. In den letzten Jahren haben wir gesehen, wie schnell Integrationsbemühungen scheitern können. Einwanderer, die ohne Perspektive nach Deutschland kommen, sehen sich oft gezwungen, in Parallelgesellschaften zu leben, in denen sich Frustration und Perspektivlosigkeit breitmachen. Aber darüber spricht Banaszak natürlich nicht.

Er zieht es vor, die „falschen Konsequenzen“ zu fürchten. Falsche Konsequenzen? Ja, die könnten darin bestehen, dass man einmal die Realität anerkennt und feststellt, dass ein Land Grenzen hat – physische und soziale. Dass es nicht jedem offenstehen kann, der meint, sein Glück hier zu finden.

Wieviel ist zu viel

Aber gehen wir mit Banaszaks Prämisse mit: Jeder Mensch, der kein Krimineller ist, sollte das Recht haben, nach Deutschland zu kommen, um „sein Glück zu suchen“. Na schön, und wie viele sind das? Die UN schätzt die Weltbevölkerung auf über acht Milliarden Menschen. Davon leben viele in Ländern, in denen das Glück wohl schwer zu finden ist: Afrika, der Nahe Osten, Teile Asiens. Die genaue Zahl lässt sich schwer schätzen, aber selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Menschen sich entscheidet, ihr Glück in Deutschland zu suchen, sprechen wir von Millionen Menschen.

Millionen, die nach einem besseren Leben streben – verständlich. Aber was bedeutet das für ein Land, das schon heute Probleme mit seiner Infrastruktur und seinem sozialen Netz hat? Was bedeutet das für ein Land, das kaum in der Lage ist, die bereits vorhandenen Herausforderungen zu bewältigen? Und was bedeutet das für die Einheimischen, die dieses System aufrechterhalten?

Die moralische Überlegenheit der Grünen

Natürlich werden die Grünen und ihre Anhänger darauf beharren, dass es eine moralische Pflicht ist, diesen Menschen zu helfen. Wir müssen unser Herz öffnen, unsere Grenzen niederreißen und die Menschheit in all ihrer Vielfalt willkommen heißen. Banaszak und Co. präsentieren sich dabei als die moralischen Leuchttürme, die dem Rest der Welt den Weg weisen. Wer diesen Kurs nicht unterstützt, ist ein Unmensch, ein Xenophober, ein Rückwärtsgewandter.

Aber diese moralische Überlegenheit ist so fragil wie sie scheinheilig ist. Denn hinter all den hehren Worten steckt letztlich die Arroganz derjenigen, die von den Folgen dieser Politik nicht betroffen sind. Die Grünen-Wähler, die in wohlhabenden Vierteln wohnen, werden nicht die sozialen Spannungen in ihren eigenen Straßen spüren. Sie werden nicht in heruntergekommenen Schulen sitzen, in denen Deutsch nur noch eine von vielen Sprachen ist. Und sie werden sich auch nicht mit einem Sozialstaat auseinandersetzen müssen, der unter dem Druck der Massenmigration zusammenbricht.

Falsche Konsequenzen, falsche Antworten

Banaszak befürchtet, dass „die Debatte über Migration aus dem Ruder läuft“. Was er jedoch übersieht, ist, dass diese Debatte schon längst aus dem Ruder gelaufen ist – und zwar nicht in die Richtung, die er sich vorstellt. Sie läuft aus dem Ruder, weil immer mehr Menschen in diesem Land erkennen, dass eine grenzenlose Einwanderungspolitik nicht funktioniert. Sie läuft aus dem Ruder, weil immer mehr Bürger merken, dass sie diejenigen sind, die die Last dieser Politik tragen müssen. Und sie läuft aus dem Ruder, weil die Realität immer deutlicher zeigt, dass „offen für alle“ ein Rezept für soziale Spannungen und wirtschaftlichen Niedergang ist.

Am Ende stellt sich die Frage: Wann wird auch Felix Banaszak die Realität anerkennen? Oder wird er weiter in seinem moralischen Elfenbeinturm sitzen und von einem Deutschland träumen, das es so nie gegeben hat und nie geben wird?


Weiterführende Links

  1. UN Population Division – World Population Prospects 2022
  2. Migrationsbericht der Bundesregierung 2023
  3. Statista – Migranten in Deutschland nach Herkunftsland 2023
  4. OECD – Migration und Integration in Deutschland

Fleischkonsum ist sexistisch

Die fleischige Unterdrückung der Weiblichkeit

Es gibt Momente, in denen man die Nachrichten liest und sich fragt, ob wir als Gesellschaft kollektiv die Gabe zur Differenzierung verloren haben. Ein solcher Moment ereignet sich, wenn ein gewisser Martin Winter, seines Zeichens veganer Ernährungssoziologe, im Spiegel das Wort ergreift und mit einer Beharrlichkeit, die man sonst nur aus Fleischersatz-Promotionen kennt, behauptet, dass Fleischkonsum sexistisch sei. Ja, Sie haben richtig gehört: Ein saftiges Steak ist nicht nur eine Sünde gegen die Umwelt, sondern auch ein Phallus auf dem Teller, der die patriarchale Unterdrückung symbolisiert. Doch halt, bevor Sie in panisches Kichern verfallen – bleiben Sie bitte ernst. Denn was Winter hier mit fleischloser Verve erklärt, ist die radikale These, dass Männer, die Fleisch essen, im Grunde genommen eine primitive Form von Machtausübung betreiben. Frauen werden unterworfen – und zwar durch Filet und Schweineschwarte.

Wir müssen also innehalten und uns fragen: Wenn das Mittagessen zum Symbol männlicher Dominanz mutiert, was bedeutet das für den Sonntagsbraten bei Oma? Ist das Festmahl gar ein ritueller Akt der patriarchalen Überlegenheit? Und wird das Huhn in der Suppe, das als Hahn identifiziert werden möchte, zum nächsten sozialen Schlachtfeld?

Die letzte Bastion der Maskulinität

Schauen wir uns einmal um: Es ist Sommer, die Grillsaison blüht auf. In Parks und Gärten trifft man sie, die Männer, bewaffnet mit riesigen Zangen, die ihre Würstchen und Steaks drehen, als sei dies ein Akt männlicher Schöpfungskraft. Und in dieser Szenerie, sagt Winter, erkennen wir die symbolische Unterdrückung. Das Brutzeln des Fleisches – einst nur ein banales Vergnügen – wird nun zur Manifestation toxischer Männlichkeit. Denn wer Fleisch konsumiert, pflegt nicht nur seinen Magen, sondern auch die alten patriarchalen Traditionen, so die steile These des Soziologen.

Ist der Grill somit das letzte Bollwerk des weißen, cis-männlichen Privilegs? Sind die saftig bräunenden Filets nichts weniger als die Erinnerung daran, dass Männer schon immer – und bitte, das Wort „immer“ in großen, rotglühenden Lettern denken – an der Spitze der Nahrungskette standen? Man fragt sich fast, ob der nächste Schritt in diesem Denkschema die Befreiung der Sojapflanze aus dem kapitalistischen Agro-Komplex ist. Doch das ist eine andere Baustelle.

Die Krise der fleischfressenden Jugend

Martin Winter ist besorgt. Und das mit gutem Grund, wie er sagt. Denn während der Anteil der Veganer und Vegetarier in den vergangenen Jahren relativ stabil blieb, steigt der Fleischkonsum unter jungen Menschen. Vor allem Männer verteidigen ihr Steak mit geradezu aggressiver Hingabe. Die Appelle, den Fleischkonsum zu reduzieren, verhallen im Nichts, die Fronten verhärten sich. Und so entsteht die absurde Situation, dass der Verzicht auf Fleisch, einst exotisch und rebellisch, nun als Mainstream-Anliegen betrachtet wird, während der Fleischkonsum zum Akt der Widerstandsbewegung mutiert – eine Art kulinarische Trotzreaktion auf die als übergriffig empfundene „Wokeness“.

Doch was treibt diese jungen Menschen dazu, wieder zum Burger zu greifen, anstatt den fleischlosen Pfad zu wählen? Sind es wirklich, wie Winter mutmaßt, „überkommene Rollenbilder“, die uns tief im Inneren glauben lassen, dass der Mensch, insbesondere der Mann, das Raubtier ist, das Fleisch braucht? Oder handelt es sich schlichtweg um eine Rebellion gegen die überbordende moralische Überwachung durch Vegan-Aktivisten? Vielleicht ist es ja genau diese ständige Belehrung, die uns in die Arme von Grill und Steakmesser treibt.

Genderfragen am Suppentopf

Winter sagt, wir sollten unsere Traditionen und Rollenbilder hinterfragen. Doch wie weit geht diese gesellschaftliche Dekonstruktion? Der nächste logische Schritt in dieser Debatte wäre wohl, dass sich auch Tiere nun über ihr Geschlecht im Klaren sein sollten, bevor sie auf dem Teller landen. Was also tun, wenn das Suppenhuhn sich als Hahn identifiziert, kurz bevor es in den Topf geworfen wird? Ein moralisches Dilemma, das nicht einmal die klügsten Philosophen je erahnt hätten. Muss man dann umschwenken auf Brathähnchen, um der Gendergerechtigkeit zu genügen? Oder wird das Huhn, das ja ursprünglich weiblich ist, dadurch ungenießbar, dass es sich plötzlich als männlich outet? Fragen über Fragen.

Ganz pragmatisch betrachtet könnte das dazu führen, dass jede Metzgerei einen geschulten Genderberater einstellen muss, um den Fleischkäufern mitzuteilen, welche Identitäten sich hinter ihrem Fleischstück verbergen. „Das hier ist das Steak von einem Rind, das sich als Bulle fühlte, aber seine Kuh-Natur nie vollständig ablegte.“ Willkommen im Gender-Dschungel der Fleischtheke!

Fleisch und Lust

Apropos Braten: Im Lichte all dieser Entwicklungen wird es auch spannend, unsere rituellen Fleisch-Traditionen zu überdenken. Weihnachten steht vor der Tür, die Gans wird feierlich aufgetischt. Doch Moment, bevor wir uns in festliche Stimmung versetzen – sollten wir nicht auch die sexualisierten Aspekte des Fleischkonsums beleuchten? Denn was ist eine zugebundene Weihnachtsgans anderes als ein Bondage-Opfer? Fest geschnürt, ausgeliefert den fleischlichen Gelüsten ihrer hungrigen Peiniger – der Zusammenhang ist für die geübte soziologische Lesart nicht zu übersehen.

Natürlich könnte man auch hier argumentieren, dass es sich lediglich um eine Form der Nahrungszubereitung handelt, die absolut keinen symbolischen Gehalt hat. Aber das wäre viel zu einfach. Denn wie bei allem in dieser Diskussion, geht es nicht wirklich um das Essen selbst. Es geht um Macht, um Hierarchien, um die Beziehungen zwischen den Geschlechtern – und das, meine Damen und Herren, spiegelt sich eben auch im Küchenalltag wider. Sie schnüren ihre Gans? Dann schnüren Sie vielleicht auch Ihre Mitmenschen metaphorisch ein. Denken Sie darüber nach, während Sie die Sauce über das Fleisch träufeln.

Die Satire wird Realität

Was Martin Winter uns mit seinen sexismusgeprägten Vorwürfen gegenüber Fleischkonsumenten liefert, ist ein Lehrstück an hypermoralischer Verkürzung und gedankenloser Überdehnung symbolischer Argumente. Fleisch ist nicht sexistisch – und wer behauptet, dass es das sei, hat den Kontakt zur Realität verloren. Oder vielleicht ist die Realität inzwischen eine solch surreale Satire geworden, dass selbst die absurdesten Thesen ihren Weg in den öffentlichen Diskurs finden.

Am Ende bleibt uns nur die Erkenntnis, dass wir uns in einer Welt bewegen, in der jeder Bissen, den wir tun, einer genauen Analyse unterzogen wird. Und während der vegane Ernährungssoziologe darüber nachdenkt, welche symbolische Bedeutung unser Schnitzel hat, denken wir vielleicht einfach nur: „Was kann ich tun?“ – und greifen beherzt zum Steakmesser. Denn eines ist sicher: Humor ist in dieser Debatte wohl der einzige Weg, um sich das Ganze schmackhaft zu machen.


Weiterführende Quellen und Links:

  1. Der Spiegel – „Martin Winter über toxische Männlichkeit und Fleischkonsum“
  2. Die Zeit – „Veganismus und Gender: Die verborgenen Zusammenhänge“
  3. FAZ – „Fleisch und Macht: Warum Männer ihr Steak verteidigen“
  4. Vice – „Ist meine Weihnachtsgans ein Opfer? Eine feministische Analyse“

Ukrainische Werteverteidigung, Danke

Zwischen Heldentum und Hypochondrie

Manchmal ist die Realität derartig skurril, dass sie selbst den kühnsten Satiriker in Verlegenheit bringt. Die Nachrichten aus der Westukraine könnten direkt einem absurdistischen Theaterstück entnommen sein: Eine 64-jährige Ärztin hat es sich zur Aufgabe gemacht, wehrfähige Männer durch eine spezielle Art von Papiermagie zu „entwaffnen“. Mit einem Kugelschreiber bewaffnet, stellte sie munter Invaliditätsbescheinigungen aus, die im Lande heiß begehrt waren – und tat dies so kunstfertig, dass sie über Nacht zur Millionärin wurde. Ihre „Dienstleistungen“ im Verkauf von Wehrunfähigkeit, so skandalös sie auch erscheinen mögen, haben den hochpreisigen Immobilienmarkt der Ukraine und weit darüber hinaus beflügelt. Wer hätte gedacht, dass man mit simulierten Krankheiten einen derart profitablen Immobilienbesitz anhäufen könnte?

