Der letzte Buchstabe – Ein Abgesang auf das „C“

Die Richtermacher tanzen den Spagat

Am 11. Juli 2025, einem Datum, das in die Annalen deutscher Demokratie eingehen wird wie eine warme Bierflasche in die Chronik sommerlicher Enttäuschungen, entscheidet der Bundestag über nichts Geringeres als die zivilreligiöse Weihe einer neuen Verfassungspriesterin: Frau Professorin Brosius-Gersdorf, deren Name bereits klingt wie eine Fußnote in einer Verwaltungsgerichtsentscheidung aus den 80er Jahren, soll zur Richterin am Bundesverfassungsgericht erhoben werden. Die höchste juristische Weihestufe der Republik – rot gewandet, über dem Gesetz stehend, dem Gewissen verpflichtet, aber meist einem Parteibuch näher als der objektiven Vernunft.

Nun könnte man sagen: Na gut, Richter kommen und gehen, aber was soll’s – der Rechtsstaat funktioniert doch, solange wenigstens das Wappen über dem Sitzungssaal noch adlerförmig bleibt. Doch halt! Diese Nominierung ist kein lauer Verwaltungsakt, keine Personalie unter vielen. Sie ist ein programmatischer Paukenschlag, ein verfassungsjuristischer Akt der Deutungshoheit – oder, um es mit einem anderen Wort zu sagen: ein Etikettenschwindel.

Menschenwürde light – der Fetisch der Definitionshoheit

Frau Brosius-Gersdorf, ihres Zeichens Professorin mit reichlich Publikationsvergangenheit, hat sich in der Vergangenheit nicht nur durch subtile juristische Ausdifferenzierung hervorgetan, sondern auch durch eine gewisse Bereitschaft, die Menschenwürde wie einen Mantel zu tragen, den man bei Bedarf ablegt, wenn es politisch zieht. Wer, wie sie, vorschlägt, dass ungeborenen Kindern im Mutterleib das Grundrecht auf Menschenwürde nicht automatisch zustehe, der stellt sich nicht nur gegen Jahrzehnte der verfassungsrechtlichen Dogmatik, sondern gegen den Kern dessen, was das „C“ im Parteinamen der CDU/CSU ursprünglich mal bedeutete – bevor es endgültig zu einer bloßen Glyphe verkommen ist, hübsch gerahmt im Parteilogo, aber ansonsten funktionslos wie ein Kirchturm in einem atheistischen Ferienpark.

Die Menschenwürde – jenes hochmoralische Versprechen der Verfassung, das als einziges Grundrecht nicht eingeschränkt werden darf – soll nun zur verhandelbaren Kategorie gemacht werden. Ein Fötus, ein Zellhaufen, ein rechtliches Nichts, solange er nicht atmet, schreit oder steuerlich veranlagt wird? Welch subversives Verständnis von Schutzbedürftigkeit – man möchte fast meinen, der Paragraph 1 GG sei neuerdings ein Antragsformular, kein Dogma.

Wehrhafte Demokratie als Illusionszauber

Man könnte vermuten, wer so locker die Menschenwürde für Ungeborene zur Disposition stellt wie eine schlecht begründete Seminarthese, würde staatlicher Macht mit Skepsis begegnen. Doch nein – Frau Brosius-Gersdorf zieht es vor, ihre juristische Energie auf ein anderes Lieblingsprojekt zu lenken: das Verbot der AfD. Nicht aus nüchterner Rechtsbetrachtung, sondern mit leuchtenden Augen und dem Brustton der Überzeugung. Ein AfD-Verbot sei ein „ganz starkes Signal“ – so nennt sie es. Signal! Welch schönes Wort, wenn man nichts verändern, aber dabei gut aussehen will.

Doch was dann folgt, ist der eigentlich aufschlussreiche Moment: Man müsse, so Brosius-Gersdorf, leider „bedenken, dass damit nicht die Anhängerschaft beseitigt“ werden könne. Beseitigt! Welch unglückliches Wort – oder war es vielleicht doch ganz bewusst gewählt? Man spürt beim Lesen förmlich das Bedauern, dass man sich zwar der Partei entledigen kann, aber nicht der Menschen, die sie wählen. Schade aber auch. Da hat man das Symptom endlich abgeschafft – und dann lebt die Krankheit einfach weiter. Diese Demokratie ist wirklich manchmal frustrierend.

Man wünscht sich fast, Frau Brosius-Gersdorf würde gleich ein Anschlussverfahren vorschlagen: nach dem Parteienverbot folgt das Wählerverbot. Ein „starkes Signal“ an all jene, die nicht richtig wählen wollen – oder schlimmer noch: überhaupt noch denken. Am besten mit rückwirkender Wirkung und digitaler Vollstreckung. Schließlich kann die Demokratie nicht wehrhaft sein, solange sie nicht auch sauber ist.

Was hier als staatsrechtliche Erwägung daherkommt, ist in Wahrheit der autoritäre Reflex der Besserwisserklasse: Man hätte sie so gern – diese radikalen Wähler, diese Störenfriede der Gesinnungshygiene – einfach aus dem Diskurs, dem Wahllokal, der Statistik. Und man sagt es auch. Fast beiläufig, fast nebenher. Als wäre es das Natürlichste der Welt: dass man sie nicht beseitigen kann. Leider.

Merz und das Orakel der Einfachheit

Und dann, als letzter Akt im moralischen Trauerspiel, tritt Friedrich Merz vor die Mikrofone – jener Mann, der als Kanzler der Selbstbehauptung inszeniert wurde, nun aber wirkt wie das museale Überbleibsel einer Partei, die einst vorgab, zwischen Soziallehre und Seelenheil zu balancieren. Die Frage, die ihm gestellt wird, ist keine banale. Keine technische. Keine taktische. Sie zielt ins Zentrum dessen, was einen Volksvertreter auszeichnen sollte: Kann er diese Entscheidung mit seinem Gewissen vereinbaren?

Die Antwort: ein schlichtes, ungerührtes, vollständig unreflektiertes „Ja“.

Kein Innehalten. Kein „Es war eine schwierige Abwägung“. Kein „Ich habe gerungen“. Kein „Ich vertraue auf die institutionelle Kraft unseres Rechtssystems“. Nein – nichts davon. Nur dieses eine, kalte, administrative Ja. Zwei Buchstaben, gesprochen mit der Emotionskraft eines Thermodruckers im Finanzamt.

Ein „Ja“ wie aus der Fabrik für politische Automatismen. Ein „Ja“ wie ein auswendig gelernter Schwur, den man längst nicht mehr versteht. Ein „Ja“, das nicht erklärt, nicht begründet, nicht verantwortet – sondern einfach nur abspult. Als sei das Gewissen ein Menüpunkt im Parteitagsprotokoll.

Vielleicht war es ein routiniertes Ja, wie man es sagt, wenn der eigene Kalender ein „Abnicken“ vorsieht. Oder ein innerlich längst entleertes Ja, das in Wahrheit ein „Ich will meine Ruhe“ meint. Vielleicht war es auch ein ironisches Ja – doch selbst dafür fehlte jede Spur von Zwinkern. So oder so: Dieses „Ja“ ist ein Totenschein. Für das Gewissen in der Politik. Für das Denken vor dem Entscheiden. Für eine Partei, die sich immer noch ein „C“ in den Namen schreibt, aber längst nicht mehr weiß, wofür es stehen sollte.

Merz sagt: Ja.

Und mit diesem Ja sagt er eigentlich alles – über sich, über seine Partei, über einen Zustand, in dem selbst das Gewissen nur noch eine lästige Nachfrage ist.

Das „C“ als Fossil – Grabrede auf ein christliches Phantom

CDU und CSU – jene Parteien, die einst den moralischen Kompass Deutschlands stellen wollten, wenn auch nicht immer treffsicher – sollten nun endlich das tun, was längst überfällig ist: das „C“ aus dem Parteinamen streichen. Nicht aus polemischer Lust, sondern aus intellektueller Redlichkeit. Denn wer einer Kandidatin zur höchsten moralischen Instanz der Republik verhilft, die ungeborenes Leben zur juristischen Fußnote erklärt, der kann sich das Christentum aus dem Namen meißeln wie man eine Heiligenstatue vom Giebel eines Bordells abnimmt. Es ist nur noch Dekoration – und niemand glaubt mehr daran.

Das „C“ ist heute nichts als rhetorisches Taxidermieprodukt – ausgestopft, poliert, an Feiertagen hervorgeholt. Die Realität sieht anders aus: Sie heißt Opportunismus, Anpassung, Machterhalt. Und mit Frau Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin wird diese Realität einen roten Talar tragen.

Schlussakkord: Satire oder Prophetie?

Man fragt sich, ob das alles noch Satire ist oder schon dystopischer Realismus. Vielleicht ist es beides. Vielleicht leben wir längst in einem politischen Roman von Heinrich Böll, nur ohne Bölls Stilgefühl und Widerstandskraft. Vielleicht ist Frau Brosius-Gersdorf die logische Konsequenz eines Systems, das sich selbst als demokratisch verklärt, aber zunehmend technokratisch kastriert.

Der 11. Juli 2025 wird ein Test. Nicht für Frau Brosius-Gersdorf – die ist längst durch alle Instanzen der akademischen Selbstvergewisserung geprügelt worden. Sondern für das Parlament. Für die Parteien. Für das letzte Restgewissen einer politischen Klasse, die noch weiß, dass man über die Menschenwürde nicht abstimmen kann, ohne dabei sich selbst zur Disposition zu stellen.

Doch seien wir ehrlich: Wir kennen das Ergebnis bereits.

Merz sagt ja.

Und das „C“ stirbt schweigend.

POST N° 700

Die Zahl 700 – Eine Meditation über Struktur, Fülle und Grenze

In der Welt der Zahlen gibt es jene, die sich in den Vordergrund drängen – Primzahlen, transzendente Größen, irrationale Unikate –, und jene, die im Schatten stehen, scheinbar zu rund, zu glatt, zu ordentlich, um Aufmerksamkeit zu verlangen. Die Zahl 700 gehört zur letzteren Kategorie. Und doch, gerade in ihrer Unscheinbarkeit verbirgt sich eine komplexe Schönheit, ein mathematisches Echo aus verschiedenen Sphären der Ordnung, Struktur und kulturellen Konnotation.

I. Die arithmetische Maske der Vollkommenheit

700 – eine Zahl, so rund, dass sie fast trivial erscheint. Sie endet auf zwei Nullen, was sie augenblicklich als ein Vielfaches von 100 ausweist. Sie ist das Produkt von 7×100, selbst ein Ausdruck von Symbolkraft: Die Zahl 7, mit ihrer tiefen mythologischen, biblischen und naturwissenschaftlichen Bedeutung (sieben Tage der Schöpfung, sieben Farben des Regenbogens, sieben Töne der Oktave), multipliziert mit der Dezimalvollendung 100, dem Quadrat von 10, der Basis unseres Zahlensystems.

In diesem Sinne ist 700 keine bloße Größe, sondern ein struktureller Hybrid: Sie verbindet das Sakrale mit dem Rationalen, das Mystische mit dem Messbaren. Sie ist keine Primzahl, kein Baustein der Ursprünglichkeit, aber sie ist eine Mauer aus vielen Steinen – zusammengesetzt, stabil, segmentiert.

II. Die Teilbarkeit der Welt

Mathematisch gesehen ist 700 ein Paradebeispiel für Kompositität. Ihre Primfaktorzerlegung lautet:

700=2 x 2 x 5 x 5 x 7

Drei Basen: Eine geradzahlige, zwei ungerade. Zwei Potenzen, ein linearer Faktor. Diese Struktur ist nicht willkürlich. Sie offenbart eine Hierarchie der Teilbarkeit, ein Mikrosystem des Ordnens, eine kleine Zivilisation arithmetischer Diplomatie. Die 700 lässt sich teilen durch 1, 2, 4, 5, 7, 10, 14, 20, 25, 28, 35, 50, 70, 100, 140, 175, 350 und natürlich durch sich selbst. Achtzehn positive Teiler – sie ist gastfreundlich, diese Zahl, großzügig mit ihren Teilbarkeiten, eine Bühne für arithmetische Interaktionen.

Und dennoch: Keine Zahl teilt sie so, dass ein neuer Anfang daraus erwächst. Sie ist keine Potenz, keine Primzahl, kein Grenzwert. Sie ist eine Brücke.

III. Zahlensymbolik, oder: Die stille Kultur der 700

Abseits der mathematischen Struktur trägt die Zahl 700 auch kulturelle Spuren. Sie ist zu groß, um alltäglich zu sein, und zu klein, um unendlich zu wirken. Sie ist eine Zahl, die in Jahreszahlen als „Epoche“ auftaucht – das Jahr 700 nach Christus: tiefes Frühmittelalter, fern und neblig. Keine Zahl für Technik, keine für Ökonomie. Eher eine Zahl der Geschichte, der Distanz.

In manchen Systemen erscheint sie als Maß: 700 Meter, 700 Gramm – ein Bereich der Knappheit. Nicht genug, um monumental zu sein, aber doch mehr als ein Fragment. Es ist eine Zahl des „Beinahe“, des Unvollständig-Vollständigen, ein Grenzwert zwischen Kleinmaß und Masse, zwischen Einzelwert und Aggregat.

IV. Zwischen Linearität und Modularität

Was ist die Zahl 700 in einem modularen System? In der Arithmetik modulo 7 etwa ist 700 ≡ 0. In Modulo 9 ergibt 7 + 0 + 0 = 7. In Modulo 6 ist sie 700 ≡ 4. Hier entfaltet sich eine neue Identität, je nach Bezugsrahmen. Die 700 ist nicht absolut – sie ist relational, ihr mathematisches Wesen hängt vom Kontext ab. Sie ist wie eine Figur, die in verschiedenen Romanen verschiedene Rollen spielt, ohne ihre Form zu verlieren.

V. Die 700 als Schwellenzahl

Am Ende ist 700 eine Schwelle. Eine Schwelle zwischen klein und groß, zwischen bekannt und anonym. Sie ist keine magische Zahl, aber eine, die an vielen Orten nahe dran ist. Nahe an der 720 (der Anzahl der Winkelgrade eines Sechsecks), nahe an der 729 (dem Würfel von 9), nahe an der 701 (einer Primzahl).

700 ist eine Grenze ohne Mauer, eine Linie ohne Farbe. Sie ist das, was in der Mathematik am seltensten ist: eine bescheidene Zahl – und genau deshalb verdient sie Beachtung.


Epilog:
Die Zahl 700 ist wie ein Schatten in der Geometrie des Denkens. Kaum beachtet, selten gefeiert – und doch, wer ihr zuhört, entdeckt in ihr nicht weniger als eine kleine Philosophie: von der Teilbarkeit des Seins, von der Ordnung der Unspektakulären, von der Tiefe der runden Dinge.

Das Misstrauen als letzte Form der Zuneigung

Eine Elegie auf europäische Verantwortung

Es ist wieder einer dieser Tage, an dem der Lack der europäischen Idee unter dem institutionellen Alltag abblättert wie billige Farbe auf feuchtem Beton. Morgen also: das Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen. Jene Dame, die sich in einer bemerkenswert nahtlosen Bewegung von der familienpolitischen Buntpapierwelt der Berliner Ministerien über das Datengrab verteilter Diensthandys bis zur goldverzierten Kanzel der Rüstungsglobalisierung emporgehoben hat. Wenn es einen politischen Lebenslauf gibt, der sich als seismografischer Ausdruck westlicher Dekadenz lesen lässt, dann ist es ihrer: Von der Verteidigung des Betreuungsgeldes zur Verteidigung der Interessen von Pfizer, Rheinmetall und geopolitischer Ambitionen – ein Kontinuum aus moralischer Akrobatik und PR-dichtem Nebel.

Man wird morgen also nicht über Europa abstimmen – dieser hermetischen, gläsernen Kathedrale der Kompromisse und Kommissionsposten –, sondern über das, was davon noch übrig ist: Demokratie, Transparenz, politische Verantwortung. Große Worte, deren Sinngehalt sich in Brüssel mittlerweile in Fußnoten, Ausschusssitzungen und grinsenden Lobbyisten auflöst. Und doch: ein Hauch von Gerechtigkeit liegt in der Luft, wie der letzte Rest Parfum in einem leeren Flakon. Das Misstrauensvotum ist kein Akt des Putsches – es ist ein politisches Placebo, das wenigstens noch versucht, Symptome zu benennen, wenn Heilung längst ausgeschlossen wurde.

