So beginnen Genozide

Der erste Tropfen auf dem heißen Stein der Unmenschlichkeit

Es beginnt immer harmlos. Ein kleiner Tropfen im Ozean der scheinbaren Normalität, kaum wahrnehmbar, ein Flüstern in den Wäldern des gesellschaftlichen Diskurses. Tampons – unscheinbar, hygienisch, winzig – verschwinden aus den Männertoiletten. Zunächst nimmt niemand Notiz davon. Warum auch? Schließlich, so das Narrativ der ewig-gestrigen Pragmatiker, „brauchen Männer keine Tampons.“ Ein Satz, so gefährlich einfach, dass er geradezu nach einem Orwell’schen Newspeak-Dekret riecht. Denn hinter dieser harmlos wirkenden Feststellung lauert das Monstrum der Dehumanisierung, des Ausschlusses und der schleichenden Zerstörung jener Brücken, die uns zu einer menschlichen Gemeinschaft machen.

Der Angriff auf die Tampons in Männertoiletten ist kein logistisches Missverständnis, sondern die erste Salve einer ideologischen Kriegserklärung. Es ist ein Signal an jene, die anders sind, die sich nicht in die festgezurrten Raster einer rigiden, binären Ordnung pressen lassen wollen: „Du bist hier nicht willkommen.“

Warum Kleinigkeiten große Dramen erzeugen

Tampons sind mehr als nur Wattestäbchen mit PR-Strategie. Sie sind ein Symbol für Inklusion, Verständnis und die Fähigkeit einer Gesellschaft, den komplexen Realitäten des menschlichen Körpers mit Würde und Respekt zu begegnen. Das Entfernen von Tampons aus Männertoiletten ist daher keine Frage der Logistik, sondern ein Statement. Ein Statement, das ungefähr so klingt: „Deine Realität ist uns egal. Deine Bedürfnisse sind irrelevant. Passe dich an oder gehe.“

Man stelle sich vor, jemand würde die Seife aus öffentlichen Waschräumen entfernen, mit der Begründung, dass die meisten Menschen eh Handsanitizer benutzen. Der Aufschrei wäre universell. Und doch scheint das Verschwinden von Tampons, einem Produkt, das einen spezifischen Teil der Bevölkerung betrifft, mit einem Schulterzucken quittiert zu werden. Ist das die Tragödie oder der Witz der modernen Welt?

Natürlich bleibt uns der humorvolle Blick auf die Absurdität dieser Argumentation. Es ist, als würde man sagen, dass Rollstuhlrampen in öffentlichen Gebäuden überflüssig sind, weil die Mehrheit der Menschen ja problemlos Treppen steigen kann. Die Logik ist dieselbe – nur versteckt hinter dem dünnen Schleier der scheinbaren Vernunft, der immer dann besonders modisch ist, wenn es darum geht, die Privilegierten in ihren Komfortzonen zu belassen.

Von kleinen Gesten zum Abgrund der Barbarei

Manche werden jetzt argumentieren, dass dies doch alles übertrieben sei. Dass das Fehlen von Tampons in Männertoiletten wohl kaum der Vorbote eines Genozids sein könne. Doch die Geschichte zeigt uns, dass der Weg zur Hölle stets mit kleinen, unscheinbaren Schritten gepflastert ist. Die ersten Dekrete der Entrechtung kommen nie in Form von Massenhinrichtungen daher. Sie beginnen mit einer subtilen Verschiebung der Grenzen des Akzeptablen.

Es ist die Logik der kleinen Schritte, des schleichenden Normalisierens von Diskriminierung. Heute sind es Tampons. Morgen sind es geschlechtsneutrale Toiletten. Übermorgen vielleicht die schlichte Existenzberechtigung derjenigen, die aus dem Rahmen fallen.

Die historische Kontinuität des Hasses ist stets gepflastert mit vermeintlichen Petitessen. Und wer denkt, die Tampons in Männertoiletten seien ein unbedeutendes Detail, der hat die Dynamik der Ausgrenzung nicht verstanden.

Der Zynismus des Fortschritts und das Lächeln des Zerstörers

Natürlich könnte man das Ganze auch mit einem Augenzwinkern betrachten. Schließlich ist es fast schon grotesk, dass ausgerechnet Tampons, diese winzigen, unscheinbaren Hilfsmittel des Alltags, zur politischen Kampfzone geworden sind. Man stelle sich den stillen Triumph eines bürokratischen Apparatschiks vor, der mit ernster Miene und einem Hauch von Selbstzufriedenheit den Antrag unterschreibt: „Entfernung von Tampons aus Männertoiletten – Begründung: Unnötige Ausgaben.“

Die Komik liegt in der Tragik verborgen, und der Zynismus dieser Entscheidung offenbart sich in ihrer Absurdität. Denn es geht nicht um Geld. Es geht nicht um Platzmangel. Es geht nicht einmal um die Tampons selbst. Es geht um Macht, um Kontrolle, um die Botschaft, dass die Bedürfnisse einer Minderheit nicht zählen. Es ist ein Lächeln, das sagt: „Wir können es uns leisten, euch zu ignorieren.“

Der Weg aus der Toilette führt ins Herz der Menschlichkeit

Die Frage, ob Tampons in Männertoiletten notwendig sind, ist nicht nur eine Frage der Hygiene. Sie ist eine Frage der Gesellschaft, der Werte, der Menschlichkeit. Es geht darum, ob wir bereit sind, die Welt nicht nur durch unsere eigenen Augen zu sehen, sondern durch die Augen derer, die anders sind.

Wenn wir zulassen, dass die kleinen Zeichen der Inklusion verschwinden, dann öffnen wir die Tür für größere Ungerechtigkeiten. Die Tampons in Männertoiletten sind keine Nebensache. Sie sind ein Symbol. Ein Symbol dafür, dass jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht, Identität oder Biologie, das Recht hat, gesehen, gehört und respektiert zu werden.

So beginnt ein Genozid: Nicht mit Gewehren, sondern mit Ignoranz. Nicht mit Hass, sondern mit Gleichgültigkeit. Und vielleicht, nur vielleicht, beginnt die Rettung unserer Menschlichkeit dort, wo wir am wenigsten damit rechnen – auf den stillen Örtchen der Welt.

Das ungekrönte Haupt der Gerechtigkeit

Die Kunst, sich lächerlich zu machen

Man muss schon sagen, Wolfgang Mazal versteht es, die Kunst des intellektuellen Feuerwerks mit der Präzision eines unermüdlichen Feuerwehrmanns zu löschen. Kaum hat die Öffentlichkeit Luft geholt nach der Empörung über sein unrichtiges Gutachten zur Indexierung der Kinderbeihilfen – einem beispiellosen Akt juristischer Verrenkungen, der wie ein gymnastisches Meisterstück wirken sollte, aber eher an einen misslungenen Purzelbaum erinnerte –, da setzt der Herr Arbeitsrechtler und Familieninstitutsvorstand noch einen drauf. Diesmal, mit einem Vorschlag, der so kühn ist, dass man fast vergisst, wie absurd er ist: Eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten. Der Grund? Sie haben es gewagt, zu wenige Kinder in die Welt zu setzen. Ja, Sie haben richtig gehört: Die Generation, die jahrzehntelang einbruchsicher in die Sozialversicherung einzahlte, soll jetzt die Rechnung für die demografischen Versäumnisse begleichen.

Ein Geniestreich der Umverteilung

In Mazals Gedankenwelt, die man sich wie einen Kafkaesken Traum mit gelegentlichen Einschüben von Monty Python vorstellen kann, ist Gerechtigkeit nicht etwa eine universelle Idee, sondern ein formbares Konzept, das sich wie Knetmasse an die jeweilige politische Agenda anpasst. Man fragt sich unweigerlich, ob dieser Mann in seiner Freizeit vielleicht den „Rechtsstaat“ als Kunstprojekt versteht und ihn mit einem Vorschlaghammer modelliert.

