Wenn Raketen sprechen könnten

Ein Blick auf die lange Reichweite der Kurzsichtigkeit

Es war einmal ein Krieg, der eigentlich keiner sein sollte. Ein Konflikt, der auf diplomatischen Wegen gelöst werden wollte, bevor die Diplomatie ihre schmutzigen Hände hob und erklärte: „Ich wasche sie in Unschuld.“ Doch dann kamen die Waffen ins Spiel, und wie es bei Waffen so ist, sind sie nie stumm. Sie sprechen – manchmal lauter, als es Politikern lieb ist. Und so könnte man sich die aktuelle Eskalation wie einen Wiener Walzer vorstellen, bei dem jeder Schritt ins Unbekannte führt. Die Choreografie? Streng geheim. Die Tänzer? USA, Ukraine, Russland, mit einem gelegentlichen „Pas de deux“ der EU. Und nun also Raketen, die „für sich selbst sprechen“ sollen. Wer hätte gedacht, dass wir die Zukunft des Krieges in einer Werbekampagne von ChatGPT erleben würden?

Wer zündet den ersten Funken, wenn alle Pyromanen sind

US-Präsident Biden, der Mann, dessen Lächeln zwischen staatsmännischer Milde und einem Versuch, sich an das heutige Datum zu erinnern, oszilliert, hat Kyjiw den Einsatz von US-Waffen längerer Reichweite gegen russisches Gebiet genehmigt. Dies, liebe Leser, ist nicht nur ein strategischer Schachzug, sondern ein politisches „Haltet-mich-zurück“ par excellence. Denn natürlich hat niemand wirklich Lust, den dritten Weltkrieg zu beginnen. Es geht lediglich darum, ihn so oft anzudeuten, dass er irgendwann wie ein altes Gerücht wirkt, das niemand mehr ernst nimmt – bis die Raketen fliegen.

Und wer könnte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj übelnehmen, dass er die Raketen „für sich selbst sprechen“ lassen will? Schließlich ist nichts diplomatisch-erhellender als ein präzisionsgelenkter Kommentar auf feindliches Territorium. Wozu auch Verhandlungen, wenn man Botschaften mit Überschallgeschwindigkeit verschicken kann?

Der Kreml und die Kunst der Eskalationslyrik

Auf der anderen Seite der Front erhebt Dmitri Peskow seine Stimme, wie ein Moderator eines apokalyptischen Dramas. Die „Windung der Eskalationsspirale“ nennt er es, als wäre das Ganze ein schlecht geplantes Karussell auf einem Rummelplatz, der längst bankrott gegangen ist. Doch keine Sorge, der Kreml hat Erfahrung mit Eskalationen. Er betrachtet sie wie ein Kunstwerk, ein modernes Gemälde aus Chaos und Drohungen, gemalt mit dem Pinsel der Propaganda.

„Diese Schläge verüben ja nicht die Ukraine“, erklärt Peskow und verweist auf die ominösen „Spezialisten aus westlichen Ländern“. Es ist die alte Leier: Der Westen zieht die Fäden, und die Ukraine ist bloß eine Marionette. Wer könnte es dem Kreml verdenken, dass er an dieser Fiktion festhält? Immerhin ist es eine einfache Erklärung in einer Welt voller komplexer Widersprüche.

Wenn Raketen sprechen, wer hört zu

Es ist bemerkenswert, wie in dieser Diskussion um Raketen, Reichweiten und Reaktionen stets die eigentliche Frage übersehen wird: Was sagen diese Raketen eigentlich? Sind sie lyrische Werke, die den Himmel durchschneiden und dabei ein Gedicht über Zerstörung hinterlassen? Oder sind sie schlicht Kommunikationsmittel, die eine einzige Botschaft senden: „Hier bin ich, und ich bin schneller, als du je reagieren könntest“?

Für den Kreml ist die Freigabe dieser Raketen durch die USA nichts weniger als ein Schuldeingeständnis. Ein Beweis dafür, dass der Westen direkt in den Konflikt verwickelt ist. Und vielleicht hat der Kreml in einem Punkt sogar recht: Wenn Raketen „sprechen“, ist es meistens die Stimme derer, die sie gebaut haben – und nicht unbedingt die derjenigen, die sie abschießen.

Wie viele Eskalationsstufen passen in eine Spirale

Die Eskalationsspirale – dieses wundersame Gebilde, das sich immer weiter dreht und niemanden loslässt. Es ist fast so, als hätten alle Beteiligten ein Abo auf Eskalationen abgeschlossen, ohne je die Kündigungsfrist zu beachten. Der Kreml droht mit einer „schnellen Reaktion“, was übersetzt so viel heißt wie: „Wir wissen noch nicht genau, was wir tun werden, aber es wird definitiv dramatisch aussehen.“

In der Zwischenzeit versucht die Ukraine, ihren Platz in der Welt neu zu definieren, mit Raketen als Pinselstrichen auf der Leinwand geopolitischer Machtspiele. Die USA schauen zu und lächeln das typische Lächeln eines Waffenlieferanten, der weiß, dass er immer einen Schritt entfernt ist von der Behauptung: „Wir liefern nur, was bestellt wurde.“

Die große Frage – oder: Gibt es noch einen Exit

Und so dreht sich der Tanz weiter, ein ewiges Hin und Her zwischen Drohungen, Raketen und rhetorischen Pirouetten. Die große Frage bleibt: Gibt es noch einen Exit, einen Moment, in dem jemand die Musik stoppt und sagt: „Genug getanzt“? Vielleicht, aber nicht, solange Raketen die Hauptrolle spielen. Denn wie heißt es so schön: Wer Waffen sprechen lässt, sollte nicht erwarten, dass sie auch zuhören können.

Satire, Ernst und die Kunst, nicht durchzudrehen

In einer Welt, in der Raketen für sich selbst sprechen, bleibt wenig Platz für leise Töne. Doch vielleicht, liebe Leser, ist es genau diese Absurdität, die uns daran erinnert, warum Satire überhaupt existiert. Sie ist unser kleiner Protest gegen die große Unvernunft – ein Lachen im Angesicht der Eskalation. Und wer weiß? Vielleicht endet dieser Tanz eines Tages nicht in einer Explosion, sondern in einem unerwarteten Moment des Verstehens. Bis dahin bleibt uns nur, die absurden Wendungen des Krieges mit einem Augenzwinkern zu betrachten – und einem gesunden Maß an Skepsis.


Quellen und weiterführende Links

  • [Chomsky, Noam: Die Konsensfabrik – Die politische Ökonomie der Massenmedien]
  • [Berichte zur Freigabe von US-Raketen für ukrainische Angriffe, diverse Nachrichtenagenturen]
  • [Analyse zur Eskalationsspirale im Ukraine-Konflikt, unabhängige politische Thinktanks]

Willkommen im Tollhaus der Preisgestaltung

Wie Konzerne, Politik und ihre ideologische Starrheit die Inflation befeuern

Es war einmal, in einem beschaulichen Land namens Österreich, wo die Alpen majestätisch thronen, die Mozartkugeln immerzu glänzen und die Politik vor allem eines auszeichnet: die Neigung, Probleme lieber zu verwalten als zu lösen. Hier, im Herzen Europas, tobt eine Inflation, die ihresgleichen sucht. Aber keine Sorge, es sind natürlich nicht die Schuldigen, die zur Verantwortung gezogen werden. Nein, viel bequemer ist es, die Inflation als eine Art Naturgewalt zu betrachten, gegen die man einfach nichts tun kann. Und so nimmt das Elend seinen Lauf, während in anderen Ländern längst gehandelt wird.

Naturkatastrophe oder konzerngeführter Feldzug?

Man stelle sich vor, ein Konzernboss beugt sich über seine Zahlen. „Wir haben da ein Problem“, murmelt er. „Die Energiepreise steigen, die Leute werden knurren.“ Doch dann funkelt seine Miene auf, als er zur nächsten Spalte der Excel-Tabelle gelangt. „Aber was wäre, wenn wir die Preise noch weiter erhöhen? Mal sehen, wie weit wir gehen können, bevor der Pöbel auf die Barrikaden steigt.“ Klingt übertrieben? Nun, nicht laut Christine Lagarde, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, die ganz offen aussprach, was viele nur zu denken wagten: Konzerne „testen“, wie viel Schmerz die Konsumenten zu ertragen bereit sind.

Zwei Drittel der Inflation, so Lagarde, sind dem unersättlichen Hunger nach Übergewinnen zuzuschreiben. Zwei Drittel! Man könnte fast meinen, die Inflation sei weniger ein schicksalhaftes Ereignis und mehr ein konzertiertes Experiment zur Bereicherung der Elite. Die Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IMF) untermauern dies: mindestens die Hälfte der europäischen Inflation sei den Krisengewinnen zu verdanken. Und in Österreich? Da sieht die Sache besonders düster aus.

Untätigkeit als Tugend

Warum also hinken wir hinterher? Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd: Weil wir nichts tun. Während Spanien, Belgien und Luxemburg Preisdeckel einführten, Mehrwertsteuern senkten und Übergewinnsteuern einhoben, begnügt sich die österreichische Regierung mit wohlmeinenden Ratschlägen. Mieten? Nicht gedeckelt. Lebensmittelpreise? Oh, das regelt der Markt! Energiekosten? Bitte sparen Sie doch beim Duschen.

Dabei zeigt der Blick über die Grenze, dass Preisdeckel eben nicht das Wirtschaftsendzeitszenario heraufbeschwören, das die ÖVP seit Monaten herbeizuphantasieren versucht. Spanien ist nicht im Chaos versunken, im Gegenteil. Das Land floriert. Doch in Österreich gilt: Nichts tun ist besser als etwas falsch zu machen – auch wenn es bedeutet, dass die Bevölkerung weiter ausblutet.

Lohn-Preis-Spirale? Nein, eine Profitsause!

Die Regierung liebt es, den Fokus auf die angeblich zu hohen Löhne zu lenken. Man muss ja schließlich irgendwo die Schuld abladen. Doch was sagt der IMF dazu? Hohe Lohnabschlüsse sind nicht der Haupttreiber der Inflation. Es sind vielmehr die Unternehmen, die ihre gestiegenen Kosten nicht nur weitergeben, sondern sie gleich in eine Profitorgie ummünzen. Als Finanzminister Brunner im ORF-Report die Mär von der „Lohn-Preis-Spirale“ wiederholte, mag das in konservativen Kreisen Applaus geerntet haben. Fakten stören da nur.

Die Realität sieht nämlich anders aus. Während die Reallöhne in Österreich 2022 den größten Verlust seit Beginn der Aufzeichnungen hinnehmen mussten, stiegen die Unternehmensgewinne in schwindelerregende Höhen. Kein Wunder also, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert. Dass dies keine unabwendbare Entwicklung ist, zeigt einmal mehr Spanien. Aber Österreich ist eben nicht Spanien. Hier gilt das Dogma: Wer leidet, leidet wenigstens standesgemäß.

Die Lösung? Ja, es gäbe sie.

Die Werkzeuge, um der Inflation Herr zu werden, liegen längst auf dem Tisch. Preisdeckel? Funktionieren. Übergewinnsteuern? Ebenfalls. Mehrwertsteuersenkungen? Ein Klassiker. Doch die österreichische Regierung tut nichts von alledem. Es bleibt beim Mantra der Alternativlosigkeit. Wer allerdings glaubt, dass dieses Nichtstun irgendeine moralische Überlegenheit beweist, der irrt. Es ist vielmehr die Weigerung, den Status quo infrage zu stellen. Denn das würde bedeuten, die heilige Kuh des freien Marktes zu schlachten. Und davor schrecken Schwarz-Grün ebenso zurück wie ein Veganer vor dem Wiener Schnitzel.

Der Preis des Stillstands

Während andere Länder mutig handeln, bleibt Österreich ein Mahnmal der Untätigkeit. Die Menschen zahlen die Rechnung – an der Kasse, bei der Miete, und letztlich mit ihrer Lebensqualität. Doch eines sei gewiss: Die Profiteure dieser Krise schlafen gut. Ihre Konten füllen sich, während die Bevölkerung spart, darbt und hofft, dass der Kelch der nächsten Preiserhöhung vielleicht doch an ihr vorübergeht. Am Ende steht die Erkenntnis: Inflation ist keine Naturgewalt. Sie ist ein System, das von Menschen gemacht wird – und von Politikern, die den Mut nicht aufbringen, es zu ändern.


Weiterführende Links:

Altersarmut beginnt in der Jugend

Butternudelzeit reloaded

Es begann mit den Butternudeln. Jene kulinarische Ikone der prekären Haushalte, die in der Volkshilfe-Studie zum Symbol für das Ende des Monats wurde. Doch selbst diese bescheidene Tradition erlag der Teuerungskrise, als Butter zum Luxusgut avancierte und das bescheidene Toastbrot seinen Platz einnahm. Toastbrot: trocken, kalt, karg. Willkommen in Österreich, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, wo hungrige Kinderbäuche nur mit billigem Weißbrot und bestenfalls etwas Margarine gefüllt werden.

Ein kostenloses, warmes Mittagessen für Schulkinder? Zu teuer, sagt die Regierung. Burger von McDonald’s? Offenbar ein vertretbarer Kompromiss, wie ein geleaktes Video von Kanzler Karl Nehammer nahelegt. Die Widersprüche sind erschütternd. Eine halbe Million Menschen kann es sich in diesem Land nicht leisten, alle zwei Tage eine vollwertige Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, während der Finanzminister von Rekordüberschüssen schwärmt.

Das zerbrochene Versprechen der halben Kinderarmut

Im Regierungsprogramm klang es so nobel: Kinderarmut halbieren! Doch statt Halbierung kam die Verdopplung. Heute leben 88.000 Kinder in schwerer Armut – das sind 88.000 Kinder zu viel, die frieren, hungern und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. Währenddessen verheddert sich die ÖVP in regressiven Ideen wie der Herabsetzung der Strafmündigkeit. Kinderrechte? Ein Kollateralschaden auf dem Altar des Populismus.

Und die Grünen? Einst Hoffnungsträger, jetzt Statisten in einem Theaterstück des sozialen Rückschritts. Die Oppositionsparteien reichten in den letzten Jahren zahllose Anträge ein – Mietpreisstopp, Mehrwertsteuerbefreiung für Grundnahrungsmittel, kostenlose Kinderbetreuung – und jedes Mal folgte dasselbe Schauspiel: Ablehnung durch die Koalition. Es war ein Trauerspiel, dessen Hauptrolle die systematische Ignoranz des Regierungsduos spielte.