Vom SMS-Schreddern zur Rüstungspäpstin – Eine Karriere wie aus dem Katalog der Unverfrorenheit

Was von der Leyen eint, ist nicht ihre Überzeugung, sondern ihre Elastizität. Eine Frau, die mit militärischer Strenge ihren eigenen Opportunismus verwaltet und dabei so tut, als sei dies europäische Staatskunst. Ihre berühmten „verschwundenen“ SMS zur milliardenschweren Impfstoffbeschaffung – 35 Milliarden Euro, irgendwo zwischen Daumen und Display verdampft – wären in jeder anderen Demokratie ein Skandal mit Rücktrittsfunktion. In der EU hingegen? Eine Fußnote. Eine unangenehme, aber eben keine folgenreiche. Korruption ist hier nicht das Problem – sie ist das System.

Und nun, mit martialischer Brillanz, lenkt sie Milliarden in die Taschen der Rüstungsindustrie, als wäre das Aufrüsten eine Art moralische Selbstreinigung. Die Ukraine wird zum Anlass, zur Bühne, zur historischen Chance – nicht für Frieden, sondern für Waffenexportstatistiken. Von der Leyen steht dort, wo einst Kommissionspräsidenten Diplomatie betrieben – und ruft nach Munition, mehr Waffen, mehr Milliarden. Aus der christdemokratischen Kinderstube ist längst ein militärindustrielles Planungsbüro geworden, inklusive PR-Kampagne für moralisch gereinigte Rüstung.

Feindbildpflege als Selbstschutz – Wenn Kritik zur Ketzerei wird

Dass Frau von der Leyen in der Kritik nun ausschließlich Impfgegner und Putin-Anhänger vermutet, ist nicht nur politisch schäbig – es ist ein intellektuelles Armutszeugnis. Denn was könnte entlarvender sein als die Reflexhaftigkeit, mit der legitime demokratische Kontrolle in die Nähe von Verschwörung und Vaterlandsverrat gerückt wird? Hier spricht keine Demokratin, sondern eine Funktionärin, die sich selbst mit der Institution verwechselt hat. Kritik an ihr? Das sei Kritik an Europa. Misstrauen gegen sie? Das sei Misstrauen gegen die Demokratie. Welch großartiger Taschenspielertrick!

In Wahrheit sind es genau solche Entgleisungen, die das Vertrauen in die europäische Idee untergraben. Denn wer politische Verantwortung durch moralische Immunisierung ersetzt, hat die Bühne der Demokratie längst verlassen. Frau von der Leyen lebt in einer Parallelwelt aus Buzzwords, Beratungsverträgen und politischer Unantastbarkeit. Sie regiert nicht, sie inszeniert – mit einer Mischung aus Selbstgewissheit und Weltfremdheit, die man sonst nur noch in Davos oder auf Rüstungskongressen findet.

Europa als Schattenkabinett – Zwischen Konzerninteressen und Rhetorikruinen

Die EU, so behaupten ihre Verteidiger, sei ein Friedensprojekt. Und tatsächlich: Frieden herrscht – vor allem zwischen Politik und Industrie. Zwischen Beratungshonoraren und Gesetzgebung. Zwischen Lobbyinteressen und intransparenten Entscheidungswegen. Wer Ursula von der Leyen beobachtet, bekommt eine Ahnung davon, was mit Europa geschieht, wenn es zur Behörde für globale Marktsteuerung verkommt. Die Kommission ist kein Ort der Vision mehr – sie ist ein Unternehmen mit angeschlossener PR-Abteilung. Frau von der Leyen ist nicht Präsidentin – sie ist CEO eines Konzerns namens Europäische Union.

Und doch: vielleicht ist dieses Misstrauensvotum mehr als ein Symbol. Vielleicht ist es der letzte Rest parlamentarischer Würde, der versucht, den Schein zu retten, wenn schon nicht die Substanz. Vielleicht ist es ein Aufbegehren gegen die Selbstermächtigung, gegen die politische Arroganz, gegen eine Form der Macht, die sich selbst nicht mehr erklären muss. Wenn man ihr morgen das Vertrauen entzieht, dann nicht, weil man gegen Europa ist – sondern weil man es retten will. Vor ihr.


Denn wer Misstrauen nicht erträgt, hat Vertrauen nicht verdient.

Der Trojaner reitet wieder

oder: Wie man mit einem digitalen Schnüffelwerkzeug die Republik zum Schweigen bringen will

Es ist ein eigenartig ranziger Geruch, der aus den Amtsstuben weht, wenn Innenminister Karner wieder einmal zum Mikrofon schreitet, mit jener betonten Sachlichkeit im Ton, die stets dann bemüht wird, wenn es um Dinge geht, die technokratisch klingen, aber autoritär riechen. Der #Bundestrojaner, verkündet er mit pflichtschuldiger Staatsmiene, sei „notwendig“ – ein Wort, das in der österreichischen Politiktradition zuverlässig Alarm auslösen sollte, besonders wenn es in Verbindung mit Überwachung, Polizei und der sanften Erosion des Rechtsstaats fällt.

Man müsse, so Karner, mit der Zeit gehen, aufrüsten gegen Terror, Cybercrime, gegen die abstrakten Bedrohungen dieser Zeit. Was er nicht sagt – aber alle hören – ist, dass der Trojaner weniger zur Bekämpfung von Kriminalität gedacht ist als zur Eindämmung von Kritik. Denn – machen wir uns nichts vor – niemand verhindert mit einem staatlich kontrollierten Trojaner eine Gewalttat in Villach oder Graz. Diese Attacken waren weder digital organisiert noch über Messengergruppen koordiniert, und der Versuch, sie als Begründung für die Totalüberwachung heranzuziehen, ist nichts weiter als ein zynischer Taschenspielertrick mit Beigeschmack: pietätlos, durchschaubar, gefährlich.

Digitale Dialektik: Zwischen Sicherheitsrhetorik und Demokratieabbau

Die Dialektik der politischen Lüge ist immer dieselbe: Wer gegen Überwachung ist, ist gegen Sicherheit. Wer Zweifel an der allumfassenden Abhörtechnik hat, misstraut der Polizei. So jedenfalls Karners Logik – oder besser gesagt: sein moralischer Erpressungsversuch. Denn wer die Ablehnung des #Bundestrojaners als Misstrauensvotum gegen die Polizei framen will, hat entweder kein besonders stabiles Demokratieverständnis – oder hält seine Bürger für derart naiv, dass sie diesen Taschentausch für bare Münze nehmen.

Es ist ein kläglicher Versuch, Kritik zu delegitimieren: Eine jämmerliche Weinerlichkeit, weil man dem Minister und seinen Apparatschiks auf die Schliche gekommen ist. Sie wollen nicht nur Terroristen überwachen – sie wollen Journalisten, Whistleblower, politische Gegner ins digitale Netz ziehen. Die Definition von „Gefährder“ ist dehnbar wie das Budget des Bundeskanzleramts für Imagepflege. Wer unbequem ist, könnte bald schon als „digital auffällig“ gelten. Und einmal am Haken der Behörden, fischt es sich gleich leichter: Chats, Kontakte, Netzwerke, alles schön sauber extrahiert – nicht für den Rechtsstaat, sondern für den Machterhalt.

Die Innenpolitik als dunkle Kunst der Verdächtigung

Karner, ein Mann, dessen Charisma in etwa der Ausdruckskraft eines Amtsstempels entspricht, weiß selbstverständlich, dass seine technischen Behauptungen nicht haltbar sind. Dass man mit einem #Bundestrojaner keine realen Taten im öffentlichen Raum verhindert. Dass Überwachung selten verhindert, sondern meist nur dokumentiert – und das auch nur, wenn man Glück hat. Aber die Wahrheit ist, in dieser Republik ist nicht entscheidend, was funktioniert, sondern was sich verkaufen lässt.

Und verkaufen lässt sich Überwachung immer – solange man genug Angst erzeugt. Terror, Kindesmissbrauch, organisierte Kriminalität – das sind die Joker im politischen Kartenspiel. Wer diese Karten spielt, muss keine sachliche Debatte mehr führen. Und wehe dem, der es dennoch versucht: Der wird umgehend in die Nähe der Kriminellen gerückt, der Verharmloser, der Naivling, der Nestbeschmutzer. Es ist die dunkle Kunst der Verdächtigung, die Karner betreibt – nicht als Innenminister, sondern als Verunsicherungsminister.

Von der ÖVP lernen heißt fürchten lernen

Die ÖVP, diese ehemals konservative Partei mit katholischem Stallgeruch und Wirtschaftsnähe, hat sich längst in eine staatsmonopolistische Kontrollmaschine verwandelt, die ihre Macht mit allen Mitteln zu sichern versucht. Und weil Skandale, Chats, Postenschacher und Untersuchungsausschüsse einfach nicht mehr aus dem medialen Dauerfeuer zu halten sind, versucht man es jetzt mit der totalen Kontrolle – der digitale Präventivschlag gegen jede Form von Opposition.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat, wie ihn die ÖVP sich vorstellt, ist ein riesiger Raumüberwacher mit Trojanern, Kanzler-Sprechpuppen, Message-Control und einem hysterischen Verhältnis zur Pressefreiheit. Alles, was der Aufklärung dient, wird bekämpft, alles, was der Vertuschung nützt, wird gefördert. Das ist kein Schutz der Bürger – das ist ein Schutz der Macht. Und die Polizei, deren Arbeit wir im besten Sinne unterstützen sollten, wird in diesem System zum Mittel der politischen Kontrolle degradiert. Missbraucht für Parteizwecke, missverstanden als Werkzeug der Demokratie, missbraucht als moralisches Schutzschild für autoritäre Fantasien.

Fazit: Der Trojaner gehört in die griechische Mythologie, nicht ins Bundesgesetzblatt

Die Demokratie stirbt nicht mit einem Knall, sondern mit einem Software-Update. Und wenn der #Bundestrojaner kommt, dann nicht als Heldenwerkzeug, sondern als digitales Trojanisches Pferd: außen Sicherheit, innen Zersetzung. Wer glaubt, dass man damit Verbrechen verhindert, irrt. Wer weiß, dass man damit Kontrolle gewinnt, sagt es besser nicht laut. Und wer sich dagegen wehrt, wird zum Feind erklärt.

Karner hat also recht, wenn er sagt, dass der Trojaner notwendig ist – nur eben nicht für die Sicherheit der Bürger, sondern für die Sicherheit seiner eigenen politischen Haut. Doch wir sind nicht verpflichtet, seine Alpträume von Kontrolle mitzuträumen. Wir schulden der Polizei Respekt, nicht blinde Gefolgschaft. Wir schulden der Republik eine informierte Debatte, keine hündische Unterwerfung. Und wir schulden der Freiheit ihren Schutz – gerade gegen jene, die sie im Namen der Sicherheit abschaffen wollen.

Die einzige Software, die wir jetzt brauchen, ist ein Update der politischen Kultur.
Und zwar dringend.

Die Würde des Menschen beginnt – irgendwann. Vielleicht. Später. Mal sehen.

Es war einmal – so beginnen Märchen, und vielleicht sollte man auch diesen Fall als solchen behandeln – ein Land, das stolz darauf war, die „unantastbare Menschenwürde“ in den ersten Satz seines Grundgesetzes geschrieben zu haben. Eine Art metaphysisches Versprechen, ein Fundament der Zivilisation, errichtet auf den Trümmern der Barbarei. Und siehe da: Jahrzehnte später steht dort, fast unbemerkt, eine Professorin der Rechte und spricht, mit der sanften Autorität juristischer Glätte, einen folgenreichen Satz: Die Menschenwürde beginne erst mit der Geburt. Nicht mit der Empfängnis, nicht mit der Nidation, nicht mit der Entwicklung eines Nervensystems oder dem ersten Herzschlag – nein, mit der Geburt, exakt in jenem Moment, wenn das Kind den Mutterleib verlässt, der erste Atemzug, ein bürokratisch fassbares Ereignis. Voilà: Der Mensch tritt ein in die Arena der Würdeträgerschaft. Davor? Nur Zellhaufen, biologische Warteschleifen, möglicherweise zukünftiges Leben, das derzeit jedoch noch keine Einladung zum Club der Menschen erhalten hat.

Wie praktisch. Wie elegant. Wie erschütternd.

Diese Position ist kein bloßer juristischer Taschenspielertrick. Sie ist der Versuch, eine Grenze zu ziehen, wo eigentlich das Unverfügbare wohnt. Und wie alle Grenzziehungen dieser Art ist sie willkürlich, gefährlich und ethisch fragwürdig. Denn wer dem ungeborenen Menschen die Würde abspricht, der öffnet Türen – nein, der sprengt sie mit juristischer Dynamitstange – hin zu einer Welt, in der Nützlichkeit, Sichtbarkeit, Verfügbarkeit darüber entscheiden, ob ein Leben zählt. Willkommen im Feuilleton der biopolitischen Rentabilitätslogik.

Von der Macht der Worte und der Ohnmacht der Ethik

Nun mag man einwenden: Das ist doch juristisch korrekt! Und ja – die rechtliche Konstruktion ist formvollendet, fast schon kunstvoll in ihrer Präzision. Doch gerade hier liegt der Skandal: Es ist eine Perfektion, die nichts mehr mit Wahrheit zu tun hat. Eine sterile, normierte Makellosigkeit, die aus der Feder einer Juristin stammt, deren Aufgabe es wäre, Recht nicht nur zu deuten, sondern auch im Lichte der Ethik zu verteidigen. Brosius-Gersdorf jedoch wählt die Flucht in die kalte Technik des Rechts. Ihr Satz ist das juristische Äquivalent eines sezierenden Skalpells: sauber, scharf, und ohne jedes moralische Zucken.

Denn was bedeutet es, die Geburt zur Schwelle der Würde zu erklären? Es bedeutet, dass das ungeborene Kind bis zum letzten Moment verfügbar ist – ein Besitz, eine Option, ein „noch-nicht-Mensch“, der ohne Konsequenz geopfert, selektiert oder abgetrieben werden darf. In der Konsequenz heißt das: Der siebte, achte, gar neunte Monat? Solange der Geburtskanal nicht betreten wurde, bleibt das Leben eine juristische Grauzone, eine ethische Leerstelle.

Das ist keine Aufklärung. Das ist Regression – eine Rückkehr zu einem funktionalen Menschenbild, das an Nützlichkeit und Sichtbarkeit glaubt, nicht an Wesenhaftigkeit. Brosius-Gersdorfs Position ist kein Fortschritt. Sie ist das intellektuelle Kleid einer biopolitischen Ideologie, die vorgibt, modern zu sein, aber in Wahrheit der kalte Bruder des Utilitarismus ist. Mensch ist, wer funktioniert. Wer auf der Weltbühne erschienen ist. Wer Papiere hat. Und alle anderen? Noch nicht ganz da. Noch nicht ganz würdig. Vielleicht bald. Vielleicht nie.

Das Recht als Fata Morgana der Moral

Juristen – das muss man ihnen lassen – lieben die Konstruktion. Je abstrakter, desto besser. Die Menschenwürde, so sagen sie, ist „ein normativer Begriff“. Und normativ heißt: Man kann ihn definieren. Doch was passiert, wenn man beginnt, das Unverfügbare verfügbar zu machen? Wenn man das moralische Tabu des Lebensbeginns durch Definitionen ersetzt, die sich wunderbar in Kommentaren nachschlagen lassen, aber nichts mehr mit dem zu tun haben, was Menschen intuitiv als Leben erkennen?

Brosius-Gersdorf hat mit ihrem Satz nicht einfach eine Meinung geäußert. Sie hat einen Grundwert in Frage gestellt. Sie hat gesagt: Wir, die Juristen, entscheiden, wann Leben beginnt. Wann Würde zählt. Wann Menschsein beginnt. Und wir tun es auf Grundlage eines funktionalistischen Rationalismus, der sich selbst für objektiv hält – in Wahrheit aber tief ideologisch ist. Denn was ist ideologischer als die Behauptung, es gäbe eine Stunde Null der Menschenwürde, die exakt mit einem körperlichen Ereignis beginnt?

Es ist der größte Etikettenschwindel des modernen Rechts: Man redet von Würde, meint aber Verfügbarkeit. Man redet von Selbstbestimmung, meint aber Nutzbarmachung. Und man redet von Freiheit, meint aber die Freiheit, das Schwächste preiszugeben. Kein Wunder, dass diese juristische Brillanz so gerne von Technokraten und Biopolitikern zitiert wird. Sie brauchen ihre moralische Tarnung. Brosius-Gersdorf liefert sie frei Haus.