Sein Argument: Pensionisten hätten während ihrer Erwerbsjahre weniger Kinder bekommen und daher weniger zur Bevölkerungsreproduktion beigetragen. Das bedeutet, sie haben – jetzt halten Sie sich fest – mehr von ihrem Einkommen für sich selbst behalten! Welch skandalöse Vorstellung: Menschen, die sich anmaßen, ihre Lebensführung selbst zu bestimmen, statt sie dem heiligen Altar der demografischen Statistiken zu opfern. Mazal scheint hier die Art von Denker zu sein, die nachts wachliegt und sich fragt, wie viele Kinder wohl Aristoteles gehabt hätte, um seinen Beitrag zur antiken Rentenkasse zu leisten.

Die Logik eines Taschenrechners mit Kurzschluss

Die Polemik des Vorschlags ist nicht nur intellektuell beleidigend, sondern auch frappierend unsinnig. Wenn wir Mazals Argument ernst nehmen – was wir nicht sollten, aber für den Spaß der Sache einmal tun –, dann müsste jede Frau, die keine fünf Kinder zur Welt bringt, künftig auch ein separates CO₂-Ausgleichsformular ausfüllen. Schließlich tragen sie durch den Mangel an zukünftigen Arbeitnehmern mehr zur Klimabelastung bei, weil es weniger junge Menschen gibt, die für den Umstieg auf grüne Energie arbeiten können. Klingt lächerlich? Willkommen in der Welt des Mazalismus.

Abgesehen davon blendet der Vorschlag eine entscheidende Tatsache aus: Es ist nicht die Aufgabe von Pensionisten, dem Staat „Kindernachschub“ zu garantieren, sondern die des Staates, ein System zu schaffen, das diese Nachschubfrage durch vernünftige Sozial- und Wirtschaftspolitik löst. Aber warum Lösungen suchen, wenn Schuldzuweisungen so viel mehr Spaß machen?

Die Pensionisten als Staatsfeinde

In Mazals Universum scheinen Pensionisten ohnehin die natürlichen Feinde der Gesellschaft zu sein. Sie sind nicht nur dafür verantwortlich, dass die Rentenkassen leer sind, sondern offenbar auch für die allgemeine Schieflage der Welt. Hätte es sie nicht gegeben, wäre alles besser. Doch bevor wir den Seniorenverbänden empfehlen, sich schon mal auf die Fahndungslisten zu setzen, sollten wir uns fragen: Wer hat eigentlich diese Generation erzogen? Oh, das waren die Vorgänger, die offenbar noch mehr Kinder hatten. Mit anderen Worten: Mazals Logik ist ein Möbiusband, das sich so lange um sich selbst dreht, bis der Unsinn als Geniestreich verkauft wird.

Satire oder traurige Realität?

Die eigentliche Frage ist jedoch: Glaubt Mazal selbst, was er sagt, oder ist er nur ein besonders zynischer Karrierist, der weiß, wie man die öffentliche Debatte mit absurden Vorschlägen so sehr anheizt, dass niemand mehr merkt, wie ungerecht die Ausgangslage ist? Wenn ja, dann könnte man fast Respekt für die Dreistigkeit aufbringen. Aber nur fast. Denn in einem Punkt irrt Herr Mazal gewaltig: Zynismus allein ist noch keine Gerechtigkeit, und Polemik ersetzt keine Argumente.

Am Ende bleibt nur ein schaler Nachgeschmack. Der Gedanke, dass jemand wie Mazal als ernstzunehmender Experte gilt, ist nicht nur eine Beleidigung für jeden echten Arbeitsrechtler, sondern auch ein bitterer Spiegel für eine Gesellschaft, die bereit ist, die Schwächsten immer wieder zur Kasse zu bitten. Doch immerhin hat er uns eines bewiesen: Satire ist überflüssig, wenn die Realität so schamlos absurd ist.

Kürzungen im Sozialbereich

Ein Triumph der Empathielosigkeit

Es ist wieder einmal so weit: Die Botschaft hallt aus den Hallen des Elfenbeinturms der Ökonomie herab, herab auf jene Erdenschicht, in der sich die meisten Menschen mühselig durch ihren Alltag wühlen. Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat der künftigen deutschen Regierung geraten, im Sozialbereich zu kürzen. Diese Aussage hat die Eleganz eines chirurgischen Schnitts, doch mit der Präzision eines Holzfällers, der sich an einem Bonsai-Baum versucht. Ach, wie treffend, wie wohlkalkuliert – oder eben doch nur das nächste Kapitel im Märchenbuch des neoliberalen Wirtschaftsglaubens, in dem der Markt allwissend, allgütig und allmächtig ist.

Fuest denkt auch an „Erleichterungen für Unternehmen“, jenen tapferen Titanen, die unter der unbarmherzigen Last von Steuern, Regulierung und einem Minimum an sozialer Verantwortung ächzen. Doch sind es nicht dieselben Unternehmen, die seit Jahren Steuererleichterungen genießen, die gern Subventionen annehmen, aber beim kleinsten Hauch von Solidarität in Ohnmacht fallen? Es ist fast rührend, wie selbstlos diese Profitmaximierer in den Mittelpunkt der ökonomischen Diskussion gerückt werden, während jene, die die eigentliche Arbeit leisten, im Schatten stehen gelassen werden, um nicht die glänzende Fassade der Märkte zu stören.

Wem dient der Sozialstaat? Spoiler: Nicht der Wirtschaft

Kürzen im Sozialbereich – das klingt so pragmatisch, so rational, so … notwendig. Das sind die Worte, die uns Fuest und seinesgleichen einreden, mit einem Lächeln, das so viel Wärme ausstrahlt wie die Steuerabteilung eines Großkonzerns. Doch was steckt hinter dieser Logik? Es ist die Annahme, dass der Sozialstaat in erster Linie ein Hindernis für das Wirtschaftswachstum sei, ein Kostenfaktor, den es zu minimieren gilt. Dass der Sozialstaat kein Selbstzweck ist, sondern ein Instrument, um das Leben der Menschen zu verbessern, scheint in der Logik der Marktjünger keine Rolle zu spielen. Nein, der Mensch wird hier nicht als Bürger gesehen, nicht als Träger von Rechten, sondern als Arbeitskraft, als Kostenstelle, als etwas, das optimiert werden muss.

Dabei ist es keine neue Erkenntnis, dass gerade ein starker Sozialstaat die Grundlage für eine stabile Wirtschaft ist. Wer sich nicht sorgen muss, wie er die nächste Miete bezahlt, wer Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung hat, der kann innovativ sein, der kann Risiken eingehen, der kann … oh, Moment, das klingt fast wie das Idealbild eines Unternehmers. Aber dieser Gedanke passt natürlich nicht in das Weltbild derjenigen, die den Sozialstaat als Bürde betrachten, als unnötigen Luxus in einer Welt, in der Profit das einzige Maß aller Dinge ist.

Die Wirtschaft als Krone der Schöpfung

„Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut“, heißt es. Aber wer ist „die Wirtschaft“? Ist es der Kleinunternehmer, der jeden Tag ums Überleben kämpft? Oder sind es die Konzerne, deren Vorstände Boni in Millionenhöhe kassieren, während sie Arbeitsplätze abbauen und Steueroasen nutzen? Wenn von „der Wirtschaft“ die Rede ist, dann scheint es stets um diese Letzteren zu gehen, jene abstrakten Entitäten, die weder Mitgefühl noch Moral kennen und deren einziges Ziel die Steigerung des Shareholder Value ist.

Doch was passiert, wenn man „die Wirtschaft“ auf Kosten des Sozialstaats stärkt? Man bekommt ein System, in dem die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Ein System, in dem soziale Mobilität ein Relikt aus einer besseren Vergangenheit ist. Ein System, in dem die Menschen nicht mehr nach oben schauen, weil sie aufsteigen wollen, sondern weil sie die nächste Hiobsbotschaft erwarten, die auf sie herabregnet.

Und dennoch wird uns dieser Satz immer wieder vorgebetet, wie ein religiöses Mantra. Es ist eine Glaubensfrage, kein ökonomischer Fakt. Denn in Wahrheit geht es der Wirtschaft nicht dann gut, wenn es uns allen gut geht, sondern wenn die Profite sprudeln – ganz gleich, wie es den Menschen dahinter geht. Und hier liegt der Kern des Problems: Die Wirtschaft dient nicht dem Menschen, sondern der Mensch der Wirtschaft. Und das ist der eigentliche Skandal.