Armutsbekämpfung light: Zwei Euro pro Tag

„Anti-Armutspaket“ nennt die Regierung die Einführung einer Geldleistung von zwei Euro pro Kind und Tag. Zwei Euro: Das ist eine halbe Kugel Eis, ein Drittel einer Kinokarte, eine Karikatur von Unterstützung in einer Krise, die selbst Butter zu einer Kostbarkeit macht. Dass dieses Almosen ernsthaft als Maßnahme verkauft wird, sagt mehr über die Verachtung der politischen Elite gegenüber armutsbetroffenen Familien aus, als jede Satire es vermag.

Die Kinderarmut ist kein isoliertes Problem. Sie pflanzt sich fort in die Jugend, in die Erwachsenenzeit, wird zur Altersarmut. Wer als Kind keine Chancen hat, keinen Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheit, wird im Erwachsenenalter keine sozialen Aufstiegsmöglichkeiten finden. Und wer im Berufsleben nie Fuß fasst, wird im Alter von einer mickrigen Pension in die nächste Armutsfalle stolpern. Altersarmut beginnt in der Jugend, und diese Jugend wird heute von den Regierenden im Stich gelassen.

Das stille Sterben des sozialen Gewissens

Es gibt einen roten Faden in der österreichischen Sozialpolitik der letzten Jahre: Sie ist nicht untätig, sondern aktiv destruktiv. Nicht nur Kinder, sondern auch ihre Eltern sind von einer Kaskade aus Vernachlässigung und Verachtung betroffen. Ein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Bildungsplatz? Niedergestimmt. Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds? Ebenfalls nicht. Mütter verlieren Karenzmonate, wenn Väter nicht mitziehen – eine feministische Errungenschaft, die wie ein schlechter Witz wirkt, wenn parallel keine Anreize geschaffen werden, Männer in die Familienarbeit zu bringen.

Und dann gibt es da die kleinen Schritte, die niemals gemacht werden: mehr Schulpsycholog, mehr Schulärzt, Gewaltschutzprogramme. Sie alle bleiben auf der Strecke, während die Verantwortlichen in den Koalitionsrunden hocken und sich gegenseitig blockieren. Das Kindeswohl wird zum rhetorischen Feigenblatt in einer Politik des Stillstands.

Resignation ist keine Option

Doch was bleibt uns? Der Zynismus der Realität darf nicht in Resignation münden. Ja, die Butternudeln sind verschwunden, das Toastbrot ist Realität – aber die Empörung über diese Zustände darf nicht verklingen. Wir dürfen uns nicht an eine Gesellschaft gewöhnen, die Kinder und Familien so schamlos im Stich lässt. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die nächste Generation ohne Perspektiven aufwächst, weil politische Willenslosigkeit den Ton angibt.

Die Zukunft dieser Kinder ist die Zukunft unseres Landes. Und Altersarmut beginnt in der Jugend. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns weniger über die Symptome empören und mehr über die Ursachen sprechen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass nicht Toastbrot, sondern Solidarität auf den Tisch kommt.


Weiterführende Quellen:

  1. Volkshilfe: Studie zur Kinderarmut in Österreich
  2. Statistik Austria: Bericht zu materieller Deprivation 2023
  3. Regierungsprogramm 2020–2024 – eine kritische Bilanz

Wenn Martin Luther heute lebte…

Ein Prozess als Spiegel der Geschichte

Es gibt Momente, in denen die Geschichte mit brutaler Klarheit offenbart, was aus kleinen Gifttröpfchen in den Adern einer Gesellschaft werden kann. Nürnberg, 1946: Vor den Schranken der Justiz behauptet Julius Streicher, der eifrige Architekt antisemitischer Hetze, etwas, das sowohl absurd als auch verstörend plausibel klingt: „Wenn Martin Luther heute lebte, dann säße er hier an meiner Stelle.“ Das Publikum im Saal mag den Atem angehalten haben, ob der Frechheit oder ob der schmerzlich spürbaren Wahrheit. Denn Streicher hatte nicht nur einen dunklen Lehrmeister heraufbeschworen, sondern einen, den man aus den heiligen Hallen der protestantischen Kirche lieber vergessen machen wollte: Martin Luther, das reformatorische Genie mit dem tief verwurzelten Hass.

Aber ist es nicht grotesk, einen Mann, der Bibeln übersetzte und dem Ablasshandel den Krieg erklärte, zum Paten moderner Barbarei zu erklären? Oder ist es schlicht notwendig? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, einen Blick auf den theologischen Sprengsatz zu werfen, den Luther hinterließ – und dessen Zündmechanismus 400 Jahre später von anderen so brillant beherrscht wurde.

Der Prophet und sein wütendes Erbe

Luther, das muss man zugeben, hatte eine Gabe für Polemik. Heute würde man ihn einen „Meister der Hassrede“ nennen, einen Influencer mit toxischem Feed. Besonders berüchtigt ist seine letzte „Judenschrift“ aus dem Jahr 1543: „Von den Juden und ihren Lügen.“ Der Titel klingt wie der eines mittelalterlichen Bestsellers, und tatsächlich war es eine Art geistiger Vorläufer jener pseudowissenschaftlichen Schriften, mit denen die Nazis später ihre Todesfabriken rechtfertigten.

In dieser Schrift zieht Luther alle Register des Hasses: Synagogen anzünden, Häuser zerstören, Rabbinern das Wort verbieten, Juden zur Zwangsarbeit verdammen. Klingt bekannt? Natürlich. Die Parallelen sind so frappierend, dass selbst hartgesottene Lutherverehrer ins Schwitzen kommen. Und doch gibt es Stimmen, die Luthers Ausfälle in den Kontext seiner Zeit stellen wollen: Ach, sagen sie, das waren halt die üblichen Vorurteile der frühen Neuzeit! Dasselbe könnte man wohl auch über mittelalterliche Hexenverbrennungen oder den guten alten Pranger sagen – Tradition rechtfertigt offenbar alles, solange man bereit ist, die Flammen zu romantisieren.

Eine Theologie der Exklusion

Luthers Antijudaismus ist nicht bloß ein Nebenschauplatz seines Schaffens, keine dunkle Laune eines alternden Mannes. Vielmehr zieht sich die Verwerfung des Judentums wie ein roter Faden durch seine Theologie. Die Juden, so Luther, seien verworfen, ein „Gotteslästerndes Volk“, das blind für die Wahrheit sei. Jesus? Ein Prophet, den sie angeblich lächerlich machten. Die Bibel? Ein Buch, das sie ihrer eigenen Tradition entreißen müssten. Es ist ein theologischer Imperialismus, der seine „Wahrheit“ mit Gewalt behauptet. Und wenn die Argumente nicht mehr reichen, dann halt mit dem Feuer.

Zwischen Reformation und Radikalismus

Was dabei besonders perfide ist, ist die doppelte Rhetorik. Luther begann mit „freundlicher“ Missionierung, mit einer fast charmanten Einladung: „Kommt zu uns, erkennt die Wahrheit!“ Als jedoch die Juden sich weigerten, Luthers Christus als ihren Messias zu akzeptieren, schlug seine Enttäuschung in Hass um. Es war eine Bekehrung mit Pistole auf der Brust. Man mag sich vorstellen, wie sich ein mittelalterlicher Jude bei solchen „Einladungen“ gefühlt haben muss. Dankbar? Wohl kaum.

Und so ist es kein Zufall, dass Luther in späteren Jahren seine eigene Enttäuschung zu einer kollektiven Schuldzuweisung umdeutete: Die Juden waren nicht einfach anders, sie waren böse. Sie waren „Teufel in Menschengestalt.“ Und damit öffnete er die Tür für die schlimmsten Exzesse der Moderne.

Luthers Schatten über Deutschland

Am 10. November 1938, dem Geburtstag Martin Luthers, brennen in Deutschland die Synagogen. Zufall? Sicher nicht. Die Nazis wussten genau, was sie taten, als sie Luther als Kronzeugen für ihren eliminatorischen Antisemitismus anführten. Ein „Gottesmann“, der solche Dinge geschrieben hatte, legitimierte ihre Taten vor einem Volk, das sich gerne auf große Traditionen berief. Und so fand sich Luther, der unsterbliche Reformator, als Posterboy einer Bewegung wieder, die alle christlichen Prinzipien verriet – mit seiner eigenen Theologie als Rückendeckung.

Der schwierige Reformator

Wie also umgehen mit diesem Erbe? Manche Protestanten sprechen heute von Luthers „schwerem Erbe“. Das ist eine höfliche Untertreibung, wie sie nur aus kirchlichen Gremien stammen kann. Luthers Schriften sind kein „schwieriges Erbe“ – sie sind eine Zeitbombe, deren letzte Explosion uns vor weniger als einem Jahrhundert zerriss.

Man könnte meinen, dass der Schock von Auschwitz ausreichen müsste, um eine klare Abgrenzung zu ziehen. Doch wie schwer es der evangelischen Kirche fällt, zeigt ein Zitat von Landesbischof Martin Sasse aus dem Jahr 1938, der Luther zum größten „Antisemiten seiner Zeit“ erklärte – mit offensichtlicher Bewunderung. Und hier liegt das Problem: Zwischen historischer Aufarbeitung und theologischer Loyalität klafft eine schmerzhafte Lücke.

Was bleibt

Luther ist und bleibt eine ambivalente Figur, ein Mann, dessen Worte Befreiung und Unterdrückung, Hoffnung und Hass zugleich inspirierten. Doch wer Luther feiert, ohne seine Schattenseiten anzuerkennen, macht sich mitschuldig an den Konsequenzen. Die Reformation mag eine Befreiung von kirchlicher Bevormundung gewesen sein, doch sie war auch der Beginn eines neuen Zeitalters der Intoleranz. Und wer weiß, vielleicht hätte Julius Streicher wirklich recht gehabt – zumindest in einer Hinsicht: Luther hätte eine exzellente Verteidigungsstrategie geliefert. Ob die Geschichte ihn freigesprochen hätte, steht auf einem anderen Blatt.

Tatsache ist, es wurden schon Straßen, Plätze und Schulen wegen weniger umbenannt.


Quellen und weiterführende Literatur

  • Kaufmann, Thomas: „Luthers Judenschriften“. Göttingen, 2017.
  • Schilling, Heinz: „Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs“. München, 2012.
  • Stegemann, Ekkehard: „Luther und die Juden: Eine theologische Herausforderung“. Basel, 2015.

Links

Mahlzeit oder Ögun

Berlin oder Ankara, wem gehört der Kebab?

Man stelle sich vor: Ein schlafloser Freitagabend, ein schaler Atem von Bier und das leuchtende, hypnotische Surren eines Dönermessers, das sich langsam um das Fleischkarussell dreht. Zwischen fettigen Papiertüten, Currysoßenflecken und der Sehnsucht nach sättigendem Trost erhebt sich das eigentliche, alles verschlingende Fragezeichen: Wem gehört der Kebab? Berlin oder Ankara? Der Hauptstadt des Exils oder dem Herzen Anatoliens? Und ist es überhaupt von Belang, wenn doch die Hauptsache ist, dass er knusprig, saftig und idealerweise doppelt Fleisch enthält?

Doch diese Frage ist nicht so banal, wie sie klingt. Sie ist kein einfacher Streit zwischen Gastronomienationen, sondern ein metaphorisches Schlachtfeld der Identitätspolitik, des Nationalstolzes und der postmodernen Debatte über kulturelle Aneignung. Denn der Döner – oder besser gesagt, der Döner Kebab – ist mehr als nur ein Produkt. Er ist ein Symbol: für Migration, Integration, Transformation. Und, wie alle Symbole, zieht er Verklärung, Missbrauch und Mythenbildung an wie die betrunkenen Nachtschwärmer seinen würzigen Duft.

Ankara – Wie alles begann (oder doch nicht?)

Die Erzählung beginnt, wie so viele Heldengeschichten, im Staub und Glanz vergangener Jahrhunderte. Wer den Ursprungsmythos des Kebabs sucht, findet sich schnell in den labyrinthischen Hallen der türkischen Geschichte wieder – oder zumindest in einer Version davon. Hier, im Herzen des Osmanischen Reiches, soll das „vertikal gegrillte Fleisch“ seinen Anfang genommen haben. War es der wandernde Nomade, der seinen Hammelspieß über die Glut hielt? War es ein findiger Koch aus Bursa, der das Fleisch am drehenden Spieß erfand und damit den modernen Drehspieß begründete? Oder war es gar ein zufälliger Unfall, wie bei so vielen kulinarischen Meisterwerken, als ein hungriger Sultan auf die Idee kam, sein gesamtes Schaf am Lagerfeuer zu rotieren?

Die Wahrheit ist, dass der Kebab in der Türkei weniger ein Gericht, sondern eine Philosophie ist. „Kebab“ bedeutet schlicht „gegrilltes Fleisch“, und seine Varianten sind so vielfältig wie die Menschen, die ihn zubereiten. Adana, Urfa, Iskender – die Liste ist endlos. Doch der „Döner“, das „sich drehende Fleisch“, ist der Star der Show. Ein Symbol türkischer Kreativität, sagen die einen. Ein Rezept für Herzinfarkte, sagen die anderen.

Berlin – Der Döner wird revolutioniert

Doch wie so oft, wenn es um Kultur und Essen geht, hat die Geschichte des Döner Kebabs einen Twist. Denn während Ankara den Kebab erfand, hat Berlin ihn neu definiert. Es war das Jahr 1972 – oder vielleicht 1971, wer weiß das schon genau –, als ein türkischer Gastarbeiter namens Kadir Nurman das Konzept des Kebabs auf einen anderen Level hob. Was in den Straßen Ankaras traditionell als Tellergericht serviert wurde, verwandelte sich hier, im hektischen Berlin, in die handliche, portable Speise für die hungrige Mittelschicht.

Mit Fladenbrot, Salat, Soße und Fleisch wurde der Döner Kebab zur perfekten Lösung für ein Stadtleben, das keine Zeit für Messer und Gabel hat. Es war keine Hommage an die türkische Küche, sondern eine pragmatische Anpassung an die Berliner Realität. Der Döner, sagen manche, wurde damit von einem türkischen Gericht zu einem deutschen Kulturgut. Aber ist das fair? Oder ist es ein weiterer Akt kultureller Aneignung?

Der große Streit – Kultur oder Kommerz

Die Frage, wem der Kebab „gehört“, ist nicht nur eine akademische oder patriotische. Sie ist ein Mikrokosmos der modernen Globalisierung. Denn der Döner ist längst nicht mehr „türkisch“ oder „deutsch“. Er ist multinational, omnipräsent, ein kulinarisches Chamäleon, das sich an jede Kultur anpasst. In London wird er mit Minze serviert, in Sydney mit Guacamole, in Tokio sogar mit Sushi kombiniert.