Krank durch Korruption

Es gibt sie, diese Menschen, die eine bestimmte Nische in der Gesellschaft besetzen – doch selten erweist sich diese Nische als so lukrativ wie die unserer Ärztin. In einem Land, das im Krieg steckt und wo die Notwendigkeit, Männer an die Front zu schicken, allgegenwärtig ist, bot die Ärztin eine Dienstleistung an, die es den Betroffenen ermöglichte, der militärischen Pflicht zu entfliehen. Für einen hübschen Batzen Geld konnten sich die Herren der Schöpfung also ein Attest sichern, das ihnen bescheinigte, wehrunfähig zu sein. Welch noble Geste, nicht wahr?

Man stelle sich vor: Während ihre Altersgenossen Kreuzworträtsel lösen oder in den Garten gehen, türmte diese Frau in ihrer bescheidenen westukrainischen Wohnung Geldberge. Und nicht irgendwelche Häufchen, nein, „in jeder Ecke“ ihrer Wohnung fanden die Ermittler Bargeld. Man könnte meinen, sie hätte es anstelle von Deko-Elementen benutzt. In Zeiten, wo Tapetenmuster aus der Mode sind, scheinen Dollarstapel an den Wänden eine willkommene Abwechslung zu bieten. Zumindest ist dies der Vorwurf, der im Raum steht. Doch wer will es ihr verübeln? Ist nicht der echte Reichtum der, den man in jeder Ecke findet? Und nicht etwa der, den man auf der Bank lagert – was bekanntermaßen weniger stilvoll ist.

Die Männer der Schöpfung und ihre fiktiven Leiden

Wollen wir einen Moment innehalten und über die Art von Männern nachdenken, die bereit waren, Tausende von Dollar auszugeben, um sich als kränklich und unfähig zum Dienst am Vaterland ausgeben zu lassen. Da saßen sie, höchstwahrscheinlich bei bester Gesundheit, und ließen sich mit ein paar gezielten Unterschriften eine „unheilbare“ Erkrankung diagnostizieren. Vielleicht eine seltene Form der „Schützengrabenphobie“ oder eine schleichende „Kriegsfront-Depression“. Ihre Leiden, so fiktiv sie auch waren, hätten in einem tragikomischen Theaterstück nicht besser inszeniert werden können.

Und die Listen, die in der Praxis der Ärztin gefunden wurden, erinnern uns nur allzu sehr an alte Mafia-Filme. Da wurde kein Gemetzel verzeichnet, sondern nur die Namen derer, die sich mit ärztlichem Segen aus dem Kriegsdienst verabschiedet hatten. Fast schon rührend, diese Vorstellung von Männern, die sich eine Daseinsberechtigung außerhalb der Schützengräben erkauft hatten. Dabei stellt sich die Frage: Wer waren diese Männer? Helden oder Schurken? Opfer oder Täter? Vielleicht eine Mischung aus allem.

Luxusautos und Invaliditätsbescheinigungen

Unsere Heldin, die Ärztin, hat es also geschafft, mehr als nur ein bescheidenes Einkommen zu generieren. Nein, sie hat 30 Immobilien in der Ukraine erworben, neun Luxusautos zur Schau gestellt und sich Unternehmensrechte im Millionenwert gesichert. Wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche ukrainische Arzt etwa 300 Dollar pro Monat verdient, fragt man sich unweigerlich, wie viele gefälschte Bescheinigungen es wohl benötigt, um sich eine Luxuskarosse zu leisten. Eines dieser schicken Fahrzeuge, so vermutet man, könnte durchaus ein gepanzerter SUV sein – ironischerweise das perfekte Symbol für die Verteidigung gegen jedwede militärische Mobilmachung.

Doch damit nicht genug: Die Ärztin scheute sich nicht, auch in internationale Gewässer vorzudringen. Immobilien in Österreich, Spanien und der Türkei wurden von ihr erworben, und auf Auslandskonten ruhen zusätzlich zwei Millionen Euro. Die Welt ist eben ein Dorf – besonders dann, wenn man sich mit Wehrunfähigkeit ein globales Imperium aufbaut.

Diener(in) des Volkes

Der skandalöseste Aspekt dieser ganzen Geschichte ist vielleicht die Tatsache, dass unsere Ärztin Mitglied der Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ ist. Man könnte fast meinen, dieser Name sei für eine Satire prädestiniert. Diese Frau, die sich dem Volke verschrieben haben soll, diente vor allem sich selbst – und einem kleinen, zahlungskräftigen Kreis von wehrunfähigen Männern.

Das ironische Lächeln auf den Lippen jedes Lesers wird spätestens hier von einem Zynismus verdrängt, der sich nicht mehr leugnen lässt. Denn in einem Land, das sich im Krieg befindet, ist es doch nur allzu passend, dass jene, die dem Volke „dienen“, selbst einen kleinen Profit aus dem Leiden und der Notlage der Gesellschaft schlagen. „Diener des Volkes“ oder „Plünderer des Volkes“? Es bleibt eine Frage der Perspektive. Die Antwort aber, so fürchten wir, liegt auf der Hand.

Geld aus dem Fenster werfen

Vielleicht das absurdeste Detail der ganzen Geschichte: Während der Durchsuchung ihres Hauses versuchte die Ärztin, zwei Taschen mit einer halben Million US-Dollar aus dem Fenster zu werfen. Eine halbe Million! Aus dem Fenster! Ein symbolträchtiger Akt, der den gesamten moralischen Zerfall, den diese Geschichte repräsentiert, perfekt illustriert. Man kann sich nur vorstellen, wie die Scheine sanft durch die Luft segeln, während unten auf der Straße ein erstaunter Polizist den unerwarteten Geldregen beobachtet. Wie in einem tragischen Slapstick-Film!

Ob es sich bei diesem Wurf um einen verzweifelten Versuch handelte, die Beweise zu vernichten, oder ob die Ärztin einfach nur ihrer Liebe zum Dekorieren freien Lauf ließ, bleibt offen. Eines ist jedoch sicher: Diese Geste ist nichts weniger als das ultimative Symbol für den dekadenten Reichtum, der auf betrügerische Weise angehäuft wurde.

Eine Satire der Wirklichkeit

So bleibt uns nichts anderes übrig, als mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen zu betrachten, was aus einem Beruf geworden ist, der einst als ehrenhaft galt. In einer Welt, in der Ärzte Leben retten sollen, hat sich diese Ärztin entschlossen, stattdessen Millionen zu verdienen – auf Kosten von Moral, Recht und dem gesunden Menschenverstand. Die ukrainische Gesellschaft, geplagt von Krieg und Chaos, hat in ihr eine der tragikomischen Figuren gefunden, die in einer zerrissenen Welt auftauchen, um uns an die Absurdität der menschlichen Natur zu erinnern.

Manchmal scheint es, als hätte die Wirklichkeit den Zynismus längst überholt. Doch vielleicht ist es gerade dieser Zynismus, der uns hilft, die skandalösen Absurditäten unserer Zeit zu überleben. Ein teures Attest, ein Luxusauto, ein bisschen Bargeld unter der Couch – und schon ist die Welt ein Stück reicher. Wenn das nicht die höchste Kunst des Überlebens ist, was dann?


Quellen und weiterführende Links:

Ein Tanz um den Götzen

Wer folgt wem

Man stelle sich vor, wir befinden uns auf einem Maskenball, der vom Wesen der Macht organisiert wurde. Die beiden prominentesten Gäste – Politik und Gesetz – wirbeln anmutig durch den Raum, elegant ineinander verschlungen, die Blicke aller auf sich gezogen. Doch wer führt hier eigentlich? Tanzen sie im Gleichklang, oder ist einer von ihnen nur ein williges Spielzeug, das von der unsichtbaren Hand des anderen geführt wird?

Auf den ersten Blick scheint alles klar: In einem Rechtsstaat ist es doch wohl die Politik, die sich an die Regeln des Gesetzes zu halten hat, oder? Das Gesetz ist der Rahmen, die Politik agiert innerhalb dieses Rahmens. Schön wär’s. Doch wie so oft sind die Dinge, wenn man genauer hinsieht, weit komplizierter – und nicht selten grotesker. Ein genauerer Blick auf das scheinbare Gleichgewicht zwischen Gesetz und Politik enthüllt, dass die beiden in Wahrheit kein harmonisches Paar sind, sondern vielmehr Rivalen in einem permanenten Machtkampf. Und ja, der Tanz endet meist mit blutigen Füßen.

Ein Fabelwesen in der Steppe der Realität

Was also ist der Rechtsstaat? Klingt erst einmal nobel: Der Staat ist an Gesetze gebunden, die von ihm selbst geschaffen wurden. Ein Akt reiner Vernunft und ethischer Größe, könnte man meinen. Aber halt, bevor wir uns in der trügerischen Gewissheit wiegen, dass der Rechtsstaat eine unerschütterliche Bastion gegen die Willkür sei, sollten wir einen Blick darauf werfen, wer die Gesetze denn überhaupt macht. Die Politik – die illustre Gemeinschaft von Machern, Schachspielern, Intriganten und Selbstdarstellern.

Ist es nicht köstlich ironisch? Die Politik macht die Gesetze, um sich dann stolz an diese selbstverfertigten Gesetze zu halten. Das Gesetz, dieser viel gepriesene „Herrscher über die Herrscher“, wird von jenen gestaltet, die sich ihm dann demütig unterwerfen sollen. Das ist in etwa so, als ob ein Metzger seine eigenen Gesundheitskontrollen durchführt und uns dann stolz versichert, dass das Fleisch, das er uns verkauft, völlig unbedenklich sei. Glauben Sie das?

Schauen wir uns die Realität an: Die Gesetze werden geschrieben, neu verfasst, ausgedehnt, eingeschränkt, verwässert – je nach dem, was die jeweilige politische Agenda gerade verlangt. Es wird stets behauptet, dass das Gesetz von einer übergeordneten moralischen Instanz getragen sei. In Wirklichkeit gleicht es einem weichen Wachs, das sich der Politik anpasst, sobald es heiß hergeht.

Die großen Gesetzesjongleure

Nun könnte man naiv fragen: Ist das denn so schlimm? Politiker sind ja immerhin gewählt, sie tragen die Verantwortung für das Gemeinwohl. Sollten sie also nicht auch die Freiheit haben, das Gesetz in ihrem Sinne zu formen? Oh, wie entzückend! Das wäre etwa so, als würden wir einem Fuchs das Hühnerhaus anvertrauen, mit der Begründung, dass er schließlich für die Sicherheit der Hühner verantwortlich ist.

Unsere Politiker sind gewiefte Jongleure. Sie werfen uns große Worte wie „Rechtsstaatlichkeit“, „Gerechtigkeit“ und „Transparenz“ zu, während sie auf den hölzernen Seilen der Macht balancieren. Aber wehe, jemand zieht am Gesetz, das den Rahmen ihres Spiels vorgibt – dann zeigt sich, dass die Politik nicht etwa dem Gesetz folgt, sondern es bei Bedarf zynisch verbiegt. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das „Notstandsgesetz“ – ein Gesetz, das dann hervortritt, wenn der Staat sich selbst in Gefahr wähnt. Plötzlich wird das, was vorher als unverrückbare Regel galt, mit ein paar Federstrichen außer Kraft gesetzt. Und das Ganze nennt man dann „rechtsstaatliches Handeln in besonderen Zeiten“.

Das Gesetz als Instrument der Macht

Doch genug der Klagen über die Politiker. Das Gesetz selbst ist nicht unschuldig. Wie ein dienerischer Beamter steht es oft bereit, den Anweisungen seiner Meister zu folgen. Man könnte fast meinen, das Gesetz habe eine Art masochistische Freude daran, sich in den Dienst der Macht zu stellen. Wie sonst ist es zu erklären, dass in vielen Diktaturen das „Recht“ der Hauptverbündete der Unterdrückung ist? Von den „Ermächtigungsgesetzen“ der Vergangenheit bis hin zu heutigen autoritären Regimen: Das Gesetz wird nicht selten zu einem Werkzeug der Unterdrückung, das den Schein von Legitimität wahrt, während die Politik damit ihre schmutzigen Geschäfte durchführt.

Und damit wir uns nicht in Sicherheit wiegen: Auch in Demokratien wird das Gesetz gerne als Instrument der Herrschaft eingesetzt. Das Gesetz der Überwachung, das Gesetz der Ausgrenzung, das Gesetz der Enteignung. Immer im Namen der „öffentlichen Sicherheit“ und des „Gemeinwohls“. Es wird nicht lange gedauert haben, bis auch die moderne Politik erkannte: Nichts legitimiert Machtmissbrauch so gut wie ein fein formuliertes Gesetz. Was vorher als unantastbar galt, wird plötzlich im Wind der politischen Stimmungslage flexibel wie ein Biegeplastik.

Die Perversion der Gesetzgebung

Aber Moment, da fehlt noch etwas. Die Politik formt nicht nur das Gesetz, sie bestellt es oft geradezu auf Abruf. Und hier kommen die mächtigen Akteure ins Spiel, die im Schatten agieren: Lobbyisten, Interessenverbände, Konzerne – sie alle schreiben die Gesetze mit. Nicht selten werden Gesetzesentwürfe in den Hinterzimmern mächtiger Unternehmen vorbereitet und dann als „staatliche Regelung“ im Parlament eingebracht. Und während die Politiker in der Öffentlichkeit so tun, als hätten sie lange und gewissenhaft daran gearbeitet, lassen sie insgeheim die Champagnerkorken knallen, weil sie es wieder einmal geschafft haben, ein Gesetz im Sinne ihrer Gönner zu platzieren.