Eine Polemik mit einem Augenzwinkern

Nun könnte man sagen, dass all diese Gedanken reichlich zynisch sind. Aber was bleibt einem anderes übrig, wenn man auf Vorschläge wie die von Herrn Fuest blickt? Es ist doch geradezu grotesk, wie unverblümt hier suggeriert wird, dass die Lösung für alle wirtschaftlichen Probleme darin besteht, die Schwächsten noch weiter zu belasten. Es ist, als würde man einem Mann, der im Regen steht, den Schirm wegnehmen, damit er lernt, härter zu arbeiten. Doch der Witz ist: Man erwartet gar nicht, dass er härter arbeitet. Man erwartet nur, dass er still leidet.

Am Ende bleibt uns nur der Humor, um dieser Absurdität zu begegnen. Vielleicht sollten wir Herrn Fuest vorschlagen, nicht nur den Sozialbereich zu kürzen, sondern gleich alle sozialen Errungenschaften der letzten 150 Jahre abzuschaffen. Warum nicht gleich das Kinderarbeitsschutzgesetz aufheben? Das könnte doch die Produktivität steigern! Und wenn wir schon dabei sind, wie wäre es mit der Wiedereinführung des Zehnten? Schließlich muss ja irgendjemand die Steuerlast tragen, wenn die Unternehmen sie nicht mehr tun.

Ein Scherbenhaufen als Zukunftsmodell

Es ist leicht, polemisch zu sein, wenn man solche Vorschläge hört, und schwer, es nicht zu sein. Denn hinter der sachlich klingenden Forderung nach Kürzungen im Sozialbereich steckt nichts weniger als eine Bankrotterklärung der Solidarität. Es ist der Versuch, die soziale Frage mit einem Federstrich aus der Welt zu schaffen – auf Kosten jener, die ohnehin schon am meisten zu kämpfen haben.

Doch vielleicht ist dies der Punkt, an dem wir anfangen sollten, die Dinge umzudrehen. Vielleicht sollten wir nicht länger fragen, wie wir die Wirtschaft entlasten können, sondern wie die Wirtschaft die Menschen entlasten kann. Vielleicht sollten wir nicht länger darauf warten, dass die Segnungen des Marktes zu uns herabregnen, sondern selbst entscheiden, wie wir in einer gerechten Gesellschaft leben wollen.

Bis dahin bleibt uns nur, Herrn Fuest für seinen „mutigen“ Vorschlag zu danken – und ihn höflich, aber bestimmt in die Mottenkiste der Ideen zu befördern, die besser niemals umgesetzt werden. Denn eines ist sicher: Kürzungen im Sozialbereich mögen der Wirtschaft kurzfristig helfen, aber sie schaden langfristig uns allen. Und das ist weder pragmatisch noch rational – das ist einfach nur kurzsichtig.

Reisschalen und Kohlekraftwerke

Die Welt retten mit Robert Habeck

Beginnen wir mit einer unromantischen Tatsache: Jeden Tag müssen in China und Indien zusammen über 2,8 Milliarden Menschen essen. Und nein, es handelt sich hierbei nicht um eine abstrakte Zahl, die sich auf einem grünen Parteitag in eine PowerPoint-Präsentation kleben lässt. Nein, das sind echte Menschen – mit echten Mägen, die echte Nahrung verlangen. Dabei reden wir nicht von fair gehandelten Bio-Bananen aus Lateinamerika, die im Zero-Waste-Laden für fünf Euro pro Stück erworben werden können. Es geht um Reis. Brot. Dal. Öl. Dinge, die sättigen, und zwar jetzt.

Doch weil es sich um die Zukunft der Menschheit handelt, gibt es immer einen moralisch hoch erhobenen Zeigefinger aus dem globalen Norden, der die Frage stellt: Muss es wirklich Reis sein? Wäre nicht Quinoa eine klimafreundlichere Option? Vielleicht, aber der durchschnittliche Reisfarmer aus Uttar Pradesh hat wenig Zeit, sich die Unterschiede zwischen einer Erbse und einer Pseudogetreidepflanze zu ergoogeln, während er mit einer Spitzhacke und 40 Grad Hitze gegen Erosion kämpft.

Der deutsche Mann als Weltretter – Ein Exportschlager

Und hier kommt er ins Spiel: Robert Habeck, der selbsternannte Erzähler der Zukunft, Autor zahlreicher Kinderbücher, die so erfolgreich sind wie die deutsche Energiewende. Habeck, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jedem Land auf der Welt zu erklären, wie Klimapolitik „richtig“ geht, weil Deutschland es ja schließlich auch geschafft hat, seine Energiepreise auf ein Niveau zu bringen, bei dem die meisten Inder eher glauben, es handle sich um das Bruttoinlandsprodukt eines Kleinstaates.

Es ist ein faszinierendes Spektakel: Ein Mann aus einem Land mit weniger Einwohnern als der Großraum Peking erklärt einem Land wie Indien, warum Kohlekraftwerke abgeschafft gehören. Der gleiche Mann, wohlgemerkt, der daheim auf Flüssiggas aus Katar zurückgreift, weil der moralische Imperativ endet, wenn es um die Heizkosten der Mittelschicht geht. Aber das versteht der Inder natürlich nicht, denn er lebt ja – wie der Deutsche gern glaubt – irgendwo in einem exotischen Bollywood-Traum, umgeben von Spiritualität, Yoga und Kühen. Wer denkt da schon an Strom?

Das koloniale Erbe der gut gemeinten Ratschläge

Ironischerweise erinnern die moralinsauren Appelle an Indien und China an die besten Zeiten europäischer Missionsarbeit. Damals kamen die Kolonialherren nicht nur mit Bibeln, sondern auch mit der Gewissheit, dass der weiße Mann den braunen Menschen unbedingt beibringen müsse, wie man zivilisiert lebt. Heute ist die Bibel durch die 1,5-Grad-Grenze ersetzt worden, aber die Arroganz bleibt die gleiche: Wie könnt ihr es wagen, die gleichen Fehler zu wiederholen, die wir gemacht haben?

Die Antwort aus Indien und China, hätte sie die sprachliche Eleganz eines Goethe, könnte lauten: „Wir wiederholen nicht eure Fehler, wir lernen aus ihnen. Wir wollen nicht mit einem ineffizienten Energiesystem enden, das weder die Wirtschaft ankurbelt noch die Bevölkerung ernährt.“ Doch meistens fällt die Antwort kürzer aus: „Danke für die Sorge, aber wir haben Wichtigeres zu tun.“

Die unangenehme Wahrheit über Moral und Magen

Das Problem mit der europäischen Klimamoral ist ihre selektive Blindheit. Sie blendet aus, dass Entwicklungsländer nicht aus Spaß Kohlekraftwerke bauen, sondern weil sie funktionieren. Kohle mag schmutzig sein, aber sie ist zuverlässig, billig und – vor allem – reichlich vorhanden. Was sollte die Alternative sein? Solarpanele, die im Monsunregen versagen? Windräder, die bei Flaute stillstehen? Atomkraft? Oh, pardon, das wäre dann ja wieder unethisch.

Das eigentliche Problem ist, dass der Westen gerne so tut, als ginge es bei Klimapolitik ausschließlich um Ethik. Dabei ist sie ein gnadenlos pragmatisches Geschäft, bei dem es darum geht, den Laden am Laufen zu halten – oder eben nicht. Und während Europa über Dekarbonisierung philosophiert, macht China Nägel mit Köpfen und baut nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch die Infrastruktur für Solar, Wind und Atom. Nicht, weil sie eine Wahl haben, sondern weil sie keine Wahl haben.

Vom Wert eines guten Schweigens

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Europa, und insbesondere seine lautesten Politiker, einmal innehalten. Nicht, um die nächste Apokalypse zu predigen, sondern um zuzuhören. Denn es könnte sein, dass Länder wie Indien und China längst Lösungen erarbeiten, die weniger moralisch, dafür aber realistischer sind. Es könnte sein, dass man von ihnen lernen kann.