Das Kind als Projektionsfläche postmoderner Beliebigkeit

Natürlich ist diese Haltung in den progressiven Kreisen beliebt. Sie passt zum Zeitgeist. Autonomie! Selbstbestimmung! Reproduktive Rechte! Alles wunderbar. Doch wer genau hinschaut, erkennt: Der Preis für diese Freiheit wird von denen bezahlt, die keine Stimme haben. Die nicht geboren sind. Die auf den guten Willen anderer hoffen müssen. Und deren Dasein zur Disposition steht, solange eine Richterin behauptet, sie hätten noch keine Würde. Denn erst wenn die Nabelschnur durchtrennt ist, beginnt das Fest der Menschenrechte.

Die Ironie ist kaum zu überbieten: Ausgerechnet jene, die sich als Verteidigerinnen des Lebensrechts der Frauen verstehen, sprechen einem anderen Leben dieses Recht vollständig ab. Und nennen das Fortschritt. Man könnte fast lachen, wenn es nicht so tragisch wäre.

Fazit: Tragbar? Juristisch vielleicht. Ethisch ein Desaster.

Ist Frauke Brosius-Gersdorf als Verfassungsrichterin tragbar? Juristisch gesehen: zweifellos. Ihre Texte sind klar, ihre Argumentation ist kohärent, ihre Expertise unbestritten. Aber das allein darf nicht genügen. Denn Richter am Bundesverfassungsgericht tragen nicht nur schwarze Roben, sie tragen Verantwortung. Für Werte. Für Ethik. Für die Deutung dessen, was dieses Land im Innersten zusammenhält. Und wer den Begriff der Menschenwürde zu einem technischen Etikett macht, das man je nach Bedarf ankleben oder entfernen kann, disqualifiziert sich moralisch.

Man kann Brosius-Gersdorfs Haltung nur als das bezeichnen, was sie ist: eine intellektuelle Kapitulation vor der heiklen Frage, wann das Leben beginnt. Und eine juristisch verkleidete Verneinung der universellen Idee, dass Würde nicht verliehen wird, sondern mit dem Dasein beginnt – geboren oder nicht.

Wenn diese Frau über Menschenwürde richten soll, dann Gnade uns das Grundgesetz. Und die ungeborenen Kinder erst recht.

Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun

Einleitung ins Elend: Zwischen Zynismus und Zwangsoptimismus

Vergebung ist eine noble Tugend, predigt man uns – im Kindergarten, im Theater, auf Klimakonferenzen. Doch der Satz „Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“ steht wie ein Grabstein über der Gegenwart. Er ist kein Akt der Rachsucht, sondern eine Zustandsbeschreibung einer saturierten Gesellschaft, die in voller Absicht auf die Sprengladung tritt – nicht aus Unwissen, sondern aus Überzeugung. Wer heute glaubt, wir taumelten schlafwandelnd in den Untergang, unterschätzt die Entschlossenheit, mit der sich politische Eliten, medial hofierte Heilsbringer und moralisch gestählte Aktivisten ihren eigenen Illusionen hingeben. Es ist keine Tragödie aus Unkenntnis – es ist eine Groteske in voller Beleuchtung, ein Kult der Katastrophe mit Förderbescheid.

Die Elite der Ahnungsvollen – Wenn Verantwortung zur Pose wird

Man muss es ihnen lassen: Noch nie hat eine Gesellschaft so entschieden, so flächendeckend und so gut dokumentiert gegen ihre eigenen Interessen gehandelt. Minister, die sich als Klima-Vorhut inszenieren und dabei das Netz destabilisieren, Journalisten, die zwischen moralischer Erregung und kognitiver Dissonanz pendeln, und eine Zivilgesellschaft, die sich in der Dekarbonisierung ihres Gewissens wärmt, während draußen die Industrie abschaltet – sie alle wissen sehr wohl, was sie tun. Und genau das macht es so unerträglich.

Verantwortung wurde zum Accessoire, zur Rhetorikverpackung in Talkshows und Tweets, während die Wirklichkeit draußen längst das Brennglas auf das legt, was aus den Laboren der postfaktischen Planwirtschaft kommt. Nein, es ist kein Unfall, dass unsere Infrastruktur zerbröckelt, während man Debatten über Gender-Toiletten und vegane Militärverpflegung führt. Es ist gewollt. Es ist die Logik einer Gesellschaft, die lieber Tugend performt als Wahrheit erträgt.

Die Romantik des Ruins – Vom grünen Gefühl zur grauen Realität

Der Untergang ist heute nicht mehr das, was er einmal war. Früher kam er als Katastrophe, als Krieg oder Seuche, heute kommt er als Gesetzesentwurf, als Maßnahmenpaket, als Paragraph im Bundesanzeiger. Er trägt Anzüge, hat Beratungsverträge und wird mit nachhaltigem Kaffee serviert. Wir romantisieren den Ruin, weil wir ihn selbst verursacht haben – mit Apps, Petitionen und Konferenzen. Der neue Totalitarismus ist weich gepolstert, lächelt divers und liefert in 24 Stunden. Die Bürokratie wächst wie Schimmel im Feuchtgebiet moralischer Überlegenheit, während Strompreise explodieren und Kinder lernen, dass „Verzicht“ ein Lifestyle ist.

Denn ja, sie wissen, was sie tun. Sie wollen den Menschen umerziehen, nicht überzeugen. Die Wärmepumpe ist kein technisches Gerät, sondern ein moralisches Statement. Der Veggie-Day ist keine Ernährungsempfehlung, sondern ein Symbol der sittlichen Kontrolle. Und wer widerspricht, wird nicht mehr argumentativ entkräftet, sondern identitätspolitisch exkommuniziert. Die neue Religion braucht keine Götter mehr – sie hat Ministerien.

Bildung als Brandbeschleuniger – Die Dressur der Denkverweigerung

Die Schule, einst Ort der Aufklärung, ist heute Durchlauferhitzer für Phrasen. Die Universität, einst Hort des kritischen Denkens, liefert jetzt Zertifikate für Konformität. Kinder lernen früh, dass es auf die richtige Haltung ankommt, nicht auf richtige Antworten. Der Klimawandel wird zur Ersatzmythologie, mit Aktivisten als Hohepriestern, und jeder Zweifel wird zur Blasphemie erklärt.

Vergib ihnen nicht. Denn sie drucken Schulbücher, sie entwerfen Lehrpläne, sie bauen die nächste Generation nach dem Maßstab ihrer eigenen Schwäche. Sie lehren Angst, wo Mut gefragt wäre. Sie kultivieren Opfermentalität, wo Eigenverantwortung nötig wäre. Sie erziehen nicht zum Handeln, sondern zur Haltung – und zwar zur einzig erlaubten. Die Jugend soll nicht rebellieren, sie soll zustimmen. Im Namen der Vielfalt – natürlich.

Finale Furioso: Das Ende als Erlösung?

Am Ende steht kein Aufschrei, kein Aufbruch, sondern ein weichgespülter Kollaps. Vielleicht wird das Netz schwarz, vielleicht der Diesel knapp, vielleicht bleibt einfach das warme Wasser kalt – und man nennt es Fortschritt. Vielleicht werden wir dastehen, frierend in designeroptimierten Tiny Houses, mit Biomüll in der Hand und Moral auf den Lippen, während draußen der Rest der Welt weitermacht – mit Rohstoffen, mit Industrie, mit Vernunft.

Aber wir werden stolz sein. Stolz, alles richtig gemacht zu haben – im falschen System, zur falschen Zeit, mit den falschen Mitteln. Und genau darum: Vergib ihnen nicht. Sie wussten, was sie taten. Sie wollten es genau so.

Die Regenbogen-Wattzahl – Wie Energiepolitik und Identität sich aufladen

Man stelle sich ein Land vor, in dem sich das Stromnetz im freien Fall befindet, aber auf jedem Umspannwerk eine Regenbogenfahne flattert. Willkommen in Deutschland, wo die Energiewende zur Bühne identitätspolitischer Ersatzhandlungen wird, weil man am Kupfer spart, aber am Gewissen nicht.

Die Sachlage ist absurd: Während Wärmepumpen mangels Netzkapazitäten nicht angeschlossen, E-Autos wegen fehlender Ladepunkte nur als Statussymbole vor dem Biomarkt geparkt und Windräder auf dem Papier schneller genehmigt als in der Realität gebaut werden, gibt es Arbeitsgruppen in Ministerien, die prüfen, ob Transformatorhäuschen geschlechtergerecht gestaltet sind. Der Fortschritt ist nicht messbar in Kilowattstunden, sondern in Symbolpolitik pro Diversity. Denn wenn schon die Leitung nicht liefert, dann wenigstens die Botschaft.

Die Veranstaltung „Queere Perspektiven auf die Energiewende“ im Rahmen eines Bundesförderprogramms für „klimafeministische Infrastruktur“ mag in einer rationalen Welt wie eine Kabarettnummer wirken – in der deutschen Gegenwart ist sie Strategie. Dort, wo man früher Leitungskapazitäten geplant hat, plant man heute Awareness-Workshops für Monteure, damit sich transidente Personen auch in einem Batteriespeicher-Projekt willkommen fühlen. Willkommen, aber bitte nicht angeschlossen – das dauert wegen Lieferengpässen.

Die groteske Ironie: Während in der Realität der Strom nachts nicht reicht, weil die Sonne ruht und der Wind Pause macht, strahlt das offizielle Deutschland in Pressemitteilungen über inklusiv formulierte Energiekonzepte, in denen die Diversität der Betroffenen inzwischen wichtiger ist als die Stabilität des Netzes. Der Stromausfall wird zur Chance, ein Gedichtband zum Thema „Dekarbonisierung als queere Befreiung“ zu veröffentlichen. Man heizt ideologisch, wo physikalisch nichts mehr geht.

Niemand will ernsthaft zurück in die fossile Vergangenheit. Aber wenn man statt Stromtrassen lieber Sprachtrassen verlegt, wenn man Energiepolitik durch die Brille von Gender-AGs betrachtet, dann entsteht eben kein Fortschritt, sondern ein bunter Blackout. Dann hat man zwar kein Gas, aber eine Parlamentsrede zum Thema „nicht-binäre Energierechtsprechung“. Dann hat man keine Energieautarkie, aber ein ausfinanziertes Festival zur „Dekolonialisierung der Steckdose“.

Und vergib ihnen nicht – sie wissen es. Sie tun es mit voller Absicht.

Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun

Ein Abgesang auf die Vernunft im Zeitalter der woken Wohlstandsapokalypse

Einleitung ins Elend: Zwischen Zynismus und Zwangsoptimismus

Vergebung ist eine noble Tugend, predigt man uns – im Kindergarten, im Theater, auf Klimakonferenzen. Doch der Satz „Vergib ihnen nicht, denn sie wissen, was sie tun“ steht wie ein Grabstein über der Gegenwart. Er ist kein Akt der Rachsucht, sondern eine Zustandsbeschreibung einer saturierten Gesellschaft, die in voller Absicht auf die Sprengladung tritt – nicht aus Unwissen, sondern aus Überzeugung. Wer heute glaubt, wir taumelten schlafwandelnd in den Untergang, unterschätzt die Entschlossenheit, mit der sich politische Eliten, medial hofierte Heilsbringer und moralisch gestählte Aktivisten ihren eigenen Illusionen hingeben. Es ist keine Tragödie aus Unkenntnis – es ist eine Groteske in voller Beleuchtung, ein Kult der Katastrophe mit Förderbescheid.

Die Elite der Ahnungsvollen – Wenn Verantwortung zur Pose wird

Man muss es ihnen lassen: Noch nie hat eine Gesellschaft so entschieden, so flächendeckend und so gut dokumentiert gegen ihre eigenen Interessen gehandelt. Minister, die sich als Klima-Vorhut inszenieren und dabei das Netz destabilisieren, Journalisten, die zwischen moralischer Erregung und kognitiver Dissonanz pendeln, und eine Zivilgesellschaft, die sich in der Dekarbonisierung ihres Gewissens wärmt, während draußen die Industrie abschaltet – sie alle wissen sehr wohl, was sie tun. Und genau das macht es so unerträglich.

Verantwortung wurde zum Accessoire, zur Rhetorikverpackung in Talkshows und Tweets, während die Wirklichkeit draußen längst das Brennglas auf das legt, was aus den Laboren der postfaktischen Planwirtschaft kommt. Nein, es ist kein Unfall, dass unsere Infrastruktur zerbröckelt, während man Debatten über Gender-Toiletten und vegane Militärverpflegung führt. Es ist gewollt. Es ist die Logik einer Gesellschaft, die lieber Tugend performt als Wahrheit erträgt.

Die Romantik des Ruins – Vom grünen Gefühl zur grauen Realität

Der Untergang ist heute nicht mehr das, was er einmal war. Früher kam er als Katastrophe, als Krieg oder Seuche, heute kommt er als Gesetzesentwurf, als Maßnahmenpaket, als Paragraph im Bundesanzeiger. Er trägt Anzüge, hat Beratungsverträge und wird mit nachhaltigem Kaffee serviert. Wir romantisieren den Ruin, weil wir ihn selbst verursacht haben – mit Apps, Petitionen und Konferenzen. Der neue Totalitarismus ist weich gepolstert, lächelt divers und liefert in 24 Stunden. Die Bürokratie wächst wie Schimmel im Feuchtgebiet moralischer Überlegenheit, während Strompreise explodieren und Kinder lernen, dass „Verzicht“ ein Lifestyle ist.

Denn ja, sie wissen, was sie tun. Sie wollen den Menschen umerziehen, nicht überzeugen. Die Wärmepumpe ist kein technisches Gerät, sondern ein moralisches Statement. Der Veggie-Day ist keine Ernährungsempfehlung, sondern ein Symbol der sittlichen Kontrolle. Und wer widerspricht, wird nicht mehr argumentativ entkräftet, sondern identitätspolitisch exkommuniziert. Die neue Religion braucht keine Götter mehr – sie hat Ministerien.

Bildung als Brandbeschleuniger – Die Dressur der Denkverweigerung

Die Schule, einst Ort der Aufklärung, ist heute Durchlauferhitzer für Phrasen. Die Universität, einst Hort des kritischen Denkens, liefert jetzt Zertifikate für Konformität. Kinder lernen früh, dass es auf die richtige Haltung ankommt, nicht auf richtige Antworten. Der Klimawandel wird zur Ersatzmythologie, mit Aktivisten als Hohepriestern, und jeder Zweifel wird zur Blasphemie erklärt.

Vergib ihnen nicht. Denn sie drucken Schulbücher, sie entwerfen Lehrpläne, sie bauen die nächste Generation nach dem Maßstab ihrer eigenen Schwäche. Sie lehren Angst, wo Mut gefragt wäre. Sie kultivieren Opfermentalität, wo Eigenverantwortung nötig wäre. Sie erziehen nicht zum Handeln, sondern zur Haltung – und zwar zur einzig erlaubten. Die Jugend soll nicht rebellieren, sie soll zustimmen. Im Namen der Vielfalt – natürlich.

Finale Furioso: Das Ende als Erlösung?

Am Ende steht kein Aufschrei, kein Aufbruch, sondern ein weichgespülter Kollaps. Vielleicht wird das Netz schwarz, vielleicht der Diesel knapp, vielleicht bleibt einfach das warme Wasser kalt – und man nennt es Fortschritt. Vielleicht werden wir dastehen, frierend in designeroptimierten Tiny Houses, mit Biomüll in der Hand und Moral auf den Lippen, während draußen der Rest der Welt weitermacht – mit Rohstoffen, mit Industrie, mit Vernunft.

Aber wir werden stolz sein. Stolz, alles richtig gemacht zu haben – im falschen System, zur falschen Zeit, mit den falschen Mitteln. Und genau darum: Vergib ihnen nicht. Sie wussten, was sie taten. Sie wollten es genau so.

Die Regenbogen-Wattzahl – Wie Energiepolitik und Identität sich aufladen

Man stelle sich ein Land vor, in dem sich das Stromnetz im freien Fall befindet, aber auf jedem Umspannwerk eine Regenbogenfahne flattert. Willkommen in Deutschland, wo die Energiewende zur Bühne identitätspolitischer Ersatzhandlungen wird, weil man am Kupfer spart, aber am Gewissen nicht.

Die Sachlage ist absurd: Während Wärmepumpen mangels Netzkapazitäten nicht angeschlossen, E-Autos wegen fehlender Ladepunkte nur als Statussymbole vor dem Biomarkt geparkt und Windräder auf dem Papier schneller genehmigt als in der Realität gebaut werden, gibt es Arbeitsgruppen in Ministerien, die prüfen, ob Transformatorhäuschen geschlechtergerecht gestaltet sind. Der Fortschritt ist nicht messbar in Kilowattstunden, sondern in Symbolpolitik pro Diversity. Denn wenn schon die Leitung nicht liefert, dann wenigstens die Botschaft.