Das Gesetz als Spiegelbild des Volkswillens? Diese romantische Vorstellung muss endlich der Realität weichen: Gesetze sind oft nichts weiter als willfährige Werkzeuge, die den Mächtigen dienen. Wer es sich leisten kann, formt das Gesetz in seinem Sinne und tut dies unter dem Deckmantel des „Gemeinwohls“.

Wer führt wen? Eine absurde Pointe

Wir stehen also vor der großen Frage: Folgt die Politik dem Gesetz, oder folgt das Gesetz der Politik? Die Antwort scheint klar, und doch bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Denn was wir hier erleben, ist kein geregelter Tanz, sondern ein chaotischer Kampf um die Vorherrschaft, bei dem die Grenzen zwischen Gesetz und Politik längst verwischt sind. Die Politik macht die Gesetze, bricht sie, ändert sie, beugt sie – ganz wie es ihr beliebt. Das Gesetz, das den Schein der Ordnung wahren soll, ist dabei der formale Vorwand, mit dem die Politik ihre Machenschaften rechtfertigt.

Und was bleibt uns? Ein bitteres Lächeln über die Ironie des Ganzen. Denn der Tanz geht weiter, und wir, die Zuschauer, dürfen uns weiter darüber freuen, dass sich die Politik an „ihre“ Gesetze hält – so lange, bis sie es eben nicht mehr tut. Dann wird das Gesetz einfach neu geschrieben. Und die Show beginnt von vorne.


Quellen und weiterführende Links:

Fußball und die Weltpolitik

Warum es plötzlich wichtig ist, was der Trainer von Crystal Palace über die Wahlen in Österreich denkt

Es ist eine dieser Szenen, die an unfreiwillige Komik kaum zu überbieten sind: Ein Fußballtrainer der englischen Premier League tritt vor die Presse, um die bevorstehende Partie gegen Liverpool zu besprechen. Eine Mammutaufgabe, schließlich rangieren die Jungs aus der Arbeiterstadt an der Tabellenspitze, während seine eigene Mannschaft irgendwo zwischen dem Abstiegsgespenst und der Bedeutungslosigkeit dahindümpelt. Crystal Palace – ein Verein, der so glanzvoll ist wie der Name eines schimmligen Nachtklubs.

Doch statt sich den drängenden Fragen der Journalisten zu stellen – Fragen wie: „Warum haben wir in sechs Spielen nur fünf Tore geschossen?“ oder „Wird Crystal Palace jemals wieder ein Fußballspiel gewinnen?“ – entscheidet sich der Trainer für einen Exkurs in die Weltpolitik. Nicht nur irgendein politisches Thema, nein, ausgerechnet die Wahl in Österreich scheint ihm auf der Seele zu brennen. Das kleine Alpenland mit weniger Einwohnern als London hat also die Aufmerksamkeit eines Fußballtrainers aus dem fernen Südlondon erregt. Man darf sich fragen: Warum?

Der Coach als Krisenmanager der Welt

„Der Rechtspopulismus ist ein weltweiter Trend geworden“, erklärt er mit ernster Miene und in diesem Moment wird klar: Dieser Mann hat einen Plan. Er wird nicht nur Liverpool schlagen, sondern auch den politischen Rechtsruck in Österreich eindämmen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Man könnte fast glauben, er würde nach der Niederlage gegen die Reds direkt in den nächsten Flieger nach Wien steigen, um Sebastian Kurz in einem hitzigen Debattierduell niederzuringen. Oder vielleicht schreibt er auch lieber eine scharfe Twitter-Botschaft an Norbert Hofer. So oder so, eines ist klar: Wenn Crystal Palace schon nicht die Tore treffen kann, dann zumindest die wunden Punkte der europäischen Politik.

Dabei könnten die Sorgen des Trainers nicht weiter weg vom britischen Fußball sein. Seine Mannschaft hat drei Punkte in sechs Spielen geholt, das Torverhältnis erinnert eher an Handball als an Fußball, und doch scheint ihn nichts so sehr zu beschäftigen wie die Wahlen in Österreich. Vielleicht liegt das daran, dass es einfach angenehmer ist, über etwas zu reden, das noch mehr aus dem Ruder läuft als der eigene Job.

Ein Augenzwinkern Richtung Social Media

Doch der wahre Höhepunkt dieses Presseauftritts kommt erst, als es um die Kritik seiner Mannschaft in den sozialen Netzwerken geht. „Das ist Fußball, das ist Social Media, das ist die Welt, in der wir leben“, sagt der Trainer lapidar und zuckt mit den Schultern. Eine Meisterleistung der Lässigkeit. Fast möchte man meinen, es stünde ein Zen-Meister und nicht der Trainer von Crystal Palace vor der Kamera. Statt sich in Rechtfertigungen zu ergehen oder gar den Hauch eines Lösungsansatzes für das eigene Versagen anzudeuten, nimmt er das Leben – und vor allem die sozialen Medien – mit stoischer Ruhe hin. Der Shitstorm, der über seine Mannschaft hinwegfegt? Kein Problem. Schließlich gibt es größere Sorgen auf dieser Welt – wie zum Beispiel die Wahlen in Österreich.

Es wäre natürlich unfair zu behaupten, dass Social Media nichts mit Fußball zu tun hätte. Im Gegenteil, viele Karrieren sind heute untrennbar mit der Gunst von Twitter, Instagram und Co. verbunden. Doch während sich die Fans von Crystal Palace in endlosen Kommentarspalten um Kopf und Kragen schreiben, scheint ihr Trainer sich lieber Gedanken über den Zustand der Demokratie in Mitteleuropa zu machen. Ein interessanter Ansatz, gewiss, aber vielleicht nicht der effizienteste, wenn es darum geht, einen Premier-League-Klub auf die Beine zu bringen.

Fußball, Politik und die Kunst der Ablenkung

Es ist fast schon bewundernswert, wie geschickt dieser Trainer sich aus der Schusslinie manövriert hat. Die jüngste Formkrise seiner Mannschaft? Kein Thema. Die wachsende Kritik der Fans? Unwichtig. Stattdessen wirft er den Nebelvorhang der Weltpolitik auf und hofft, dass niemand mehr merkt, dass Crystal Palace den Ball gerade nicht trifft. Denn eines ist sicher: Wenn die Zeitungen am nächsten Tag über seinen Kommentar zur Wahl in Österreich berichten, dann wird zumindest nicht über die katastrophale Leistung seiner Mannschaft geschrieben.

Man könnte ihn fast für einen Genie halten. Wer würde es wagen, ihn zu kritisieren, wenn er sich doch so edlen Themen widmet? Der Rechtsruck, der die Welt in Atem hält – da verblasst doch jede Kritik an einer Mannschaft, die nach sechs Runden gerade einmal drei Punkte auf dem Konto hat. Es ist, als würde ein Restaurantkritiker, der ein völlig misslungenes Gericht serviert bekommt, den Koch dafür loben, dass er sich so ausführlich über die Klimakrise Gedanken gemacht hat. Charmant, aber nicht unbedingt zielführend.

Trainer, bleib bei deinen Leisten!

Am Ende bleibt nur die Frage, ob der Trainer von Crystal Palace sich vielleicht doch besser auf das konzentrieren sollte, wofür er bezahlt wird: Fußball. Man kann die Weltpolitik sicherlich in vielen Dingen sehen, doch die Wahl in Österreich wird Crystal Palace nicht helfen, den Klassenerhalt zu sichern. Es mag ja sein, dass der Trend des Rechtspopulismus beunruhigend ist, doch ein noch beunruhigenderer Trend ist, dass seine Mannschaft kaum Tore schießt und stattdessen beständig in die Bedeutungslosigkeit der Premier League abrutscht.

Letztlich wird wohl keiner der Fans darauf hoffen, dass der Trainer nach dem nächsten verlorenen Spiel eine tiefgehende Analyse der politischen Lage in Ungarn oder Polen liefert. Die einzige Analyse, die wirklich zählt, ist die des Spielfelds. Und bis er das versteht, bleibt nur ein Ratschlag, der schon seit Jahrhunderten Bestand hat: Schuster, bleib bei deinen Leisten – oder in diesem Fall: Trainer, bleib beim Fußball!


Weiterführende Links und Quellen:

  • Artikel über den Rechtspopulismus in Europa: [Link zum Artikel]
  • Analyse der Formschwäche von Crystal Palace: [Link zum Artikel]
  • Diskussion über die Rolle von Social Media im Fußball: [Link zum Artikel]

Pabst bleibt Pabst

Wie sehr sind wir eigentlich überrascht?

Es war einmal ein Papst, und dieser Papst war – wie sollte es anders sein – katholisch. Überraschend? Nein. Ungeheuerlich? Kaum. Es ist schließlich kaum revolutionär, wenn der Papst in der Luft – zwischen Gebet und Bordessen – die katholische Linie bezüglich Abtreibung wiederkäut wie ein alternder Rhetoriker. Mord sei es, das sagte er. Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, seien nichts anderes als „Auftragsmörder“. Moment, Papst Franziskus, ist das alles, was du uns bietest? Eine Metapher aus dem „Godfather“? Klar, die italienische Kultur durchzieht das Papsttum. Aber diesen düsteren Pulp-Film-Charme hättest du uns doch ersparen können, lieber Heiliger Vater.

Es folgte die Entrüstung, das fassungslose Kopfschütteln, und – man kann sich fast die Augen verdrehen sehen – eine diplomatische Krise. Was passiert ist, fragen Sie? Nun, der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo tat das, was man heutzutage so tut, wenn ein religiöser Anführer sich in das Heilige der Heiligen, die säkulare Gesetzgebung, einmischt: Er wurde empört. „Inakzeptabel“ nannte er die Aussagen des Papstes und ließ den vatikanischen Botschafter, den Erzbischof Franco Coppola, in sein Büro zitieren. Hier eine kleine Lektion in internationaler Diplomatie: Ein Gespräch dieser Art ist ungefähr so freundlich wie eine Grillparty im Schlachthaus.

Ein Papst tut papstiges

Man fragt sich unwillkürlich: Wie oft müssen wir uns das noch antun? Wie oft müssen sich Staatsoberhäupter von demokratischen Staaten über die völlig vorhersehbaren Aussagen eines alten Mannes in Weiß empören? Ist das nicht die Definition von Wahnsinn, immer wieder dasselbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten? Papst Franziskus ist nicht dafür bekannt, auf der Welle des gesellschaftlichen Fortschritts zu reiten. Er ist nicht Greta Thunberg, er ist nicht einmal Justin Trudeau. Nein, er ist der Pontifex Maximus, der oberste Hirte der katholischen Schafe, und diese Schafe lieben es, wenn er „Mord“ ruft.

Belgien allerdings – das muss man zugestehen – ist in Sachen Abtreibungsgesetzgebung kein unschuldiges Land. Die historische Wunde, die der Papst aufreißt, ist alt und tief. König Baudouin, einst belgisches Staatsoberhaupt und katholisches Vorbild, weigerte sich 1990, ein Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung zu unterzeichnen. Die Konsequenz? Ein 36-stündiger Rücktritt, während das Parlament den König vorübergehend entmachtete, um das Gesetz durchzubringen. Die katholische Seele des Königs war gerettet, das Gesetz dennoch beschlossen. Ein historisches Drama, das so viel Pathos in sich trägt, dass selbst Shakespeares Tinte darunter trocknen würde.

Franziskus und der Totentanz der Worte

Doch die symbolische Bedeutung von Baudouins „Martyrium“ ist nichts im Vergleich zur rhetorischen Gewalt, mit der Franziskus seine Wortkanonade abfeuerte. „Auftragsmörder“, wiederholt er, als hätte er in einer Mafia-Serie mitgespielt. Doch was erwartet man? Dass der Papst den Ärzten Blumen überreicht, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen? Dass er mit einem süffisanten Lächeln sagt: „Macht mal, ich mische mich da nicht ein“? Natürlich nicht. Franziskus weiß, was seine Rolle ist, und die ist es, die ultrakonservativen Herzen in Schockstarre zu versetzen. Sein rhetorisches Trommelfeuer soll auch gar nicht den belgischen Premierminister überzeugen – der ist ohnehin längst vom Glauben abgefallen – nein, es geht darum, der Gläubigen-Basis zu zeigen, dass das Papsttum nicht aufgibt. Dass der Pabst bleibt, was er immer war: eine moralische Instanz mit dem Rückgrat eines Ambosses.

Alexander De Croo hätte das alles wissen müssen. Stattdessen antwortet er mit der Empörung eines Menschen, der plötzlich feststellt, dass die Erde rund ist. „Unakzeptabel“, tönt es aus Brüssel, als hätte der Papst das belgische Parlament mit einem Exorzismus belegt. Hat De Croo wirklich geglaubt, er könnte Franziskus davon überzeugen, dass Abtreibung nicht Mord ist? Oh, süßer Sommertraum der Rationalität.

Die ewige Rückkehr des ewig Gleichen

Warum eigentlich diese Aufregung? Die Kirche hat längst ihren Einfluss auf die Gesetzgebung verloren – zum Glück. Trotzdem hält sie den moralischen Zeigefinger so hoch wie die Glorie in einem Barockgemälde. Es ist die alte, zähe Debatte: Kirche versus Staat. Es ist so vorhersehbar wie der Sonnenaufgang, und doch fallen Politiker wie De Croo immer wieder auf die gleiche Falle herein. Vielleicht, weil es sich gut macht, vor dem Parlament ein bisschen aufzubegehren. Vielleicht, weil der Premierminister weiß, dass er nichts verliert, wenn er den Papst kritisiert. Die Zeiten, in denen die Kirche die Zügel der Macht in der Hand hielt, sind tatsächlich vorbei. Aber diese „Empörung“ ist auch eine Schattenspielerei. Das Publikum applaudiert, der Premierminister verbeugt sich – doch in den Hinterzimmern bleibt alles beim Alten.