Doch das würde bedeuten, das Ego hintanzustellen – und das ist eine Disziplin, die der westliche Weltretter nicht beherrscht. Stattdessen gibt es Sonntagsreden, Flugreisen zu UN-Klimakonferenzen und das Versprechen, dass wir „die Welt retten können“, wenn alle nur bereit sind, ein bisschen Verzicht zu üben. Kleiner Hinweis: Für jemanden, der mit zwei Dollar am Tag überleben muss, klingt „Verzicht“ eher wie ein schlechter Witz.

Reis und Respekt statt Ratschläge

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass Länder wie China und Indien ihre Bevölkerung ernähren und mit Energie versorgen müssen – mit oder ohne europäische Belehrungen. Und vielleicht sollten wir uns darauf konzentrieren, erst einmal unsere eigenen Hausaufgaben zu machen, bevor wir anderen die ihren erklären. Denn die Moral von der Geschichte ist so simpel wie der Reis in einer Schale: Es ist leicht, von oben herab über Ethik zu sprechen, wenn der eigene Magen voll ist.

Alle Jahre wieder Davos

Eine Stadt im Ausnahmezustand

Es ist wieder soweit: Das idyllische Bergdorf Davos verwandelt sich in eine Festung aus Blaulichtern, gepanzerten Limousinen und temporären Helikopterlandeplätzen. Die Straßen, sonst der Inbegriff alpiner Beschaulichkeit, mutieren zu einem schillernden Laufsteg der Globalisierung, auf dem milliardenschwere CEOs, technokratische Visionäre und politisch Verantwortliche Schulter an Schulter mit Influencern und Lobbyisten flanieren – stets unter dem dezenten Geleit diverser Sicherheitskräfte.

Doch die wahre Magie liegt nicht in den greifbaren Dingen. Nein, sie schwebt wie ein unsichtbarer Duft aus Privatchampagner über dem Kongresszentrum. Es ist das Versprechen, dass hier nicht weniger als die Zukunft der Menschheit diskutiert wird – oder zumindest die Zukunft jener, die sich eine Karte für den inneren Zirkel leisten können.

Eine oxymoronische Liebesgeschichte

Das diesjährige Motto, „Zusammenarbeit für das Zeitalter der Intelligenz“, mutet an wie der Klappentext eines schlecht verkauften Science-Fiction-Romans. Zusammenarbeit? Ja, natürlich, aber nur, solange der andere zuerst kooperiert. Intelligenz? Unbedingt, aber bitte ausschließlich im Sinne einer KI-gestützten Maximierung von Renditen.

Was hier auf Hochglanzfolien mit Buzzwords wie „nachhaltige Innovation“ oder „resiliente Lieferketten“ daherkommt, übersetzt sich in der Praxis oft in: „Wie können wir gemeinsam die besten Steueroasen optimieren?“ Oder: „Welche Algorithmen sorgen dafür, dass der Konsument nie merkt, wie wenig Wert wir ihm tatsächlich zurückgeben?“ Es ist eine beeindruckende Leistung der semantischen Gymnastik, dass sich aus diesen Prämissen immer wieder neue Narrative für die Pressekonferenz destillieren lassen.

Das inoffizielle Rahmenprogramm

Während tagsüber Panels zur Frage stattfinden, wie man die globale Armut bekämpft, geben die Abende eine andere Antwort: Man umgeht sie elegant, indem man sich mit Gleichgesinnten in Private Lounges zurückzieht – und dort ungestört über steigende Gewinnmargen plaudert.

Die vielleicht ehrlichste Branche, die sich zum WEF in Davos einfindet, bleibt dabei die der Escort-Dienstleistungen. Die schillernde Hypokrisie des Forums zeigt sich nirgends deutlicher als hier: Auf den Panels wird über Frauenrechte und Inklusion referiert, während abends dasselbe Publikum in luxuriösen Chalets diskrete Besuche empfängt. Der Umsatz? Bis zu zehn Millionen Dollar – das Zehnfache dessen, was vermutlich in den Workshops zur Armutsbekämpfung realistisch veranschlagt wird.

Dabei haben die Escort-Damen eine unschätzbare Funktion: Sie bieten den Gästen ein Ventil für den Druck, der sich zwangsläufig aufbaut, wenn man tagsüber so viel über das Gemeinwohl reden muss. Man könnte fast sagen: Sie sind das emotionale Backup-System der globalen Elite.

Der Elefant im Raum trägt Prada

Doch natürlich geht es nicht nur um persönliche Eskapaden. Die wahren Dramen spielen sich auf der Bühne der globalen Machtpolitik ab. Der Klimawandel? Dringend! Aber bitte erst, nachdem die neuen Pipelines genehmigt wurden. Künstliche Intelligenz? Bahnbrechend! Allerdings nur, wenn sie die Profitabilität erhöht. Soziale Gerechtigkeit? Unbedingt! Aber nur bis zur Grenze dessen, was Aktionäre tolerieren können.

Es ist ein Schauspiel, in dem niemand wirklich etwas ändern möchte, außer vielleicht die eigene Machtposition. Und so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Davos weniger ein Forum der Lösungen als ein hochdotierter Therapieclub für die Spitzen der Nahrungskette ist.

Eine zynische, aber notwendige Schlussfolgerung

Natürlich wird auch 2025 Davos mit einer wohlformulierten Abschlusserklärung enden, die Worte wie „Hoffnung“, „Verantwortung“ und „Innovation“ wie Bonbons verteilt. Doch wer hinter die Kulissen blickt, erkennt die wahren Mechanismen: Ein globaler Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem gute Absichten mit kalter Effizienz monetarisiert werden.

Man könnte das alles als zutiefst zynisch abtun. Aber ist es nicht auch ein wenig bewundernswert? Diese unverhohlene Fähigkeit, selbst die schwersten globalen Herausforderungen in eine PR-Strategie zu verwandeln? Vielleicht ist das die eigentliche Intelligenz des 21. Jahrhunderts: Die Kunst, sich selbst treu zu bleiben, während man so tut, als wäre man dabei, die Welt zu retten.

In diesem Sinne: Willkommen in Davos.

Polenböller

Wenn Panzerabwehrminen IKEA besuchen

Manchmal hat man das Gefühl, die Welt würde von einem absurden Theaterstück dirigiert, geschrieben von einem kafkaesken Dramatiker, der zu viele Vodka-infused Gurken gegessen hat. Anders lässt sich das Geschehen im Sommer 2024 kaum erklären, als die polnische Armee das Undenkbare schaffte: Sie vergaß 240 Panzerabwehrminen, als sie ihre hochmodernen Gerätschaften aus einem Zug entlud. Nicht ein, zwei oder drei – was man als „peinliches Missgeschick“ hätte verbuchen können. Nein, es waren zwei-hundert-vierzig Minen, die, mit einer gemeinsamen Sprengkraft von etwa 2,2 Tonnen, genug Energie hatten, um „zwei Wolkenkratzer zu zerstören“. Oder – wenn man schon zynisch rechnet – ein IKEA Möbellager zu sprengen, das ironischerweise ihr Endziel wurde.

Natürlich stellt sich die naheliegende Frage: Wie? Wie in aller Welt verliert man eine derart tödliche Fracht? Vergesslichkeit ist menschlich, ja. Ein Schlüsselbund, eine Sonnenbrille, meinetwegen auch mal ein Koffer. Aber ein ganzes Arsenal? Ist die polnische Armee etwa ein Ensemble von zerstreuten Professoren in Uniform? Oder gehört es zur militärischen Doktrin, dass „unauffälliges Zurücklassen“ eine Tarnstrategie sein könnte?

Die Odyssee der Todesmaschinen – Eine Reise durch Polen

Die Minen, deren offizieller Auftrag vermutlich war, feindliche Panzer und nicht die Geduld der Zivilbevölkerung zu zermalmen, begaben sich nach ihrer Vergessens-Taufe auf eine höchst abenteuerliche Zugfahrt quer durch Polen. Von Szczecin aus, jener beschaulichen Stadt nahe der deutschen Grenze, rollten sie gemütlich in die polnische Provinz. Niemand bemerkte den blinden Passagier – ein beeindruckendes Statement zur Sicherheit des Schienennetzes.