Die Veranstaltung „Queere Perspektiven auf die Energiewende“ im Rahmen eines Bundesförderprogramms für „klimafeministische Infrastruktur“ mag in einer rationalen Welt wie eine Kabarettnummer wirken – in der deutschen Gegenwart ist sie Strategie. Dort, wo man früher Leitungskapazitäten geplant hat, plant man heute Awareness-Workshops für Monteure, damit sich transidente Personen auch in einem Batteriespeicher-Projekt willkommen fühlen. Willkommen, aber bitte nicht angeschlossen – das dauert wegen Lieferengpässen.

Die groteske Ironie: Während in der Realität der Strom nachts nicht reicht, weil die Sonne ruht und der Wind Pause macht, strahlt das offizielle Deutschland in Pressemitteilungen über inklusiv formulierte Energiekonzepte, in denen die Diversität der Betroffenen inzwischen wichtiger ist als die Stabilität des Netzes. Der Stromausfall wird zur Chance, ein Gedichtband zum Thema „Dekarbonisierung als queere Befreiung“ zu veröffentlichen. Man heizt ideologisch, wo physikalisch nichts mehr geht.

Niemand will ernsthaft zurück in die fossile Vergangenheit. Aber wenn man statt Stromtrassen lieber Sprachtrassen verlegt, wenn man Energiepolitik durch die Brille von Gender-AGs betrachtet, dann entsteht eben kein Fortschritt, sondern ein bunter Blackout. Dann hat man zwar kein Gas, aber eine Parlamentsrede zum Thema „nicht-binäre Energierechtsprechung“. Dann hat man keine Energieautarkie, aber ein ausfinanziertes Festival zur „Dekolonialisierung der Steckdose“.

Und vergib ihnen nicht – sie wissen es. Sie tun es mit voller Absicht.

Wenn Respekt vor Religion zum Maulkorb wird

Es ist schon eine eigentümliche Erscheinung in dieser späten Epoche der aufgeklärten Gesellschaften, dass ein Begriff wie Respekt vor der Religion in einen rhetorischen Tarnmantel gehüllt daherkommt – nicht als Ausdruck von Toleranz, sondern als verklausulierte Kapitulation. Eine höfliche Umschreibung für eine tiefsitzende, oft hysterisch verteidigte Angst. Eine Angst, die sich nicht auf Argumente stützt, sondern auf das dumpfe Gefühl, dass irgendwo jemand beleidigt sein könnte. Vielleicht. Möglicherweise. Im Namen eines transzendenten Konzepts, das sich nie persönlich äußert, aber dessen Stellvertreter auf Erden dafür umso lauter zetern. Wer „Respekt“ fordert, meint meist Unterwerfung. Und wer „Kritik“ übt, wird gern als Nestbeschmutzer, Islamophober, Christenhasser, Zionistenknecht oder alles zugleich beschimpft – je nachdem, welches Dogma gerade gekränkt ist. Das ironische Paradox: Die Religion, einst mächtig genug, Ketzer bei lebendigem Leib zu verbrennen, ist heute so zerbrechlich wie ein Porzellanteller im Kindertheater – aber wehe, man sagt das laut. Dann zerbricht nicht der Glaube, sondern das öffentliche Gespräch.

Glaubensbekenntnis als Identitätssurrogat – Die Rückkehr des Stammes im säkularen Gewand

Was früher metaphysisches Weltverstehen war, ist heute häufig identitätspolitisches Accessoire. Religion wird nicht mehr geglaubt – sie wird getragen, wie ein T-Shirt mit Statementdruck: „Don’t touch my god.“ Die spirituelle Dimension ist verkümmert zur Pose, zur Geste, zur Selbstvergewisserung im moralischen Schaufenster. Und wehe dem, der die Inszenierung stört. Dann wird aus der Harmlosigkeit der persönlichen Glaubensüberzeugung ein kollektives Mimimi der Beleidigten. Die Sakralität liegt längst nicht mehr im Göttlichen, sondern im Gefühl – und Gefühle sind bekanntlich das letzte absolute Dogma in einer Gesellschaft, die keine objektive Wahrheit mehr anerkennt, aber für jeden emotionalen Furz eine Triggerwarnung braucht. So kommt es, dass religiöse Ideen – einst Mittelpunkt existenzieller Reflexion – heute mit Glacéhandschuhen behandelt werden müssen, als handele es sich um ein Kind mit Hautausschlag. Nur: Wenn alles sakrosankt ist, ist am Ende nichts mehr sagbar. Dann wird jede Satire zur Blasphemie, jede Ironie zur Mikroaggression, jedes Argument zur strukturellen Gewalt.

Gott hat Humor. Seine Anhänger eher nicht.

Es ist eine bemerkenswerte anthropologische Konstante, dass die Mächtigen dieser Welt stets am humorärmsten sind. Diktatoren lachen selten. Und Religionsführer? Auch nicht viel öfter. Der Gedanke, dass ein allmächtiges, allwissendes, allgegenwärtiges Wesen beleidigt sein könnte, weil irgendwo ein Karikaturist einen Bart zu spitz oder einen Propheten zu menschlich gezeichnet hat, ist an sich schon ein Witz – nur leider keiner, über den man öffentlich lachen darf. Denn dann kommt die Empörungsmaschinerie in Gang: Shitstorm, Rücktrittsforderungen, Boykottaufrufe – und im schlimmsten Fall Morddrohungen. Der Religionshüter von heute ist kein weiser Mystiker, sondern ein auf Twitter radikalisierter Empfindlichkeitsmanager mit Hang zur selektiven Zensur. Dass er dabei oft selbst von einer säkularen Mehrheitsgesellschaft geduldet wird, die sich aus falsch verstandener Toleranz zur Selbstzensur zwingt, macht die Sache nicht besser. Der Preis für ein friedliches Nebeneinander scheint die geistige Verarmung zu sein. Wer Gott beleidigt, muss heute weniger mit göttlichem Zorn rechnen – sondern mit dem algorithmisch verstärkten Furor seiner PR-Abteilung auf Erden.

Die Freiheit der Kritik ist unteilbar – oder sie existiert nicht

Man kann keine halbe Meinungsfreiheit haben. Und doch versucht man es. Die eine Religion darf verspottet, die andere nur gestreichelt werden. Die einen dürfen Ziel von Ironie sein, bei den anderen ist Ironie gleich Islamophobie, Antisemitismus oder rassistische Entgleisung. Dabei sollte gerade der Glaube, der auf Wahrheit pocht, auch fähig sein, der Prüfung standzuhalten. Alles, was nicht kritisiert werden darf, wird zum Totem – und Totems gehören nicht in demokratische Diskurse, sondern in anthropologische Museen. Salman Rushdie wusste das. Dafür wurde er zur Zielscheibe eines fanatischen Fatwa-Systems, das den Unterschied zwischen Roman und Realität nie begreifen wollte. Und bis heute wird sein Name genannt wie ein Menetekel: „Man darf ja nichts sagen“, flüstert man, während man heimlich doch hofft, nicht als nächster Autor auf einer Todesliste zu landen. Das ist keine Zivilisation mehr – das ist Feigheit mit Fußnoten.

Respekt muss man sich verdienen. Heiligkeit schützt nicht vor Kritik.

Religion ist eine Idee – wie Liberalismus, Sozialismus, Kapitalismus oder Veganismus. Und jede Idee hat das Recht, kritisiert, verspottet, verworfen zu werden. Respekt vor der Religion darf nicht heißen, dass man den Verstand am Eingang der Moschee, Kirche oder Synagoge abgeben muss. Wer Respekt fordert, sollte auch Respekt geben – und der besteht nicht im Unterwerfungsgestus, sondern in der Bereitschaft zur offenen Debatte. Wer sagt: „Du darfst meinen Glauben nicht kritisieren“, sagt im Grunde: „Ich kann ihn nicht verteidigen.“ Das ist nicht Respekt – das ist intellektuelle Kapitulation.

Blasphemie – Die letzte Bastion des Heiligen in einer gottlosen Welt

Blasphemiegesetze sind die Jurassic-Park-Zäune der Theokratie – verrostet, anachronistisch, aber mit Strom geladen. Sie markieren jene ideologischen Schutzbereiche, in denen der Glaube nicht mehr überzeugen, sondern nur noch bestrafen kann. Dabei müsste man meinen, dass in einer Welt voller künstlicher Intelligenz, Quantenphysik und 5G-Implantatverschwörung auch Gott gelernt hätte, sich selbst zu verteidigen. Doch nein: Wo der Glaube wankt, schlägt das Gesetz zu. In Pakistan reicht ein Facebook-Kommentar für ein Todesurteil, in Indien genügt ein falscher Tweet zur Lynchstimmung, und in westlichen Demokratien reicht oft schon der Verdacht auf Beleidigung heiliger Gefühle, um Karrieren zu beenden.

Dass Blasphemie in säkularen Staaten überhaupt noch als juristischer Tatbestand geführt wird, ist eine Absurdität von kafkaesker Eleganz. Denn was schützt dieses Gesetz eigentlich? Die Würde Gottes? Die Gefühle seiner Anhänger? Oder schlicht die Ohnmacht einer Gesellschaft, die den Mut zur Konfrontation mit dem Religiösen längst verloren hat? Wenn Gott Allmächtigkeit beansprucht, braucht er keine Anwälte. Wer ihn verteidigen will, betreibt nicht Rechtsprechung, sondern Stellvertretungstheater mit inquisitorischem Bühnenbild.

Cancel Culture – Die moralische Inquisition im Twitterformat

Die Guillotine der Gegenwart ist nicht aus Stahl, sondern aus Likes und Empörung gebaut. Wer heute öffentlich über Religion spottet, wird nicht mehr verbrannt – er wird gelöscht. Cancel Culture ist das digitalisierte Pendant zur mittelalterlichen Ketzerverfolgung, nur effizienter, schneller, global. Die moralische Empörung ist dabei keineswegs beschränkt auf konservative Glaubenswächter – auch progressive Milieus zeigen eine fast religiöse Intoleranz gegenüber Abweichung vom jeweils gültigen Dogma. Der Gläubige zürnt über die Karikatur Mohammeds, der postmoderne Aktivist über den falschen Genderstern.

So entsteht eine neue Priesterkaste: Social-Media-Moralisten, die über Likes richten und über Karrieren urteilen. Ihre Liturgie besteht aus Hashtags, ihre Beichte aus Entschuldigungs-Statements im PR-Deutsch. Und während der Glaube an Gott vielerorts schwindet, wächst der Glaube an die eigene moralische Unfehlbarkeit ins Gigantische. Die Cancel-Culture ist die säkulare Variante religiöser Intoleranz – ein Kreuzzug gegen alles, was stört, provoziert, zum Denken zwingt. Und wie jede Form der Inquisition hinterlässt auch sie ein Trümmerfeld aus Angst, Selbstzensur und intellektuellem Stillstand.

Der säkulare Staat in der Defensive – Der Rückzug aus dem eigenen Territorium

Der säkulare Staat, einst stolze Errungenschaft der Aufklärung, hat sich zurückgezogen wie ein alternder Hausherr, der sich von seinen Mietern das Recht auf Hausordnung nehmen lässt. Aus Angst, intolerant zu erscheinen, wird Toleranz zur Selbstverleugnung. Aus Respekt vor Religion wird Demut – aus Demut Unterwerfung. Der Staat garantiert Glaubensfreiheit, traut sich aber nicht mehr, säkulare Prinzipien durchzusetzen. Kopftücher in der Justiz? Gebetsräume in Universitäten? Theologischer Einfluss auf Schulpläne? Alles eine Frage der „kulturellen Sensibilität“. Und während der Staat sich bemüht, jedem religiösen Gefühl gerecht zu werden, darf der Atheist zusehen, wie sein einst neutrales Gemeinwesen zum interreligiösen Wettstreitplatz verkommt.

Es ist die paradoxe Tragödie unserer Zeit: Der säkulare Staat verteidigt nicht mehr die Freiheit von Religion, sondern die Freiheit der Religion – und zwar so eifrig, dass er dabei seine ureigenen Grundlagen vergisst. Er schützt Glauben vor Kritik, statt Kritik vor Glaubensmacht. Und so mutiert die Republik zur neutralen Bühne eines metaphysischen Kasperletheaters, in dem Gott, Allah, Jahwe und das fliegende Spaghettimonster gleichberechtigt beleidigt sein dürfen – aber niemand mehr offen lachen darf.

Epilog: Die Freiheit der Lästerung ist der Stresstest der Demokratie

Man erkennt die Stärke einer offenen Gesellschaft nicht an ihren Gebetszeiten, sondern an ihrem Umgang mit Spott. Wer eine Karikatur nicht erträgt, wird eine Demokratie nie aushalten. Die Religionsfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn sie auch den Unglauben schützt. Und der Respekt – der echte, aufrichtige Respekt – besteht nicht darin, alles heilig zu sprechen, sondern alles zur Diskussion zu stellen. Auch Gott. Vor allem Gott. Denn er, wenn es ihn denn gibt, sollte sich doch am wenigsten beleidigt fühlen – und vielleicht sogar ein wenig über uns lachen.

Identität to go

Prolog aus dem Theaterfundus des 21. Jahrhunderts

Die Welt ist eine Bühne, sprach Shakespeare einst – doch er wusste nicht, was er damit lostrat. Hätte er geahnt, dass seine metaphorisch gemeinte Bemerkung eines Tages als wörtliche Anleitung für gesellschaftliche Identitätsstiftung herhalten würde, er hätte Hamlet vermutlich statt mit Totenschädel mit Selfiestick ausgestattet. Denn heute, in einer Zeit, in der der Mensch sich aus der Asche seiner biologischen Prägungen emporphantasiert wie ein überambitionierter Phönix im Drag-Outfit, genügt ein Gedanke, ein Wunsch, eine Behauptung – und siehe da: Der Mensch ist, wer er zu sein meint.

Kleider machen Leute – aber machen sie auch Identität?

Es war einmal, so erzählt man sich in dunklen Fluren des gesunden Menschenverstands, ein Schneiderlein, das sich ein Wams nähte und fortan König war. Heute reicht ein H&M-Kleid, eine schulterlange Perücke aus Polyethylen und ein Lippenstiftton mit der Farbe „Regenbogenmanifest“ – und siehe da, die Evolution ist besiegt. Wer braucht schon XX- oder XY-Chromosomen, wenn ein TikTok-Video mit Filter und Hashtag #SheHer ausreicht, um jahrtausendelange anthropologische Realität als soziales Konstrukt zu demaskieren?

Die neue Liturgie der Identität lautet: Ich fühle, also bin ich. Und wenn ich mich als Frau fühle, dann bin ich eine Frau – auch wenn mein Bartwuchs mich regelmäßig an die unnachgiebige Testosteronproduktion meines Körpers erinnert. Doch das wird als retrograde Biologie abgetan, als faschistoide Wissenschaft, als das ungebetene Echo eines untergehenden Zeitalters, in dem Fakten noch etwas galten. Heute zählen Gefühle. Und Gefühle, meine Damen und Herren, sind immun gegen Widerspruch. Gefühle haben recht, immer. Wer etwas dagegen sagt, ist ein Transphob, ein Reaktionär oder – schlimmer noch – ein Kritiker.

Ein Stethoskop namens Sehnsucht – wenn Wunschdenken Medizin ersetzt

Doch erlauben Sie mir ein ketzerisches Gedankenexperiment: Ich wache morgen auf und fühle mich tief im Innern – nein, nicht als Frau, das wäre zu ordinär – sondern als Arzt. Als Heiler der Menschheit. Ich schlinge mir ein Stethoskop um den Hals, stecke mir einen Kugelschreiber mit Pharmawerbung in die Kitteltasche und betrete selbstbewusst die nächste Notaufnahme. Diagnose? Sekundäre Identitätsinflation mit hypertropher Selbstüberschätzung.

Doch wehe dem, der es wagt, mich aufzuhalten. Ich fühle mich als Arzt. Ich habe schließlich „Grey’s Anatomy“ durchgebingt, mein Google-Suchverlauf enthält mehr Fachbegriffe als das Erste-Hilfe-Handbuch des ADAC, und mein weißer Mantel ist frischer als das Blut der Patienten, das ich bald zu vergießen plane. Also bin ich Arzt, oder nicht?