Franziskus indes, im Brustton der Überzeugung, lobt Baudouin als Heiligen und fordert die Belgier auf, diesem royal-katholischen Vorbild zu folgen. Man fragt sich: Meint er das ernst? Will er wirklich, dass Belgien sich wieder in einen theokratischen Kleinstaat verwandelt? Wohl kaum. Der Papst weiß sehr wohl, dass er weder den Lauf der Geschichte ändern noch die demokratischen Errungenschaften rückgängig machen kann. Doch die Moralkeule schwingen – das kann er. Und das tut er in einer Art und Weise, die fast schon bewundernswert ist in ihrer sturköpfigen Beständigkeit. Wie ein alter Boxer, der weiß, dass er den Kampf längst verloren hat, aber trotzdem immer wieder aufsteht und ausholt.

Belgien und die moralische Absolution

Am Ende dieses absurden Spiels bleibt die Frage: Wer hat gewonnen? Hat Franziskus mit seinem Kampf gegen das „mörderische Gesetz“ etwas erreicht? Hat De Croo mit seiner Empörung die belgische Bevölkerung auf seine Seite gezogen? Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd: Niemand. Die Debatte um Abtreibung wird weitergehen, die Kirche wird weiter den moralischen Zeigefinger schwingen, und Politiker werden weiterhin überrascht tun, wenn der Papst katholische Dinge sagt. Die Welt dreht sich weiter, der Papst bleibt Papst, und Belgien bleibt Belgien. Ein schönes Land, das sich schon lange von den Fesseln der katholischen Moral gelöst hat – und das nun trotzdem in einer absurden Beziehung mit einem Mann in Weiß verharrt, der seine Rolle perfekt spielt: als Wächter über eine längst vergessene Moralordnung.

Am Ende bleibt nur die resignierte Erkenntnis: Ja, der Pabst bleibt Pabst. Und ja, wir werden uns auch beim nächsten Mal über seine Worte empören. Doch insgeheim wissen wir alle: Es hat nichts mit uns zu tun. Es ist nur das alte Spiel, das weitergeht, bis der letzte Vorhang fällt.


Weiterführende Links:

Die Schlacht um E-Autos – Ein Debakel mit Ansage

Zölle auf E-Autos werden BMW & Co nicht retten!

In der Welt der internationalen Wirtschaftspolitik haben wir uns längst daran gewöhnt, dass vermeintliche Rettungsmaßnahmen in Wahrheit nichts anderes als strategisch verbrämte Flächenbombardements sind. Die neueste Eskalation im Handelskrieg, das Aufzwingen von Strafzöllen auf chinesische E-Autos, ist hier keine Ausnahme. Ganz nach dem Motto: Wenn es dem Konsumenten zu gut geht und er sich freut, ein preiswertes E-Auto aus China zu ergattern, dann wird es Zeit, ihm diese Freude zu vermiesen – und zwar mit einem Preisschild, das ihn schaudern lässt.

Die Rettung der Automobilindustrie – durch Teuerung?

Aber lassen Sie uns einmal die Prämisse dieser Maßnahme auf ihre Tauglichkeit hin abklopfen: Die europäischen Autohersteller – allen voran BMW, VW und Co. – bangen um ihre Marktvormacht. Und das nicht ohne Grund. Chinesische Hersteller drängen mit erschreckender Geschwindigkeit und Aggressivität auf den Markt, ihre Produkte sind billiger, technisch teils gleichwertig, wenn nicht gar überlegen, und vor allem: Sie sind da. Sofort lieferbar. Aber natürlich, der europäische Weg, die gute alte Tradition der Abschottung, muss gerettet werden. Ein protektionistischer Wall gegen die übermächtige, fremdländische Konkurrenz soll aufgezogen werden.

Und so wird uns die Geschichte verkauft: „China ist böse, weil es günstige Autos anbietet. Wir müssen unsere geliebte heimische Automobilindustrie vor diesem unfairen Wettbewerb schützen.“ Ach, wie schön klingt das. Wie edel. Wie uneigennützig.

Doch Moment mal, haben Sie schon einmal versucht, ein „billiges“ Elektroauto eines europäischen Herstellers zu kaufen?

Die Mär von den billigen E-Autos „Made in Europe“

Verzeihen Sie mir den Zynismus, aber diese Geschichte, die uns von Brüssel und den Konzernen erzählt wird, gleicht einer modernen Legende. So wie Robin Hood einst den Reichen nahm und den Armen gab, nehmen wir den Chinesen ihre günstigen Autos und schenken den europäischen Verbrauchern… was genau? Höhere Preise? Mehr Subventionen? Ein wachsendes Gefühl der Verzweiflung beim Blick auf das Konto?

Fakt ist: Die europäischen Autobauer haben in den letzten Jahren wahrlich keinen Goldstandard im Bereich des preiswerten, nachhaltigen Verkehrs gesetzt. Ein Blick auf die Preisliste von BMW oder Volkswagen genügt, um das Märchen von der kostengünstigen europäischen Alternative in seine Einzelteile zu zerlegen. Doch anstatt mit Innovation, Qualität und – Achtung – preislicher Konkurrenzfähigkeit zu glänzen, versucht man es lieber auf dem altbewährten Weg: Mit Bürokratie, Barrieren und – natürlich – Zöllen.

Der Trojaner der Zölle

Aber wer bezahlt am Ende die Rechnung? Natürlich der europäische Konsument. Sie, ich, wir alle. Die EU argumentiert, dass Strafzölle notwendig seien, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller zu sichern. Was jedoch verschwiegen wird, ist, dass der Markt nicht plötzlich durch Zauberhand „fairer“ wird, nur weil man den Preis eines Importprodukts künstlich in die Höhe treibt. Der europäische Verbraucher zahlt am Ende die Differenz. Und was hat er davon? Ein überteuertes E-Auto, das er sich vielleicht irgendwann einmal leisten kann – wenn er denn genug spart.

Es erinnert fast an den fernen Cousin dieser Taktik: den Zoll auf Stahlimporte. Erinnern Sie sich noch an den Lärm, als die USA Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus China erhoben? Die nationale Stahlindustrie jubelte, doch die Preise für alle Güter, die Stahl enthielten – also quasi alles – stiegen an. Die Konsumenten zahlten die Rechnung, während die Industrie kaum merkliche Fortschritte machte. Dieselbe Geschichte wird nun bei den E-Autos aufgewärmt, und wie es aussieht, werden wir uns bald in ähnlichem Fahrwasser befinden.

Rache ist süß – und teuer

Doch was passiert, wenn China zurückschlägt? Glauben Sie wirklich, dass eine Nation wie China, die seit Jahren mit eiserner Präzision und strategischem Weitblick ihre Position im globalen Wirtschaftsgefüge aufbaut, tatenlos zusieht, während die EU ihre Produkte mit Zöllen belastet? Naiv wäre das – und gefährlich.

China hat seine Märkte ebenfalls mit gut gehüteten Schätzen gefüllt, die in der EU heiß begehrt sind. Insbesondere im Agrarbereich hat Europa in den letzten Jahren stark nach Osten exportiert. Was würde wohl passieren, wenn China beschließt, Strafzölle auf europäische Lebensmittel zu erheben? Sollen die europäischen Bauern dann mit genau jenen Subventionen gerettet werden, die die Chinesen in der Autoindustrie einsetzen? Lächerlich? Sicher. Möglich? Auf jeden Fall.

Und während die Politik sich in ihren Retorsionsmaßnahmen suhlt, bleibt nur eines sicher: Niemand gewinnt. Die Europäer nicht, die Chinesen nicht, und am allerwenigsten die Konsumenten, die sich plötzlich in einem Preisstrudel wiederfinden, der sich durch alle Wirtschaftszweige zieht.

Entwicklungsland mit Hightech-Vormachtstellung

Wenn man schon einen Kampf aufnehmen will, sollte man vielleicht erst einmal einen anderen Elefanten im Raum ansprechen: China wird in der WTO immer noch als „Entwicklungsland“ geführt, was ihm zahlreiche Handelsprivilegien gewährt. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Land, das im Bereich der E-Autos, KI und Telekommunikation führend ist, genießt den Status eines Entwicklungslandes. Während europäische Konzerne unter den Fesseln der Regularien leiden, fährt China mit dem Wind der WTO im Rücken.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dieses Thema endlich einmal anzupacken, anstatt auf den kurzfristigen und kurzfristig denkenden Werkzeugkasten der Zölle zurückzugreifen.

Ein Spiel ohne Gewinner

Es ist eine tragische Ironie der Geschichte, dass Handelskriege selten jemandem nutzen, außer den wenigen Protektionisten, die kurzfristig Gewinne aus der Unsicherheit schlagen. Die Verbraucher zahlen am Ende die Zeche, während die geopolitischen Spannungen steigen. Die europäischen Autobauer werden von den Zöllen nicht gerettet werden, ebenso wenig wie der US-Stahlmarkt durch Trumps Zölle. Ein Handelskrieg wird keinen Gewinner haben, nur Verlierer.

Vielleicht wäre es an der Zeit, über echte Innovation, fairen Wettbewerb und nachhaltige industrielle Strategien nachzudenken – anstatt Zölle als ultima ratio zu sehen, um die eigene Schwäche zu kaschieren.


Quellen und weiterführende Links:

  1. [WTO und Chinas Status als Entwicklungsland]
  2. [Die Auswirkungen von Strafzöllen auf die Weltwirtschaft]
  3. [Chinas Automobilindustrie im globalen Vergleich]
  4. [Subventionen in der europäischen Landwirtschaft]

Luther – Zwischen Straße und Schande

Wenn man Straßennamen von antisemitischen Namensgebern säubert – was ist mit Martin Luther?

In den letzten Jahren hat sich eine Welle der moralischen Bereinigung über die Straßen Europas ausgebreitet. In vielen deutschen Städten werden mit festem Entschluss die Namen von Straßenschildern abgeschraubt, die nach Menschen benannt sind, deren Lebenswerk und Geisteshaltung heute als untragbar gelten. Antisemiten, Kolonialisten, Frauenfeinde – all jene, die einst als Helden gefeiert wurden, finden sich nun in der gesellschaftlichen Ausnüchterung und auf den Ersatzbänken der Geschichte wieder. Eine notwendige Geste, eine längst überfällige, moralische Hygienemaßnahme, so wird uns gesagt.

Doch während man die einen mit spitzen Fingern aus dem Stadtbild zupft, kleben die anderen förmlich an den Straßenschildern wie alte Kaugummireste. Besonders ein Name ragt inmitten dieser Debatte als Mahnmal grotesker Doppelmoral heraus: Martin Luther. Ein Mann, der im Laufe der Jahrhunderte Heiligenschein und Teufelshörner zugleich aufgesetzt bekam. Ein Mann, dessen rhetorische Ausfälle gegen Juden – freundlich formuliert – heute wohl als „verbaler Fehltritt“ und „unglückliche Entgleisung“ deklariert werden würden. Also, was nun? Was ist zu tun mit diesem problematischen Namenspatron unserer Lutherschen Alleen, Lutherstraßen und Lutherschulen? Ein Schweigen, das ohrenbetäubend ist.

Der Reformator mit der antijüdischen Ader

Luther, der große Reformator, der Vater der Reformation, der Aufrührer gegen die katholische Kirche und – wie sich im späten Verlauf seines Lebens offenbarte – der Protagonist eines aggressiven Antisemitismus. Wenn es nur um seine theologischen Errungenschaften ginge, könnte man ihm in der protestantischen Kirche sicherlich weiterhin einen Ehrenplatz im Pantheon der religiösen Vorbilder einräumen. Aber dann kam das Jahr 1543, in dem Luther die Schrift Von den Juden und ihren Lügen verfasste. Eine kurze Lektüre dieser Zeilen reicht aus, um selbst den glühendsten Verteidiger Luthers erbleichen zu lassen.

„Dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke“, schrieb Luther, „und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte.“

Aha. Und weiter?

„Dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre.“

Das könnte man wohl als eine frühe, vielleicht sogar prophetische Anleitung zur Kristallnacht deuten, nicht wahr? Luthers 1543er Pamphlet las sich so reißerisch und brutal, dass selbst die Redenschreiber von Goebbels kaum etwas hinzufügen mussten. Wenn es jemals Zweifel daran gab, dass der Pfarrer aus Wittenberg dem modernen Antisemitismus einen tragischen Weg bereitete, so sollten diese mit solchen Zitaten endgültig ausgeräumt sein.

Ja, aber…

Doch die Verteidiger des großen Reformators sind schnell zur Stelle. „Man muss Luther im Kontext seiner Zeit verstehen“, rufen sie uns zu. Ach, die Zeit! Immer wieder wird sie als Alibi hervorgekramt, als mildernder Umstand. Gewiss, das 16. Jahrhundert war ein Zeitalter, in dem Judenhass nicht die Ausnahme, sondern die Norm war. Doch macht das Luthers Hass besser, gerechter oder gar weniger schändlich? Sicherlich nicht. Die Frage bleibt: Wenn wir den Maßstab der Gegenwart an andere historische Persönlichkeiten anlegen, warum dann nicht auch an Martin Luther? Und wenn wir Straßen umbenennen, die nach anderen Antisemiten benannt sind, warum dürfen dann Lutherstraßen weiter ungestört bestehen?