Vielleicht hielten einige Bahnangestellte das Gewicht für einen besonders sperrigen Vorrat an Pierogi. Vielleicht waren sie zu sehr damit beschäftigt, Tickets zu kontrollieren, als dass sie sich für eine bedrohliche Metallkiste interessierten, die augenscheinlich keinen Fahrschein gelöst hatte. Irgendwie landeten die Minen schließlich in einem IKEA Möbellager. Ein tragikomisches Ziel, wenn man bedenkt, dass sich hier tausende Menschen tagtäglich mit kämpferischer Entschlossenheit durch labyrinthartige Möbelaufbauten kämpfen – mit der Sprengkraft der eigenen Frustration über die Unlesbarkeit von Aufbauanleitungen.

Wenn Minen auf Billy treffen – Ein (un)erwartetes Crossover

Es ist eine bemerkenswerte Ironie der modernen Welt, dass Panzerabwehrminen und IKEA-Möbel am selben Ort zusammentrafen. Hier ein Symbol der Zerstörung, dort ein Synonym für den Aufbau. Die einen töten Panzer, die anderen Beziehungen. Die Vorstellung, dass 240 Minen diskret zwischen Kallax-Regalen und Fjällbo-TV-Ständern verstaut wurden, hätte selbst Kafka zum Lachen gebracht. Man könnte sagen, die Minen fanden hier endlich ihre wahre Berufung: Als abschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn logistische Albträume Wirklichkeit werden.

Ein halbes Jahr Stille – Der mediale Minentanz

Doch der eigentliche Skandal ist nicht der Verlust der Minen selbst – immerhin lebt man in einer Welt, in der Politiker ganze Wirtschaftssysteme in Vergessenheit geraten lassen. Nein, der wahre Hohn liegt in der Tatsache, dass dieser Vorfall ein halbes Jahr lang unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt wurde. Es brauchte journalistische Detektive, um das Geschehen ans Tageslicht zu zerren, während sich die Verantwortlichen in verschämtem Schweigen übten.

Natürlich stellt sich die Frage, wer in dieser Zeit die Minen bewachte. Wurde ein Praktikant abgestellt, um sicherzustellen, dass sie nicht spontan explodierten? Oder saßen sie einsam im Möbellager, wo sie möglicherweise mehr Emotionen weckten als der neueste Lackvitrinenschrank?

Die Moral von der Geschichte – Ein satirisches Epilog

Es gibt Geschichten, die gleichzeitig lachhaft und erschütternd sind. Die verlorenen Minen von Stettin gehören zweifellos dazu. Sie erzählen von institutioneller Fahrlässigkeit, von der absurden Komik bürokratischer Missstände und von der unfreiwilligen Poesie, die entsteht, wenn Zerstörung und Möbeldesign in unerwarteter Harmonie koexistieren.

Vielleicht ist dies ein Weckruf. Nicht nur für die polnische Armee, sondern für uns alle. Manchmal, so scheint es, braucht es 240 verlorene Panzerabwehrminen, um zu erkennen, wie fragil die Ordnung ist, auf die wir uns verlassen. Vielleicht sollten wir uns öfter fragen, ob unsere „Sicherheitskonzepte“ nicht ebenso löchrig sind wie ein IKEA-Werkzeugschlüssel. Denn eins ist klar: In einer Welt, in der Minen IKEA besuchen, ist nichts mehr unmöglich.

Kranksein, das verkannte Potenzial der Freizeitgestaltung

Ein Hoch auf die Effizienz:

Es ist doch wirklich zu bedauern, wie sehr wir die großartigen Möglichkeiten des Krankseins verkennen. Sie werden krank? Und was tun Sie? Sie rufen beim Arbeitgeber an, murmeln ein paar leidige Worte über Fieber, Husten und die Unmöglichkeit, heute produktiv zu sein. Und schon beginnt der absurde Kreislauf: Arztbesuch, Krankschreibung, Bettlägerigkeit. Warum so umständlich? Warum nicht gleich das naheliegende tun: Urlaub beantragen! Denn Hand aufs Herz, wer bitte braucht Urlaub dringender als jemand, der krank ist?

Urlaub als Heilmittel: Eine unternehmerfreundliche Utopie

Die Logik dahinter ist doch bestechend: Statt einer staubtrockenen Krankschreibung, die ohnehin nur Papierkram für alle Beteiligten bedeutet, gönnen Sie sich einfach ein paar Tage offiziell als „Urlaub“. Der Arbeitgeber? Zufrieden, weil Sie seine Personalplanung nicht durcheinanderbringen. Sie selbst? Glücklich, weil Sie die ultimative Work-Life-Balance erreicht haben – und das ohne schlechtes Gewissen. Eine Win-Win-Situation, die uns alle nach vorne bringt! Denn, so ehrlich müssen wir sein: Der Arbeitgeber kann doch wirklich nichts dafür, dass Sie krank sind. Warum also sollte er darunter leiden? Schließlich ist das Krankwerden eine rein persönliche Angelegenheit, die mit der betrieblichen Effizienz nicht das Geringste zu tun hat.

Kranksein ist der neue Wellness-Trend

Betrachten wir das Kranksein doch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Was ist es anderes als eine Art ungebetener, aber nicht minder intensiver Wellnesskur? Sie verbringen Tage, manchmal Wochen, im Bett. Das klingt nach erstklassigem Home-Office ohne Office. Statt Zoom-Meetings: Serien-Marathons. Statt Excel-Tabellen: Hühnersuppe. Wer braucht da noch teure Spa-Hotels, wenn die eigene Couch denselben Erholungseffekt bietet? Und das Beste daran: Sie haben endlich Zeit für all die Podcasts und Bücher, die sonst immer nur auf der To-Do-Liste verstauben. Warum sollte diese Zeit nicht als offizieller Urlaub anerkannt werden?

Ein tragisches Opfer kollektiver Verantwortungslosigkeit

Ah, der arme Arbeitgeber. Immer der Leidtragende in dieser Geschichte. Während Sie daheim mit Ihrer Erkältung ringen, steht er vor einer Misere epischen Ausmaßes: Wer übernimmt Ihre Aufgaben? Wer hält das Rad am Laufen? Und überhaupt, wie kann man von ihm verlangen, für etwas aufzukommen, das weder in seiner noch in Ihrer Macht steht? Es ist, als würde man einem Bäcker vorwerfen, dass die Sonne aufgeht, oder einem Installateur, dass es regnet. Absurd! Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass der Arbeitgeber mit genau solchen Eventualitäten rechnen müsste, schließlich gehört das zu den kalkulierbaren Risiken des Unternehmertums. Aber so ein Argument ist doch nichts anderes als blanker Sozialismus!

Überbewertet und antiquiert

Die Vorstellung, dass jeder Mensch ein unveräußerliches Recht darauf hat, bei Krankheit zuhause zu bleiben, ist nicht nur antiquiert, sondern geradezu dekadent. Es setzt voraus, dass der Mensch an sich ein Wesen von Wert ist, auch dann, wenn er gerade nichts zum Bruttosozialprodukt beiträgt. Welch absurder Gedanke in unserer durchökonomisierten Welt! Warum nicht stattdessen den Krankenstand als ein veraltetes Relikt abschaffen und durch flexiblere Modelle ersetzen? Zum Beispiel könnte jeder Arbeitnehmer pro Jahr eine bestimmte Anzahl an „Krankheitsurlaubstagen“ erhalten, die er dann bei Bedarf einsetzt. Gehen die Tage aus? Nun ja, dann ist es eben Pech, oder, wie der moderne Manager sagen würde: Eigenverantwortung.

In diesem Sinne: Gute Besserung! Und denken Sie daran: Der nächste Urlaub ist nur ein Schnupfen entfernt.