Die Antwort dürfte – zumindest noch – ein zögerliches „Nein“ sein. Denn, ach, bei Ärzten bestehen wir seltsamerweise auf Ausbildung, Expertise, Examen und nicht zuletzt auf einem gewissen Maß an Verantwortungsbewusstsein. Hier gilt Identität nicht als rein subjektives Kunstprodukt, sondern als Resultat objektiver Leistung. Es wäre auch schade, wenn ein pathologisch motivierter Schauspieler Ihre Blinddarmentzündung mit Globuli behandeln würde – obwohl, in Berlin-Kreuzberg mag das als ganzheitlicher Ansatz durchgehen.

Der postmoderne Narziss – im Spiegel der Selbstinszenierung

In Wahrheit aber sind wir längst in einer Ära angekommen, in der Schein mehr zählt als Sein, in der der ästhetische Akt der Selbstdeklaration höher gewichtet wird als jedes empirische Fundament. Wir leben in einem semiotischen Disneyland, in dem Worte nicht mehr Bedeutungen tragen, sondern Bedeutungen tragen müssen, die man ihnen gerade andichtet.

„Frau“ ist kein biologisches Phänomen mehr, sondern ein Performance-Label mit monatlichem Abo. Wer sich auf die Bühne der Geschlechteridentität wagt, muss nicht mehr mit der Realität ringen, sondern nur mit der Requisite. Die Frage ist nicht mehr: Was bin ich? Sondern: Wie glaubwürdig kann ich es spielen?

Identität ist heute wie ein Rollenspiel auf LSD – alles ist erlaubt, alles ist möglich, solange man es ernst genug meint und Twitter einem zustimmt. Es ist der Triumph des Subjektiven über das Reale, des Narrativs über die Natur, der Pose über die Person.

Das gefährliche Spiel mit dem Ernst des Lebens

Doch während wir auf diesem Jahrmarkt der Möglichkeiten unsere Pronomen neu sortieren wie Pokémonkarten, vergessen wir, dass gewisse Dinge nicht verhandelbar sind. Medizin, zum Beispiel. Oder Physik. Oder der Umstand, dass ein Mann trotz Barttransplantat kein Eierstockkarzinom bekommen wird.

Die Willkür, mit der Begriffe wie „Frau“, „Mann“, „Arzt“, „Lehrer“ oder „Expertin“ inflationär und entkoppelt von realer Substanz verwendet werden, ist nicht bloß komisch – sie ist potenziell gefährlich. Denn eine Gesellschaft, die den Unterschied zwischen Schein und Sein nicht mehr erkennt, ist wie ein Flugzeug mit einer Kabinencrew aus Menschen, die sich als Piloten identifizieren, aber ihr ganzes Leben lang nur „Microsoft Flight Simulator“ gespielt haben.

Zwischen Fazit und Farce – wer bin ich, wenn keiner mehr fragt?

Was also bleibt von der Frage: Wenn ich mich als Frau identifiziere, bin ich eine Frau – aber wenn ich mich als Arzt identifiziere, nicht automatisch ein Arzt?

Die Antwort ist so einfach wie unbequem: Die gesellschaftliche Toleranz für subjektive Identitätsbehauptung ist selektiv. Dort, wo es modisch, politisch opportun oder moralisch verlockend ist, wird sie gefeiert. Dort, wo Verantwortung, Risiko oder gar Konsequenz ins Spiel kommen, wird plötzlich wieder mit Maß und Vernunft gewogen.

Ein Kleid macht noch keine Frau. Ein Kittel noch keinen Arzt. Und ein Gefühl, so ehrlich es auch sei, ersetzt nicht die Realität, sondern kommentiert sie allenfalls. Doch in einer Welt, in der Kommentare für wichtiger gehalten werden als Tatsachen, tanzt die Vernunft auf einem Minenfeld aus Befindlichkeiten.


Epilog für Fortgeschrittene

Doch bevor Sie mir nun empört den roten Stempel „reaktionär“ auf die Stirn drücken oder ein virtuelles Cancel-Ritual einleiten: Denken Sie daran, dies ist Satire. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht identifiziere ich mich gerade einfach nur als Satiriker.

Und wer will es wagen, das in Frage zu stellen?

Willkommen in der DDR 2.0

Vorspiel der Rechthaber: Über die Rückkehr des betreuten Denkens

Es ist ein eigenartiger Zustand, den wir im Jahre 2025 mit einer Mischung aus abgestumpfter Resignation und hysterischer Betriebsamkeit zur Kenntnis nehmen – nämlich der, dass ausgerechnet jene westlichen Demokratien, die sich über Jahrzehnte hinweg als Bollwerke individueller Freiheit und pluralistischer Meinungsvielfalt inszenierten, nun in einer grotesken Kopie jenes Systems angekommen zu sein scheinen, das man dereinst stolz und siegestrunken überwunden glaubte. Willkommen, meine Damen und Herren, liebe non-binäre Geschlechtsidentitäten, in der Demokratisch-Digitalen Regulativrepublik, kurz: DDR 2.0 – nur diesmal mit besserer Grafik und flüssigerem Scrollverhalten.

Was einst mit dem schleichenden Verfall argumentativer Kultur begann – einem pseudotoleranten „Debattenklima“, das man eher als stickige Kammer mit Sauerstoffmangel bezeichnen müsste –, kulminiert nun in einem System permanenter pädagogischer Korrektur. Denken wird nicht mehr gefordert, sondern vorformuliert. Haltung ersetzt Erkenntnis, Moral ersetzt Fakten, Empörung ersetzt Differenzierung. Und wie in jedem guten Spätstadium eines Kontrollsystems glaubt die Mehrheit, frei zu sein – weil man sie gelehrt hat, dass Freiheit darin bestehe, exakt das zu wollen, was man ihr vorgibt.

Die neue Unfreiheit: Algorithmen als Agitatoren

Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen wie einen zu stark gesüßten Ersatzkaffee aus dem real existierenden Sozialismus: Während man früher Wanzen fürchtete, trägt man heute freiwillig ein Mikrofon in der Tasche – mit Standortfreigabe und Gesichtserkennung, versteht sich. Big Brother hat sich nie so charmant gegeben wie durch das Apple-Logo auf der Rückseite deines Smartphones. Der Unterschied zwischen freiwilliger Selbstüberwachung und staatlich verordneter Kontrolle ist, wie sich zeigt, keiner der Struktur, sondern einer der Benutzeroberfläche.

Die Algorithmen, jene scheinbar neutralen Priester des Digitaltempels, sind heute Meinungsmacher, Zensoren und Erzieher in Personalunion. Sie entscheiden, was sichtbar wird, was gesagt werden darf, wer „relevant“ ist – und vor allem, wer nicht. Die „Richtlinien der Gemeinschaft“, diese Orwell’sche Phraseologie in Zuckerwatte, sind der neue Paragraf 106: Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, darf sehen, wie schnell man in den digitalen Gulag der Deplattformierung verschwinden kann – ohne Anklage, ohne Verteidigung, ohne Revision. Statt politischer Lagerhaft gibt es heute Shadowbans. Komfortabler, aber nicht weniger wirksam.

Umerziehung 2.0: Das Betroffenheitsregime der Gutmeinenden

Früher, so erzählt man sich heute wie aus einem Märchenbuch, wurden Menschen noch nach ihrer Leistung beurteilt, nach ihrem Charakter, nach ihrer Fähigkeit zur Kritik. Heute jedoch zählen einzig die heiligen Abzeichen identitärer Zugehörigkeit: Wer ist marginalisiert genug, um gehört zu werden? Wer ist betroffen genug, um nicht widersprochen werden zu dürfen? Wer ist korrekt genug, um von der Cancel Culture verschont zu bleiben?

Die neue Elite, die sich als unterdrückte Minderheit geriert, beherrscht die Kunst der moralischen Erpressung wie einst die Funktionäre ihre Floskeln vom Klassenfeind. Es geht nicht mehr um Wahrheit, sondern um Empfindlichkeit. Und wehe, man verletzt ein Tabu – nicht etwa durch Intention, sondern durch Interpretation! Denn was zählt, ist nicht, was gesagt wurde, sondern wie es gefühlt wurde. Willkommen im Regime der hypermoralischen Schneeflocken, die bei der leisesten Erwähnung von Ambivalenz zu schmelzen beginnen – und danach den Thermostat auf „Ewige Betroffenheit“ drehen.

Die Rückkehr der Planwirtschaft – diesmal ökologisch korrekt

In der DDR 1.0 scheiterte der Sozialismus an der Banalität seiner Ineffizienz: leere Regale, schmierige Butter und Trabant-Wartelisten. In der Version 2.0 tritt die Planwirtschaft erneut auf die Bühne – diesmal im grünen Gewand und mit dem Segen der Apokalypse. Unter dem Banner des „Klimaschutzes“ wird nicht nur das Thermostat reguliert, sondern gleich der gesamte Lebensstil. Verzicht wird zur Tugend verklärt, Degrowth zum Erlösungsversprechen, und wer noch Fleisch isst oder in den Urlaub fliegt, gilt als Klimasünder erster Klasse – selbst wenn er am Rande des Existenzminimums lebt.

Das Paradoxe daran? Die neue ökologische Planwirtschaft zementiert soziale Ungleichheit. Denn der ökologisch korrekte Lebensstil ist ein Luxus: Bioladen, Lastenrad und urban gardening sind kaum Realitäten des Proletariats, sondern Statussymbole einer saturierten Bionade-Bourgeoisie, die sich für ihre Tugendhaftigkeit gegenseitig auf LinkedIn applaudiert. Und während man dem kleinen Mann das Heizen verbietet, fliegen die Apostel des Weltklimas in Privatjets zu Nachhaltigkeitsgipfeln.

Der neue Sozialismus ist digital, global – und freiwillig

Was macht diese DDR 2.0 so perfide? Es ist der Umstand, dass sie sich nicht aufzwingt, sondern einschmeichelt. Sie kommt nicht mit Uniformen und Stasi-Akten, sondern mit „Nudging“ und Benutzerfreundlichkeit. Sie will dich nicht brechen, sondern überzeugen. Sie arbeitet nicht mit Zwang, sondern mit Zustimmung. Und genau darin liegt ihre Tücke.

Denn wo früher Macht sich durch sichtbare Gewalt manifestierte, hat sie heute die Form der Zustimmung angenommen: Du willst digital sein, du willst kontrolliert werden, du willst dich anpassen – weil die Alternative Isolation, Unsichtbarkeit, Cancel ist. Die neue Konformität ist freiwillig – und deshalb so alternativlos wie einst die Einheitsliste.

Finale Furioso: Warum Satire das letzte Asyl des Denkens bleibt

Wer heute satirisch schreibt, tastet sich blind durch ein Minenfeld hypersensibler Ideologien, durch die Nebelschwaden algorithmischer Zensur und durch die Floskelwüsten eines politmedialen Komplexes, der längst aufgehört hat, sich für Wahrheit zu interessieren. Satire ist keine Waffe mehr – sie ist eine Notwehr. Sie ist das letzte Refugium für jene, die sich der sanften Tyrannei des Betreuten Denkens nicht beugen wollen.

Und so bleibt uns nur das Schreiben, das Spotten, das ironische Zwinkern aus dem Untergrund der Vernunft. Während draußen die neue DDR 2.0 ihre gläsernen Paläste errichtet und den Menschen einflüstert, dass sie frei sind – solange sie nur sagen, denken und fühlen, was erlaubt ist.


Nachsatz:
Ob das alles so kommen muss? Nein.
Ob es trotzdem so gekommen ist? Frag dich mal selbst.
Und wenn du das Gefühl hast, dass dieses Essay übertrieben ist, sei dir sicher: Das dachte man 1984 auch.

Was kommt als Nächstes, Schädelvermessungen?

Von der Neurowissenschaft zur neuen Menschenordnung – oder: Die Rückkehr der Messzirkel im Dienste der Moral

Es ist wieder soweit. Die Wissenschaft, dieses eigentlich neutrale, angeblich der reinen Erkenntnis verpflichtete Feld, hat sich mal wieder einmischen müssen – diesmal nicht in Fragen der Impfung, der Biologie oder der Moralökonomie, sondern gleich ins Allerheiligste des demokratischen Selbstverständnisses: ins Wahlverhalten. Genauer gesagt: in den Schädel dessen, der wählt. Der Mensch, so erfahren wir nun von einer Studiengruppe unter Leitung von Ryota Kanai am University College London, entscheidet sich nicht etwa auf Grundlage seiner Erfahrungen, seiner Werte oder gar seiner Überzeugungen – nein, sondern auf Grundlage seiner Hirnmasse. Der liberale Geist – man stelle sich das bitte in ehrfürchtigem Flüsterton vor – verfügt über ein größeres Volumen grauer Zellen im anterioren cingulären Cortex. Der Konservative hingegen – und hier dürfte das Raunen in der moralisch erregten Blase unüberhörbar sein – weist ein ausgeprägteres „Angstzentrum“ auf. Und so kommt, was kommen muss: Der freie Wille war gestern. Heute ist politische Gesinnung eine Frage der neuronalen Topografie.

Von grauer Substanz und grauen Vorurteilen: Die Neuro-Phrenologie der Jetztzeit

Das hat doch Charme, nicht wahr? Endlich eine wissenschaftlich abgesicherte Begründung, warum der Nachbar AfD wählt – sein Mandelkern ist schuld. Endlich ein eleganter, fast schon therapeutischer Ausweg aus dem Dilemma der Diskussion: Nicht streiten, nicht überzeugen, sondern scannen. Hätten die Altvorderen des 19. Jahrhunderts gewusst, wie elegant sich Eugenik mit Empathie verschleiern lässt, sie hätten sich vor Freude die Schädel vermessen. Und doch, unter all der grauen Substanz leuchtet eine altbekannte Farbe: die des moralischen Hochmuts. Denn was hier als neurowissenschaftlicher Fortschritt verkauft wird, ist im Kern nichts anderes als ein pseudowissenschaftlich verbrämter Versuch, den Andersdenkenden nicht etwa zu verstehen, sondern ihn in die bio-neuronale Defensive zu zwingen.

So, als würde man sagen: Dein Hirn kann gar nicht anders, du Armer.
Und das mit einem Lächeln, das so viel sagt wie: Wir verstehen dich – neurobiologisch jedenfalls.

Der Traum von der perfekten Demokratie – mit MRT und Zugangskontrolle

Wenn also politische Überzeugung weniger mit Debatte als mit neuronaler Struktur zu tun hat, stellt sich zwangsläufig die nächste Frage: Warum überhaupt noch wählen lassen? Warum die mühsame Auseinandersetzung, warum die Quälerei mit Argumenten, wenn doch ein kurzer Scan im Kernspintomografen genügt? Stellen Sie sich das Wahllokal der Zukunft vor: Kein Wahlzettel, kein Kabinenvorhang. Nur ein freundlicher Mitarbeiter der Wahlkommission mit Kittel und Klemmbrett: „Bitte legen Sie sich kurz hin. Das dauert nur eine Minute.“ Danach: automatische Zuordnung zum Lager Ihrer neuronalen Kohärenz – links, rechts, liberal, autoritär, neurotisch oder einfach hoffnungslos unterkomplex.

Was wie eine Dystopie klingt, ist in Wahrheit schon als Denkfigur gesellschaftlich akzeptiert. Denn wer diese Studien zitiert – und das tun viele mit der Selbstgewissheit pädagogischer Missionare – der will keine Diskussion, der will Einordnung. Wer das Gehirn zum politischen Prüfstein erhebt, der öffnet nicht den Raum der Aufklärung, sondern schließt ihn mit dem Deckel eines MRT-Geräts. Der neue Weltbürger ist nicht etwa mündig, sondern magnetisch resonanzfähig.

Warum Widerspruch bald Hirnsache ist: Die neue Biologisierung des Politischen

Natürlich – so wird man einwenden – handelt es sich hierbei nur um Korrelationen, nicht um Kausalitäten. Es geht nicht darum, jemandem seine politische Haltung „wegzuscannen“. Ach, wirklich? Ist das nicht dieselbe Rhetorik, die man von jenen kennt, die sagen: „Ich will ja nur verstehen, warum du so bist“ – und dabei längst geurteilt haben? Der Weg von der Beschreibung zur Bewertung ist kurz, wenn er über die neuronale Schnellstraße führt.