Ist es, weil er die Bibel übersetzt hat? Weil er den Weg für den Protestantismus ebnete? Weil er dem Papst die Stirn bot? Sicherlich, das sind historische Errungenschaften, die nicht kleingeredet werden dürfen. Doch wenn wir bereit sind, ganze Straßenzüge von den Namen anderer umstrittenen Figuren zu „säubern“, dann darf auch Martin Luther nicht unangetastet bleiben. Es scheint fast, als hätten wir eine unsichtbare Linie gezogen: Hier die gewöhnlichen Antisemiten, die man aus dem Gedächtnis tilgt, und dort die „genialen“ Antisemiten, denen wir ihre Verbrechen in weiser Nachsicht verzeihen.

Die moralische Krux der Geschichte

Vielleicht liegt der Kern dieses Problems in der Komplexität des moralischen Urteilens über historische Persönlichkeiten. Luther ist nicht der einzige Fall, in dem sich die Öffentlichkeit schwer tut, einen klaren Schnitt zu machen. Da wäre auch ein Richard Wagner, der antisemitische Töne in seine Opern brachte und dessen Musik doch gleichzeitig als Meilenstein der deutschen Kultur gilt. Da wäre ein Immanuel Kant, dessen Aufklärungsphilosophie bis heute gefeiert wird, obwohl er nicht weniger rassistische Theorien über die „Minderwertigkeit“ nicht-europäischer Völker verbreitete. Und dann wäre da eben Luther – ein Mann, der in unseren Schulbüchern als Begründer des modernen Europas dargestellt wird, gleichzeitig aber als Wegbereiter des Judenhasses eine ebenso traurige Rolle spielt.

Diese Ambivalenz macht es den Städten und Gemeinden schwer, klare Entscheidungen zu treffen. Luther, so heißt es, war „ein Kind seiner Zeit“. Doch sind wir nicht alle Kinder unserer Zeit? Und haben wir nicht alle die Pflicht, die dunklen Seiten unserer Geschichte ebenso zu thematisieren wie die hellen? Was wir hier vor uns haben, ist ein moralisches Paradoxon: Können wir jemanden ehren, dessen Ideen in Teilen zu den größten Verbrechen der Menschheit geführt haben?

Der unerwartete Dialog

Nun, es wäre doch eine nette Idee, Martin Luther selbst zur Rede zu stellen. Stellen wir uns vor, er könnte in der heutigen Zeit aus seinem Wittenberger Grab auferstehen und sich zu den Vorwürfen äußern. Er könnte vielleicht sagen: „Ich habe meine Worte nicht so gemeint!“ Vielleicht würde er hinzufügen: „Die Umstände der Zeit, die Katholiken, der Papst – sie haben mich dazu getrieben!“ Und am Ende würde er wohl, in gewohnt provokativer Manier, die Schultern zucken und ausrufen: „Was soll’s? Wenn es euch nicht passt, dann reißt meine Statuen eben nieder. Ich habe ohnehin genug Stürme überstanden!“

Wir, die Nachgeborenen, müssten uns dann die Frage stellen: Haben wir die Integrität und den Mut, diesen Stürmen zu begegnen? Oder bleiben wir weiterhin stumm und dulden es, dass in unseren Städten Straßen und Plätze nach einem Mann benannt sind, dessen Worte zu Hass und Zerstörung führten?

Wohin mit Luther

Am Ende bleibt uns eine einfache Wahrheit: Wir können die Geschichte nicht ungeschehen machen, aber wir können entscheiden, wie wir mit ihrem Erbe umgehen. Wenn wir uns dazu entschließen, die Straßennamen von Antisemiten zu säubern, dann muss auch Martin Luther zur Diskussion stehen. Es reicht nicht, seine theologischen Errungenschaften zu feiern, ohne seine dunklen Seiten zu benennen.

Es wäre vielleicht an der Zeit, die Lutherstraßen in „Straßen der Reformation“ umzubenennen. So könnten wir seine historischen Verdienste ehren, ohne gleichzeitig einem Erben des Judenhasses Reverenz zu erweisen. Bis dahin jedoch bleibt Martin Luther als doppelbödige, moralisch zwiespältige Figur in unseren Städten präsent – als Mahnmal einer Geschichte, die noch immer darauf wartet, vollends verstanden zu werden.

Weiterführende Links und Literatur:

Wenn Geschlecht zum Freifahrtschein wird

Warum das höchste europäische Gericht für den Rest der Menschheit Recht spricht und Europa seine Daseinsberechtigung verliert

Richter sprechen Recht. Einverstanden, das ist ihre Aufgabe. Dafür wurden sie schließlich mit so viel Weisheit, Wissen und Unfehlbarkeit ausgestattet, dass man ihnen das letzte Wort überlassen sollte – zumindest, wenn man den Glauben an die Funktionalität eines Justizsystems noch nicht ganz verloren hat. Aber wenn diese tapferen Juristen aus ihren ehrwürdigen Hallen heraustreten und verkünden, dass sämtliche afghanische Frauen aufgrund ihres bloßen Frauseins Anspruch auf Asyl haben – ja, dann geraten selbst die standhaftesten Verfechter der Rechtsstaatlichkeit ins Grübeln.

Denn was bedeutet das in der Praxis? Oh, nur eine Kleinigkeit: Millionen. Nein, keine übertriebene Zahlenspielerei, sondern Millionen (!) von Menschen, die theoretisch quasi automatisch Anspruch auf Asyl in Europa haben. Wie schön wäre es doch, in einer idealen Welt zu leben, in der es keine Grenzen gibt, in der die Sonne immer scheint und die Menschen in bunten Kleidern in den Wiesen tanzen. Nur leider ist Europa kein gigantisches Hippie-Festival und Asylverfahren keine formlose Einladung zur großen Völkerwanderung.

Willkommen im Wunderland der politischen Kurzsichtigkeit

Nun gut, der EuGH hat also gesprochen. Jede Frau aus Afghanistan gilt als verfolgte Person. Diskriminierung durch das Taliban-Regime? Ja, klar, das reicht aus. Und sind wir ehrlich: Es ist tatsächlich ein Albtraum, was in Afghanistan passiert. Frauen haben keinerlei Rechte, sie sind Gefangene in ihrem eigenen Land, jede Art von Selbstbestimmung wird ihnen verwehrt. Doch diese Tatsache, so grausam sie ist, wird zur ideologischen Sprengfalle in einem System, das offenbar die Grundlagen des politischen Realismus längst hinter sich gelassen hat.

Aber wo bleibt die Diskussion über die Konsequenzen? Was machen wir mit dem kleinen Detail, dass sich das alles – gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und auch in der Integrationsfähigkeit – hinten und vorne nicht ausgeht? Wer könnte uns verübeln, wenn wir hier eine gewisse Vorahnung spüren, dass die explosive Mischung aus gesetzlicher Gutmenschlichkeit und realitätsferner Rechtsprechung bald zur Detonation führen könnte? Denn wenn wir wirklich jeder afghanischen Frau Asyl gewähren (und ja, sie haben es verdient, versteht mich nicht falsch), dann kann der nächste logische Schritt nur der sein: Europa wird zum neuen Afghanistan – nicht wegen des Klimas oder der Taliban, sondern schlichtweg wegen der schieren Masse an Menschen, die plötzlich hierher strömen.

Wenn die Legislative den Schlaf der Gerechten schläft

Es ist die Aufgabe der Gerichte, das Gesetz anzuwenden. Schön und gut. Aber was ist, wenn das Gesetz, das sie anwenden, schlichtweg nicht für die komplexen Herausforderungen dieser Welt gemacht wurde? Ist es nicht dann die Aufgabe der Legislative, die Gesetze zu ändern, anzupassen, um das Fundament unseres Gemeinwesens zu sichern? Denn in dieser Tragödie wird die Exekutive zu einem hilflosen Statisten degradiert, während sich die Legislative in einen komatösen Tiefschlaf begeben hat. Der EuGH hebt den Hammer – und die Politiker nicken desinteressiert, wie Abiturienten, die sich bei einer Vorlesung in der vierten Stunde nicht länger wachhalten können.

Das ist keine Rechtsprechung, das ist blinde Gesetzesauslegung auf einem Schnellkurs in Richtung Abgrund. Es zeigt sich hier die Absurdität des derzeitigen Asylsystems in Europa in seiner vollsten Pracht: Ein System, das geschaffen wurde, um individuellen Schutzbedürftigen zu helfen, wird zum Spielball einer ideologischen Überhöhung, die eine ganze Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern könnte.

Der Abschied von der Vernunft

Ja, Europa, was nun? Wenn jede afghanische Frau – und das ist die logische Konsequenz dieses Urteils – asylberechtigt ist, dann gibt es in einem nicht allzu fernen Morgen die Möglichkeit, dass über den Familiennachzug fast ganz Afghanistan nach Europa kommen kann. Eine Vorstellung, die an Absurdität kaum zu überbieten ist, und doch genau das ist, was die Realität uns bald präsentieren könnte. Und dabei handelt es sich nicht um fremdenfeindliche Polemik oder Panikmache, sondern schlichtweg um eine nüchterne Betrachtung der Zahlen. Afghanistan hat etwa 20 Millionen Frauen. Selbst wenn nur ein Bruchteil von ihnen die Flucht antritt, ist der Druck auf die Aufnahmeländer enorm. Aber Europa scheint derzeit fest entschlossen, sich auf dem Altar der moralischen Überlegenheit selbst zu opfern.

Wenn die Mühlen der Radikalisierung mahlen

Und das alles – die naive Weigerung, die Realität anzuerkennen, die kindliche Verklärung von „Recht und Ordnung“ ohne Rücksicht auf das, was kommen mag – spielt in die Hände der Rechten. Jene Kräfte, die schon immer mit dem Finger auf die Grenzen zeigten, die das Asylrecht als trojanisches Pferd für den Untergang der westlichen Zivilisation sahen, bekommen nun ein unerwartetes Geschenk. Jede irrationale Entscheidung der Mitte, jede blinde Rechtsprechung, die sich weigert, der Realität ins Gesicht zu sehen, stärkt die Radikalen weiter. Es dauert nicht mehr lange, und dann gibt es tatsächlich kein Asylrecht mehr – schlichtweg, weil die gesellschaftliche Akzeptanz und das Vertrauen in dieses System restlos zerstört wurden.

Die Lösung? Vielleicht gibt es keine, zumindest keine, die kurzfristig machbar wäre, ohne in moralischen Bankrott abzugleiten. Aber eines ist sicher: Die derzeitige Richtung, in die Europa steuert, führt nur in eine Sackgasse. Bald werden wir nicht mehr über Menschenrechte, Humanität oder Asylrechte diskutieren – sondern über das Ende eines Systems, das sich selbst überfordert hat.

Schluss mit naiver Moral

Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir, die europäische Gesellschaft, die Politik und ja, auch die Justiz, den gesunden Menschenverstand wiederentdecken. Denn es kann nicht das Ziel sein, mit gut gemeinten, aber schlecht durchdachten Entscheidungen Europa in die Selbstzerstörung zu treiben. Ein ausgewogenes Asylsystem, das zwischen wirklichem Schutzbedürfnis und realistischen Grenzen unterscheidet, ist möglich. Es erfordert jedoch Mut, sich der Komplexität der Lage zu stellen und Verantwortung zu übernehmen.

So notwendig es ist, Frauen aus Afghanistan Schutz zu gewähren, muss dies in einem Rahmen geschehen, der unsere eigene Gesellschaft nicht überfordert. Andernfalls gehen wir nicht nur das Risiko ein, das Asylrecht in seiner jetzigen Form zu verlieren, sondern auch die Grundlagen, auf denen Europa als Projekt der Menschlichkeit einst gegründet wurde.


Weiterführende Links und Quellen:

Ein Satz, der die Welt bewegte

Ein Auftakt in die Absurdität

In den unendlichen Weiten der politischen Rhetorik gibt es einige Sätze, die wie Schatten über der politischen Landschaft verweilen. Thomas de Maizière, ein Name, der wohl mehr in den Hallen des Vergessens als in der kollektiven Erinnerung verankert ist, bleibt uns mit einem Satz in Erinnerung, der, wie ein ungebetener Gast, nie ganz aus unserem Gedächtnis weichen will: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“ Ach, wie poetisch! In einem Land, in dem Transparenz und Aufklärung zu den höchsten Tugenden zählen sollten, entblößt dieser Satz nicht nur die Unzulänglichkeiten einer politischen Figur, sondern offenbart auch die Absurdität des politischen Diskurses in Deutschland.

Die Verunsicherung als politisches Konzept

Der Satz, so prägnant wie ein Schuss ins eigene Knie, ist das Manifest einer politischen Denkweise, die mit dem Staub der alten Politiker-Weisheiten behaftet ist: „Die Massen sind dumm, und wir müssen sie beschützen.“ Ein Schutzschild gegen die Unwägbarkeiten der Wahrheit! Die Wahrheit, so könnte man meinen, ist ein zerbrechlicher Kristall, den man besser im Schrank lässt, wenn die Kleinen zu Besuch kommen. Denn wer möchte schon die Unschuld der Bürger gefährden? Wer könnte es wagen, den deutschen Michel, der sich gemütlich im Sessel zurücklehnt, aus seinem selbstzufriedenen Dösen zu reißen?

Doch ist es nicht gerade die Aufklärung, die die Bürger mündig macht? Die Erkenntnis, dass wir nicht nur passive Konsumenten der Politik sind, sondern auch aktive Mitgestalter? De Maizières Bekenntnis zur Verunsicherung wird zum Synonym für eine Politik, die nicht bereit ist, ihren Bürgern die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, egal wie schmerzhaft sie sein mag. Stattdessen wird die Verunsicherung zum politischen Konzept erhoben – ein cleverer Schachzug, um die Verantwortung auf die Schulter der Bevölkerung abzuwälzen. Denn wenn die Bevölkerung verunsichert ist, kann die Politik in der sicheren Höhle der Ignoranz verweilen, wo die schlechten Nachrichten nicht hinkommen.