Die gute Nachricht: Kein Frieden am ersten Tag

Es gibt Sätze, die bleiben einem im Gedächtnis haften wie Kaugummi unter der Schuhsohle. Nicht, weil sie von unermesslicher Tiefe oder brillanter Eloquenz wären, sondern weil sie ein Vakuum hinterlassen, in dem man die Hoffnung, den Glauben und manchmal auch die Vernunft sucht. Elmar Theveßens jüngste Einlassung bei Maybrit Illner fällt zweifellos in diese Kategorie. „Die gute Nachricht ist, es wird nicht schon am ersten Tag der Frieden ausbrechen, in dieser Region.“ Ein Satz, der so verstörend wie rätselhaft wirkt – eine sprachliche Eselsbrücke, die ins Nirgendwo führt. Man könnte ihn als Scherz auffassen, hätte nicht die deutsche Journalismus-Elite jenes traurige Pokerface perfektioniert, das jeden Ansatz von Ironie im Keim erstickt.

Man fragt sich unweigerlich: War das ein rhetorischer Unfall oder kalkulierte Provokation? Und wenn es das Letztere war – wem sollte damit geholfen sein? Vielleicht war es auch ein unfreiwilliger Blick in den trüben Abgrund unserer gegenwärtigen Medienlogik, die mit dem Zynismus der Alltagspolitik längst ein Liebesverhältnis eingegangen ist. Willkommen im Jahr 2025, wo „gute Nachrichten“ scheinbar bedeuten, dass es wenigstens nicht gleich die Apokalypse gibt. Noch nicht.

Die Kunst des destruktiven Optimismus

Es gibt verschiedene Arten, eine Botschaft zu übermitteln. Manche sprechen Klartext, andere tarnen sich in dichterischen Metaphern. Und dann gibt es jene, die in scheinbar beiläufiger Manier das eigentliche Problem enthüllen, während sie vorgeben, Hoffnung zu verbreiten. Theveßen, man muss es ihm lassen, beherrscht diese letzte Disziplin wie ein Virtuose. Man stelle sich nur den hypothetischen Zuschauer vor, der in seiner Couch versunken diesen Satz hört. Die Stirn kräuselt sich, die Augen werden schmal, und spätestens nach drei Sekunden setzt das große Grübeln ein: „Habe ich das richtig verstanden?“ Ja, lieber Zuschauer, hast du. Die Botschaft ist so klar wie deprimierend: Der Krieg wird weitergehen, und das ist, nun ja, besser, als wenn er nicht weiterginge.

Natürlich ist es unfair, sich allein an Theveßens unfreiwillig grotesker Formulierung abzuarbeiten. Vielleicht wollte er ja nur ausdrücken, dass Trump 2.0 nicht sofort mit dem Zauberstab die Ukraine in ein russisches Protektorat verwandeln wird. Vielleicht war es eine versteckte Spitze gegen die oft naive Vorstellung, dass ein einzelner Mann – sei er Orange oder nicht – den Lauf der Geschichte über Nacht ändern kann. Aber selbst, wenn man dem Satz diese wohlwollende Interpretation zugesteht, bleibt doch der Nachgeschmack einer bitteren Wahrheit: Wir haben uns an den Zynismus gewöhnt, so sehr, dass wir ihn mit „guter Nachricht“ verwechseln.

Die Ukraine als Kulisse für westliche Befindlichkeiten

Ein weiteres Problem des Theveßenschen Bonmots liegt darin, dass es – ohne es auszusprechen – die Ukraine zu einer Art Statistenrolle degradiert. Der Krieg in der Ukraine ist in dieser Lesart weniger eine humanitäre Katastrophe, weniger ein Angriff auf die Grundlagen der europäischen Friedensordnung, sondern vielmehr ein Prüfstein für die geopolitischen Schachzüge eines Donald Trump. Die Ukrainer, so könnte man zynisch formulieren, dürfen in diesem Narrativ weiter leiden, damit wir hier im Westen darüber spekulieren können, was das für die nächste US-Wahl bedeutet. Die eigentlichen Opfer des Konflikts werden zu Schachfiguren, zu Variablen in einem strategischen Planspiel, das mit jedem Tag grotesker wirkt.

Natürlich ist diese Perspektive nicht neu. Sie ist Teil des westlichen Diskurses, der es hervorragend versteht, moralische Entrüstung und strategisches Kalkül miteinander zu verknüpfen, ohne jemals die innere Widersprüchlichkeit zu thematisieren. Wir liefern Panzer, aber keine Jets. Wir sprechen von Prinzipien, aber bitte nicht zu laut, wenn es um Gasimporte geht. Und jetzt also diese „gute Nachricht“, die impliziert, dass wir uns irgendwie mit dem Krieg arrangiert haben, solange er uns nicht zu direkt betrifft.

Der tiefe Fall der Hoffnung

Es ist bezeichnend für den Zustand unserer Zeit, dass selbst die Hoffnung zur Ware geworden ist. Gute Nachrichten sind kein Ausdruck einer besseren Zukunft mehr, sondern eine taktische Durchhalteparole. Sie bedeuten nicht, dass sich etwas zum Positiven wendet, sondern nur, dass es nicht noch schlimmer wird – jedenfalls nicht sofort.

Elmar Theveßen hat das vielleicht gar nicht bewusst so gemeint, aber sein Satz könnte als Lehrbeispiel für die schleichende Erosion unserer Maßstäbe herhalten. Wo einst Visionäre und Optimisten über Frieden und Gerechtigkeit philosophierten, analysieren wir heute nüchtern, wie lange ein Krieg noch dauern könnte, bevor er „geopolitisch relevant“ wird. Das ist keine Kritik an Theveßen allein, sondern an einer gesamten Klasse von Kommentatoren, die sich irgendwo zwischen Expertenmeinung und Boulevard-Alarmismus eingerichtet haben.

Zwischen Ironie und Tragik

Am Ende bleibt nur die Frage, ob man über all das lachen oder weinen sollte. Vielleicht ist Theveßens Satz genau deshalb so verstörend, weil er die Absurdität unserer Lage in aller Kürze zusammenfasst. Vielleicht ist es aber auch genau das, was ihn zu einer unfreiwilligen Satire auf unsere eigene Hilflosigkeit macht.

Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in den Worten des großen Kurt Tucholsky Trost zu suchen: „Satire darf alles.“ Sogar gute Nachrichten über einen nicht eintretenden Frieden.

Doppelmoral – Weil Moral Alleine Nicht Genügt

Die tugendhafte Chimäre unserer Zeit

Man sagt, der Mensch sei ein moralisches Wesen. Doch wie oft zeigt sich, dass seine Moral eine geradezu erstaunliche Fähigkeit hat, sich den Gegebenheiten anzupassen – wie ein Chamäleon, das je nach Bedarf seine Farbe wechselt. Diese Fähigkeit ist jedoch keine biologische Notwendigkeit, sondern ein geistiges Kunststück, das unsere Spezies perfektioniert hat. Der Fachbegriff dafür lautet: Doppelmoral. Sie ist kein unglücklicher Betriebsunfall der Ethik, sondern vielmehr eine unverzichtbare Lebensstrategie, die uns den Spagat zwischen hehrem Anspruch und schmutziger Wirklichkeit ermöglicht. Ohne sie stünden wir nämlich völlig nackt da, bloßgestellt in unserer profanen Widersprüchlichkeit. Das wäre – Hand aufs Herz – doch zutiefst unangenehm, nicht wahr?

Moral als Statussymbol: Heucheln mit Stil

Die moderne Moral hat sich längst zu einem Accessoire gemausert. Früher trugen die Aristokraten Perücken und Kniestrümpfe, heute trägt man moralische Überzeugungen – und zwar vorzugsweise solche, die glänzen wie frisch poliertes Silberbesteck. Moral ist nicht mehr bloß ein Leitfaden für das Handeln, sondern ein Distinktionsmerkmal. Wer sich moralisch korrekt verhält, erhebt sich über den Durchschnitt – zumindest nach außen hin. Doch da stellt sich die Frage: Wie moralisch muss ich wirklich sein, damit es noch gut aussieht, ohne dabei unbequem zu werden?