Wo früher die politische Debatte war, stehen heute Studienverweise. Wo früher Widerspruch als demokratische Qualität galt, reicht heute der Verweis auf das „größere Angstzentrum“. Angst – das Wort ist nicht zufällig gewählt. Es riecht nach Schwäche, nach Impuls, nach Trieb. Der liberale Verstand hingegen – rational, graumassig, aufgeklärt – leuchtet wie ein modernes Heiligenbild im Lichtkegel des Labors.

Die neue Schädelkunde im weißen Kittel

Und so kehrt sie zurück, die alte Lust am Kategorisieren, am Messen, am Zuordnen – nur eben diesmal in High-Tech-Gewand. Die Phrenologen des 19. Jahrhunderts tasteten noch mühsam Schädelwölbungen ab und malten krude Charakterkarten. Heute nimmt man das Gehirn selbst ins Visier. Man spricht von Volumina, von Aktivierungsclustern, von Signifikanzwerten – aber meint doch nur: Wir wissen, wie du tickst.

Das ist keine Wissenschaft, das ist Biopolitik in Reinform. Die Rückkehr der alten Anthropologie durch die Hintertür der Empirie. Und die neue politische Klasse – von der Mitte bis ins akademische Feuilleton – freut sich klammheimlich. Endlich muss man nicht mehr argumentieren. Endlich ist der politische Gegner kein Subjekt, sondern ein Objekt – genauer: ein scanbares Objekt.

Fortsetzung folgt: beim nächsten neuronalen Gruppenfoto.

Wenn der Protest sich selbst verbrennt

Vom Klima, das kippt, und Aktivismus, der entgleist

In einem Studio von oe24.TV, unter grellem Licht und mit jener typisch österreichischen Mischung aus Sensationslust und journalistischer Müdigkeit, ereignete sich kürzlich ein Interview, das weniger informierte als irritierte. Die ehemalige Sprecherin der „Letzten Generation“, Marina Hagen-Canaval, verabschiedete sich medienwirksam von der Bühne des zivilen Ungehorsams – nicht mit einem sanften „Wir haben unser Bestes gegeben“, sondern mit dem Wunsch, eine neue, „viel schlimmere“ Generation möge nun kommen und, Zitat, „alles anzünden“. Man hätte über diesen Satz hinweggehen können, als überspannte Metapher im Hitzerausch – hätte er nicht so präzise das Gefühl einer Bewegung eingefangen, die ihren moralischen Kompass verloren hat und ihre Daseinsberechtigung zunehmend aus der Ablehnung der Realität bezieht.

Hagen-Canaval beruft sich in ihrer Argumentation auf die Suffragetten, die angeblich erst durch das Niederbrennen Londons das Frauenwahlrecht durchsetzten – eine historische Rekonstruktion, die selbst in der Kabarettszene mit einem Stirnrunzeln quittiert würde. Was bleibt, ist der inszenierte Abgesang einer Aktivistin, die sich ausgebrannt gibt, aber rhetorisch Benzin ins Feuer gießt. Während draußen die Hitze tatsächlich Rekorde bricht, friert in diesem Interview das demokratische Gesprächsklima endgültig ein. Es ist nicht nur der Rückzug aus der Aktion – es ist die implizite Absage an alles, was liberalen Diskurs, pluralistische Aushandlung und Gewaltfreiheit bislang ausgezeichnet hat. Der Klimaprotest, so scheint es, will nicht mehr gehört werden – er will nur noch brennen.

Die neue Ästhetik der Unversöhnlichkeit – Anja Windl, Wut und das Mikrofon

Wer dachte, Marina Hagen-Canaval sei ein Einzelfall, wurde kürzlich eines Besseren belehrt. Anja Windl, von Medien gern als „Klimakleberin“ betitelt und von sich selbst als moralisches Frühwarnsystem Europas verstanden, trat kürzlich in einer Live-Diskussion auf, die zu einem bizarren Kammerspiel eskalierte. Geladen waren ein grüner Ex-Vizekanzler, ein Unternehmer, eine Ökonomin und ein Schauspieler – und Windl, die in bockiger Vehemenz jede Frage, jeden Einwand, ja selbst die bloße Existenz anderer Positionen als Beleidigung empfand. Ihr Blick: glühend vor Überzeugung. Ihre Antworten: Ausweichungen in Endlosschleife. Ihre Körpersprache: ein einziges großes Nein.

Diskurs war nicht vorgesehen – nicht als Möglichkeit, nicht als Instrument, nicht als Ziel. Stattdessen: betretenes Schweigen, genervtes Aufstöhnen, und schließlich ein rauschender, selbstgerechter Abgang. Die Szene wirkte weniger wie ein Auftritt in einer politischen Debatte, sondern wie eine Performance im Theater der Selbstbestätigung. Anja Windl führte vor, was in Teilen der Bewegung längst zur Regel geworden ist: Wer widerspricht, wer nicht sofort bekennt, wer nachfragt, ist Teil des Problems – oder schlimmer noch: ein Fossilist. Die Verweigerung des Gesprächs wird zur Tugend erklärt, das Gespräch selbst zur Zumutung. Was sich einst als demokratischer Weckruf verstand, schlägt nun um in dogmatische Absolutheit. Man kennt das aus religiösen Kontexten – weniger aus emanzipatorischen Bewegungen.

Radikal chic – Von Glasscheiben, Pipelines und moralischem Pyromanenpathos

Der Diskurs ist tot, es lebe die Pose. Ob nun auf der Straße klebend, auf dem Bildschirm schreiend oder im Hafen von Gent sabotierend – der neue Klimaaktivismus verlässt das Terrain des argumentativen Austauschs und driftet ab in eine symbolisch überladene Protestästhetik, die zunehmend mit Sachbeschädigung, Grenzüberschreitung und latentem Gewaltfetisch kokettiert. Dass bei der erwähnten Hafenaktion in Belgien im März 2025 Sicherheitsanlagen manipuliert, Maschinen beschädigt und der Schiffsverkehr lahmgelegt wurden, lässt sich kaum mehr unter dem Euphemismus „ziviler Ungehorsam“ verbuchen. Und dass Greta Thunberg bei der Aktion anwesend war, sorgt nicht für Beruhigung, sondern für ein wachsendes Unbehagen: Wird hier ein Vorbild zur Schirmherrin der Eskalation?

Die selbstgerechte Ikonografie der Aktivisten, mit ihrer Mischung aus Opferpathos und Erlösergestus, produziert eine geschlossene Welt, in der jeder Widerspruch als Schuld, jedes Zögern als Verrat erscheint. Aus Farbe auf Kunst wird bald Feuer auf Infrastruktur. Aus „Letzter Generation“ wird „Erste Linie der Klimafront“. Der Begriff „Klimagerechtigkeit“ verliert dabei seine politische Substanz und wird zur Legitimationsformel für ein moralisches Ermächtigungsnarrativ, das zwischen ideologischer Absolutheit und fast schon messianischer Überhöhung oszilliert. Es geht nicht mehr um Lösungen, sondern um Selbstvergewisserung. Nicht mehr um Wandel, sondern um Widerstand – gegen alles.

Was bleibt: Eine verbrannte Bühne und eine schweigende Mehrheit

Wenn nun also eine ehemalige Sprecherin sagt, sie sei „ausgebrannt“, wirkt das wie eine bittere Metapher auf die ganze Bewegung. Der öffentliche Raum, einst Ort des Dialogs, ist zur Bühne für Inszenierungen geworden. Die Fronten sind verhärtet, der Diskurs ist gesprengt, das Publikum zunehmend genervt. Und jene, die noch zuhören wollen, die differenzieren, die zwischen Verantwortung und Realität balancieren möchten, werden wahlweise ignoriert oder beschimpft. Die moralische Fallhöhe des Aktivismus ist so steil geworden, dass man entweder mitspringt – oder als Feind gilt.

Vielleicht ist es Zeit, dass wir über neue Formen des Engagements sprechen, jenseits von Eskalation und Apokalypse. Vielleicht wäre es klüger, an den Institutionen zu arbeiten, statt sie zu verachten. Vielleicht wäre es ratsam, endlich wieder das Gespräch zu suchen – nicht mit jenen, die ohnehin schon überzeugt sind, sondern mit jenen, die zweifeln, zögern oder einfach nur hören wollen, dass es noch Hoffnung gibt, jenseits des Feuers.

Bis dahin bleibt nur die Hoffnung, dass nicht das brennt, was eigentlich bewahrt werden sollte: unser demokratischer Zusammenhalt.

Wenn Geschichte auf Asphalt trifft

Straßenkampf der Erinnerung

In einer Zeit, in der urbane Namensgebung zur Ersatzreligion politischer Selbstvergewisserung verkommt, schlägt nun ein neues Kapitel der semantischen Weltverbesserung auf: Eine Straße in Wien soll nach Mustafa Kemal Atatürk benannt werden. Ja, genau: Atatürk. Der Mann, der das osmanische Reich in die Moderne prügelte, die Kalligrafie verbannte, den Bartwuchs der Religion unterwarf und das Tragen von Hüten staatlich reglementierte. In seiner Heimat ein Heiliger der Säkularisierung, in Europa ein Fremdkörper zwischen Projektion und Unkenntnis – und nun ein Kandidat für die Straßenschilder Wiens? Willkommen in der posthistorischen Komödie der Bedeutungslosigkeit, in der Erinnerungspolitik nicht von Historikern, sondern von Online-Petenten kuratiert wird.

Kolonien der Korrektheit – Wer erinnert, regiert

Straßen sind längst keine Verkehrsadern mehr, sondern moralisch aufgeladene Träger identitärer Signale. Wer in Berlin eine Mohrenstraße umbenennen will oder in München darüber diskutiert, ob ein alter CSU-Bürgermeister noch tragbar ist, der führt keine verkehrsplanerische Debatte, sondern einen Stellvertreterkrieg um die Deutungshoheit der Geschichte. Und nun also Atatürk. Als ob Wien – die ehemalige Hauptstadt eines untergegangenen Multikulti-Großreichs – noch nicht genug Phantomschmerz im Umgang mit seiner eigenen imperialen Vergangenheit hätte.

Doch es geht ja nicht um Geschichte, sondern um Haltung. Um symbolpolitische Selbstveredelung im Zeitalter des digitalen Altruismus. Eine Straße für Atatürk – das klingt nach Versöhnung, nach internationaler Aufgeschlossenheit, nach einem urbanen Multikulturalismus mit Latte-Macchiato-Temperament. Dass der Mann autoritär regierte, die Presse knebelte, Minderheiten assimilierte und das Kurdenproblem nicht löste, sondern verwaltete – geschenkt. Hauptsache, der Name klingt weltläufig und erzeugt auf Google Maps ein gutes Gefühl.

Vom Sultanspalast zur Stadtverwaltung – Identitätspolitik mit Ottomanenstaub

Die Ironie ist kaum zu überbieten: In einer Stadt, die zweimal einer osmanischen Belagerung standhielt, soll nun ein Mann geehrt werden, der das Erbe dieser Osmanen abwickelte wie eine schlecht laufende GmbH. Die K.u.k.-Residenzstadt soll also dem säkularen Totengräber des Kalifats die Hand reichen – und so tun, als sei das alles ein Zeichen von kulturellem Weitblick. In Wahrheit ist es nichts anderes als die kapitulierende Geste einer hypermoralischen Gesellschaft, die ihre eigene Geschichte lieber externalisiert als aufarbeitet.

Denn während man sich über Atatürk-Straßen freut, diskutiert man in anderen Bezirken darüber, ob man Karl Lueger posthum noch behalten darf oder endlich verbannen muss. Die Vergangenheit wird dabei wie ein Wühltisch auf dem Flohmarkt der Tugendhaftigkeit durchstöbert: Was kann bleiben, was muss weg, und was lässt sich gewinnbringend durch einen moralisch kompatibleren Namen ersetzen?

Die Petition als Passion – Demokratie der Clicks

Das Begehr selbst kommt, wie könnte es anders sein, in Form einer Petition. Die moderne Form der politischen Erhebung – bequem, digital, kostenfrei und vor allem: risikolos. Wo früher Unterschriftenlisten mit Kugelschreiber durch verrauchte Hinterzimmer kursierten, genügt heute ein Klick aus der U-Bahn heraus, um Geschichte umzuschreiben. Es ist die Demokratisierung der Symbolik, entkoppelt von Sachverstand, historischen Tiefenschärfen oder kulturellem Kontext.

Man muss sich das vorstellen: Der öffentliche Raum einer 2000-jährigen Stadtgeschichte wird zum Spielball spontaner Mobilisierungen, zum gestalterischen Wunschzettel der hypervernetzten Empörungskultur. Man votiert nicht mehr für Parteien, sondern für Straßennamen. Die Stadt wird zur Arena politisch-ästhetischer Schönheitschirurgie, bei der jeder meint, er könne mitreden – weil: Warum eigentlich nicht?

Straßen mit Haltung – Asphalt als Weltanschauung

Was früher nach Funktion benannt wurde – Mühlgasse, Ziegelofengasse, Obere Donaustraße – dient heute der weltanschaulichen Zementierung gesellschaftlicher Lager. Es geht längst nicht mehr um Orientierung, sondern um Distinktion. Die Straße ist kein Weg mehr, sondern ein Statement. Und wer sie betritt, marschiert nicht einfach durch ein Viertel, sondern durch eine Erzählung – kuratiert, codiert, korrekt.

In diesem Sinne passt Atatürk hervorragend in die neue Weltordnung des urbanen Symbolismus. Nicht, weil er zu Wien gehört, sondern weil er eben nicht dazugehört. Seine Nennung wäre ein Bruch, ein bewusst gesetzter Akzent, ein semiotischer Stolperstein für alle, die immer noch glauben, Straßen seien bloß Infrastruktur.

Postskriptum aus dem Archiv der Absurdität

Natürlich wird es nicht bei Atatürk bleiben. Hat man einmal damit begonnen, historische Figuren nach Beliebtheit zu sortieren, öffnen sich die Tore der Parodie. Warum nicht auch eine Erdoğan-Promenade, gleich gegenüber der Tibet-Allee? Oder ein Bin-Zayed-Boulevard in Favoriten, als Geste geopolitischer Diplomatie? Vielleicht eine Greta-Thunberg-Sackgasse mit Fahrradständern aus recyceltem Aktivismus? Die Möglichkeiten sind endlos – solange die Ironie noch billig und die Öffentlichkeit kurzatmig ist.

Fazit: Der öffentliche Raum als moralische Projektionsfläche

Es geht nicht um Atatürk. Es geht nie um Atatürk. Es geht um uns. Um das gute Gefühl, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, auch wenn man sie gar nicht gelesen hat. Um den moralischen Mehrwert einer symbolischen Geste, die keine Konsequenzen kennt. Um die wohldosierte Erregung über Themen, die niemandem wehtun – außer vielleicht dem historischen Bewusstsein.

Die Straße mag neu benannt werden. Die Ironie bleibt.

Die Toleranz der Mehrheit

Eine religionspolitische Feldstudie im Reagenzglas der Macht

Es ist ein alter Fehler, der immer wieder gemacht wird – von wohlmeinenden Multikulturalisten, naiven Intellektuellen und staatsalimentierten Religionsbeauftragten gleichermaßen: Man beurteilt eine Religion, insbesondere den Islam, danach, wie freundlich, friedlich und anpassungsfähig sie sich gibt, wenn sie in der Minderheit lebt – in westlichen Demokratien, unter dem Schutz der Grundrechte, im Schirm der pluralistischen Gesellschaft, behütet vom Rechtsstaat, von Sozialleistungen gestützt und von journalistischer Diskurs-Feigheit flankiert. Doch das ist, mit Verlaub, so zielführend, als würde man einen Wolf danach beurteilen, wie sanft er winselt, wenn man ihm den Napf wegnimmt. Die entscheidende Frage ist nicht, wie eine Religion sich benimmt, wenn sie anpasst, sondern wie sie agiert, wenn sie dominiert. Was geschieht, wenn sie nicht um Duldung betteln muss, sondern duldet? Wenn sie nicht Rechte einfordert, sondern zuteilt – und entzieht? Erst in der Mehrheit, ja noch deutlicher: erst als Staatsreligion, zeigt sich der wahre Charakter eines theologischen Systems. Alles andere ist PR.

Vom Opfer zur Ordnungsmacht – Die Transformation der Theokratie

Der Islam – und das muss man ihm lassen – ist in der Disziplin der politischen Metamorphose ein Weltmeister. Er hat es verstanden, seine eigene Geschichte in zwei Akten zu schreiben: Im ersten Akt das leidende Opfer, benachteiligt, diskriminiert, unverstanden; im zweiten Akt die Ordnungsmacht, die auf göttlicher Unfehlbarkeit besteht, auf Gesetzesexklusivität pocht, auf Dominanz – nicht als Option, sondern als Pflicht. Wo der Islam Mehrheit wird, wird die Scharia zur Struktur, die Andersgläubigkeit zur Herausforderung, die Meinungsfreiheit zur Bedrohung. Das Wort „Toleranz“ schrumpft auf das Maß einer strategischen Geduld zusammen.