Aber mit dieser globalen Verbreitung kommen auch die Konflikte. Ist es „kulturelle Aneignung“, wenn deutsche Imbissbudenbesitzer den Döner verkaufen, ohne die Türkei zu erwähnen? Ist es eine Form von Respektlosigkeit, wenn der Döner „mit Schweinefleisch“ angeboten wird? Und, noch polemischer: Ist der Döner in Berlin wirklich ein türkisches Gericht, wenn die Mehrheit der Zutaten – vom Brot bis zur Soße – in Deutschland produziert wird?

Döner-Krieg und Identitätspolitik

Die Debatte um den Döner spiegelt größere gesellschaftliche Spannungen wider. Sie handelt von Migration, Integration und dem ewigen Dilemma der „Zugehörigkeit“. Für viele Türken in Deutschland ist der Döner nicht nur ein Gericht, sondern ein Stück Heimat. Ein Symbol für ihre Kultur, das sie in ein fremdes Land mitgebracht haben. Für viele Deutsche hingegen ist der Döner ein Zeichen der erfolgreichen Migration, ein Beweis dafür, dass Integration nicht nur möglich, sondern auch lecker ist.

Aber ist diese Sichtweise nicht naiv? Denn hinter den glänzenden Fassaden der Dönerbuden verbergen sich oft Geschichten von Ausbeutung, schlechten Arbeitsbedingungen und einem knallharten Markt. Und während wir den Döner feiern, vergessen wir oft die Menschen, die ihn herstellen – und die oft selbst unter prekären Bedingungen leben.

Kapitel 5: Mahlzeit oder Ögun – Warum es letztlich egal ist

Am Ende jedoch bleibt die Frage, wem der Döner gehört, vielleicht irrelevant. Denn der Döner, so könnte man argumentieren, gehört uns allen – oder niemandem. Er ist ein Produkt der Migration, der Innovation, der Anpassung. Er ist ein Symbol dafür, dass Kultur keine festen Grenzen hat, sondern ständig im Fluss ist.

Und vielleicht, nur vielleicht, ist das die eigentliche Lektion des Döner Kebabs: Dass Essen uns verbindet, auch wenn wir uns streiten, wem es gehört.

Quellen und weiterführende Links

  1. „Döner oder nicht Döner? Ein kulinarischer Streit“, Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, 2022.
  2. „Kadir Nurman: Der Mann, der den Döner nach Deutschland brachte“, Dokumentation auf Arte, 2021.
  3. „Kulturelle Aneignung oder Integration? Der Döner in der Globalisierung“, Studie des Zentrums für Migrationsforschung, 2020.
  4. „The Global Kebab: How a Turkish Dish Conquered the World“, Artikel in The Guardian, 2019.
  5. Deutsches Döner Institut – Zahlen und Fakten rund um den Döner in Deutschland.
  6. Türkisches Kulturzentrum Berlin – Über die Rolle der türkischen Küche in der deutschen Gesellschaft.

Mahlzeit!

Im Fluss der Gewinne

Wie der Verbund zum Dividenden-Mekka wurde

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Land, in dem Energie keine Ware, sondern ein Luxusgut ist. Wo der Sonnenschein der Wasserkraft sich nicht auf die Gesichter der Menschen legt, sondern in den Portfolios der Aktionärverschwindet. Willkommen in Österreich 2023, wo der teilstaatliche Energiekonzern Verbund ein Rekordergebnis erzielt hat – und die Bevölkerung fröhlich mitfinanziert. Während die Preise für Strom schwindelerregende Höhen erreichen, erstrahlen die Dividenden der Aktionärheller als je zuvor. Willkommen im goldenen Zeitalter der Ungerechtigkeit.

Rekord-Dividenden: Das Hochwasser der Gewinne

Mit einer Gewinnsteigerung von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hat der Verbund 2023 sozusagen den Jackpot geknackt. Aber warum bescheiden sein? Wenn schon Rekorde, dann bitte gleich doppelt: Die Aktionärdürfen sich über die höchste Dividende in der Geschichte des Unternehmens freuen. Diese Auszahlung ist nicht nur beeindruckend, sie ist astronomisch. Viermal so hoch wie noch 2021, dem bescheidenen Jahr vor der Energiekrise, als das Geld offenbar noch nicht so sprudelte wie heute.

Fast zwei Drittel der Gewinne landen direkt in den Taschen der Investoren. Einem Publikum, das ohnehin nicht zu den finanziell Schwächsten zählt. Man stelle sich vor: Während Familien überlegen, ob sie lieber frieren oder hungern sollen, entscheiden Investmentfonds und Großaktionär, ob sie ihre Gewinne lieber in Immobilien, Yachten oder Kunst investieren. Es ist ein Spektakel für die Geschichtsbücher, ein moralisches Lehrstück für die Ewigkeit – oder zumindest für die nächste Börsensitzung.

Von Wasserkraft und Gier: Die wahre Energiequelle

Dass Strompreise in Europa seit 2022 drastisch gestiegen sind, ist keine Überraschung. Die Gaspreise explodierten nach Russlands Angriff auf die Ukraine, und die europäische Energiekrise wurde zum Dauerbrenner in den Schlagzeilen. Doch hier kommt der Clou: Der Verbund produziert kaum Strom aus Gas. Fast der gesamte Strom stammt aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft. Wasserkraft! Ein Rohstoff, der – zumindest bisher – kostenlos vom Himmel fällt.

Und trotzdem? Die Strompreise folgten brav dem sogenannten „Merit-Order-Prinzip“, das die Kosten an der teuersten Produktionsform orientiert. In diesem Fall: Gas. Was macht also der Verbund? Produziert billig, verkauft teuer. Und kassiert. Dass dabei Familien, Alleinerziehende und ältere Menschen ihre Stromrechnungen kaum noch stemmen können, ist ein Kollateralschaden, der im glänzenden Licht der Rekorddividenden wohl untergeht.

Lasst sie Strom essen: Der Marie-Antoinette-Moment der österreichischen Energiepolitik

Die Strompreise in Österreich waren 2023 die höchsten weltweit. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Höher als in Ländern, die Energie importieren müssen, höher als in Staaten, die kein einziges Wasserkraftwerk besitzen. Es ist ein Kunststück, das fast an Genialität grenzt – wenn man sich denn auf die Perspektive der Aktionäreinlässt.

Für die Konsumentist die Realität weniger rosig. Während die Gehälter stagnieren und die Inflation fröhlich weitergaloppiert, wächst die Zahl jener, die von Energiearmut betroffen sind. Man könnte meinen, dass ein teilstaatlicher Konzern hier eine soziale Verantwortung hätte. Doch offenbar ist das einzige „staatliche“ an diesem Unternehmen die Tatsache, dass es sich um einen besonders effizienten Steuer-Gewinn-Transfer-Apparat handelt – von der Bevölkerung hin zu den Finanzmärkten.

Spanien zeigt: Es geht auch anders

Doch muss das wirklich so sein? Natürlich nicht. Während Österreich mit seiner Strategie des „Reichen-reicher-Machens“ glänzt, zeigt Spanien, wie man eine Energiekrise auch bewältigen könnte. Die linke Regierung in Madrid hat Übergewinne der Energiekonzerne mit einer speziellen Steuer abgeschöpft. Und was haben sie mit diesem Geld gemacht? Etwa neue Subventionen für Aktionär? Nein. Sie haben die Bevölkerung entlastet.

Steuern auf Grundnahrungsmittel wurden ausgesetzt. Der Mindestlohn und kleine Pensionen wurden erhöht. Der öffentliche Verkehr wurde kostenlos gemacht. Die Botschaft ist klar: In Spanien wird die Krise nicht auf den Schultern der Schwächsten ausgetragen. Es ist ein Modell, das zeigt, dass sozial gerechte Politik kein Utopiegedanke ist, sondern machbar – wenn der politische Wille da ist.

Das Wasser steht uns bis zum Hals

Zurück nach Österreich, wo diese Logik offenbar nicht ankommt. Stattdessen wird der Verbund als Paradebeispiel eines „erfolgreichen Unternehmens“ gefeiert, das stolz Rekordergebnisse verkündet. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Einnahmen aus Wasserkraft hätten genutzt werden können, um die Menschen zu entlasten, die unter den hohen Lebenshaltungskosten leiden. Doch stattdessen wurde entschieden, die Gewinne an jene umzuverteilen, die ohnehin keine Hilfe brauchen.

Es ist eine Ironie, die Österreich ins Zentrum der wirtschaftlichen Absurditäten rückt: Ein Land voller Ressourcen, das es nicht schafft, diese zum Wohle seiner Bevölkerung einzusetzen. Ein Land, in dem Gewinne priorisiert werden, während Grundbedürfnisse zu Luxusgütern verkommen.

Eine Frage der Verantwortung

Die Energiekrise hat gezeigt, dass die Macht der Märkte größer ist als die Moral der Politik. Doch das muss nicht so bleiben. Es braucht nur den politischen Mut, den Kreislauf der Ungerechtigkeit zu durchbrechen. Wie Spanien beweist, ist das durchaus möglich. Es geht nicht darum, Gewinne zu verteufeln, sondern darum, sie gerecht zu verteilen.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass Österreich aufwacht und erkennt, dass Wasserkraft nicht dazu da ist, Yachten zu finanzieren, sondern das Leben der Menschen zu erleichtern. Doch bis dahin bleibt wohl nur ein bitteres Fazit: Im Fluss der Gewinne ertrinkt die Gerechtigkeit.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Der Standard: „Rekordgewinne beim Verbund – eine Analyse der Ursachen“
  2. Profil: „Wie Österreichs Strompreise zum globalen Spitzenreiter wurden“
  3. Eurostat: „Vergleich der Energiepreise in der EU“
  4. El País: „Wie Spanien die Energiekrise gemeistert hat“
  5. OECD-Bericht: „Energiearmut und soziale Gerechtigkeit in Europa“

EIN STROMPREIS FÜR DIE ELITE

WIE VERBUND ZUM GOLDESSEL WURDE

Es war einmal ein Land, wo die Berge majestätisch und die Täler saftig grün sind, wo rauschende Bäche Kraftwerke speisen und die Bürgerbrav ihren Strom zahlen. Dieses Land hat einen Namen: Österreich. Und in diesem Land gibt es einen Energiekonzern, der einen beeindruckenden Rekord aufgestellt hat – nicht etwa im Dienst an der Gesellschaft, sondern im Füllen seiner eigenen Taschen und der seiner Aktionär. Der Konzern heißt Verbund, und das Jahr 2023 war sein annus mirabilis. Aber wie sieht die Geschichte dahinter aus? Willkommen zu einer satirischen Reise in die Untiefen des österreichischen Energie-Managements.

DIE WASSERKRAFT-WUNDERMASCHINE

Wasserkraft, diese noble und saubere Energiequelle, ist die Grundlage von Verbund. Und doch: Während die Flüsse ihre natürliche Kraft spendeten, floß das Geld in Strömen woanders hin – in die Hände der Aktionär. Eine Dividende wurde ausgeschüttet, die so monumental war, dass selbst Dagobert Duck seine Geldspeicher erbleichen ließ. Das kleine Problem dabei: Dieses Geld kam nicht von irgendwoher, sondern aus den Taschen der Bevölkerung, die in einem schockierenden Strompreisschock gefangen war. Aber halt! Warum so teuer, fragt da die naive Seele, wenn das Wasser doch immer noch denselben Preis hat wie eh und je? Ach, hätten wir doch nur alle die Weisheit der Energie-Oligarchen!

DER MARKT: EIN UNGEHEUER MIT GASMAGEN

Die Antwort liegt im sogenannten „Merit-Order-System“. Dieses System, das von Ökonomerfunden wurde, um angeblich den effizientesten Preis zu garantieren, funktioniert ungefähr so: Der teuerste Produzent (in diesem Fall Gaskraftwerke) bestimmt den Preis für alle. Dass Verbund fast ausschließlich Wasserkraftwerke betreibt und Gaspreise daher nur für das Protokoll relevant sein sollten, stört dieses System nicht im Geringsten. So wurde das Unternehmen zum stillen Profiteur einer globalen Krise, während die Konsumentals schicksalsergebene Zahlschafe im kalten Dunkel saßen. Ein System, das Gewinne maximiert, wenn es den Menschen schlecht geht – brillante Marktwirtschaft oder zynisches Experiment? Die Antwort überlassen wir Ihnen.

FÜR JEDEN EINEN „WASSER“-CHAMPAGNER

Man stelle sich die Szenen in den noblen Wiener Palais vor: Sektkorken knallen, Lobesreden auf die Dividende werden geschwungen, und der Aktienkurs wird wie ein Held gefeiert. Die Dividende, ein Vielfaches von dem, was vor der Krise ausgeschüttet wurde, symbolisiert den Triumph des Systems – und die Ohnmacht der restlichen Gesellschaft. Der österreichische Staat, seines Zeichens Miteigentümer des Verbund, bekommt natürlich auch seinen Anteil am Kuchen. Der Teil der Gewinne, der die Taschen von Hedgefonds, Pensionsfonds und Multimilliardärfüllt, bleibt jedoch schamhaft unerwähnt.

SPANIEN ZEIGT, WIE ES ANDERS GEHT

Doch während Österreich stolz auf seine Gewinn-Bilanz ist, zeigt Spanien, dass die Geschichte auch anders geschrieben werden könnte. Dort hat die Regierung beschlossen, den Übergewinnen der Energiekonzerne mit einer Sondersteuer zu begegnen. Das Geld floss zurück in die Gesellschaft: in Form von entlastenden Maßnahmen wie kostenlosen öffentlichen Verkehr, Steuererleichterungen auf Grundnahrungsmittel und Erhöhungen des Mindestlohns. Ein mutiger, pragmatischer Schritt, der zeigt, dass Politik auch im Dienst der Menschen stehen kann – wenn sie denn will. Aber wer braucht schon öffentliche Güter, wenn es private Dividenden gibt?

DER TEILSTAATLICHE „TEIL“ UND DIE GROSSE FRAGE

Nun könnte man meinen, ein teilstaatlicher Konzern wie Verbund würde wenigstens teilweise auch dem Allgemeinwohl dienen. Schließlich hält die Republik Österreich 51 % der Anteile. Doch diese Mehrheit wird zum großen Schweigen, wenn es darum geht, Maßnahmen zu ergreifen, die der breiten Masse zugutekommen könnten. Wo sind die Preisdeckel? Wo sind die sozialen Ausgleichsmaßnahmen? Wo ist die Solidarität? Stattdessen scheint die staatliche Kontrolle nur darin zu bestehen, dass man am Dividendenbuffet ganz vorne in der Schlange steht.