Das ist die Kunst: Die Doppelmoral erlaubt es uns, die glänzende Fassade zu wahren, während wir hinter verschlossenen Türen nach Lust und Laune sündigen. Wir posten unser veganes Frühstück auf Instagram, während wir abends heimlich Steaks futtern. Wir prangern Online-Shopping an und tippen dennoch nachts um zwei eine Bestellung bei Amazon. Moralische Konsistenz ist so anstrengend – und Doppelmoral bietet die perfekte Ausrede.

Ökologisches Engagement: Rettet die Welt, aber nicht zu meinen Lasten

Kein Thema zeigt die Absurdität der Doppelmoral so deutlich wie der Umweltschutz. In einer Zeit, in der die Erde förmlich vor sich hin brutzelt, ist es ein Muss, sich als umweltbewusster Bürger zu inszenieren. Aber was genau bedeutet das? Nun, es heißt, die richtige Symbolik zu bedienen: Jutebeutel statt Plastiktüten, ein Hybridauto in der Garage und ab und zu ein Foto mit einem selbst gepflanzten Baum. Das reicht.

Doch wehe, jemand wagt es, uns auf die Widersprüche hinzuweisen! „Wie? Du fliegst nach Bali und nennst dich Klimaschützer?“ – solche Angriffe können die fragile Fassade der Tugendhaftigkeit ernsthaft gefährden. Hier setzt die Doppelmoral zu einem ihrer elegantesten Kunststücke an: Die Reise wird nicht als Urlaubsvergnügen, sondern als „Selbstfindung“ deklariert. Schließlich ist Bali ja nicht nur eine Touristenfalle, sondern ein spirituelles Zentrum, nicht wahr? Und für Spiritualität darf man auch mal CO₂ ausstoßen. Das ist schließlich Teil der menschlichen Suche nach Sinn. Oder so ähnlich.

Wie ich lernte, mir meine Widersprüche zu leisten

Der Konsum ist die Königsdisziplin der Doppelmoral. In keiner anderen Sphäre wird so schamlos fröhlich gegen die eigenen Prinzipien verstoßen. Die Modeindustrie ist ein Paradebeispiel: Man empört sich über die Arbeitsbedingungen in asiatischen Textilfabriken, während man gleichzeitig für 7,99 Euro ein T-Shirt kauft, das nicht einmal ein Praktikant in Europa zusammennähen könnte. Aber hey, immerhin sind wir moralisch empört, oder?

Hier greift eine weitere Grundregel der Doppelmoral: Die Empörung über andere legitimiert den eigenen Fehltritt. Wer lautstark die großen Konzerne kritisiert, kann sich guten Gewissens eine neue Designerhandtasche leisten. Schließlich muss man ja gut aussehen, wenn man demonstrieren geht. Und überhaupt, „es ist doch die Gesellschaft, die mich zwingt, so zu handeln“. Das ist der Trick: Schuld ist immer das System – nie der Einzelne.

Wohltätigkeit auf Instagram

Auch die soziale Gerechtigkeit ist ein Feld, auf dem die Doppelmoral in voller Blüte steht. Wir alle möchten uns als aufgeschlossene, gerechte und solidarische Menschen präsentieren. Deshalb posten wir fleißig Hashtags, teilen Petitionen und „liken“ die Beiträge von NGOs. Aber wenn es darauf ankommt, wirklich zu helfen – etwa, indem wir unseren Steuerberater nicht nach Schlupflöchern fragen oder das billige Reinigungsangebot einer unterbezahlten Putzfrau ausschlagen –, hört der Spaß auf.

Das gilt auch für die Flüchtlingsdebatte. Natürlich sind wir alle für offene Grenzen – zumindest, solange die Betroffenen weit weg bleiben. Sobald aber die Möglichkeit besteht, dass das Asylbewerberheim direkt nebenan errichtet wird, entdecken viele die Liebe zu ihrem „kulturellen Erbe“ und machen sich Sorgen um die „soziale Balance“. Der Spagat zwischen Mitgefühl und Egoismus ist beeindruckend. Es ist fast eine sportliche Disziplin, wie wir es schaffen, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und gleichzeitig keinerlei persönlichen Verzicht üben zu müssen.

Warum Doppelmoral unverzichtbar ist

Man könnte meinen, diese Analyse sei eine Abrechnung mit der Doppelmoral. Doch das wäre zu kurz gedacht. Vielmehr sollten wir ihre Existenz anerkennen – ja, feiern! Denn sie ist nicht nur ein Zeichen unserer Unzulänglichkeit, sondern auch unseres Einfallsreichtums. Sie erlaubt uns, mit unseren Widersprüchen zu leben, ohne daran zu zerbrechen. Sie bewahrt uns vor der radikalen Ehrlichkeit, die zwar bewundernswert, aber schlicht unpraktisch wäre.

Am Ende des Tages ist Doppelmoral keine Schwäche, sondern ein Überlebensmechanismus. Ohne sie wären wir entweder heilige Märtyrer oder schamlose Zyniker – und beides wäre doch unerträglich langweilig. Die Doppelmoral hingegen bietet uns die Möglichkeit, beides zu sein: ein bisschen Heiligenschein und ein bisschen Teufelshörner. Denn wer will schon einseitig sein? Moral alleine genügt eben nicht – wir brauchen die Doppelmoral, um uns vollständig auszudrücken. Und wenn das nicht menschlich ist, was dann?

Frau Nancy F.

Die Demokratie ist heute der Feind aller aufrechten Demokraten

Es gibt sie, diese Gestalten, die als obskure Fußnote in die Geschichtsbücher eingehen werden, wenn überhaupt. Frau Nancy F., ihres Zeichens Verwaltungsfurie und selbsterklärte Wächterin des demokratischen Anstands, hat jedoch eine beeindruckende Fähigkeit entwickelt: Sie verwandelt das klare Licht der Vernunft in ein durch Vorzimmer und Paragrafendschungel zerstreutes Irrlicht. Man fragt sich, ob sie je einen Gedanken zu Ende gedacht hat, oder ob ihre Reden und Handlungen nicht vielmehr das Produkt einer politischen Nebelmaschine sind, die sich selbständig gemacht hat.

Frau F., die in ihren gestärkten Blusen und akkurat gebügelten Hosenanzügen so aussieht, als sei sie von einem Handbuch für Verwaltungsästhetik inspiriert, liebt es, von der „Gefahr für die Demokratie“ zu sprechen. Aber wehe dem, der diese Phrase zu analysieren wagt. In ihren Händen wird „Demokratie“ zu einer hohlen Vokabel, die nach Belieben gedehnt, gestaucht und verdreht wird, bis nichts mehr übrig bleibt als eine amorphe Masse aus politischen Floskeln und moralischen Appellen. Das ist die wahre Kunst von Frau F.: Sie spricht nicht, um zu kommunizieren, sondern um zu verhindern, dass irgendjemand auf die Idee kommt, sie könne möglicherweise selbst das Problem sein.

Die Kunst der empörten Beliebigkeit

Man muss Frau Nancy F. jedoch eines lassen: Ihre Empörung ist von nahezu mathematischer Präzision. Egal ob es um „antidemokratische Tendenzen“ geht (was immer das sein mag) oder um „die Spaltung der Gesellschaft“ (ein Begriff, so dehnbar wie ein Gummiband aus der Kreidezeit) – Frau F. findet stets den genauen Punkt, an dem die öffentliche Aufmerksamkeit am größten und die intellektuelle Durchdringung am kleinsten ist.

So stand sie neulich wieder auf einer dieser unzähligen Pressekonferenzen, die sich nur durch die Farbe des Hintergrundbanners und die Marke der angebotenen Kekse unterscheiden lassen, und erklärte mit ernster Miene, dass „die Demokratie heute gefährdeter ist als je zuvor“. Kein Journalist fragte nach, warum das eigentlich so ist. Und das ist auch gut so, denn die Antwort hätte wahrscheinlich länger gedauert als die durchschnittliche Amtszeit einer demokratisch gewählten Regierung.

Frau F. hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle, die nicht ihrer Meinung sind, als „Gefährder“ abzustempeln. Dass dies ironischerweise genau das autoritäre Verhalten ist, das sie angeblich bekämpft, scheint ihr nicht aufzufallen – oder es ist ihr schlichtweg egal. Vielleicht liegt darin ihre wahre Genialität: eine Art politischer Zen-Meisterschaft, die darin besteht, Widersprüche so konsequent zu ignorieren, dass sie sich in Luft auflösen.