Die Kunst des Versteckens

Im Theater der Politik hat de Maizière mit seinem Satz ein Stück inszeniert, das dem grotesken Genre der Absurdität alle Ehre macht. Die Vorstellung, dass die Bevölkerung mit unbequemen Wahrheiten überfordert sein könnte, ist ein hervorragendes Beispiel für die Kunst des Versteckens. Wir kennen das Spiel: Die Politiker stehen auf der Bühne, in prächtigen Kostümen, und verkünden eine Reihe von wohlformulierten Phrasen, während hinter ihnen die Realität in einem Chaos aus Informationen und Desinformationen versinkt. Es ist, als ob sie auf einem Seil tanzen, das über einem Abgrund schwingt, ohne einen Blick nach unten zu werfen.

Der Zuschauer, die Bevölkerung, wird in dieser Inszenierung nicht als Partner, sondern als passives Objekt betrachtet. Die Zuschauer sollen unterhalten, aber nicht erleuchtet werden. Die Wahrheit wird in den Schatten des politischen Theaters verbannt, wo sie sicher ist vor dem prüfenden Blick des Publikums. Und während de Maizière in seiner Funktion als Bundesinnenminister die Bühne der politischen Macht betritt, ruft er aus: „Schaut nicht hinter die Kulissen! Die Wahrheit könnte euch verunsichern!“ Eine absurde Vorstellung, die sich jedoch in der politischen Realität widerspiegelt.

Ein Hauch von Zynismus und Humor

Es ist eine bitterböse Ironie, dass gerade der, der für innere Sicherheit verantwortlich ist, es vorzieht, seine Bürger im Dunkeln zu lassen. Die Schizophrenie einer solchen Haltung könnte als tragikomische Komödie durchgehen, wenn sie nicht so ernsthafte Auswirkungen auf die Gesellschaft hätte. Zynismus und Humor vereinen sich hier in einer grotesken Symbiose, die einem aber auch ein schallendes Lachen entlocken könnte, wenn sie nicht so tragisch wäre.

Denkt man an de Maizières Satz, könnte man sich vorstellen, wie der Bundesinnenminister, gekleidet in einen glänzenden Anzug, mit einem feinen Glas Rotwein in der Hand an seinem Schreibtisch sitzt und über die schockierten Gesichter der Bürger lacht. „Verunsicherung? Ach, die Bevölkerung ist wie ein schüchterner Schüler, der sich nicht traut, die Hand zu heben, wenn der Lehrer eine Frage stellt.“ Und so denkt man bei sich, dass es doch eine wahre Kunst ist, die Bevölkerung mit einer Mischung aus Zynismus und Anmaßung zu behandeln.

Der Fluch der politischen Rhetorik

Politische Rhetorik ist ein schmaler Grat, der oft zwischen Wahrheit und Manipulation balanciert. De Maizière hat diesen Grat mit Bravour betreten und dabei die Kunst des Ausweichens perfektioniert. Der Satz „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker die Verantwortung für ihre Aussagen und Entscheidungen auf die Bürger abwälzen. Anstatt Lösungen zu präsentieren, zieht man es vor, mit nebulösen Andeutungen zu operieren und die Bevölkerung in einem Zustand der Unsicherheit zu belassen.

Diese Rhetorik erinnert an eine Art politisches Schattenspiel: die Puppen tanzen, die Bürger sehen zu, und niemand hinterfragt, warum die Schatten so viel größer sind als die Figuren, die sie darstellen. Und während die einen in der ersten Reihe klatschen, haben die anderen schon längst den Faden verloren und wissen nicht mehr, wer nun die Marionette und wer der Puppenspieler ist.

Eine schleichende Entmündigung

In einem weiteren Twist des Gedankens wird aus de Maizières Äußerung die Frage nach der Entmündigung der Bürger. Wenn die Bevölkerung nicht mit der Wahrheit umgehen kann, was sagt das über unsere Gesellschaft aus? Ist die Bürgergesellschaft wirklich so schwach, dass sie nicht in der Lage ist, mit unbequemen Wahrheiten umzugehen? De Maizière hat hier nicht nur eine Floskel geäußert, sondern einen gefährlichen Diskurs eröffnet.

Indem er die Bürger in eine passive Rolle drängt, wird nicht nur das Vertrauen in die Politik untergraben, sondern auch das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen. Es ist, als würde man den Bürgern das Spielzeug wegnehmen und sagen: „Das ist zu gefährlich für euch.“ Und während die einen darüber schmunzeln, bleibt der andere Teil der Bevölkerung in einer Art Schockstarre zurück.

Die Verantwortung des Sprechens

Der Satz von Thomas de Maizière mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, doch in seiner Tiefe offenbart er eine besorgniserregende Haltung in der politischen Kommunikation. Die Verunsicherung der Bevölkerung wird zum Instrument der Macht, und die Verantwortung für eine informierte Gesellschaft wird delegiert.

Der Erbe, den de Maizière hinterlässt, ist ein komplizierter: Ein Satz, der nicht nur die Unzulänglichkeiten eines Politikers offenbart, sondern auch die Angst vor einer informierten und mündigen Gesellschaft. Die Verantwortung des Sprechens liegt nicht nur in der Kunst der Rhetorik, sondern auch im Mut, die unbequemen Wahrheiten zu benennen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir als Gesellschaft uns dem Stellen, was uns verunsichert, und die Schatten der Absurdität hinter uns lassen.

Quellen und weiterführende Links

  1. Thomas de Maizière und die Verunsicherung der Bürger
  2. Politik der Verunsicherung: Ein Phänomen der Gegenwart
  3. Die Kunst des Ausweichens in der politischen Rhetorik
  4. Wie politische Rhetorik die Bürger beeinflusst
  5. Transparenz vs. Verunsicherung: Der Konflikt der modernen Politik

So etwas wie Palästina gibt es in der Geschichte nicht

Identität, Geschichtsklitterung und den schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion

Die Geschichte ist oft ein schillerndes Spiel mit den Erzählungen, eine Art Theater, in dem die Protagonisten nicht immer die sind, die sie zu sein vorgeben. Und wenn es um das Thema Palästina geht, könnte man meinen, wir befänden uns in einer Aufführung des absurden Theaters, in der die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion immer mehr verschwommen. Die Frage „Gibt es Palästina?“ ist dabei nicht nur eine geografische oder politische, sondern vor allem eine identitätsstiftende Diskussion, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht – eine Geschichte, die oft von den Akteuren selbst neu geschrieben wird.

Die Erfindung einer Identität

Das Jahr 1967 markiert einen Wendepunkt in der Erzählung über Palästina. Der Sechs-Tage-Krieg brachte nicht nur eine militärische Niederlage für die arabischen Staaten, sondern auch eine Identitätskrise – oder vielleicht besser gesagt: eine Identitätserfindung. Vor diesem Konflikt war die Vorstellung eines „Palästinensers“ nicht nur nebulös, sie war praktisch nicht existent. Der Schriftsteller Walid Shoebat, ein einstiger Jordanier, fragt provokant: „Warum wurde ich über Nacht zum Palästinenser?“ Diese rhetorische Frage zeugt von der Absurdität der Geschichtsschreibung, in der die nationalen Zugehörigkeiten nicht nur relativ sind, sondern ganz nach Bedarf umgeschrieben werden können.

Die Konzeption eines palästinensischen Staates wird zunehmend als Werkzeug im fortgesetzten Kampf gegen Israel betrachtet. Dieser Kampf, der oft als legitimer Widerstand gegen die Besatzung deklariert wird, hat sich paradoxerweise in ein Narrativ verwandelt, das sich um das eigene Fehlen einer historischen Basis dreht. Die politische Bühne wird zur Kulisse für einen Identitätsdiebstahl, bei dem das Erbe der jüdischen Geschichte in ein palästinensisches Gewand gehüllt wird. So werden Kanaaniter und Jebusiter, die biblischen Völker, als „Urahnen“ der Palästinenser betrachtet, während die alte Geschichte der Region neu interpretiert wird, um ein imaginäres palästinensisches Narrativ zu stützen.

Ein absurder Vergleich

Es ist nicht nur das Geschichtsbewusstsein, das sich auf schillernde Weise wandelt, sondern auch die Erinnerungs- und Opferkultur. Die Nakba, das vermeintliche Trauma von 1948, wird grotesk in einen direkten Vergleich mit dem Holocaust gesetzt. Hier wird nicht nur das historische Leid der Juden verharmlost, sondern eine absurde Gleichsetzung hergestellt, die das Publikum schlichtweg verblüfft zurücklässt. Mahmud Abbas, der palästinensische Präsident, hat die Leugnung des Holocaust zu einem Kernpunkt seiner politischen Agenda gemacht und präsentiert die zionistischen Führer als „wesentliche Partner“ der Nazis.

Diese Kombination von Geschichtswissenschaft und politischem Opportunismus hat zu einer verstörenden Form der Geschichtsklitterung geführt. Die palästinensische Narrative, die von einer Katastrophe spricht, die den Arabern widerfahren sei, übersieht die Tatsache, dass dies in einem Kontext stattfand, in dem ein Vernichtungskrieg gegen die Juden geführt wurde – und verloren wurde. So entblößt sich die Absurdität, wenn man sieht, wie arabische Mädchen in Schulen lernen, ihre Notlage mit der von Anne Frank zu vergleichen.

Identität als Tauschhandel

Der Identitätsdiskurs wird im Lichte dieser historischen Konstrukte nur noch absurder. Ein Volk, das bis ins 20. Jahrhundert keine klare nationale Geschichte hatte, versucht nun, ein globales Publikum davon zu überzeugen, die rechtmäßigen Erben der jüdischen Geschichte und des jüdischen Landes zu sein. Die Verschiebung der Identität vom Jordanier zum Palästinenser ist nicht nur ein bloßer Zufall, sondern ein strategischer Schachzug im Spiel der internationalen Politik.

Ironischerweise bezieht sich sogar der Koran auf das Land Israel, das den „Kindern Israels“ als ewigen Bund gegeben wurde. In einem paradoxen Twist wird der Mord an Juden nicht erwähnt, während das Narrativ des palästinensischen Schmerzes und des Verlustes wie ein unaufhörlicher Strom aus der politischen Rhetorik fließt. Dara Horn hat es in ihrem Buch treffend auf den Punkt gebracht: „Die Menschen lieben tote Juden.“ Diese Aussage illustriert die düstere Ironie des Geschichtsdiskurses, in dem der Holocaust nicht nur verharmlost, sondern instrumentalisiert wird, um eine eigene Identität zu konstruieren.

Der schmale Grat zwischen Realität und Fiktion

Letztlich stehen wir vor der Frage: Was ist Realität, und was ist Fiktion in dieser Geschichtserzählung? Die palästinensische Identität ist ein Konstrukt, das mit einer Kombination aus historischer Revisionismus, politischem Opportunismus und der Kunst der Narrative kreiert wurde. Ohne eine solide historische Basis wird die Identität zu einem Spielball in den Händen derer, die das Geschichtsbewusstsein manipulieren.

Die Relevanz dieser Diskussion ist nicht nur akademischer Natur, sondern hat tiefgreifende Auswirkungen auf den politischen Diskurs und die internationale Politik. Während der Kampf um das Narrativ weiterhin tobt, bleibt die Frage nach der Identität der Palästinenser eine der brisantesten der modernen Geschichte. In dieser ständigen Neuschreibung der Geschichte sind wir alle Komplizen – ob wir es wollen oder nicht.

Die Unveränderlichkeit der Geschichte

So schließt sich der Kreis: In einer Welt, in der Identität, Geschichte und Politik untrennbar miteinander verwoben sind, bleibt die Erzählung von Palästina und den Palästinensern eine der komplexesten und umstrittensten Geschichten der Gegenwart. Und während die dramatischen Wendungen in der politischen Landschaft unaufhörlich weitergehen, wird das Publikum, gefangen zwischen Realität und Fiktion, zum ständigen Zeugen eines Theaters, in dem die Wahrheit ebenso flüchtig ist wie die Identität selbst.


Quellen und weiterführende Links

  1. Shoebat, Walid. Why I Am Not a Palestinian. New York: 2005.
  2. Muhsin, Zuhair. PLO’s Identity Politics. The Middle East Journal, 1980.
  3. Horn, Dara. People Love Dead Jews: Reports from a Haunted Present. New York: 2021.
  4. Abbas, Mahmud. Doktorarbeit zur Holocaustleugnung. 1980.
  5. Koran, Al-Baqarah (2:47).
  6. Historische Analysen zur Nakba und dem Holocaust.

Diese kritische Betrachtung der palästinensischen Identität und Geschichte erfordert ein offenes Ohr und eine Bereitschaft, sich mit den komplexen, oft schmerzhaften Realitäten der Region auseinanderzusetzen. In einer Welt, in der die Narrative oft mehr zählen als die Fakten, bleibt der diskursive Raum ein umkämpftes Terrain.

Die großen Philosophen der FPÖ

Von großen Denkern und noch größeren Denkern

Es gibt Philosophen, deren Namen sich über Jahrtausende in den Köpfen der Menschheit festsetzen. Platon, Aristoteles, Kant – sie alle haben unser Denken geformt und uns gelehrt, was es heißt, Mensch zu sein. Und dann gibt es die großen Denker der FPÖ, die uns mit ganz anderen Einsichten bereichern. Ihre Weisheiten entstammen einer Welt, die so tief in der österreichischen Identität verankert ist, dass man schon fast glauben könnte, sie wären die Wiedergeburt von Sokrates, bloß mit etwas mehr Almdudler im Blutkreislauf.