FLUSSABWÄRTS ODER GEGEN DIE STRÖMUNG

Die Stromkrise hat die grundsätzliche Frage aufgeworfen, wem Energie überhaupt gehört und wie sie verwaltet werden sollte. Ist sie ein Grundrecht, das für alle leistbar sein muss? Oder bleibt sie ein Spekulationsobjekt, ein Spielzeug für Aktionärund Vorstände, die im Zweifelsfall immer den Markt vorschieben, um jede Verantwortung abzulehnen? Spanien hat gezeigt, dass es Alternativen gibt. Doch wird Österreich diesen Mut aufbringen? Oder bleibt alles beim Alten, während die Wasserkraft ihre ewige Arbeit tut und die Gewinne in die falschen Taschen fließen?

EINE FRAGE DER GERECHTIGKEIT

Am Ende bleibt die Frage: Wie viel Ungerechtigkeit kann eine Gesellschaft ertragen, bevor sie ins Wanken gerät? Die Dividenden-Party mag für einige wenige ein rauschendes Fest gewesen sein. Für den Großteil der Österreicherbleibt sie ein bitterer Beigeschmack in einem ohnehin schwierigen Jahr. Und während die Flüsse weiterrauschen, rauscht auch der Zorn der Menschen – still, aber unaufhaltsam. Vielleicht ist es an der Zeit, das System neu zu denken, bevor es an den Ufern der Empörung zerschellt.

Quellen und weiterführende Links:

Verbund Geschäftsbericht 2023
Noam Chomsky, „Die Konsensfabrik“
Bericht über Spaniens Maßnahmen

Tanz der Profite

Choreografie der Ungerechtigkeit

Die Bühne ist bereitet, der Taktstock gehoben: Willkommen zum großen Dividenden-Walzer des österreichischen Energieriesen Verbund! Während das gemeine Volk den Gürtel enger schnallt, erklingen die Kassen der Aktionär in wohlklingendem Dreivierteltakt. Ein goldenes Jahr liegt hinter dem Konzern, der sich als Dirigent des Reichtums inszeniert – finanziert von Konsument, die ihre Stromrechnungen mit Schweiß und Tränen begleichen. Der Applaus? Tosend – zumindest in den Vorstandsetagen.

Wenn der Gewinn zur Hymne wird

2023, das Jahr der Überfülle. Ein Rekordergebnis jagt das nächste, und der Verbund tanzt mit der Eleganz eines Wiener Opernballs durch die Strompreiskrise. 32 Prozent Gewinnsteigerung! Das ist keine Bilanz, das ist ein Meisterwerk der Profitmaximierung. Doch das wahre Highlight der Saison? Die schwindelerregende Rekorddividende – ein Geschenk, wie es der gemeine Aktionär wohl nur in seinen kühnsten Träumen erwartet hätte. Viermal so hoch wie 2021, vor der Energiekrise. Man könnte fast meinen, der Konzern sei mit einem goldenen Löffel in der Hand geboren worden.

Natürlich, das Ganze hat einen Haken. Oder, um im Walzer-Jargon zu bleiben: einen abrupten Taktwechsel. Der schillernde Reigen wird nicht aus eigener Tasche finanziert, sondern von jenen, die am wenigsten mittanzen wollen – den Konsument. Doch was soll’s? Sie können ja zuschauen. Schließlich ist der Walzer ein öffentliches Spektakel.

Ein Theater der Absurditäten

Ah, der Strompreis! Ein hochkomplexes Konstrukt, das sich offenbar weniger an den Produktionskosten als an den Gesetzen des absurden Theaters orientiert. Warum billig verkaufen, wenn man teuer kann? Der Preis für Strom richtet sich nämlich immer nach der teuersten Produktionsmethode – in diesem Fall Gas. Dass der Verbund fast ausschließlich auf Wasserkraft setzt, spielt dabei keine Rolle. Wasser mag gratis vom Himmel fallen, aber das Geld soll bitteschön in Strömen fließen – in die Taschen der Aktionär.

Das Ergebnis? Österreichische Strompreise erklimmen die Spitze der Weltrangliste. Weltmeister! Und das in einem Land, das sich gern als Vorreiter für grüne Energie inszeniert. Ein veritables Paradoxon: Während die Konsument im Regen stehen, fährt der Verbund Sonnenschein-Gewinne ein.

Stopp der Übergewinne

Doch halt! Im spanischen Flamenco-Takt wird eine andere Melodie gespielt. Die linke Regierung hat erkannt, dass das endlose Kreisen der Profitspirale nicht zwingend zur Gesellschaftsmelodie passt. Übergewinnsteuer? Aber ja doch! Warum die Taschen der Aktionär füllen, wenn man die Bevölkerung entlasten kann?

Spanien zeigt, wie Übergewinne sinnvoll eingesetzt werden: Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, höhere Mindestlöhne und Pensionen, kostenloser öffentlicher Verkehr. Der Clou? Eine Bevölkerung, die aufatmet, statt unter Strompreisen zu ächzen. Eine Wirtschaftspolitik mit Herz, Hirn und einer gehörigen Portion sozialem Taktgefühl.

Ein Steuerschritt vor, zwei Schritte zurück

Österreich hingegen wählt eine andere Choreografie. Statt den Verbund zur Verantwortung zu ziehen, tanzt die Regierung brav im Schatten der Dividendenberge. Eine Übergewinnsteuer? Das wäre ja eine Revolution auf dem gesellschaftlichen Parkett – eine unerhörte Zuwiderhandlung gegen das Drehbuch des freien Marktes. Nein, man bleibt lieber bei der alten Choreografie: Konsument blechen, Aktionär feiern. Und so dreht sich der Walzer weiter.

Aber wer weiß? Vielleicht wagt irgendwann jemand, den Tanz zu unterbrechen, die Noten neu zu schreiben und eine Melodie anzustimmen, die nicht nur für wenige Ohren bestimmt ist. Bis dahin aber heißt es für die Bevölkerung: Im Takt der Strompreise strampeln, während der Verbund weiter den Dirigenten gibt.

Der Verbund und das Spiel der Ironie

Die Geschichte des Verbund ist eine Geschichte voller Symphonien. Eine Geschichte, in der Wasserkraft zu Gold wird, während das Volk unter der Last der Rechnungen in die Knie geht. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Doch Satire ist der kleine Bruder der Hoffnung, und vielleicht, ja vielleicht, findet sich irgendwann ein Dirigent, der den Takt des Lebens neu bestimmt – einer, der die Klänge der Gerechtigkeit zum Klingen bringt.

Bis dahin bleibt uns nur, den ironischen Refrain des Rekordjahres zu summen:

„Danke für den Strom, der so teuer ist – bezahlt von uns allen, genossen von ein paar wenigen.“

Europas Gaspreis-Champion

Hurra, Österreich ist die Nummer Eins

Ein Aufschrei der Freude zieht durchs Land, die rot-weiß-rote Fahne weht stolz im Wind, und ein neuer, strahlender Titel krönt die Alpenrepublik: Österreich hat es geschafft, sich an die Spitze der Europäischen Union zu setzen. Doch der Triumph hat einen bitteren Beigeschmack. Es handelt sich nicht um den Eurovision Song Contest, nicht um die erfolgreichsten Skiweltmeisterschaften, und auch nicht um die geringste Staatsverschuldung. Nein, die Rede ist von den Gaspreisen. Österreich hat sich in einem wahren Kraftakt an die Spitze der EU-Gaspreissteigerung katapultiert und dabei alle Erwartungen – und Haushaltsbudgets – pulverisiert.

Von Jänner 2021 bis Februar 2024 verzeichneten die Gaspreise in Österreich eine rekordverdächtige Steigerung von 201 Prozent. Damit lässt das Land sogar die sonst so wettbewerbsfreudigen Baltenstaaten Lettland (136 Prozent) und Litauen (130 Prozent) weit hinter sich. Was für ein historischer Moment! Man mag gar nicht mehr von Inflation sprechen – das klingt zu harmlos. Österreich erlebt eine Gaspreis-Explosion, bei der selbst der Hadronenbeschleuniger in Genf neidisch wird.

Die Vermieterjubeln, die Mieterfrieren

Während die Spitzenreiterposition in den Gaspreis-Charts der EU für die Regierung vielleicht als „wirtschaftlicher Erfolg“ erscheint, sieht die Realität für die Bürgerdes Landes weniger rosig aus. Besonders hart trifft es die Mieter, denn über die Hälfte aller Gasheizungen in Österreich sind in Mietwohnungen installiert. Ohne Mitspracherecht über die Heizungsart sind sie den Preisspiralen ausgeliefert, wie Schiffbrüchige auf einem Floß inmitten eines Ozeans aus Euroscheinen.

Die Vermieter? Sie sehen dem Treiben von ihren geheizten Logenplätzen aus zu und profitieren von steigenden Betriebskosten, die sie munter an die Mieterweiterreichen. Ein echter Glücksfall für jene, die schon immer fanden, dass Kapitalismus einfach nur ein Synonym für „Gewinnmaximierung auf Kosten anderer“ ist.

Jeder braucht Strom, aber nicht jeder braucht Gas

Finanzminister Magnus Brunner brachte das Drama bereits 2022 auf den Punkt. In einem Interview sagte er den mittlerweile legendären Satz: „Jeder braucht Strom, aber nicht jeder braucht Gas.“ Eine so scharfsinnige Analyse hätte den Herren wohl auch einen Stuhl in der antiken Akademie Athens gesichert, direkt neben Platon und Aristoteles. Nur, dass die Realität in Österreich zeigt, dass doch ziemlich viele Menschen Gas brauchen. Zum Beispiel jene Millionen, die in ihren Wohnungen mit Gas heizen und sich mittlerweile überlegen, ob sie im Winter besser frieren oder bankrott gehen sollen.

Die Regierung hat den gigantischen Preisanstieg weitgehend ignoriert. Stattdessen wurde eine Strompreisbremse implementiert, die weder die Krisengewinner unter den Energiekonzernen noch deren Anlegerbelastete, sondern die Kosten brav auf die Bürgerabwälzte. „Solidarität“ bekommt so eine neue Definition: Wir halten zusammen – um die Dividenden der Aktionäre zu maximieren.

Milliarden für die Konzerne, Krümel für die Menschen

Die wahren Gewinner dieses grotesken Schauspiels sind die Energiekonzerne. Sie haben in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren, als gäbe es kein Morgen. Während Haushalte sparen müssen, indem sie sich zwischen Lebensmitteln und Heizkosten entscheiden, klingeln bei den Unternehmen die Kassen. Zwar wurde eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ eingeführt – ein Begriff, der so kryptisch klingt, dass man meinen könnte, er sei direkt aus einem dystopischen Wirtschaftsroman entsprungen –, doch geändert hat das nichts. Die Extraprofite landeten weiter in den Taschen der Aktionär, während die Politik stolz mit Maßnahmen prahlte, die auf dem Konto der Bevölkerung keinen Unterschied machten.

Wie wir uns an die Spitze kämpften – Eine Polemik

Man könnte fast bewundern, wie Österreich es geschafft hat, eine derart absurde Führungsposition zu erreichen. Während andere Länder immerhin versuchten, mit Gaspreisdeckeln oder subventionierten Heizprogrammen gegenzusteuern, setzte Österreich auf eine Mischung aus laissez-faire und Ignoranz. Der Markt sollte es regeln, hieß es. Dass der Markt dabei vor allem die Energiepreise und damit die Existenzgrundlage der Bürger„regelt“, wurde als Kollateralschaden abgetan.

Doch was soll man sagen? Österreich hat den Wettbewerb angenommen und die Latte der Preissteigerung höher gelegt als jedes Land zuvor. Wenn das kein Erfolg ist, was dann?

Vom „Gaspreis-Champion“ zum Mahnmal der Untätigkeit

Der 201-prozentige Preisanstieg ist mehr als nur eine statistische Anomalie. Er ist ein Mahnmal für die Untätigkeit der Regierung, die lieber dabei zusah, wie Energiekonzerne Gewinne anhäuften, anstatt die Bürgerzu schützen. Während andere Staaten zumindest versuchten, mit Maßnahmen wie Gaspreisdeckeln gegenzusteuern, blieb in Österreich alles beim Alten. Die Regierung agierte so, als wäre der Anstieg der Gaspreise ein Naturereignis, gegen das man ohnehin nichts ausrichten könne – wie ein plötzlicher Schneesturm oder ein Lawinenabgang.

Quo vadis, Österreich

Die Frage bleibt: Wohin führt dieser Weg? Wird Österreich weiterhin an der Spitze der Gaspreisstatistiken stehen und dabei zusehen, wie immer mehr Menschen in die Energiearmut abrutschen? Oder wird irgendwann doch jemand in der Regierung aufwachen und begreifen, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die die Last von den Schultern der Bevölkerung nehmen?

Bis dahin bleibt Österreich wohl ein trauriger Rekordhalter – ein Gaspreis-Champion, dessen Titel niemand feiern möchte.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Eurostat-Datenbank: Gaspreise in der Europäischen Union, [Link zur Quelle]
  2. „Österreichs Gaspreiswahnsinn“ – Der Standard, [Link zur Quelle]
  3. „Profit statt Krise: Die Gewinner der Energiekrise“ – Profil, [Link zur Quelle]
  4. Bericht des Rechnungshofs: Energiearmut in Österreich, [Link zur Quelle]
  5. Magnus Brunner Interview – Die Presse, [Link zur Quelle]

ICH WERDE KANZLER

Der Blackrock-Kanzler der Zukunft

Es gibt ja diese Momente im Leben, in denen man sich fragt, wie es eigentlich so weit kommen konnte. Man sitzt gemütlich auf dem Sofa, scrollt durch den Newsfeed und dann trifft sie einen wie ein Schlag ins Gesicht – die Erkenntnis, dass die Welt nicht nur aus den üblichen Verrücktheiten besteht, sondern dass wir uns ernsthaft auf den Weg in ein Zeitalter von Kanzlern wie Friedrich Merz begeben. Ja, genau. Der Mann, der uns allen noch aus den Zeiten der finsteren Schröder-Regierung als der notorische Verschwörer gegen das soziale Gewissen in Erinnerung geblieben ist, steht bereit, die Zügel des Staates zu übernehmen – nicht als ein alternder Politiker in einem grau-gemusterten Anzug, sondern als das Zugpferd eines neuzeitlichen, noch viel größeren Experiments. Ein Experiment, das Deutschland nicht nur vor den Abgrund führt, sondern es gleichzeitig in die erlauchten Hallen der Blackrock-Vermögensverwaltung katapultiert.

Blackrocks neuer Star

Friedrich Merz, der Meister der kalten Finanzlogik, der Mensch, der den Begriff „Marktwirtschaft“ genauso felsenfest im Griff hat wie den Blick auf den S&P 500, wird der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, der die politische Landschaft nicht mehr aus der Sicht eines Politikers beobachtet, sondern als eine Art Super-Manager, der auf den Kurs von Aktien und Anleihen ebenso Einfluss nimmt wie auf das Schicksal ganzer Nationen. Natürlich ist es kein Zufall, dass Merz als treuer Diener der weltweit mächtigsten Finanzinstitution auftritt – Blackrock, der unscheinbare Riese hinter den Kulissen des globalen Kapitalismus. Schließlich ist es nichts weniger als eine historische Fügung, dass der Mann, der die deutsche politische Bühne so lange dominierte, nun als Instrument der globalen Kapitalmacht agieren soll.