Der säkulare Beobachter, in seinem inneren Humanismus gefangen, glaubt noch immer an eine universale goldene Regel – „Was du nicht willst, das man dir tu…“ – doch in dieser Rechnung fehlt das entscheidende Moment: Die eigene Wahrheit als absoluter Imperativ. Wer glaubt, das Paradies sei exklusiv und alle anderen Wege in die Hölle führen, hat keine inneren Gründe zur Duldung, sondern bestenfalls taktische. Die Toleranz endet dort, wo sie nicht mehr nötig ist. Und da beginnt die eigentliche Wahrheit über religiöse Macht.

Pluralismus als Geduldsübung – Ein Experiment, das nur funktioniert, solange es niemand ernst meint

Natürlich kann man mit Theologen aller Religionen Kaffee trinken, sofern sie in Minderheit sind. Die Gesprächskreise, die interreligiösen Foren, die „Feste der Begegnung“ – sie alle sind nette Inszenierungen einer Welt, die so nicht existiert, wenn sie ernst gemacht wird. In pluralistischen Gesellschaften ist der Islam freundlich, weil er muss. In islamischen Gesellschaften ist der Pluralismus geduldet – solange er unbedeutend ist. In Saudi-Arabien, Iran oder Pakistan gibt es keine liberalen Diskussionen über das Verhältnis von Glauben und Staat. Dort entscheidet nicht das Verfassungsgericht, sondern der Klerus, ob ein Gedanke gedacht werden darf.

Doch wehe dem, der das anspricht – im Westen versteht man unter Kritik des Islam oft schon das, was man bei anderen Religionen „Aufklärung“ nennt. Der Islam ist die einzige Religion, die man nicht rational betrachten darf, ohne sogleich unter Verdacht gestellt zu werden: des Rassismus, der „Islamophobie“, der kulturellen Überheblichkeit. Ein Katholik, der gegen Homosexualität predigt, ist ein Relikt. Ein Imam, der dasselbe tut, ist „Teil einer anderen Kultur“. Und schon wird die Doppelmoral zur Doktrin.

Einheitsgebet oder Einheitsstaat – Was Religion will, wenn sie kann

Religionen haben ein Eigeninteresse, das in ihrer Natur liegt. Doch der Islam hat eine Besonderheit: Er ist nicht nur Glaubenssystem, sondern Rechtssystem, Gesellschaftsordnung, Identitätsmaschine. Er ist nicht nur Kirche, sondern Staat im Wartestand. Dort, wo er Mehrheit wird, beginnt das Projekt der religiösen Umformatierung – von der Kleidung bis zur Strafgerichtsbarkeit, vom Frauenbild bis zur Kunstfreiheit. Alles unterliegt der Revision, der Heiligkeit, der Kontrolle. Und all das geschieht mit einem Lächeln – bis das Lächeln nicht mehr nötig ist.

Man muss sich fragen: Wäre die katholische Kirche in Deutschland heute so „tolerant“, wenn sie noch über inquisitorische Mittel verfügte? Wohl kaum. Die Toleranz des Machtlosen ist nicht Tugend, sondern Notwendigkeit. Und der Islam – das zeigen die Beispiele von Indonesien bis zur Türkei, vom Sudan bis zu den Golfstaaten – versteht diese Dynamik meisterlich. Wo er gestalten kann, gestaltet er nicht Vielfalt, sondern Einheit. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern politische Realität – nachzulesen in Verfassungen, Gerichtsurteilen und Gesetzbüchern.

Fazit unter Vorbehalt – Oder: Warum das Schweigen manchmal klüger scheint als das Reden

Und doch wagt kaum jemand, all das auszusprechen – aus Angst, als „rechter Brandstifter“ zu gelten, als „Spalter“, als „Fundamentalismuskritiker“, was in gewissen Milieus bereits als Schimpfwort gilt. Aber Kritik ist nicht gleich Hass. Und wer das Verhalten einer Religion unter Machtbedingungen analysiert, betreibt keine Hetze, sondern Realismus. Die Frage ist nicht, wie friedlich ein Glaube klingt, sondern wie friedlich er bleibt, wenn er nicht mehr auf Zustimmung angewiesen ist.

Vielleicht ist das das traurige Fazit unserer Zeit: Die Aufklärung hat uns gelehrt, alles zu hinterfragen – außer die Motive religiöser Mehrheiten. Und so bleibt die Kritik des Islam als Machtreligion ein Minenfeld, das man nur mit literarischer Satire betreten darf – und selbst dann nur mit einem Fuß.


Fortsetzung folgt – vermutlich nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Ein Medikament namens Energiewende

Rezeptfrei, aber mit Langzeitnebenwirkungen

Es beginnt, wie viele deutsche Heilserzählungen beginnen: mit dem unerschütterlichen Glauben, dass sich jedes Problem durch Planwirtschaft, Verordnung und moralische Überlegenheit beheben lässt. Die Energiewende, dieses hypertrophe Großprojekt eines narzisstisch überladenen Staatsapparats, folgt einem medizinischen Grundsatz, den selbst mittelmäßig geschulte Kurpfuscher mit Sorge betrachten würden: Wenn das Mittel nicht wirkt, erhöhen wir die Dosis. Und wenn es dann noch nicht wirkt, ja, dann war es entweder noch nicht genug – oder der Patient ist eben schuld. Auf gar keinen Fall jedoch kommt man auf die ketzerische Idee, es könnte das falsche Medikament sein. Denn an der Diagnose darf nicht gezweifelt werden: fossile Energie ist das Böse, CO₂ die metaphysische Ursünde, und Strom muss aus dem Guten kommen – vorzugsweise aus Wind, Sonne oder Gewissensberuhigung.

Dabei hat man sich längst so tief in die ideologische Pharmakologie verstrickt, dass auch der letzte Wirklichkeitskontakt unter Quarantäne gestellt wurde. Die Strompreise steigen? Mehr Windräder! Die Netzstabilität sinkt? Mehr Solardächer! Dunkelflaute? Wärmepumpen und E-Autos! Alles wird gut – man muss nur mehr davon machen. Es erinnert an einen mittelalterlichen Bader, der den Aderlass verdoppelt, wenn der Kranke bleich bleibt. Dass er am Ende stirbt, ist dann ein Beweis dafür, dass der Patient das System nicht verstanden hat.

Der Fetisch der Technikfolklore – Mehr Wind, mehr Sonne, mehr Vision

In Deutschland glaubt man an Technik – aber nicht an Technik als Realität, sondern als Symbol. Das Windrad ist nicht nur ein Generator, es ist ein Fetisch der Moral. Die Solaranlage nicht bloß eine Stromquelle, sondern ein Beweis für Fortschritt, ein Totem der Zukunftsgläubigkeit, das über jedem Reihenhaus thront wie ein säkularer Heiligenschein. Dabei geht es weniger um Energie, als um Erzählung. Die Energiewende ist die deutsche Reinkarnation der Romantik: eine Mischung aus Naturverklärung, Erlösungssehnsucht und bedingungslosem Fortschrittsglauben – nur eben diesmal mit Ladebuchse.

So installiert man mit missionarischem Eifer Technologien, von denen man weder weiß, wie lange sie halten, noch wie sie recycelt werden. Die Stromnetze knacken? Es liegt an der Ungeduld, nicht an der Physik. Die Industrie wandert ab? Dann war sie eben nicht zukunftsfähig. Was man nicht braucht, wird abgeschaltet – erst die Kraftwerke, dann der gesunde Menschenverstand. Und wenn jemand fragt, wie das alles zusammenpassen soll, dann wird freundlich auf das Jahr 2045 verwiesen, in dem sowieso alles besser sein wird, weil man es heute beschlossen hat.

Dosis fatalis – Vom Zuviel des Richtigen und der Absenz des Nötigen

Es ist nicht so, dass es keine Probleme gibt – sie werden nur umetikettiert. Netzinstabilität wird zur „Herausforderung“, Strommangel zur „Chance für neue Geschäftsmodelle“, Blackouts zur „Resilienzprüfung“. Und wie begegnet man diesen Missständen? Mit derselben Strategie, mit der man in der Homöopathie Hoffnung erzeugt: mit Verdünnung durch Verstärkung. Wenn der Strom aus Wind und Sonne nicht reicht, dann bauen wir mehr davon. Dass das Energiesystem exponentiell schwieriger wird, je mehr volatile Quellen man hineinpumpt, wird als „Teil des Lernprozesses“ gesehen. Lernen allerdings darf nur in eine Richtung stattfinden – und niemals rückwärts.

Ein Kohlekraftwerk, das bei Minusgraden zuverlässig Energie liefert, ist heute verdächtig. Ein Windpark, der monatelang stillsteht, ist dagegen ein Hoffnungsträger. So steigert man sich in ein Energiemärchen hinein, das die Dosis zur Therapie erklärt. Dass irgendwann der gesamte Raum voller Solarpaneele, Wärmespeicher und regulatorischer Förderlogik steht, aber trotzdem kein Licht angeht – das ist dann kein Systemfehler, sondern die Schuld derer, die nicht genug geglaubt haben.

Und wenn es das falsche Medikament ist? – Eine verbotene Frage

Die eigentliche Blasphemie liegt nicht im Zweifel an der Technik – sondern im Zweifel an der Erzählung. Denn wer fragt, ob es vielleicht das falsche Medikament ist, ob man vielleicht nicht mehr, sondern anders machen müsste, der stellt nicht nur das System infrage, sondern die Identität einer ganzen politischen Kaste. In Deutschland darf alles diskutiert werden – solange es die Grundrichtung bestätigt. Es darf gezweifelt werden, ob der Windkraftausbau schnell genug geht, nicht aber, ob Windkraft allein überhaupt reicht. Es darf gefragt werden, wie viele E-Autos wir brauchen, nicht aber, ob individuelle Mobilität mit tonnenschweren Batterien der Weisheit letzter Schluss ist.

Der Verdacht, dass man vielleicht ein völlig überdosiertes Placebo verabreicht, darf nicht gedacht, geschweige denn ausgesprochen werden. Denn er würde das moralische Fundament erschüttern, auf dem ganze Karrieren, Parteiprogramme und Industrieumstrukturierungen gebaut sind. Also erhöhen wir weiter die Dosis. Bis der Patient zufrieden schweigt – oder endgültig kollabiert.


Fortsetzung folgt: In einem Land vor unserer Zeit. Oder spätestens nach dem nächsten flächendeckenden Stromausfall.

Freiheit, die ich meine

oder: Warum das Schweigen lauter spricht als das Geschrei

Freiheit ist bekanntlich ein großes Wort. So groß, dass man es auf Demonstrationsplakate pinseln, in Grundgesetze meißeln und in Sonntagsreden aufpolieren kann wie Omas Tafelsilber. Doch wie es mit großen Worten so ist: Sie scheinen oft gerade dann am stärksten zu glänzen, wenn sie am wenigsten gebraucht werden dürfen. Laut Umfragen glauben 60 bis 70 Prozent der Deutschen, ihre Meinung nicht mehr frei sagen zu dürfen. Das ist nicht nichts. Das ist eine Mehrheit. Doch statt Alarmglocken schrillen in den Redaktionen nur die Telefone der Sprachwächter, die nach „Narrativen“ suchen, nicht nach Argumenten. Freiheit, so lernen wir neu, ist nicht etwa das Recht, zu sagen, was man denkt – sondern die Pflicht, zu denken, was man sagen darf.

Natürlich darf man seine Meinung sagen. Nur eben nicht dort, wo es zählt: am Arbeitsplatz, im Hörsaal, im Freundeskreis, auf der Bühne, im öffentlichen Diskurs. Wer den falschen Satz zur falschen Zeit äußert, merkt schnell, wie dünn die Luft ist, selbst wenn man vorher dachte, man stünde auf der richtigen Seite des Sauerstoffzelts. „Freiheit wird nie geschenkt, nur gewonnen“, sagte Heinrich Böll. Was er nicht erwähnte: dass sie einem heute nicht mehr genommen wird mit dem Knüppel, sondern mit einem wohlwollenden Nicken, einem Fördermittelentzug oder einem neuen Leitfaden zur „inklusiven Kommunikation“. Man muss nicht eingesperrt werden, wenn man sich selbst zensiert.

Delegitimierung als Zeitdiagnose – oder: Wer den Staat schützt, muss die Freiheit nicht lieben

Willkommen im Jahr der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates». Ein sprachliches Ungetüm, so bizarr, dass selbst Franz Kafka eine Rückfrage gestellt hätte. Wer den Staat kritisiert, delegitimiert ihn – aber wehe, er tut es zu laut, zu ironisch, zu gut begründet. Dann kommt der Schutz, nicht für den Bürger, sondern vor dem Bürger. Man hat es geschafft, eine Grauzone zu institutionalisieren, in der nicht das Gesetz gilt, sondern das Gefühl, dass irgendwas „nicht mehr geht“. Anzeigen wegen Satire. Verfahren wegen Karikaturen. Meldeportale für Gedankenverbrechen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Ein digitaler Blockwartstaat 2.0, der sich nicht durch Uniformen, sondern durch Hashtags organisiert.

Noch vor zwanzig Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Minister öffentlich zur Denunziation aufrufen – heute ist es Ausdruck „gelebter Zivilcourage“. Ein Begriff, der längst bedeutet: mit der Herde mutig gegen das eine Schaf. Was früher Dissens hieß, gilt heute als Gefährdung. Was einst Opposition war, ist heute toxisch. Die Demokratie, so scheint es, soll geschützt werden, indem man sie vor den Bürgern abschirmt, die in ihrer Naivität glauben, sie hätten Mitspracherecht. Die Hoffnung, dies würde sich mit einem Regierungswechsel bessern, wurde zerknüllt und im Papierkorb der politischen Realität abgelegt – gleich neben dem Koalitionsvertrag.

Von der Illusion des Mitsprechens – oder: Der Bürger als Störfaktor

Man könnte meinen, es sei ein Betriebsunfall der Demokratie, dass ausgerechnet jene Minderheit, die sich für moralisch überlegen hält, die Zügel fest in der Hand hat. Aber es ist kein Unfall – es ist System. Die Politik folgt heute einer Mischung aus Sendungsbewusstsein, Weltrettungspathos und städtischer Entfremdung, die in ihrer Überheblichkeit fast schon religiöse Züge annimmt. Die grüne Elite, die nicht an Bahnhöfen lebt, nicht in Brennpunkten wohnt und keine Grundschule mit 90 Prozent Migrationsanteil von innen gesehen hat, bestimmt die Regeln – und redet vom „gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

Man spricht von „unserer Demokratie“, als sei sie Privateigentum. Als wäre sie ein exklusiver Club, zu dem man Zutritt nur bekommt, wenn man den Dresscode kennt und die richtige Meinung mitbringt. Wer widerspricht, ist nicht etwa Mitbürger, sondern Problemfall. Wer abweicht, wird nicht gefragt, sondern markiert. Die Demokratie als geschlossene Veranstaltung – mit Einlasskontrolle durch den öffentlichen Diskurs. Die Filterblase wird zur Filterinstitution, und wer platzt, fliegt raus.

Migration als Sakrament – oder: Der moralische Imperativ der Selbstabschaffung

Ein weiteres Minenfeld, auf dem man in Deutschland tanzen muss, ist die Migrationspolitik – besser gesagt: Migrationsreligion. Denn längst hat sich hier eine Art säkularer Erlösungsglaube etabliert, in dem jede kritische Frage als Blasphemie gilt. Dass „die, die da sind“, zum Großteil die Falschen sind – nicht alle, aber viele – darf man nicht sagen. Und wenn man es sagt, darf man es nicht meinen. Denn die Moral duldet keine Empirie.

Die Probleme sind real, greifbar, messbar. Und doch werden sie beschwiegen, verdrängt oder unter „rechten Narrativen“ abgeheftet. Dabei ist es nicht rechts, Probleme zu benennen – es ist verantwortungsvoll. Rechts wird es erst, wenn man versucht, aus der Kritik Kapital zu schlagen. Die politische Mitte hat das Problem ausgelagert – an Ränder, an Bürgermeister, an verzweifelte Lehrer. Und wenn es irgendwo knallt, dann ist nicht die Politik schuld, sondern „strukturelle Herausforderungen“. Es ist, als würde man einen brennenden Wald damit löschen wollen, dass man das Wort „Feuer“ aus dem Wortschatz streicht.