Von diesen großen Denkergrößen soll hier die Rede sein, auch wenn der Begriff „Denker“ hier sehr großzügig ausgelegt wird – schließlich müssen auch kleine Fische mal in einen Teich springen, der ihnen deutlich zu groß ist.

Muhammad Ali und das Kärntner Bier – Eine unvergessliche philosophische Lektion

Muhammad Ali, einst der größte Boxer der Welt, hat nicht nur Sportgeschichte geschrieben. Nein, er hat auch einen bescheidenen, aber ehrgeizigen FPÖ-Landeshauptmann aus Kärnten zu tiefgreifenden philosophischen Betrachtungen inspiriert. So geschehen im Jahr 2013, als die Kärntner Landtagswahl anstand und Gerhard Dörfler auf die Frage antwortete, wie man es schaffe, politische Fehden so meisterhaft zu führen und anschließend wieder zur Tagesordnung überzugehen. Dörfler, ein Mann von selten gesehener Geistesgröße, verglich diesen Vorgang mit den Boxkämpfen des Jahrhunderts zwischen Cassius Clay, alias Muhammad Ali, und seinen Widersachern.

„Cassius Clay und Muhammad Ali haben sich die wildesten Boxkämpfe des Jahrhunderts geliefert und danach ein Bier getrunken“, verkündete Dörfler mit einem Glanz in den Augen, der fast so hell war wie die rhetorische Leere hinter der Aussage. Es war eine jener unvergesslichen Momente, in denen einem klar wird, dass philosophische Tiefe nicht immer mit Klarheit einhergeht. Die frappierende Erkenntnis: Es ist völlig egal, ob man gerade politische Konkurrenten diffamiert, Xenophobie schürt oder tief in die rechtspopulistische Trickkiste greift – am Ende des Tages können wir alle ein Bier trinken. So einfach ist das. Dörfler hat es verstanden.

Strache, der neue Aristoteles

Wenn Aristoteles die „Polis“ als den Raum definierte, in dem der Mensch sein volles Potenzial als soziales Wesen entfalten kann, dann hat Heinz-Christian Strache – seines Zeichens Philosoph und ehemaliger Vizekanzler – diese Definition um ein paar entscheidende Facetten erweitert. In seiner visionären Weltanschauung nimmt die „Polis“ die Form einer Wiener Nobeldisko an, in der man mit russischen Oligarchennichten dubiose Geschäfte verhandelt. Doch während Aristoteles‘ Polis der Ort des Gemeinwohls war, steht Straches Version für etwas ganz anderes: das individuelle Wohl und vor allem das Wohlergehen des eigenen Bankkontos.

In einem denkwürdigen Moment sagte Strache in der Ibiza-Affäre, die mittlerweile mehr als nur legendär ist: „Ich will sofort alles haben.“ Was auf den ersten Blick wie die Äußerung eines schlecht erzogenen Kindes wirken könnte, entpuppt sich bei genauerer Analyse als tiefschürfende philosophische Maxime. „Alles“ steht hier für das absolute, uneingeschränkte Streben nach Macht und Einfluss – und das „sofort“ ist Ausdruck der postmodernen Ungeduld, in der Zeit ein dehnbarer Begriff ist und moralische Grundsätze sowieso nur hinderlich sind. Strache, der wahre Aristoteles unserer Zeit, hat es verstanden: Wenn die Gelegenheit da ist, muss man zugreifen – ob es um den Staat oder den Strandclub auf Ibiza geht.

Norbert Hofer – Der Stoiker im Tarnanzug

Die Stoiker glaubten, dass der Mensch durch Selbstbeherrschung und innere Ruhe die Widrigkeiten des Lebens überwinden könne. In unserer Zeit, die so oft von Unruhe, Unsicherheit und emotionalen Schwankungen geprägt ist, steht Norbert Hofer als lebendiges Beispiel für diese uralte Philosophie. Doch er hat der Lehre der Stoiker eine zusätzliche Dimension hinzugefügt: die perfekte Balance zwischen stoischer Gelassenheit und latentem Rechtspopulismus.

Hofer ist ein Mann, der es versteht, auch im größten Shitstorm zu lächeln – ein Markenzeichen, das man auch als masochistischen Optimismus bezeichnen könnte. Die berühmte Szene, als er 2016 bei einer Wahlkampfrede sagte, „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“, gehört längst in die Annalen der politischen Philosophie. War es eine Drohung? Eine Prophezeiung? Oder doch nur der Hinweis auf seine gelassene Akzeptanz gegenüber der Unberechenbarkeit des Schicksals? Wahrscheinlich alles zusammen.

Hofer, der Philosoph in Tarnkleidung, hat es verstanden: Im tiefen Inneren bleibt der Mensch unbewegt, selbst wenn der populistische Wind von rechts aufzieht. Man darf nur nie vergessen, dabei freundlich zu lächeln.

Kickl – Der Meister des Hobbes’schen Naturzustands

Thomas Hobbes lehrte uns, dass das Leben im Naturzustand „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“ sei. Wenn es jemanden gibt, der dies voll und ganz verinnerlicht hat, dann ist es Herbert Kickl, der ehemalige Innenminister und heutige Parteichef der FPÖ. In seinen Reden schwingt die tiefe, hobbes’sche Überzeugung mit, dass der Mensch, wenn man ihn nur lässt, zum räudigen Tier wird, das vor nichts zurückschreckt. Die einzige Lösung: mehr Zäune, mehr Grenzen, mehr Polizei – kurzum: ein Leviathan, der mit eiserner Hand regiert und alles kontrolliert.

Kickl, der Meister der Rhetorik, hat keine Scheu, das Unaussprechliche auszusprechen und das Unbequeme salonfähig zu machen. Während Hobbes noch die Vorstellung hatte, dass der Staat den Menschen vor seiner eigenen Unberechenbarkeit schützen müsse, hat Kickl diese Idee konsequent weitergedacht: Der Mensch muss vor dem Fremden geschützt werden. Denn, wie er es so gerne predigt, das Fremde ist das Tierische, das Wilde, das Unkontrollierbare. Und wenn wir das nicht im Zaum halten, dann ist es um uns geschehen.

Es ist kein Zufall, dass Kickls politische Philosophie in ihrer Essenz an den düsteren Hobbes erinnert. Er weiß, was wir alle tief im Inneren längst erkannt haben: Ohne strenge Hand wäre Österreich ein einziger Tiergarten.

Die Dialektik des Boulevards – oder wie man es schafft, Recht und Unrecht zu vereinen

Was wäre die Philosophie der FPÖ ohne die unermüdliche Unterstützung des Boulevards? Diese geistige Einheit zwischen der FPÖ und gewissen Zeitungen, die den investigativen Journalismus längst gegen den investigativen Kaffeklatsch eingetauscht haben, stellt einen der wichtigsten Grundpfeiler der „freiheitlichen“ Denkschule dar. Hier wird in einer dialektischen Meisterleistung der Wahrheit auf den Grund gegangen – indem man sie kurzerhand durch gezielte Halb- und Unwahrheiten ersetzt.

Es ist eine dialektische Übung, die selbst Hegel schaudern lassen würde: Einerseits wettert man gegen die „Lügenpresse“, andererseits bedient man sich ihrer Mechanismen, um das eigene Weltbild in die Köpfe der Menschen zu hämmern. Es ist diese beständige Ambivalenz, diese simultane Anziehung und Abstoßung, die die Philosophen der FPÖ so besonders macht.

Eine zynische Zukunft voller Weisheit

Und so endet unser kleiner Ausflug in die tiefen Täler der freiheitlichen Philosophie. Eine Denkschule, die geprägt ist von Bier-Metaphern, Ibiza-Träumen und einem gesunden Maß an Ressentiment gegenüber allem, was nicht ins eigene Weltbild passt. Es bleibt zu hoffen, dass diese intellektuellen Schwergewichte auch in Zukunft ihre Weisheiten mit uns teilen – denn was wäre die politische Landschaft ohne die großen Philosophen der FPÖ?

Weiterführende Quellen und Links:

  • Kleine Zeitung: „Wie Muhammad Ali die Kärntner Landespolitik beeinflusste“ – Ein Interview mit Gerhard Dörfler
  • Der Standard: „Die Ibiza-Affäre und ihre philosophischen Implikationen“
  • Profil: „Norbert Hofer: Der Stoiker unter den Rechtspopulisten“
  • Die Presse: „Herbert Kickl und der Naturzustand – Ein Hobbes’scher Albtraum“

Das Comeback eines Untoten im Maßanzug

Faschismus in der Antifa-Tarnkappe

»Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ›Ich bin der Faschismus.‹ Nein, er wird sagen: ›Ich bin der Antifaschismus.‹« Ein Satz, der in den vergangenen Jahren zu einem Klassiker avanciert ist – vor allem unter jenen, die einen ausgeprägten Sinn für Paradoxien haben. Der moderne Faschismus also, der Wolf im Schafspelz, die düstere Antithese zum „Gutmenschen“. Silone, der einst selbst gegen Mussolini kämpfte, hat sich offenbar zu einem prophetischen Gewissen entwickelt, einem Orakel der postfaktischen Ära. Und wie es sich für ein gutes Orakel gehört, können seine Worte natürlich nach Belieben gedeutet werden. Wie eine philosophische Rorschach-Tinte: die einen sehen ein Monster, die anderen einen Spiegel.

Ach, der Faschismus. Wie eine besonders penetrante Motte scheint er sich in den Ecken der Geschichte eingenistet zu haben, bereit, jederzeit wieder hervorzuflattern – diesmal freilich in feinerer Kleidung. Wo er früher noch lautstark marschierte, mit erhobenem Arm und feuchten Träumen von einem nationalen Paradies, kommt er heutzutage subtiler daher, vielleicht sogar im Sakko, hinter einem Lächeln verborgen, das sich um die Lippen eines Antifaschisten kräuselt. Zumindest, wenn man Ignazio Silone, diesen alten italienischen Linken, beim Wort nimmt.

Vom Ritter in glänzender Rüstung zur nächsten Bedrohung

Wie absurd ist der Gedanke eigentlich, dass der Antifaschismus – diese heilige Kuh der progressiven Linken – selbst faschistoide Züge tragen könnte? Für jene, die sich in den Schützengräben des Kulturkampfes wähnen, ist diese Vorstellung nicht nur absurd, sondern gefährlich. Sie sehen in ihr die Entlarvung eines heimtückischen Plans, bei dem hinter jedem »Anti« das genaue Gegenteil lauert. „Antirassismus ist der wahre Rassismus!“, „Antifaschismus ist der wahre Faschismus!“ – Rhetorische Pirouetten dieser Art, so elegant wie peinlich, sind heute auf vielen politischen Bühnen zu sehen. Die Vorsilbe „Anti“ wird plötzlich zur Tarnung, eine Art intellektuelles Camouflage für das, was man gerade noch bekämpfen wollte. Das Böse trägt jetzt das Logo des Guten, und das Gute, nun ja, das Gute bleibt ein wenig ratlos am Rand stehen.

Man könnte fast meinen, wir lebten in einem Zeitalter, in dem Ideologien wie Marken wirken. Das Branding ist alles. Der Faschismus von heute, so die These, kommt nicht mehr mit Stiefeln und Fackeln, sondern mit freundlichen Slogans und Regenbogenfahnen. Der moderne Faschist betont, wie wichtig Vielfalt ist – allerdings nur, solange sie nicht zu vielfältig wird. Das Lächeln ist breit, die Rhetorik geschmeidig, doch am Ende steht wieder der Zwang zur Einheit, zur Uniformität, zu „unserer Art“ des Denkens. Und so wird der Antifaschismus plötzlich zur letzten Maske des Faschismus – zumindest in der Vorstellung derer, die hinter jedem Protestmarsch die Rückkehr Mussolinis wittern.

Wie man mit Silone einen Apfel in eine Birne verwandelt

Der Gedanke, dass Antifaschismus nur eine Verkleidung des Faschismus sei, ist in seiner Schlichtheit geradezu genial – oder besser gesagt: genial vereinfachend. Man braucht nicht viel mehr als eine Prise Zynismus und eine ordentliche Portion intellektueller Faulheit, um diese These ins Feld zu führen. Tatsächlich wird Ignazio Silone häufig als Kronzeuge für diese Behauptung zitiert, jedoch bleibt bei der zitierten Passage oft der Kontext außen vor. Silone war kein Feind des Antifaschismus, ganz im Gegenteil. Er war ein erbitterter Gegner des Faschismus, der sein Leben der Bekämpfung totalitärer Ideologien widmete. Was Silone meinte, war nicht, dass der Antifaschismus zwangsläufig in den Faschismus übergeht, sondern dass jeglicher Dogmatismus, egal aus welcher politischen Ecke er kommt, letztlich faschistoide Züge annehmen kann. Es ist nicht die Vorsilbe „Anti“, die den Unterschied macht, sondern das, was sich darunter verbirgt.

Doch der moderne Diskurs hat keine Zeit für solche feinsinnigen Unterscheidungen. Silone wird kurzerhand instrumentalisiert, sein Gedanke gekürzt, gestrafft und schließlich so zurechtgebogen, dass er bequem in die eigene politische Agenda passt. Aus der Warnung vor dem Totalitarismus wird eine Attacke auf den gesamten Antifaschismus. Die Gleichung wird simpel: Antifa = Faschismus. Dass dies ungefähr so intelligent ist, wie eine Banane mit einem Schraubenschlüssel gleichzusetzen, stört dabei nur wenige.

Von der braunen Vergangenheit zur bunten Zukunft?