Für die Anhänger des unaufhaltsamen Marktes ist Merz der ideale Kandidat – ein Mann, der nicht nur das private Vermögen von Schwarz-Rot-Gold in seiner Tasche trägt, sondern der auch die „richtige“ Sicht auf die Welt hat. Warum? Weil er, wie Blackrock, die Macht der Finanzmärkte über die Demokratie stellt. Für Merz sind die Massen keine komplexen sozialen Gebilde mit Sorgen, Ängsten und Bedürfnissen. Nein, die Massen sind vor allem „Konsumenten“, die das System konsumieren sollen, ohne die Fragwürdigkeit des Systems zu hinterfragen. Wer nicht mitspielt, soll eben zum „Falschensammeln“ übergehen, wie es so schön in den Kreisen der finanzpolitischen Elite heißt.

Taurus und andere Instrumente der Freiheit

Merz‘ Vision von Freiheit – ein schimmerndes Ideal, das die Weltwirtschaft befreit und den Menschen an den Rand ihres Existenzminimums bringt – ist nicht etwa ein romantischer Gedanke über die Freiheit des Individuums, sondern die Freiheit der Vermögensverwalter. Diejenigen, die über Milliarden von Dollar entscheiden und deren Vorstellungen von Gerechtigkeit so weit entfernt sind von der Realität des durchschnittlichen Bürgers wie der Mars von der Erde. Was also tun, wenn die großen Erben des Weltkapitals, die Blackrocks dieser Welt, auf den Kriegshorizont blicken? Merz hat eine Antwort: Warum nicht ein bisschen Aufregung ins Spiel bringen, indem man der Ukraine nicht nur moderne Waffen liefert, sondern das Land in den grenzüberschreitenden Konflikt hineinführt?

Die Idee eines Ultimatums gegenüber einer Atommacht, das den Krieg direkt nach Moskau tragen will, klingt fast wie eine Karikatur eines Spiels von Schach in der politischen Arena. Doch was Merz hier anspricht, ist alles andere als ein harmloses Gedankenspiel. Tatsächlich wird es immer offensichtlicher, dass solche Maßnahmen nicht aus geopolitischer Notwendigkeit, sondern aus einem makabren Kalkül kommen: Die Finanzwelt liebt den Krieg. Der Krieg zerstört, schafft aber auch „neue Märkte“ – neue Wege, Kapital zu verschieben und Gewinne zu maximieren. Die Gesellschaft als solches? Irrelevant. Die Menschen? Egal. Wenn Merz als Kanzler agiert, dann aus einer Überzeugung heraus, dass die Freiheit des Marktes nur durch solch brutale Schachzüge gesichert werden kann. Und wer ist der Gewinner? Na, Blackrock natürlich.

Der Versuch, Geschichte mit Aktien zu kaufen

Es ist faszinierend, wie Merz und Co. die Geschichte der Welt auf dem Rücken eines simplen Aktienportfolios aus den 90er Jahren umschreiben wollen. Die kruden Wirtschaftsprogramme, die zu einem gut portionierten Aktienkurs geführt werden, könnten sich vielleicht als unfreiwillige Satire aus der Werkstatt des politischen Kabaretts entpuppen – wären sie nicht so erschreckend real. Deutschland als ein neoliberales Labor, in dem jede Maßnahme, jede Entscheidung, jede Krise auf den Konten der globalen Finanzelite vermerkt wird. Es sind keine nationalen Interessen mehr, die zählen, sondern der globale Profit. Und an der Spitze dieses Kapitalmarktes? Natürlich Merz. Der Mann, der immer wusste, dass Politik eigentlich nur ein anderes Wort für „Business as usual“ ist, dass Wohlstand nicht vom Volk kommt, sondern von den Verwaltern der Aktien.

Doch es ist nicht nur Blackrock, das diesen Kanzler an der Spitze sehen will. Merz wird nicht nur als treuer Diener einer Institution gesehen, sondern auch als Modell für den Kanzler der Zukunft: einer, der auf der internationalen Finanzbühne tanzt, die Kontrolle über die Wirtschaft in den Händen weniger spielt und gleichzeitig nationale Interessen zu einem Relikt der Vergangenheit erklärt.

Der Bürger in der Hand des Finanzmarktes

Der durchschnittliche Bürger? Der kann sich seiner Unwichtigkeit sicher sein. In der Welt von Merz und Blackrock zählt der Bürger nur noch in seiner Funktion als Konsument und Steuerzahler. Dass der Bürger sich einmischt, eigene Rechte beansprucht oder gar Widerstand leistet, ist für den globalen Kapitalismus ein unerhörter Affront, der zu beseitigen gilt. Doch das Schöne an der Politik von Merz ist, dass er es gar nicht mehr nötig hat, den Bürgern von ihrer Unwichtigkeit zu erzählen. Die große Masse hat längst begriffen, dass ihre Existenz als Sklaven des Marktes in die nationale Verfassung eingeht – nur ist diese Verfassung längst von den Banken, Investoren und Kapitalgesellschaften geschrieben worden.

Merz wird sich von diesen Vorgaben nicht abwenden, im Gegenteil: Als der Mann, der die „guten Kontakte“ pflegt und die politische Ordnung mit einer Expertise aus dem Finanzmarkt versorgt, wird er derjenige sein, der das Land in die Arme von Blackrock führt, um als Kanzler nicht nur die Politik, sondern das Volk nach Börsenkurven zu steuern.

Die letzte Rettung des Staates?

Ein Blick auf die Ereignisse zeigt es: Die Welt wird mehr und mehr von einem ultrakapitalistischen, neoliberal orientierten System beherrscht. Das einzige, was wirklich zählt, ist der Profit. Und Merz – als treuer Diener und Zugpferd dieser Finanzgiganten – wird sich sicherlich keine Gedanken darüber machen, was er in der Geschichte hinterlassen wird. Denn in dieser Welt ist das einzige, was zählt, das schwarze Gold der Aktienkurse und die Freiheit der Vermögensverwalter. Wo der Bürger noch nach Wohlstand strebt, hat die Zukunft schon lange einen neuen Plan: Die Zukunft ist „Blackrock“, und der Kanzler, der uns dahin führt, wird Friedrich Merz sein.


Quellen und weiterführende Links:

  1. Noam Chomsky, Die Konsensfabrik – Die politische Ökonomie der Massenmedien
  2. The Economist, „Blackrock: Capitalism’s New Overlord“, [Link zur Quelle]
  3. Die Zeit – „Merz und die Macht der Finanzmärkte“, [Link zur Quelle]
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung – Friedrich Merz und der Weg zum Kanzler, [Link zur Quelle]
  5. Blackrock-Website – Unternehmensbericht und strategische Ausrichtung [Link zur Quelle]

ICH WILL KANZLER

Ein grün-ökologisches Märchen vom Abgrund

„Ich will Kanzler!“ – Ein Satz, der aus dem Munde eines gescheiterten Wirtschaftsministers kaum weniger Glaubwürdigkeit hat als ein Brief von Alice im Wunderland, der die Regierungskommission zu einem Picknick in den Dschungel einlädt. Robert Habeck, jener Minister, der uns mit der charmanten Begeisterung eines Kinderbuchautors durch die größte wirtschaftliche Umstrukturierung seit der Gründung der Bundesrepublik führte, träumt davon, unser Land künftig mit einer noch skurrileren Vision zu regieren. Und dies, wohlgemerkt, als Kandidat einer Partei, die momentan bei überschaubaren 9 Prozent dümpelt und deren politische Agenda den Charme eines grünen Gruselkabinetts besitzt. Doch der Traum vom Kanzleramt geht weiter – und das ist nur die erste der vielen überraschenden Wendungen auf dieser politisch-abstrusen Achterbahnfahrt.

Der Wirtschaftsminister, der mit Energie Politik machte

Als Wirtschaftsminister hat Habeck, wie kaum ein anderer vor ihm, die Kunst der schöpferischen Zerstörung praktiziert. Aus der praktischen Politik eines funktionierenden Industrielandes hat er das Kunststück vollbracht, eine Energiewende einzuleiten, die nicht nur die Industrie an den Rand des Zusammenbruchs führte, sondern auch die Strompreise auf ein Niveau hievte, das selbst die höchsten Alpengipfel neidisch werden lässt. Man könnte ihn fast als „Wirtschaftsminister für alle Fälle“ bezeichnen – als „Wirtschaftsminister für den Untergang“ allerdings. Der Energiepreis-Explosion sei Dank, ist Deutschland mittlerweile der wahre „Hotspot“ für Unternehmensverlagerungen in die USA oder Asien.

Nun, da er es geschafft hat, das Land in eine Art energetischen Vakuum zu stürzen, denkt Habeck, es sei der ideale Zeitpunkt, in den Chefsessel des Bundeskanzlers zu schlüpfen. Was für ein Timing! Wie ein Pilot, der das Flugzeug sicher zum Absturz gebracht hat, um dann ein Selfie in der Kabine zu machen und sich als Held der Luftfahrt zu feiern. Das einzige, was ihm in dieser Sache noch fehlt, ist der flauschige Vorhang, den er sich um die Schulter wirft, während er seine Schicksalsrede hält: „Ich will Kanzler!“

Die 9 Prozent der Grünen – Eine neue Ära der politischen Selbstüberschätzung

Natürlich stellt sich die Frage, was genau einen Minister, dessen Partei auf gerade einmal 9 Prozent der Wählerschaft zählt, dazu bewegt, seine Kanzlerträume öffentlich zu verkünden. Die Antwort? Ein unerschütterlicher Glaube an das grüne Weltbild. Ein Glaube, der so fest in den politischen Genen verankert ist, dass er es für möglich hält, mit einer Mikroparty von Öko-Fanatikern die politische Landschaft zu übernehmen. Wir reden hier von einer Partei, die ihren Mitgliedern vormacht, sie könnten die Welt retten, während die Mehrheit der Bevölkerung mit der Frage beschäftigt ist, ob sie sich den nächsten Stromtarif überhaupt noch leisten kann.

Die Grünen verstehen sich als eine Art moralische Avantgarde, die den Rest der Gesellschaft mit einer „neuen, besseren Welt“ beglücken möchte, in der der Strom aus Windkraft und die Autos aus grünem Sternenstaub bestehen. Und inmitten dieser Vision des Glücks, das von einem veganen Büfett zum nächsten führt, steht Habeck als der wahre Kanzler der Zukunft. Die Logik dahinter: Je weniger Menschen von dieser grandiosen grünen Erleuchtung überzeugt sind, desto mehr muss man in der Kommunikation an die moralische Überzeugungskraft appellieren – und was wäre moralisch überzeugender als das Kanzleramt?

Eine Außenpolitik aus der Trampolin-Lounge

Neben Habeck schwingt sich ein weiteres Mitglied der grünen Vorkommando-Truppe immer wieder in die Politik-Arena – Annalena Baerbock, die Außenministerin, deren diplomatische Expertise ungefähr das gleiche Niveau wie eine hochgepuschte Diskussionsrunde im „Dschungelcamp“ erreicht hat. Ihr Markenzeichen? Die berühmte 360-Grad-Außenpolitik – sozusagen die Außenpolitik aus der Trampolin-Lounge: einmal herum, und plötzlich sind alle wieder im selben Zustand wie zuvor, nur etwas höher gepurzelt.

Baerbock und ihre unermüdliche Unterstützung für „Ukraine First“ erweist sich zunehmend als ein Spagat zwischen Globalismus und nationaler Interessenlosigkeit. Was macht man, wenn man einerseits die Bürger zur Energieeinsparung anhält, andererseits aber eine Außenpolitik betreibt, die Deutschland zu einem großzügigen Sponsor für den Weltfrieden macht? Genau, man übersieht einfach die allzu offensichtlichen Folgen: Energiekrisen, steigende Kosten und das ständige Aufrechterhalten einer „Haltung“, die keine Rücksicht auf die Lebensrealität der Deutschen nimmt. Während die Preise durch die Decke gehen und die Mittelklasse stirbt, wird weiterhin in einer Moralblasen-Bubble schwebend die große „Grüne Vision“ propagiert – von der Ukraine über die Klimakonferenz bis hin zur Spekulation auf die Verwirklichung eines überhöhten deutschen Weltbildes.

Eine Vision, die die Kassen leer feiert

Wenn Habeck nun mit dem Konzept einer „grünen Transformation“ von der Kanzlerschaft träumt, kann man sich kaum einen besseren Beweis für die Farce der ganzen Operation vorstellen. Es ist, als wollte ein verklärter Maler mit einem verblassten Pinsel die Wand des deutschen Wohlstands nach seinen Vorstellungen umgestalten – und hofft dabei auf den Applaus derjenigen, die unter den Farben der Wand ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können. Der Grüne Kanzler wird nicht kommen, um die sozialen Ungleichgewichte zu lösen, sondern um die Ziegelsteine des Wohlstands weiter aufeinander zu schichten, bis auch das letzte Unternehmen in Deutschland als „historisch relevante Ruine“ den Denkmalschutz erhält.

Der Charme dieser grünen Zukunftsaussichten ist dabei die überraschend naive Mischung aus völliger Ignoranz und grenzenlosem Selbstbewusstsein. Denn warum sollte man sich von den Tücken der Wirtschaft stören lassen, wenn man doch auf das hehre Ziel blickt, das den globalen Klimawandel in den Griff zu bekommen? Der Preis für diese Utopie? Ein Wohlstand, der an den Rand gedrängt wird, und eine Gesellschaft, die die Rechnung trägt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn die Grünen den Kanzler spielen

Die Geschichte von Robert Habecks Kanzlerträumen ist die eines Mannes, der den Kurswechsel des Landes zu einem grünen Staatswesen zwar vollzogen hat, aber dabei vor allem eines übersehen hat: Die Mehrheit der Bevölkerung möchte keine sozialistische Klimadiktatur, sondern ein Land, in dem man sich auch noch morgen den Strom leisten kann, ohne von der Kanzlerin oder dem Wirtschaftsminister moralisch angeklagt zu werden.

Deutschland hat keine Zeit für Grüne, die wie Kinderbuchautoren mit einer Taschenlampe in die Zukunft leuchten und uns sagen, dass der Klimawandel durch das Umstellen von Kaffeemaschinen gelöst werden kann. Deutschland braucht Pragmatismus, nicht Ideologie. Und der grüne Kanzlertraum? Ein grünes Märchen aus der Zukunft, in dem vielleicht nicht nur die Politik, sondern auch der gesunde Menschenverstand verschwindet.