Europäische Paralyse – oder: Wenn Berlin will, aber Brüssel darf nicht

Und als wäre das alles nicht genug, kommt auch noch die EU. Ein bürokratischer Koloss, der wie eine alte Uhr tickt, aber nie schlägt. Selbst wenn Deutschland wollte – es dürfte nicht. Selbst wenn es dürfte – es könnte nicht. Und selbst wenn es könnte – es käme jemand aus der SPD und sagte: Das ist aber gegen die EU-Richtlinie 239b, Absatz 17. Man fragt sich unweigerlich: Was genau wollen diese Leute? Wollen sie das Land retten, oder reicht es ihnen, dass sie selbst gerettet sind – in ihren sicheren Sitzen, mit ihren moralischen Bonuspunkten?

Die deutsche Politik ist gelähmt von einer europäischen Bürokratie, die das Denken längst durch Regelwerke ersetzt hat. Und wenn man doch einmal versuchen will, Dinge anders zu machen, kommt sofort die Korrektur von oben, unten oder innen. Es ist, als würde ein Land versuchen zu schwimmen – in einem Netz aus Vorschriften, Moralgeboten und politischer Feigheit. Kein Wunder, dass es untergeht.

Epilog in Moll – oder: Das Schweigen der Mehrheit

Es gibt eine stille Mehrheit in diesem Land. Eine, die längst begriffen hat, dass man zwar noch alles denken darf, aber nicht mehr alles sagen kann. Dass man zwar offiziell frei ist, aber praktisch gebunden. Dass Kritik erlaubt ist – solange sie niemanden stört. Und dass Hoffnung schön klingt, aber wenig nützt, wenn sie keine Werkzeuge hat.

Die Wahrheit ist: Freiheit stirbt nicht mit einem Knall. Sie wird zersetzt, langsam, Stück für Stück – durch Ironieverbote, Empörungsrituale und eine Kultur der Verdächtigung. Was bleibt, ist ein Land, das sich selbst in den Arm beißt, weil es sich nicht traut, in den Spiegel zu schauen. Aber wie immer in der Geschichte gilt: Es kommt nicht auf die Lauten an. Sondern auf die, die endlich aufhören zu schweigen.

Die Postkoloniale Theorie und ihre heiligen Kühe

Die Theorie, die kam, sah – und alles zu Kolonialismus erklärte

Es war einmal eine Theorie, die wie ein wiedergeborener Prophet aus dem akademischen Staub der westlichen Universitäten hervorkroch – durstig nach Gerechtigkeit, bewaffnet mit Adorno in der einen und Edward Said in der anderen Hand, brennend wie ein Fackelzug der moralischen Überlegenheit. Sie nannte sich „Postkoloniale Theorie“, doch ihre Anhänger sprachen bald nur noch in Zungen: „Dekolonisierung“, „Subalterne“, „Epistemische Gewalt“ – Begriffe, so schwer und bedeutungsschwanger, dass man sie nur noch im Rollkoffer durch die Seminare schieben konnte.

Diese Theorie hatte ein Ziel: die Welt vom Kolonialismus zu erlösen, und zwar rückwirkend, global und universal – eine Art Exorzismus mit Fußnoten. Und während es gewiss gerechtfertigt war, die historischen Greueltaten des Kolonialismus nicht dem Vergessen zu überantworten, wurde der Eifer ihrer Jünger bald zur Parodie ihrer selbst: Kolonialismus wurde zur Ursünde aller Gegenwart, zur Erklärung jedes Unglücks, zur ideologischen Mülltonne, in die man alles warf, was unangenehm roch – auch den Zionismus.

Von Palästina bis Paris – Der antisemitische Schatten im postkolonialen Diskurs

Es begann schleichend, wie so vieles, das später stinkt. Erst war es die Kritik an Israel, dann am Zionismus, dann an jüdischer „Komplizenschaft“ mit dem kolonialen Projekt – und ehe man „intersectionality“ sagen konnte, war man bei Thesen angelangt, die einen Goebbels wohl milde hätten lächeln lassen.

Denn siehe: In der Welt der postkolonialen Kritik ist Israel ein weißer, westlicher Kolonialstaat – trotz sefardischer, mizrachischer, äthiopischer Juden, trotz der Flucht aus Pogromen, Shoah, Exil und Diaspora. Der Umstand, dass Juden über Jahrhunderte in der islamischen Welt ebenso gedemütigt, entrechtet und ermordet wurden wie in Europa, fällt unter den Tisch wie ein schlecht geschriebener Fußnotenapparat.

In den endlosen Paneldiskussionen postkolonialer Akademiker wird die Shoah zwar erwähnt – als historische Klammer, als Pflichtschuldigkeit –, doch sie steht zunehmend wie ein ungebetener Gast im Raum, dessen Leid plötzlich relativiert wird, sobald das Stichwort „Nakba“ fällt. Da wird der Holocaust zur Fußnote imperialer Gewalt, Zionismus zum verlängerten Arm des weißen Mannes, und Juden – eine 3000 Jahre verfolgte Minderheit – werden als Agenten der Unterdrückung tituliert. Das alles unter dem Banner des „Dekolonisierens“.

Das heilige Opfer-Narrativ – Und wer darin keinen Platz hat

Die postkoloniale Theorie lebt von binären Codes: Opfer und Täter, Kolonisierte und Kolonisatoren, Marginalisierte und Mächtige. Wer nicht in diese dualistische Welt passt, hat ein Problem – vor allem, wenn er jüdisch ist. Denn Juden sind in diesem Modell nicht länger die entrechteten Flüchtlinge, sondern plötzlich Teil einer globalen „Weißheit“. Der Holocaust? Tragisch, aber passé. Jetzt regiert das Leid anderer – vorzugsweise antiwestlicher, antizionistischer, antikapitalistischer Natur.

Dass Israel nicht mit der gleichen Schärfe kritisiert wird wie etwa China (Uiguren? Wer?), Russland (Tschetschenien? Nie gehört) oder der Iran (Frauenrechte? Dekoloniales Missverständnis!) – das stört niemanden. Man spricht von „Israelkritik“, meint aber jüdische Selbstbestimmung. Man spricht von „Solidarität mit Palästina“, meint aber: „Warum haben die Juden nach der Shoah nicht einfach in Polen weiter gewohnt?“

Das postkoloniale Buffet – Ein Fest für Moralisten, ein Albtraum für Juden

Wer sich die postkoloniale Theorie anschaut, erkennt ein ideologisches Buffet, bei dem sich jeder das nimmt, was ihm gerade schmeckt. Man kombiniert Foucault mit Frantz Fanon, streut etwas Judith Butler darüber und trinkt dazu einen BDS-gefilterten Chardonnay. Was nicht auf der Karte steht: jüdische Geschichte als eigene Geschichte, jüdische Emanzipation als Emanzipation, jüdische Angst als reale Angst.

Stattdessen wird sie zynisch umetikettiert: von „Sorge um das Existenzrecht Israels“ zu „imperialistische Lobbyarbeit“, von „Schutz jüdischen Lebens“ zu „Reproduktion kolonialer Machtstrukturen“. Wer aufbegehrt, wird als Zionist denunziert, als Reaktionär, als Komplize. Und wer wagt, den neuen Antisemitismus zu benennen, wird schnell zum „weißen Mann“, auch wenn er oder sie aus Aleppo geflohen ist.

Die Dekonstruktion der Vernunft – Wenn das Opfer spricht, aber niemand zuhört

Postkoloniale Theorie inszeniert sich als radikale Kritik an hegemonialem Denken – dabei errichtet sie längst ihr eigenes Dogma. Ihre Priester verkünden Wahrheiten ex cathedra: Wer weiß ist, hat zu schweigen. Wer kolonisiert wurde, hat recht. Wer Israel kritisiert, ist mutig. Wer Antisemitismus benennt, ist ein ideologischer Nestbeschmutzer. Das Denken selbst wird zum Kolonialverbrechen erklärt, solange es nicht der reinen Lehre folgt.

Und so schweigt man dort, wo man schreien müsste. Judenhass? Ein „Produkt des Zionismus“. Angriff auf Synagogen? „Verzweiflung der Unterdrückten“. Verschwörungstheorien über jüdische Macht? „Kritik am globalen Finanzkapital“. Die Dialektik der Aufklärung ist tot, es lebe die Dialektik der Diffamierung.

Schluss mit der Romantisierung des Ressentiments

Was bleibt also von einer Theorie, die sich dem Emanzipatorischen verschrieben hat, aber regelmäßig im Ressentiment versinkt? Die mehr über Kolonisatoren spricht als über Menschen, die heute Bomben auf Synagogen werfen? Die Auschwitz zwar zitiert, aber nicht versteht? Die Opferhierarchien zementiert, während sie vorgibt, sie zu sprengen?

Sie bleibt als trauriges Beispiel dafür, wie gute Absichten in ideologische Dogmen umkippen können. Als Warnung, wie leicht Kritik zur Karikatur wird, wenn sie blind ist für eigene Vorurteile. Und als Beweis, dass man selbst als Theoretiker postkolonialer Diskurse nie zu klug sein kann, um antisemitische Denkmuster zu reproduzieren – mit akademischer Eleganz, versteht sich.

Man darf, ja man soll den Kolonialismus kritisieren, seine Verbrechen benennen, seine Nachwirkungen erkennen. Aber wer im Namen der Gerechtigkeit beginnt, Juden zu entmenschlichen, Zionismus zu dämonisieren und den Holocaust zu relativieren, ist nicht Teil einer kritischen Avantgarde – sondern Teil eines uralten Problems in neuem Gewand.

Denn Antisemitismus ist ein Chamäleon. Und in der postkolonialen Theorie hat er längst eine neue Farbe gefunden.

Edward Saids Erben – Zwischen Kulturkritik und kognitiver Dissonanz

Beginnen wir mit dem Kronzeugen: Edward Said, Ikone des postkolonialen Denkens, dessen Werk Orientalism (1978) zur Pflichtlektüre wurde – von Berkeley bis Berlin-Mitte. Said zeigte, wie der Westen den „Orient“ als exotisch-anders und minderwertig konstruierte, um seine eigene kulturelle Dominanz zu rechtfertigen. Das war klug, bahnbrechend, notwendig. Doch wie so oft bei Propheten, wurde sein Werk bald zur heiligen Schrift, und seine Schüler zu orthodoxen Kommentatoren, die aus jedem archäologischen Ausgrabungsbericht koloniale Dominanz lasen.

Problematisch wurde es, als diese Sichtweise nicht mehr als Erkenntnisinstrument, sondern als ideologische Brille benutzt wurde. Alles wurde „Orientalismus“: Israelische Sicherheitskontrollen? Orientalismus. Holocaustgedenken? Eurozentrismus. Juden in Machtpositionen? Postkoloniale „Komplizenschaft“.

Said selbst, Palästinenser, kluger Geist, leidenschaftlicher Kritiker Israels – kritisierte zionistische Politik scharf, ja. Doch er warnte auch vor Verkürzungen. In einem Interview mit Ari Shavit (1999) sagte er:

„I absolutely do not support the idea that anti-Zionism is necessarily antisemitic. But when it becomes a blanket rejection of Israel’s existence, it is.”

Diese Unterscheidung haben viele seiner Schüler nie verinnerlicht. Stattdessen folgt man einem simplen Code: Israel = Siedlerkolonialismus. Zionismus = Rassismus. Juden = Weiße. Die historische Realität – dass Zionismus aus Pogromen, Ghettos und KZs erwuchs – wird zur lästigen Fußnote.

Judith Butler, Achille Mbembe und die Geburt des Salon-Antizionismus

Wo akademische Theorie auf moralischen Exhibitionismus trifft, da wächst der neue Salon-Antizionismus. Paradebeispiel: Judith Butler, Philosophin, poststrukturalistische Virtuosin, gender-theoretisches Genie. Sie schrieb 2006:

„Understanding Hamas, Hezbollah as social movements that are progressive, that are on the Left, that are part of a global Left, is extremely important.“

Man fragt sich: Hat Butler je ein Hamas-Manifest gelesen? Den Satz „Die Stunde des Jihad ist gekommen“? Oder die Hamas-Charta, die von der „Weltherrschaft der Juden“ raunt?

Doch Butler ist kein Einzelfall. Achille Mbembe, afrikanischer Historiker und postkolonialer Superstar, verglich 2020 die israelische Politik mit dem südafrikanischen Apartheidsregime. In einem Text über Kolonialismus mischte er Shoah-Relativierungen mit Begriffen wie „Industrie des Holocaust-Gedenkens“ – ein Framing, das jede Gedenkkultur zur Lüge stempelt. Ein Sturm brach los, man warf ihm Antisemitismus vor – er verteidigte sich mit dem Hinweis, er sei Opfer der „jüdischen Lobby“.

Aha.

So schließt sich der Kreis: Wer Antisemitismus benennt, ist ein Sprachrohr Israels. Wer Israel dämonisiert, ein mutiger Intellektueller. Und wer beides differenziert? Ein Nestbeschmutzer ohne Lehrstuhl.

Der BDS-Komplex – Dekolonisieren, Boykottieren, Dämonisieren

Die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) ist der aktivistische Arm jener Theorie, die Israel als letztes koloniales Relikt stilisiert. Ihre Forderungen: ökonomischer, kultureller, politischer Boykott. Ihre Methoden: Delegitimierung, Dämonisierung, doppelte Standards.

In den Worten der Gründerorganisation PACBI:

„Colonialism and apartheid are not metaphors for Israel’s occupation – they are accurate descriptors.“

Was dabei ignoriert wird: Juden lebten bereits im 19. Jahrhundert in Palästina, bevor es überhaupt britische Kolonialherren gab. Und sie lebten nicht als Siedler, sondern als Einheimische – in Jerusalem, Hebron, Tiberias. Die jüdische Verbindung zum Land ist keine Erfindung von Herzl, sondern tief in Geschichte, Religion und Kultur verwurzelt.

Doch für BDS gilt: Die Shoah erklärt nicht Israels Existenzrecht, sondern sei eine „europäische Schuld“, für die „Palästinenser nun bezahlen“. Hier spricht keine „Israelkritik“, sondern die alte antisemitische Formel mit neuem Lippenstift: „Warum seid ihr überhaupt hier?“

Intersectional Ignorance – Wenn Wokeness blind für Antisemitismus ist

In der Welt der „woken“ Akademie ist Solidarität alles – solange man die richtigen Opfer wählt. Wer aber jüdisch ist und nicht ins weiße Täterprofil passt, stört die Schönheit des Opfer-Narrativs. Das Ergebnis: Juden sind plötzlich „weiß“, „privilegiert“, „nicht rassifizierbar“. Ihre Diskriminierung zählt nicht, weil sie zu erfolgreich sind.

So twitterte die antikoloniale Aktivistin Ruwaida Omar (UK, 2021):

„Zionism is racism. Antizionism is anticolonialism.“

Kurze Nachfrage: Ist Antizionismus auch dann antikolonial, wenn er in Form von Brandsätzen auf Synagogen auftritt? Schweigen. Denn der Postkolonialismus hat kein Konzept für jüdische Emanzipation. Er kennt nur das Opfer, das sich opfert – nicht das, das sich verteidigt.

Fazit: Dekolonisiert die postkoloniale Theorie

Es ist Zeit, die postkoloniale Theorie selbst zu dekolonisieren – von ihren Dogmen, blinden Flecken, moralisierenden Haltungen und ja: von ihrem Antisemitismus. Der Holocaust war keine „weiße Tragödie“, sondern ein zivilisatorischer Abgrund. Israel ist kein Apartheidstaat, sondern ein realpolitisches Paradox in einer feindseligen Region. Zionismus ist keine Kolonialideologie, sondern eine Antwort auf das größte Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts.

Postkoloniale Theorie muss sich fragen: Warum wird Israel härter verurteilt als China, Syrien, Sudan, Russland? Warum ist jüdische Selbstbestimmung weniger legitim als kurdische oder palästinensische? Und warum marschieren in deutschen Universitäten Menschen mit „Free Palestine“-Schildern, während ihre jüdischen Kommilitonen sich nicht mehr in der Mensa zeigen?

Weil der neue Antisemitismus einen akademischen Doktorhut trägt. Und weil er sich hinter Worten wie „Dekolonialisierung“ versteckt, während er alte Mythen neu verpackt: vom „jüdischen Einfluss“, der „zionistischen Lobby“, der „Opferkonkurrenz“.