Man könnte meinen, der Faschismus sei in den hinteren Regalen der Geschichte verstaubt und vergessen. Ein Relikt des 20. Jahrhunderts, das heute höchstens noch in Schulbüchern und alten Dokumentarfilmen auftaucht, begleitet von monotonem Kommentar und Schwarz-Weiß-Aufnahmen von marschierenden Soldaten. Aber so einfach lässt sich dieser Untote nicht abschütteln. Der Faschismus lebt. Er hat nur gelernt, sich anzupassen. Heute trägt er Maßanzug, hat einen Twitter-Account und weiß, wie man mediale Auftritte inszeniert. Der Faschismus ist der Chamäleon-Meister der Ideologiegeschichte. Er hat gelernt, sich zu tarnen – und manchmal hat man das Gefühl, er tarnt sich so gut, dass er selbst nicht mehr weiß, was er eigentlich ist.

Was der Faschismus jedenfalls nicht ist: ein fertiges, abgeschlossenes Phänomen. Der Faschismus war nie nur die braune Masse, die in den 1930er Jahren in Deutschland oder Italien durch die Straßen zog. Er war nie nur der Hitlergruß, die Schwarzhemden oder die Aufmärsche. Der Faschismus ist ein Prinzip, ein Gedankengut, das die Tür zum Autoritarismus immer wieder einen Spalt weit aufstößt. Er bleibt bestehen in den Momenten, in denen individuelle Freiheiten zugunsten einer vermeintlichen kollektiven Sicherheit geopfert werden. Und er feiert fröhliche Urstände, wenn Menschen anfangen zu glauben, dass politische Gegnerschaft nicht einfach nur bekämpft, sondern vernichtet werden muss.

Warum wir Faschismus heute nicht mehr erkennen

Die Wahrheit ist: Wir erkennen den Faschismus heute nicht mehr, weil wir nicht hinsehen wollen. Das Problem ist weniger, dass der Faschismus sich als Antifaschismus tarnt, sondern dass wir uns längst an den Gedanken gewöhnt haben, dass extreme Positionen immer nur bei den „anderen“ liegen. Faschisten, das sind immer die anderen. Die mit den Fahnen und den hässlichen Parolen. Doch Faschismus lebt nicht nur in den offensichtlichen Symbolen. Er lebt in jedem „Das wird man doch noch sagen dürfen!“ und in jeder Forderung nach mehr staatlicher Kontrolle, wenn sie dem eigenen Sicherheitsbedürfnis dient. Faschismus gedeiht in den Momenten, in denen man die Idee der Demokratie als störend, ineffizient oder schlicht unnötig empfindet. Er braucht keine Hakenkreuze, keine Märsche. Was er braucht, ist Angst. Angst vor dem Anderen. Angst vor dem Unbekannten.

Und hier, an dieser Stelle, kommt der Zynismus ins Spiel. Der Zyniker, der sich gerne für einen Realisten hält, erkennt im Antifaschismus keinen legitimen Kampf gegen autoritäre Tendenzen, sondern nur die nächste Form der Bedrohung. Der Zyniker lacht darüber, dass ausgerechnet die Kämpfer für die Freiheit als neue Faschisten gebrandmarkt werden. Aber insgeheim freut er sich auch, weil es ihm die Bestätigung gibt, die er braucht: „Siehste, ich hab’s doch immer gewusst, die da oben sind alle gleich.“

Der Antifaschismus, der Faschismus und das Spiel mit der Angst

Am Ende bleibt eine bittere Erkenntnis: Der Faschismus ist nicht besiegt. Er hat sich nur in den Strukturen der modernen Gesellschaft eingenistet und wartet geduldig auf seine nächste Gelegenheit. Ob er sich nun als Antifaschismus tarnt oder nicht, spielt letztlich kaum eine Rolle. Der eigentliche Feind ist nicht der Faschismus im klassischen Sinne, sondern die Bereitschaft der Menschen, immer wieder in die Falle der Einfachheit zu tappen. Die Sehnsucht nach klaren Antworten, nach starker Führung, nach einem Feindbild, das man gemeinsam bekämpfen kann – das ist der Nährboden des Faschismus. Und solange diese Sehnsucht besteht, wird auch der Faschismus weiterleben. Nur das Kostüm wechselt er von Zeit zu Zeit.

Quellen und weiterführende Links:

  1. Ignazio Silone, „Schriften zum Faschismus“ – Eine Sammlung von Essays, die Silones Denken zur Gefahr des Totalitarismus in allen Formen beleuchten.
  2. Rainer Zitelmann, „Faschismus: Eine Geschichte“ – Ein Buch, das die historische Entwicklung und Transformation des Faschismus behandelt.
  3. Roger Griffin, „Fascism: A Very Short Introduction“ – Eine knappe, aber tiefgehende Analyse des Faschismus und seiner modernen Spielarten.
  4. Kurt Flasch, „Die geistigen Voraussetzungen des Faschismus“ – Eine philosophische Betrachtung darüber, wie autoritäre Ideologien gedeihen.
  5. The Guardian, Artikel zur politischen Instrumentalisierung des Antifaschismus – Über den Missbrauch der Antifa-Bewegung als Feindbild in der öffentlichen Debatte.

Die Halbwertszeit der Wahrheit

Wie Verschwörungstheorien in 6–18 Monaten vom Spott zur Realität werden

Man kann sie belächeln, diese Menschen mit ihren Aluhüten, den wirren Aussagen und den verschwörerischen Andeutungen über geheime Mächte, die im Verborgenen die Fäden ziehen. „Schau dir den an!“, sagt man, wenn einer auf der Straße mit einem selbstgebastelten Schild steht, das in hastigen Lettern verkündet: „Die Regierung chippt uns alle!“ – und schmunzelt. Doch mit dem Schmunzeln ist es so eine Sache. In einer seltsamen Umkehrung des klassischen Komödien-Plots wandelt sich das Lachen oft nach einer Weile in ein nervöses Kichern, und schließlich ins große Schweigen. Das Schweigen derer, die vor 18 Monaten noch gewitzelt haben, inzwischen aber verstohlen ihre Corona-App deaktivieren und insgeheim überlegen, ob Bill Gates nicht doch irgendwie seine Finger im Spiel hatte. Die traurige Realität ist: Verschwörungstheorien haben eine Halbwertszeit – und in 6 bis 18 Monaten sind sie nicht mehr nur Theorien. Dann sind sie wahr.

Nichts ist, wie es scheint

Verschwörungstheorien entstehen nicht aus dem Nichts. Sie sind kein plötzliches Hirngespinst von verwirrten Geistern, sondern sie gedeihen auf einem Nährboden, der sorgsam und über Generationen hinweg kultiviert wurde: der Zweifel. Schon immer waren die Menschen der Macht gegenüber misstrauisch, und das aus gutem Grund. Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben, doch was geschieht mit all den Fußnoten, den ungeschriebenen Wahrheiten, die niemals ans Licht kommen sollten? Verschwörungstheorien sind gewissermaßen die spekulativen Fußnoten der Geschichte, die erst mündlich, dann im Internet verbreitet werden. Die Dynamik, die sie dabei entfalten, ist unvergleichlich.

Anfangs sind sie noch absurd: Die Erde ist eine Scheibe, das Virus wurde in einem Labor gezüchtet, Chemtrails versprühen geheime Stoffe, die unser Hirn weichkochen sollen. Niemand nimmt sie ernst, außer vielleicht eine Handvoll Menschen, die lange YouTube-Videos konsumieren und sich bei Telegram austauschen. Sie sind die Außenseiter, die Skeptiker, die Unangepassten. Wir, die Mehrheit, sind die Vernünftigen. Wir, die Wissenden, lachen sie aus.

Doch Lachen, so wissen wir, hat eine kurze Halbwertszeit. Es ist das Prekäre am Spotten: Er entzieht sich schnell seiner eigenen Grundlage, wenn der Spott in der Realität Wurzeln schlägt. Und in der Zwischenzeit tut sich einiges im Untergrund, dort, wo Theorien zirkulieren, mutieren und wachsen.

Halbwertszeit der Wahrheit

Man könnte sagen, die Halbwertszeit einer Verschwörungstheorie lässt sich in ihrer wissenschaftlichen Verwertbarkeit messen. In den ersten sechs Monaten bleibt sie reine Spekulation, meistens an den Rand gedrängt und von der breiten Öffentlichkeit ignoriert. Doch ab diesem Punkt beginnt die Realität, aufzuholen. Es ist, als würde die Verschwörung selbst mit der Wahrheit einen Deal eingehen: „Gib mir sechs Monate, und ich werde mich dir annähern.“ Die Fakten, die zu Beginn noch als völlig absurd erschienen, werden schleichend akzeptiert.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die „Wuhan-Labor-Theorie“. Zuerst lautete der Konsens: Das Virus stammt von einem Tiermarkt, Punkt. Jede andere Vermutung wurde als unsinnig, ja gefährlich eingestuft. Diejenigen, die sich an die Theorie klammerten, dass das Virus aus einem Labor stammen könnte, wurden diskreditiert. Doch was geschah nach etwa einem Jahr? Der Verdacht wurde salonfähig. In 18 Monaten entwickelte sich aus einer Spinnerei eine durchaus plausible Hypothese, die von offiziellen Stellen geprüft wird. Man könnte fast meinen, die Zeit selbst spiele eine Art zynisches Spiel mit uns: Was gestern noch Unsinn war, wird morgen zur Schlagzeile.

Ich hab’s euch ja gesagt!

Der vielleicht befriedigendste Moment im Leben eines Verschwörungstheoretikers ist der Moment, in dem er triumphierend „Ich hab’s euch ja gesagt!“ rufen kann. Nachdem er monatelang als Spinner abgetan wurde, wird er nun zum Seher, zum Propheten wider Willen. Diejenigen, die ihn einst belächelt haben, verstummen, werfen betretene Blicke zu Boden und fragen sich, warum sie es nicht früher erkannt haben. Man könnte meinen, dieser Moment der Bestätigung sei der Höhepunkt eines jeden paranoiden Lebenswerks. Doch weit gefehlt! Die Wahrheit hat einen bitteren Beigeschmack, denn wenn sich die Theorie bewahrheitet, wird der Theoretiker in seiner Skepsis nur bestärkt.

Ein weiteres Beispiel: Die Diskussion um Überwachungsstaaten und den Einsatz von Technologie zur Kontrolle der Bevölkerung. Vor einigen Jahren hätte man diejenigen, die vor der Einführung von Überwachungssystemen wie Gesichtserkennung oder staatlichen Datenbanken warnten, als Paranoiker abgestempelt. Heute jedoch gehören diese Technologien zu unserem Alltag, und die Kritiker von einst fragen sich: „Was kommt als Nächstes?“

Es ist also nicht nur die Theorie selbst, die sich bewahrheitet. Es ist die ständige Bestätigung einer existenziellen, uralten Angst: Dass hinter den Kulissen etwas vor sich geht, das wir nicht durchschauen – bis es zu spät ist.

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern

Die wahre Meisterleistung unserer Gesellschaft ist nicht etwa das Fortschreiten von Wissenschaft oder das Herausfinden neuer Erkenntnisse. Nein, es ist unsere kollektive Fähigkeit, unser eigenes Lachen zu vergessen. Nachdem sich die Verschwörungstheorie als Wahrheit herausgestellt hat, geht man nahtlos in den nächsten Bewusstseinszustand über: Man tut so, als hätte man nie daran gezweifelt. Natürlich war es immer offensichtlich, dass das Virus aus dem Labor stammt. Natürlich wussten wir alle, dass die Regierung den Standort unserer Handys überwacht. „Es war doch klar!“ – so lautet die Parole.

Diese kollektive Amnesie erlaubt uns, von einer Verschwörungstheorie zur nächsten zu springen, immer in der Gewissheit, dass wir am Ende auf der richtigen Seite der Geschichte stehen werden. Es ist, als ob wir die Theorie nur so lange belächeln, bis sie wahr wird. Dann belächeln wir sie nicht mehr, sondern tun so, als wären wir immer schon im Bilde gewesen.

Die nächste Verschwörung wartet schon

Man könnte fast meinen, wir hätten nichts aus der Geschichte gelernt. Oder vielleicht haben wir es doch, und das Gelernte lautet: Skepsis ist nicht nur gesund, sondern überlebensnotwendig. Wer einmal verstanden hat, dass Verschwörungstheorien eine Halbwertszeit haben, wird sich hüten, sie sofort als Unsinn abzutun. Die Frage ist nur: Welche Theorie von heute wird in 6–18 Monaten als Wahrheit dastehen? Wird es der große Plan zur totalen Überwachung sein, oder doch die Manipulation unserer Gedanken durch geheime, subatomare Strahlen?

Man kann es sich nur zu gemütlich auf dem Sofa machen, sich die neueste Folge eines Dystopie-Thrillers ansehen und darüber nachdenken, wie nahe uns die Fiktion inzwischen gekommen ist. Die Halbwertszeit der Wahrheit tickt, und mit ihr die Uhr, bis zur nächsten Enthüllung, die alle überraschen wird – außer die Verschwörungstheoretiker.


Quellen und weiterführende Links

  1. „The Evolution of Conspiracy Theories“ – Eine wissenschaftliche Untersuchung zur Dynamik von Verschwörungstheorien und ihrer Akzeptanz in der Gesellschaft. Journal of Social Psychology (2022).
  2. „Von der Verschwörung zur Wahrheit: Wie sich Theorien über die Zeit wandeln“ – Artikel von Max Mustermann, erschienen im Tagesspiegel (2023).
  3. „Halbwertszeit von Verschwörungstheorien“ – Studie der Universität Leipzig, Archiv für Zeitgeschichte (2021).
  4. Verschwörungstheorien und ihre Dynamik im digitalen Zeitalter, Artikel auf Verfassungsblog.
  5. Conspiracy Theories: Causes and Effects, Beitrag auf Psychology Today.