Quellen und weiterführende Links

  1. Wirtschaftswoche – „Robert Habeck: Die Macher und Zerstörer der deutschen Wirtschaftspolitik.“
  2. FAZ – „Grüne Kanzlerträume: Wie Robert Habeck und Annalena Baerbock die Zukunft Deutschlands riskieren.“
  3. Tagesschau – „Außenpolitik aus der Trampolin-Lounge: Baerbocks internationale Abenteuer.“
  4. Der Spiegel – „Die ökologischen Fantasien von Robert Habeck und das Ende des deutschen Wohlstands.“
  5. Die Zeit – „Grüne Transformation oder wirtschaftlicher Untergang? Die Grünen und ihre Visionen für Deutschland.“

Die süße Verführung der Kugel Eis

Eine Energiewende im Dunst der grünen Träumerei

Es war ein heißer Sommer in Deutschland, als die Politiker die Energiewende mit einer jener charmanten Anekdoten versüßten, die in den Köpfen der Bürger haften bleiben sollen wie klebriges Vanilleeis in Kinderhänden. „Die Energiewende kostet nicht mehr als eine Kugel Eis pro Monat!“ – so klang das Versprechen, und wer hätte dazu schon Nein sagen können? Eine Kugel Eis: ein Symbol für Erfrischung, Unbeschwertheit und, in diesem Zusammenhang, scheinbar für bezahlbare Fortschrittlichkeit. Doch während die Kugeln der Illusion in den Köpfen schmolzen, wuchsen die Strompreise auf den Rechnungen der Verbraucher wie eine Sahnehaube auf einem ohnehin schon überteuerten Dessert.

Diese Metapher, so unbedarft wie dreist, setzte den Ton für eine grüne Politik, die gern mit wohlklingenden Bildern und einem Schuss moralischer Überlegenheit daherkommt. Sonne und Wind, so verkündete man uns mit einem seligen Lächeln, „schicken keine Rechnung“. Doch es stellte sich heraus, dass die Ernte der Naturkräfte keineswegs kostenlos ist, sondern eher einem exklusiven Fünf-Gänge-Menü gleicht, bei dem die Vorspeise appetitlich klingt, während die Rechnung hinterher so salzig ist wie die Nordsee. Willkommen in der Ära der kostenintensiven Nachhaltigkeit!

Von blumigen Versprechen zu harschen Realitäten

Die grüne Energiepolitik hat sich von Anfang an mit einem strahlenden Narrativ inszeniert: Die Energiewende sei nicht nur notwendig, sondern auch günstig. Die Argumente klangen plausibel, ja fast poetisch: „Wir investieren heute ein wenig, um morgen viel zu sparen.“ Doch wer genau hinsah, bemerkte schnell, dass diese Logik in etwa so schlüssig war wie das Versprechen eines Schneeballverkäufers, dass der Winter umsonst kommt, weil Schnee schließlich „vom Himmel fällt“.

Tatsächlich sind die Kosten für die Energiewende explodiert: von Subventionen für Windparks und Solaranlagen über den aufwändigen Netzausbau bis hin zu den Milliarden, die für Speichertechnologien und Backup-Kraftwerke aufgewendet werden müssen. All das summiert sich zu einer Rechnung, die sich nur schlecht mit einer Kugel Eis in Einklang bringen lässt – es sei denn, diese Kugel stammt aus einer Gold-Manufaktur und wird von einem Michelin-Sterne-Koch serviert.

Doch damit nicht genug. Während der Bürger mit steigenden Strompreisen kämpft, wird ihm mit erhobenem Zeigefinger erklärt, dass dies der Preis für eine „enkeltaugliche Zukunft“ sei. Das ist natürlich ein schwer zu widerlegendes Argument – schließlich wird niemand offen zugeben, dass ihm seine Enkel weniger am Herzen liegen als die eigene Stromrechnung. Aber es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, wenn dieselben Politiker, die diese Reden schwingen, ihre Sitzungssäle in klimatisierten Limousinen verlassen.

Sonne und Wind schicken keine Rechnung – oder doch

Einer der eingängigsten Slogans der grünen Energiewende war die Behauptung, dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken. Und streng genommen stimmt das auch: Mutter Natur schickt keine monatliche Abrechnung per Post. Aber was dabei vergessen wird, ist, dass die Ernte dieser Energien alles andere als kostenlos ist. Es ist ein wenig so, als würde man behaupten, dass ein Obstgarten kostenlos sei, nur weil das Sonnenlicht gratis ist – dabei ignoriert man geflissentlich die Kosten für die Pflege der Bäume, die Erntehelfer und die Lieferlogistik.

In der Realität stehen die wahren Kosten der Energiewende längst offen zur Schau: Die Subventionen für erneuerbare Energien haben Milliarden verschlungen, während die Preise für CO₂-Zertifikate in die Höhe geschnellt sind und die Industrie zunehmend über Wettbewerbsnachteile klagt. Und dann ist da noch das leidige Thema der Versorgungssicherheit: Für jede Megawattstunde, die von Windrädern erzeugt wird, braucht es eine Reservekapazität – meist in Form von Gaskraftwerken –, um die Schwankungen der erneuerbaren Energien auszugleichen. Wer dachte, dass Windräder die Kohlekraftwerke überflüssig machen würden, musste schmerzhaft feststellen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Die grünen Rauschfantasien

Die grüne Politik hat sich in den letzten Jahren wie eine Serie von Rauschfantasien gelesen, in der jede neue Idee noch utopischer war als die vorherige. Da war die Rede von Energieautarkie, von grüner Wasserstoffwirtschaft und von „klimaneutralen Städten“. Alles klang so visionär, dass man fast bereit war, die skeptischen Stimmen zu ignorieren. Doch während die Politik in immer neuen Zukunftsvisionen schwelgte, stapelten sich in der Gegenwart die Probleme: Die Infrastruktur hinkte hinterher, die Speichertechnologien waren noch lange nicht marktreif, und die Kosten liefen völlig aus dem Ruder.

Das größte Problem dabei ist vielleicht nicht einmal die technische Machbarkeit der Energiewende, sondern die naive Annahme, dass sie ohne tiefgreifende Einschnitte in die Lebensweise der Menschen realisiert werden kann. Man hat den Bürgern suggeriert, dass sie nichts weiter tun müssten, als ein paar Energiesparlampen zu kaufen und hin und wieder den Thermostat herunterzudrehen. Die Wahrheit ist jedoch, dass eine echte Energiewende massive Verhaltensänderungen erfordert – und genau das will niemand offen aussprechen.

Die Moralkeule als Energiequelle

Eine der effektivsten Energiequellen der grünen Politik war schon immer die moralische Überlegenheit. Wer die Kosten der Energiewende infrage stellte, wurde schnell als Fortschrittsverweigerer oder Klimasünder abgestempelt. Die Debatte über die Wirtschaftlichkeit und die sozialen Folgen der Energiewende wurde dadurch oft im Keim erstickt. Dabei wäre gerade jetzt, wo die Kosten für viele Haushalte und Unternehmen zur existenziellen Bedrohung werden, eine offene Diskussion dringend notwendig.

Doch anstatt sich mit den harten Fragen auseinanderzusetzen, zieht man es vor, weiter an der grünen Erzählung zu basteln. Wenn die Bürger unzufrieden sind, liegt es offenbar nicht daran, dass die Politik ihre Versprechen nicht gehalten hat, sondern daran, dass die Bürger die Bedeutung des Klimaschutzes noch nicht voll verstanden haben. Es ist eine perfide Logik: Die Schuld wird nicht bei denjenigen gesucht, die die Versprechen gemacht haben, sondern bei denen, die sie glauben sollten.

Vom Eisbecher zur Rechnung

Die Energiewende, die einst mit einer Kugel Eis begann, hat sich längst zu einem Festmahl entwickelt, bei dem der Bürger die Rechnung zahlt – und zwar mit einem großzügigen Trinkgeld obendrauf. Die grünen Rauschfantasien, die von einer kostenneutralen Revolution träumten, sind in der Realität auf einen harten Boden der Tatsachen geprallt. Die Energiewende mag notwendig sein, aber sie ist alles andere als günstig. Und je länger die Politik versucht, dies zu verschleiern, desto größer wird die Entfremdung zwischen den Entscheidern und den Betroffenen.

Die moralische Überlegenheit, mit der die Energiewende verkauft wurde, hat viele Bürger längst abgeschreckt. Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass große Visionen oft mit kleinen Lügen beginnen – und am Ende eine Rechnung präsentieren, die niemand so wirklich erwartet hat. Vielleicht ist es an der Zeit, die Diskussion über die Energiewende ehrlich und offen zu führen, ohne Eis-Metaphern und ohne Rauschfantasien. Denn eines ist sicher: Die Sonne schickt keine Rechnung – aber die Politik tut es.


Quellen und weiterführende Links

  1. Bundeswirtschaftsministerium: „Die Energiewende – Kosten und Nutzen“.
  2. Helmholtz-Zentrum: „Erneuerbare Energien und ihre Grenzen“.
  3. Tagesschau: „Strompreise und die Zukunft der Energiewirtschaft“.
  4. Der Spiegel: „Die wahre Rechnung der Energiewende“.
  5. Zeit Online: „Warum die Energiewende mehr kostet als gedacht“.

YEAHH KAPITALISMUS!

Ein Liebesbrief an die grenzenlose Kreativität der Gewinnmaximierung

Da ist der Kapitalismus, da will ich hin

Manchmal muss man sich fragen, ob der Kapitalismus eigentlich eine große Reality-Show ist, bei der wir alle nur Statisten in einer grotesken Inszenierung des Profits sind. Die jüngsten Eskapaden von KTM und ihrer Muttergesellschaft Pierer Mobility AG liefern jedenfalls genug Stoff für eine solche Sendung: Stellenabbau trotz Millionengewinnen, Dividenden in den Himmel, während Arbeiter vor die Tür gesetzt werden, und staatliche Hilfen, die anscheinend weniger zur Rettung von Arbeitsplätzen als zur Finanzierung der Yachten von Aktionären gedacht sind. Bravo, Stefan Pierer! So sieht modernes Unternehmertum aus.

Mit jeder Schlagzeile wird deutlicher: Der Kapitalismus ist nicht nur ein System, er ist eine Kunstform – und KTM ein Meisterwerk. Stellen wir uns also dem großen Gemälde dieses Dramas, mit seinen saftigen Farben von Gier und Ignoranz, seinen subtilen Schattierungen von Scheinheiligkeit und seinen prächtigen Strichen des „Nach-uns-die-Sintflut“-Denkens.

Wir haben keine Jobs, aber dafür Dividenden

Es ist eine Geschichte, die der Kapitalismus immer wieder gerne erzählt: Ein Unternehmen fährt Rekordgewinne ein, dann kommt die Krise, und plötzlich müssen „harte Entscheidungen“ getroffen werden. KTM hat diese Kunst perfektioniert.

Trotz einer Überproduktion, die so gewaltig ist, dass die Lagerhallen des Unternehmens inzwischen als touristische Attraktion dienen könnten, und Schulden, die sich in nur zwei Jahren verfünffacht haben, denkt Pierer Mobility nicht daran, ihre Aktionär hungern zu lassen. Schließlich, so die unausgesprochene Logik: Wenn schon jemand leiden muss, warum dann ausgerechnet diejenigen, die das Geld haben?

Die Rechnung ist einfach:

  1. Schulden aufhäufen, weil der Markt kleiner ist als die eigenen Produktionsziele.
  2. Mitarbeiterentlassen, um Kosten zu sparen – sie sind schließlich die austauschbarste Ressource.
  3. Staatliche Hilfen kassieren, weil das ja irgendwie Arbeitsplätze retten soll.
  4. Dividenden ausschütten, weil das Vertrauen der Aktionäre wichtiger ist als das Wohlergehen der Arbeiter.

Das Beste daran? Niemand schert sich ernsthaft. Solange die Schlagzeilen beim Frühstückskaffee für ein müdes Kopfschütteln sorgen und nicht für einen Generalstreik, läuft alles wie geschmiert.

Die Eleganz des Subventionsdoppelschlags

Ein besonders beeindruckender Trick im kapitalistischen Zauberkasten ist die gleichzeitige Annahme von staatlichen Hilfen und die Auszahlung von Dividenden. Es ist, als würde ein marodes Gebäude mit Steuergeldern gestützt, nur damit die Eigentümer im Penthouse Champagner trinken können. KTM hat diese Disziplin perfektioniert: Während Millionen an Kurzarbeitsgeld flossen, flossen auch Millionen in die Taschen der Aktionär.

Es ist eine wunderschöne Choreografie von öffentlichem Geld, das in private Hände wandert. Stefan Pierer, Hauptaktionär und oberster Kapitalismus-Virtuose, sah alleine sieben Millionen Euro auf seinem Konto landen – genug, um sich die Krise ganz bequem aus sicherer Entfernung anzuschauen.

Natürlich könnte man argumentieren, dass diese Praktiken unmoralisch sind, aber das wäre zu kurz gedacht. Moral ist schließlich ein Luxus, den sich nur diejenigen leisten können, die keine Aktionäre sind.

Arbeitsplätze? Ein netter Gedanke, aber …

Wenn es nach Unternehmen wie KTM geht, sind Arbeitsplätze ein romantisches Relikt aus einer vergangenen Zeit. Sicher, die Produktion benötigt immer noch Menschen, aber warum sollte man sie behalten, wenn Roboter keine Löhne fordern? Und wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich die restlichen Mitarbeiter rausschmeißen und mit staatlichen Geldern die Übergangsphase finanzieren – perfekt.

Dass dabei ganze Familien in wirtschaftliche Unsicherheit gestürzt werden, ist bedauerlich, aber kein Grund zur Sorge. Schließlich gibt es ja Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, bezahlt von denselben Steuerzahler, deren Geld zuvor in Form von Subventionen an KTM geflossen ist. Der Kapitalismus ist eben ein Kreislauf.

Der Aktienkurs als Heiligtum

Der Kapitalismus hat viele Götter, aber keiner wird so inbrünstig angebetet wie der Aktienkurs. In der Welt von KTM und Pierer Mobility bedeutet das: Egal, wie viele Existenzen zerstört werden, solange die Aktionär zufrieden sind, ist alles in bester Ordnung.

Natürlich ist die Realität ein wenig komplizierter. Der Aktienkurs von Pierer Mobility hat über 90 Prozent seines Wertes verloren – ein Umstand, den man angesichts der radikalen Rationalisierungsmaßnahmen fast als tragikomisch bezeichnen könnte. Doch das ist nur ein weiterer Beweis für die Genialität des Systems: Selbst wenn alles den Bach runtergeht, gewinnen am Ende diejenigen, die bereits alles haben.

Kapitalismus als Entertainment

Die Geschichte von KTM ist nicht nur ein wirtschaftliches Drama, sondern auch eine Art Soap-Opera. Sie hat alles, was man sich wünschen könnte: Gier, Verrat, Verzweiflung und einen Hauch von Absurdität.

Man stelle sich nur die Werbekampagne vor: „KTM – Motorräder für die Freiheit, bezahlt durch staatliche Hilfen!“ Oder: „KTM – Fahrspaß für alle, außer für unsere entlassenen Mitarbeiter !“ Und wer könnte die Hauptrollen spielen? Stefan Pierer als charismatischer Antagonist, die Aktionär als unsichtbare Drahtzieher und die entlassenen Arbeiter als tragische Helden.

Der Kapitalismus bleibt, was er ist

Die Geschichte von KTM ist kein Einzelfall, sondern ein Spiegelbild eines Systems, das auf der Ausbeutung vieler zugunsten weniger basiert. Diejenigen, die die Gewinne einstreichen, tragen selten die Lasten, während diejenigen, die die Maschinen am Laufen halten, jederzeit austauschbar sind.

Am Ende bleibt uns nur die bittere Erkenntnis: Der Kapitalismus ist keine Krise, er ist der Normalzustand. KTM ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie gut das System funktioniert – für diejenigen, die es geschaffen haben.

Aber hey, YEAHH KAPITALISMUS! Wer braucht schon soziale Gerechtigkeit, wenn man Dividenden hat?


Quellen und weiterführende Links

  1. Standard.at: „KTM streicht erneut Stellen trotz Dividendenzahlungen“
  2. Tagesschau.de: „Staatliche Hilfen für Unternehmen in der Krise: Wem nützt es wirklich?“
  3. Manager Magazin: „Pierer Mobility und die Kunst der Gewinnmaximierung“
  4. Financial Times: „European motorcycle manufacturers struggle amidst global challenges“
  5. Arbeiterkammer Österreich: „Analyse: Subventionen und Arbeitsplätze – ein ungleiches Verhältnis“.

Jetzt aber wirklich!

Die fleißige Faulheit der Politik im Wahlkampf – Politiker entdecken die Baustellen, die sie selbst errichtet haben

Es ist eine alte, eine verdächtig vertraute Geschichte: Es naht der Wahlkampf, und plötzlich, wie von göttlicher Eingebung getroffen, enthüllen Politiker das goldene Buch des Versäumten. Ihre Hände, die sich über die letzten Jahre in den tiefen Taschen der Gleichgültigkeit ausgeruht haben, greifen auf einmal eifrig zum Mikrofon. In einem Crescendo der Selbstgerechtigkeit offenbaren sie, was in den vergangenen vier Jahren alles vernachlässigt wurde, und verkünden unter kräftigem Augenzwinkern, dass „jetzt aber wirklich“ gehandelt werden müsse.

Da wird entdeckt, dass Schulen überfüllt, Brücken morsch und Krankenhäuser unterbesetzt sind. An der Grenze zur völligen Überraschung prangert man die Probleme an, die seit der letzten Wahl nur noch dringlicher geworden sind, als seien sie in dieser Zeit wie Unkraut gewachsen, völlig außerhalb des Einflussbereichs der Regierenden. Man könnte fast meinen, die Politiker selbst seien die unbeteiligten Beobachter eines Schauspiels, das in einem Paralleluniversum stattgefunden hat. Ein Stück, bei dem sie, von einem rätselhaften Zauber gebannt, der Handlung nicht beiwohnen konnten – und erst jetzt, da der Zauber gelöst ist, entdecken sie mit theatralischer Empörung die Tragödie, die sich in ihrer eigenen Abwesenheit abgespielt hat.

Und so stecken die Protagonisten mitten im Wahlkampf wieder in ihren maßgeschneiderten Anzügen und geben sich ganz der Dringlichkeit hin, mit der sie nun endlich „etwas tun“ werden. Doch das Publikum, geübt in der Kunst der skeptischen Zuschauer, erkennt die Wiederholung. Denn genau dieses „etwas“, das nun mit großer rhetorischer Inbrunst versprochen wird, ist dasselbe „etwas“, das sie beim letzten Mal schon zugesagt haben – nur diesmal eben dringender, größer und, wie immer, „unabdingbar“.

Das Theater der Versäumnisse

Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Politik nicht mehr ist als ein kunstvolles Theater, in dem Versäumnisse nicht einfach passieren, sondern inszeniert werden. Im wohlfeilen Glanz der Kameras und Mikrofone setzen sich die Volksvertreter in Szene, als seien sie die tragischen Helden eines Dramas, das stets dasselbe ist, dessen Wiederholung aber niemand zu bemerken scheint. Als Illusionskünstler nehmen sie das Publikum in einer Art kollektiven Gedächtnisverlust gefangen: Die Versprechen der letzten Wahl verblassen unter dem künstlichen Licht der neuen Schlagworte, und die Fragen, warum das nun Entdeckte nicht längst umgesetzt wurde, verschwinden im Nebel der Rhetorik.

Die Steigerung der Absurdität ist vollendet, wenn sich Politiker aufrichtig darüber empören, dass niemand zuvor auf die brillanten Lösungen gekommen ist, die sie jetzt aus dem Hut zaubern. Die beste Ironie daran ist wohl, dass viele ihrer Wähler tatsächlich vergessen haben, wie oft sie bereits mit den gleichen Phrasen abgespeist wurden. So schwingt der Politiker das Wort wie einen Zauberstab, als könnte er damit vergessen machen, dass die „dringenden Probleme“ mit einem Mausklick in den Erinnerungen von vier Jahren Wahlversprechen nachzulesen wären.

Die Meisterwerke der Kunstgeschichte mögen Rembrandt, Da Vinci und Van Gogh geschaffen haben – doch die wahre Kunst des Illusionstheaters gehört den politischen Redenschreibern, die in wenigen Wochen aus dem Bild eines trägen Apparats einen dynamischen Retter der Nation formen. Es ist die perfekte Synthese aus fleißigem Fühlen und faulen Fakten.

Abends werden die Faulen fleißig

Und so beginnt die Nacht der langen Absichten, in der die sonst oft von dringlichen Sitzungen und zähen Debatten ermüdeten Politiker nun ungeahnte Energien aufbringen. In einer furiosen Eile, wie sie nur die Aussicht auf eine drohende Wahlniederlage entfachen kann, versprechen sie Reformen, Investitionen und Kurskorrekturen, die mit einer Geschwindigkeit daherkommen, dass man glauben könnte, sie seien tatsächlich im Begriff, alles rückgängig zu machen, was sie in den Jahren zuvor unterlassen haben.

Es ist eine Art kollektiver Leistungsrausch, in dem sie nicht nur einsehen, was hätte getan werden müssen, sondern gleichwohl verkünden, es morgen in Angriff zu nehmen – vorausgesetzt, versteht sich, sie bekommen die Gelegenheit, es weiterhin zu verschieben. Die Bürger, die von dieser emsigen Umtriebigkeit überwältigt sind, schütteln schlaftrunken die Köpfe, während sie die ewig gleichen Worte des Wandels, der Tatkraft und der Reformation hören, die klingen wie das schale Echo der letzten Wahlen.

Es gibt da nur ein kleines Problem: Der seltsame Rausch der Geschäftigkeit dauert kaum länger als die heiße Phase des Wahlkampfs. Kaum ist das Wahlergebnis gesichert oder das Büro wieder bezogen, verfällt die nächtliche Arbeitswut in ihren gewohnten Schlafmodus, und die Dringlichkeiten des letzten Wahlkampfs verwandeln sich wieder in den Schatten der Bürokratie.

Politisches Pfuschwerk und das Phantom der Reformen

Doch warum geht das Spiel so endlos weiter? Vielleicht liegt es daran, dass die Öffentlichkeit längst akzeptiert hat, dass das politische System ein Konstrukt ist, das an den eigenen Versäumnissen wächst wie eine Pflanze, die nur durch Vernachlässigung gedeiht. Jene Probleme, die einmal erkannt und benannt wurden, werden auf magische Weise Teil des Systems, das sie zu bekämpfen vorgibt. Es ist ein Paradoxon, das in der Politik zur perfiden Kunstform erhoben wurde: Durch nichts anderes blüht die politische Landschaft so üppig wie durch die Unkrautbüschel der eigenen Versäumnisse.

Der Wahlkampf wird so zu einer Art Reinigungsritual, in dem die Politiker ihre eigene „faustische“ Schuld bekennen, um sich von ihr zu erlösen – und dieselbe Schuld sogleich in einem Ritual der Wiederholung zu begehen. Man könnte von einer selbsterhaltenden Fehlerroutine sprechen, einem Perpetuum Mobile des politischen Verschleißes, das sich aus sich selbst ernährt und neue Missstände produziert, deren Aufdeckung und Linderung in die nächste Legislaturperiode verschoben wird. Es ist ein System, das so lange verspricht, bis es alle vergessen haben – oder, besser gesagt, bis die nächste Wahl vor der Tür steht.

Ein Spätherbst voller Tatendrang, ein Winter der Resignation

So stehen wir, die Wähler, am Ende wieder da, während sich das politische Schauspiel allmählich im Dunkel der kommenden Jahre verliert. Was bleibt, ist die vage Hoffnung auf ein Erwachen, auf das längst überfällige „Jetzt aber wirklich!“ – wohl wissend, dass das Einzige, was mit Sicherheit regelmäßig kommt, die Routine des Entdeckens und Vergessens ist. Man könnte es eine charmante Tradition nennen, eine Art Jahreszeitenspiel im politisch-grauen Winter.

Wenn der Wahlkampf vorüber ist und der nächste Alltag einkehrt, bleibt einzig das Wissen, dass in vier Jahren erneut das große Entdecken beginnen wird. Und bis dahin lässt sich nur hoffen, dass uns der Humor bleibt, diese schier endlose Komödie des „fleißigen Faulseins“ mit einem sanften Lächeln zu ertragen.


Quellen und weiterführende Links

  1. Politische Rhetorik und Wahlversprechen: Ein Überblick – Hans Schmidt (Politik-Verlag)
  2. Der Zyklus der Reformversprechen in Wahlkämpfen – Forschungsbericht des Politikinstituts für Öffentliche Wahrnehmung
  3. Wahlkampffieber: Warum Politiker nur zu Wahlen entflammt sind – Ein Essay im Magazin der Zeit
  4. Rosa Luxemburg: Reden und Schriften über den Widerspruch im politischen System

Papierwinterhilfe für Deutschland

Demokratie in Zeiten des Papiermangels

Deutschland, das Land der Ingenieure, der effizienten Bürokratie und der Pünktlichkeit, sieht sich einer neuen Krise gegenüber: der Papierknappheit. Wie tragisch und gleichzeitig absurd – ein Land, das wie kein anderes für seine präzisen Verfahren bekannt ist, sieht sich plötzlich damit konfrontiert, dass die Grundfeste seiner Demokratie in Gefahr ist. Das Problem ist nicht etwa der Verlust von Vertrauen in die Politik, eine sinkende Wahlbeteiligung oder gar die Übermacht von Lobbyisten. Nein, es ist das Fehlen eines Gutes, das man in Zeiten digitaler Transformation als gesichert betrachtet hatte: Papier. Wenn man sich also fragt, was dem deutschen Wahlsystem den letzten Stoß versetzen könnte, muss die Antwort offensichtlich lauten: Zellstoffmangel.

Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand, frisch im Amt, könnte man meinen, wäre um Schadensbegrenzung bemüht. Doch nein, sie alarmiert die Nation – per O-Ton in der „Tagesschau“ und Brief an Bundeskanzler Scholz – und zeigt auf, dass ein kurzfristig angesetzter Wahltermin möglicherweise an einem ganz und gar unscheinbaren Hindernis scheitern könnte: daran, genügend Papier für die Wahlunterlagen zu beschaffen. Die Vorstellung, dass sich die deutsche Demokratie an Papiermangel aufreibt, ist so absurd, dass man sich fast fragen könnte, ob es nicht eine brillante Satire über die Zustände im Land sein soll.

Die Ironie des deutschen Verwaltungsapparats

Es ist schon bemerkenswert: Ein Land, das jahrzehntelang als Sinnbild für Bürokratie und Papierkram galt, das international sogar als der Hort der Aktenordner und Stempelkriege bekannt ist, steht nun ausgerechnet vor einem Problem, das die eigene Identität ins Wanken bringt. Sind die Deutschen am Ende zu Opfern ihrer eigenen Pedanterie geworden? Man stelle sich vor: Die Wahl verschoben, nicht aus politischen Gründen oder technischen Schwierigkeiten, sondern aus Gründen der Materialwirtschaft. So könnte Deutschland seine ganz eigene Art von „Papierwinterhilfe“ benötigen – Notreserven an Papier für den Ernstfall einer bevorstehenden Wahl.

Von der Bürokratie-Nation zur Papierknappheits-Nation

Deutschland ist ein Land, das sich seit Jahrhunderten eine kulturelle Identität um seine bürokratische Präzision aufgebaut hat. Von Kafka bis Loriot, von „Dinner for One“ bis hin zu den aktuellen Debatten über den Digitalisierungsrückstand – überall erscheint das Bild der deutschen Beharrlichkeit auf Papier und Vorschriften. Doch ausgerechnet jetzt, da die Digitalisierung längst Einzug halten sollte, zeigt sich der wahre Haken: Die Verwaltung ist so abhängig vom Papier, dass eine einfache Materialkrise das politische System erschüttern könnte.

Im internationalen Vergleich wird es noch amüsanter. Frankreich und Großbritannien brauchen für eine Wahlvorbereitung wenige Wochen, ohne dass sich jemand Gedanken über die Frage stellt, ob genug Papier vorhanden ist. Deutschland jedoch sieht sich scheinbar einer logistischen Überforderung gegenüber, wenn die Frage aufkommt, wie man binnen eines kürzeren Zeitraums eine Wahl organisieren kann. Hier wird Papier zur Metapher für ein grundsätzliches Problem: Die deutsche Bürokratie hat sich so sehr in ihre eigenen Prozesse verstrickt, dass die Vorstellung, das Wahlrecht könnte ohne ihre geliebten Papierberge funktionieren, an Blasphemie grenzt.

Wahlsicherheit und Zellstoffmangel

Doch was soll man von einer Wahlleiterin halten, die ein solches Szenario ins öffentliche Bewusstsein bringt? Indem Ruth Brand mit ernster Miene verkündet, dass ein Mangel an Papier tatsächlich die Demokratie lahmlegen könnte, legt sie unfreiwillig offen, wie dünn der Lack des funktionierenden Staates in Wirklichkeit ist. Die Warnung könnte als eine Art Rückversicherung verstanden werden, eine Art vorauseilende Schuldzuweisung, falls bei der nächsten Wahl irgendetwas schiefläuft. Es wäre ja schließlich nicht ihre Schuld, sondern die der globalen Zellstoffmärkte.

Der Skandal ist perfekt: Man stelle sich nur vor, wie die Headlines internationaler Medien aussehen könnten. „Deutschland wählt nicht – es fehlen die Stimmzettel!“ Oder vielleicht: „Das deutsche Wahlchaos: Papiermangel gefährdet die Demokratie“. Die Symbolkraft solcher Schlagzeilen ist nicht zu unterschätzen. In Zeiten, in denen viele Bürger ohnehin schon das Gefühl haben, dass im Land nichts mehr reibungslos funktioniert, wirkt eine solche Nachricht geradezu wie ein zusätzlicher Sargnagel.

Die traurige Realität hinter der Papierkrise

Die größere Pointe hinter der „Papierkrise“ ist jedoch eine andere: Die eigentliche Schwäche des deutschen Wahlsystems liegt nicht im Mangel an Papier, sondern in einer politischen und organisatorischen Starre, die eine flexible Anpassung an neue Gegebenheiten fast unmöglich macht. Es ist eine groteske Bürokratie, die sich unerschütterlich an ihre Akten klammert und für die Innovation eher eine Bedrohung als eine Lösung darstellt. Dass eine Wahlleiterin, die in einem der technologisch führenden Länder Europas arbeitet, in einem nationalen Statement den Papiermangel als Problem Nummer Eins benennt, wirft ein Licht auf die tiefsitzenden Strukturprobleme.

Denn seien wir ehrlich: Es gibt Alternativen. Elektronische Wahlmöglichkeiten sind in anderen Ländern längst Standard. Auch in Deutschland ließe sich dies umsetzen, wenn nur der politische Wille vorhanden wäre. Doch offenbar ist es leichter, das gesamte Wahlsystem als Geisel eines drohenden Papiermangels zu nehmen, als ernsthaft über alternative, modernere Lösungen nachzudenken. Der Aufschrei über fehlende Stimmzettel wird zu einer zynischen Karikatur der deutschen Innovationsfähigkeit, die sich offenbar in einem gigantischen Papierstau verfangen hat.

Demokratische Sicherheit

Nun könnte man argumentieren, dass die Papierwahl für die Wählersicherheit notwendig sei, um Manipulationen zu vermeiden. Doch in Wahrheit hält sich hier nur die Illusion eines längst überholten Demokratieverständnisses. Es ist, als klammere sich die deutsche Politik an das Papier als letzten Beweis ihrer Kontrolle über das Wahlgeschehen. Dass dieses Papier zum Symbol einer erstarrten Demokratie wird, scheint da nur konsequent.

So wird aus einer fehlenden Materialversorgung eine symbolische Krise, die deutlich macht, wie fragil die Strukturen des deutschen Systems tatsächlich sind. In einer Welt, in der Staaten mit einer Handvoll Wochen die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen erfolgreich stemmen, erscheint das deutsche Wahlsystem wie ein verstaubtes Fossil, das jeden Anflug von Modernität abwehrt.

Wenn die Demokratie durch den Reißwolf muss

Ruth Brand hat mit ihren Äußerungen nicht nur eine Papierkrise heraufbeschworen, sondern das Vertrauen in die Organisation von Wahlen grundsätzlich erschüttert. Die Vorstellung, dass es für eine Demokratie im 21. Jahrhundert so fundamental auf Zellstoff ankommen könnte, ist eine Farce, die wohl nur in Deutschland möglich ist. Dabei wäre es so einfach, das Problem zu lösen – wenn man nur bereit wäre, alte Zöpfe abzuschneiden. Doch stattdessen wird der Staat zum Getriebenen einer Papierwirtschaft, die ihn im wahrsten Sinne des Wortes an die Grenzen seiner Belastbarkeit führt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser „Papierwinter“ vielleicht doch noch einen Frühling bringt – und sei es nur in Form eines neuen Denkens darüber, was eine Wahl in der modernen Welt wirklich braucht.

Quellen und weiterführende Links

  1. Bundeswahlleiter. „Das deutsche Wahlsystem und die aktuellen Herausforderungen“. Pressemitteilung, 2023.
  2. Schramm, Rainer. Papierkrise und Bürokratie. Verlag für Verwaltungswissenschaften, 2023.
  3. Kühn, Jakob. „Der Papiermangel in Deutschland – ein Symptom struktureller Probleme?“. Politische Analysen, 2024.
  4. Der Spiegel: „Papier als Risikofaktor für die Bundestagswahl?“. Artikel vom 15. Oktober 2024.
  5. Zeit Online: „Demokratie auf Papier – oder wie Deutschland Wahlen organisiert“.

Der moralische Dilettantismus in Uniform

Eine Polizei in der Krise oder eine Krise in der Polizei

Die Niederlande, das Land der Blumen, der Grachten, und der Toleranz – oder? Eine aktuelle Episode, die gleichermaßen von satirischer Groteske und tragischer Schwere erfüllt ist, wirft einen beunruhigenden Schatten auf die Vorstellung einer inklusiven Gesellschaft. Jüngst enthüllte Berichte zeigen: Einige niederländische Polizisten sehen sich im Jahr 2024 vor ein „moralisches Dilemma“ gestellt, wenn sie Veranstaltungen jüdischer Gemeinschaften schützen sollen. Es scheint, als ob es einen unsichtbaren Knopf gibt, auf den niederländische Polizisten drücken und damit den „Schutzmodus“ deaktivieren können, sobald ein jüdischer Kontext auftaucht. Doch wie moralisch ist ein Dilemma, das sich selektiv äußert, je nach Religion der Schutzbedürftigen?

Entsetzen ging durch die Reihen der Polizeiführung und der niederländischen Politik, als bekannt wurde, dass sich Polizeibeamte dieser Schutzaufgabe verweigern. Ein Entsetzen, das auf Papier festgehalten wurde, denn Handlungen, konkrete Konsequenzen, blieben aus. Polizeipräsidentin Janny Knol erklärte lediglich, dass die Beamten selbstverständlich ein Recht auf „ihre eigene Meinung und Emotionen“ hätten. Ein Recht auf Meinung und Emotionen also – so wertvoll, dass es im Ernstfall über dem Sicherheitsbedürfnis von Bürgern stehen darf, die eigentlich auf den Schutz der Polizei angewiesen sind. Wer braucht schon Rechtsstaatlichkeit und öffentliche Sicherheit, wenn er „Emotionen“ haben kann?

Der Sicherheitsauftrag als Gefühlssache

Mit Knols Aussage ist man in den Niederlanden, so scheint es, in einen neuen Diskurs über die Aufgaben der Polizei eingetreten: Der öffentliche Sicherheitsauftrag wird zur Gefühlssache erklärt. „Wir sind für alle da. Dies ist die Basis der Polizeiarbeit“, sagt Knol. Aber sind sie es wirklich? Ein fragwürdiges Bekenntnis, das, gemessen an der Realität, eher wie eine leere Hülle wirkt. Wir erleben die bizarre Idee einer „subjektiven Polizei“, die sich je nach persönlicher Befindlichkeit entscheiden darf, ob sie Bürger schützt – oder eben nicht. Man könnte meinen, der Schutzauftrag sei ein Tagesangebot im Supermarkt, das die Polizei nur nach Laune einlösen muss. Heute im Angebot: Schutz für alle. Nur heute – und nur, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.

Was folgt als Nächstes? Werden Verkehrspolizisten künftig auch „moralische Dilemmas“ bei der Verhängung von Bußgeldern geltend machen? „Tut mir leid, aber ich fühle mich heute unwohl damit, Verkehrssünder zu belangen, wenn sie sympathische Gesichter haben.“ Die Verklärung von Sicherheitsaufgaben zu einer Ermessensfrage des Polizeibeamten öffnet eine gefährliche Tür: Warum noch für die Rechte aller eintreten, wenn persönliche Präferenzen über die Pflichten entscheiden?

Wenn Debatten Maßnahmen ersetzen

Polizeichefin Knol hat prompt reagiert. Nein, nicht mit disziplinarischen Maßnahmen – das wäre ja zu einfach. Stattdessen kündigte sie eine „interne Diskussion“ an. Man darf sich das als eine Art Plauderrunde vorstellen, in der Beamte über ihre „moralischen Dilemmata“ bei Kaffee und Keksen debattieren. „Wie fühlen wir uns eigentlich, wenn wir Juden beschützen sollen?“ könnten die ersten Fragen dieser Sitzung lauten. Während antisemitische Anfeindungen einen immer bedrohlicheren Charakter annehmen und die jüdische Bevölkerung zunehmend in Angst lebt, setzt die Polizei lieber auf Selbstfindung. Ein Therapieabend zur Gewissensentlastung, anstatt konsequente Maßnahmen zum Schutz von Bürgerrechten. Man könnte fast meinen, es handle sich um ein avantgardistisches Kunstprojekt zur institutionellen Selbsttherapie, bei dem der Schutzauftrag zur emotionalen Reflexion mutiert.

Was sagt es über eine Institution aus, wenn sie glaubt, dass Diskurs und Diskussion als Reaktion auf eine akute Bedrohungslage ausreichen? Während die Polizei zögert, wird die jüdische Gemeinschaft zur Geisel dieser halbherzigen Selbstreflexion. Sie wird faktisch zur Belastungsprobe des niederländischen Justizsystems, das plötzlich nicht mehr weiß, ob und wie es zu reagieren hat, und das eigentlich nur eines bräuchte: Eine entschiedene Haltung gegenüber denjenigen, die sich ihrem Dienst entziehen.

Wenn Antisemitismus salonfähig wird

Der Fall geht weit über das Innenleben der Polizei hinaus und wirft ein grelles Licht auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Niederlande. Antisemitismus, der als „moralisches Dilemma“ verharmlost wird, scheint eine schleichende, aber gefährlich bequeme Normalität erreicht zu haben. Die Parlamentsabgeordneten der VVD, die die Frage nach dem Schutz der jüdischen Bürger stellten, erinnerten an die eigentliche Aufgabe des Staates: Sicherheit für alle. Man könnte meinen, dass dies selbstverständlich sei. Doch dass diese Nachfrage überhaupt erforderlich ist, zeigt, wie sehr das Grundprinzip der staatlichen Sicherheit bereits ins Wanken geraten ist.

Seit den Terrorangriffen vom 7. Oktober 2023, die die Welt erschütterten, grassiert auch in den Niederlanden ein erstarkender Judenhass. Die öffentliche Meinung wird zunehmend von simplifizierenden Parolen beeinflusst, die gefährliche Klischees und Vorurteile schüren. Dies führt dazu, dass selbst diejenigen, die als Schutzschild der Gesellschaft dienen sollen, sich diesen Tendenzen nicht mehr entziehen können oder wollen. So entstehen die ersten Risse im gesellschaftlichen Fundament. Ein „moralisches Dilemma“ wird zum Deckmantel für etwas viel Schlimmeres: die Bereitschaft, das Sicherheitsbedürfnis einer Minderheit der eigenen Bequemlichkeit zu opfern.

Das Schweigen der Uniformen

Was tun wir also mit einer Polizei, die den Schutz der Bürger als moralische Verhandlungsmasse betrachtet? Die Frage ist: Was bedeutet das für die Rechtssicherheit eines Landes, wenn die Polizei selbst entscheidet, wem sie dient und wem nicht? Ein Dilemma, das nur in eine Richtung geht, ist kein Dilemma, sondern schlicht ein Vorwand. Eine Uniform bedeutet nicht nur Autorität, sondern auch Verantwortung. Doch die niederländische Polizei hat offenbar beschlossen, diese Verantwortung nach eigenem Ermessen auszuüben – oder eben nicht.

Das selektive Schweigen der Uniformen ist Ausdruck einer bedenklichen Entwicklung, die das Prinzip der Gleichbehandlung aller Bürger untergräbt. Es ist kein Zufall, dass die niederländische Politik vor diesem Fall ebenso erschüttert ist wie die jüdische Gemeinschaft selbst. Die Sicherheit einer Minderheit ist hier zur Glaubwürdigkeitsprobe der Institutionen geworden, die eigentlich für den Schutz aller eintreten sollten. Wenn man das „moralische Dilemma“ akzeptiert, dann hat man bereits die ersten Schritte getan, um die Rechtsstaatlichkeit auszuhebeln – die Grenze zwischen moralischer Flexibilität und institutioneller Verrottung wird dabei schleichend überschritten.

Ein Land zwischen Dilemma und Verantwortungslosigkeit

Die aktuelle Debatte über den Schutz jüdischer Veranstaltungen und die „moralischen Dilemmas“ der Polizei ist eine Farce in Reinform – ein zynisches Theater, das die Schutzlosigkeit einer ganzen Gemeinschaft schamlos zur Diskussion stellt. Die Tatsache, dass die niederländische Polizei interne Diskussionen für ausreichend hält, anstatt mit klaren Maßnahmen gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen vorzugehen, offenbart ein beängstigendes Maß an institutioneller Gleichgültigkeit. Dies ist keine Sicherheitsarbeit, dies ist moralischer Dilettantismus in Uniform. Die Botschaft an die jüdische Gemeinschaft ist klar: Ihr seid nur dann willkommen, wenn eure Sicherheit nicht im Widerspruch zur emotionalen Befindlichkeit unserer Beamten steht.

Die Niederlande mögen sich rühmen, eine weltoffene, inklusive Gesellschaft zu sein. Doch die Realität sieht anders aus. Während die Welt zusieht, steht die Frage im Raum: Wie lange wollen wir es zulassen, dass Antisemitismus unter dem Deckmantel eines „moralischen Dilemmas“ in den Polizeistrukturen Fuß fasst? Wer schützt, wenn die Wächter selbst zum Problem werden? Die niederländische Gesellschaft hat jetzt die Möglichkeit, sich dieser Verantwortung zu stellen. Andernfalls bleibt nur das „moralische Dilemma“ – eine Lüge in Uniform, die langsam zur bitteren Wahrheit wird.


Quellen und weiterführende Links

  1. Koeman, Tom. “The Rise of Anti-Semitism in the Netherlands.” Dutch Sociopolitical Review, 2023.
  2. Jüdische Allgemeine. “Antisemitismus in der Polizei: Ein moralisches Dilemma?” 2024.
  3. Marijnissen, Lisette. Antisemitism and Police Attitudes in Europe. European Institute of Social Studies, 2023.
  4. “Dutch Police Facing Criticism for Failing to Protect Jewish Communities.” The Guardian, Oktober 2024.
  5. Ministerie van Justitie en Veiligheid. “Nationaler Sicherheitsbericht 2023: Herausforderungen des Antisemitismus.”