Demokratie als Selbstzerstörungsmechanismus

Was ist Demokratie, wenn nicht die Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk? Doch in der Welt von Frau Nancy F. wird dieser uralte Grundsatz auf den Kopf gestellt. Hier regiert nicht das Volk, sondern eine kleine Clique von Funktionären, die mit erstaunlicher Regelmäßigkeit davon überzeugt sind, besser zu wissen, was das Volk braucht, als dieses Volk selbst.

Die Ironie daran ist nicht zu übersehen: Während Frau F. in Sonntagsreden die Demokratie verteidigt, arbeitet sie werktags fleißig daran, jede Form echter Mitbestimmung zu sabotieren. Bürgerentscheide? Zu kompliziert. Direkte Demokratie? Zu gefährlich. Transparenz? Zu anstrengend. Stattdessen setzt sie auf eine Mischung aus wohlklingenden Phrasen und inhaltsleeren Gesetzesentwürfen, die in ihrer Unverständlichkeit nur noch von den dazugehörigen Pressemitteilungen übertroffen werden.

Das Theater der Demokratieverteidiger

Natürlich ist Frau F. nicht allein. Sie ist Teil eines größeren Ensembles, eines Theaters der Selbstgerechtigkeit, in dem jeder eine Rolle spielt, aber niemand Verantwortung übernimmt. In diesem absurden Stück ist die Demokratie keine lebendige Idee mehr, sondern ein Dekorationsgegenstand, der je nach Bedarf zurechtgerückt wird.

Die Zuschauer, also wir, das Volk, dürfen derweil applaudieren oder buhen, aber bloß nicht zu laut, denn sonst könnten wir als „demokratiefeindlich“ gelten. Und so schauen wir zu, wie Frau F. und ihre Mitstreiter mit ernsten Gesichtern über die Bühne stolpern, während sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und dabei immer wieder betonen, wie wichtig ihre Arbeit für den Fortbestand unserer Gesellschaft ist.

Ein Augenzwinkern für die Demokratie

Man könnte meinen, das alles sei zum Verzweifeln. Aber vielleicht ist es genau das, was Frau F. und Konsorten uns lehren wollen: dass Demokratie keine ernste Angelegenheit mehr ist, sondern ein absurdes Schauspiel, in dem die größten Narren die lautesten Applaudierenden sind.

Vielleicht sollten wir uns also nicht ärgern, sondern lachen – nicht aus Zynismus, sondern aus einer Art liebevoller Verzweiflung. Denn am Ende sind wir alle Teil dieses seltsamen Spiels, ob wir wollen oder nicht. Und vielleicht, nur vielleicht, liegt genau darin die wahre Stärke der Demokratie: dass sie selbst dann überlebt, wenn Menschen wie Frau Nancy F. sie zu verteidigen versuchen.

Sparen gegen den „kleinen Mann“

Budgetpolitik und die systematische Disziplinierung der breiten Masse

Wenn die Regierungsbank das Wort „Sparen“ in den Mund nimmt, tönt es wie das entfernte Läuten einer Alarmglocke – gedämpft, aber unüberhörbar, und stets mit dem moralischen Nachdruck versehen, als sei dies der einzige Weg, die fragile Fassade unserer Zivilisation zu retten. Sparen ist der Flirt mit dem Chaos, sagen sie, ein ehrenwertes Opfer zugunsten des „großen Ganzen“. Doch während die Machtelite im maßgeschneiderten Zwirn diese Botschaft verkündet, bleibt der eigentliche Adressat dieses rigiden Dogmas unverhohlen klar: der „kleine Mann“. Der werktägliche Malocher, die alleinerziehende Mutter, der alte Rentner mit dem dicken Pullover auf dem schmalen Balkon. Sie sollen das Tafelsilber polieren, während die oberen Ränge sich das Dessert servieren lassen.

Es ist bemerkenswert, wie konsequent die politisch Verantwortlichen das Wort „Sparen“ immer dann in den Diskurs werfen, wenn es um Sozialleistungen geht, aber wie unnachgiebig still sie werden, sobald man in den Sphären der Unternehmensbesteuerung oder der vermögensbasierten Abgaben nachfragt. Denn Sparen ist nicht gleich Sparen. Hier spart der Staat nicht etwa, um seine Effizienz zu steigern oder um langfristig Investitionen zu finanzieren – nein, Sparen dient der symbolischen Disziplinierung der unteren Klassen. Eine Art staatlich orchestrierte Askese, während im Hintergrund die Champagnerkorken knallen.

Die unendliche Geschichte des Generationenkriegs

Man kennt das Mantra: „Die Pensionssysteme sind nicht nachhaltig.“ Diese Phrase wird mit der gleichen mechanischen Präzision wiederholt wie ein Wetterbericht im Hochsommer. Die Demografie ist schuld, heißt es. Menschen werden älter, die Jungen zu wenige, und ohnehin hätte die Nachkriegsgeneration ohnehin viel zu großzügige Vereinbarungen getroffen. All das klingt auf den ersten Blick plausibel – bis man genauer hinsieht.

Warum wird bei jeder Rentenreform fast ausschließlich an den Bezügen der unteren und mittleren Einkommensgruppen geschraubt? Warum bleibt die staatlich geförderte Kapitalrente der Besserverdienenden unangetastet? Und warum ist es ein Tabu, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich auch nur anzusprechen? Die Antwort ist simpel: Sparen im Pensionssystem ist weniger ein ökonomisches Problem als ein ideologisches Werkzeug. Es geht um die Aufrechterhaltung eines Narrativs, das da lautet: Ihr habt zu viel, wir müssen euch zügeln. Dabei verschleiern die Verantwortlichen, dass die Rentenlücke eine Folge politischer Entscheidungen ist – und nicht das Werk eines unbarmherzigen Schicksals.

Wo der Markt regiert, stirbt der Mensch

Das Gesundheitssystem ist ein Paradebeispiel dafür, wie man aus einem öffentlichen Gut ein ökonomisches Schlachtfeld machen kann. Auf der einen Seite stehen die Bürger, die sich die Frage stellen, ob sie sich eine notwendige Behandlung leisten können. Auf der anderen Seite stehen die Lobbyisten der Pharmaindustrie und privater Krankenhäuser, die sich längst daran gewöhnt haben, dass Gesundheit ein Geschäft und kein Menschenrecht ist.

Das Mantra des Sparens hier ist nicht nur zynisch, sondern brandgefährlich. Wenn Betten abgebaut werden, medizinisches Personal überlastet ist und Patienten wochenlang auf Behandlungen warten, dann hat dies nichts mit Effizienz zu tun. Es ist der gezielte Abbau der Solidarität im Namen des Profits. Und während der „kleine Mann“ seine eigenen Pillen abstottert, triumphieren die Aktionäre in den Vorstandsetagen über Rekordgewinne. Der Markt hat gewonnen, der Mensch verloren.

Der langsame Tod der Chancengleichheit

„Bildung ist die Zukunft“, hört man aus dem Mund der Politiker, während sie mit der anderen Hand die Budgets für Schulen und Universitäten kürzen. Es ist eine merkwürdige Art von Zukunftsorientierung, die da propagiert wird. Bildung wird nicht mehr als gesellschaftliche Investition betrachtet, sondern als Kostenstelle, die man möglichst effizient betreiben muss.

Das Sparen im Bildungssektor trifft dabei nicht nur die Schüler und Studenten, sondern auch die Lehrkräfte, die in maroden Gebäuden unterrichten, mit veralteten Lehrmitteln arbeiten und für ihre Mühen selten angemessen entlohnt werden. Es ist ein System, das gezielt darauf abzielt, soziale Mobilität zu blockieren. Wer reich geboren wird, bleibt reich, und wer arm ist, bleibt arm. Denn die Bildungssysteme der Oberschicht – private Schulen, Eliteuniversitäten – bleiben von diesen Sparmaßnahmen selbstverständlich unberührt.

Die moralische Erpressung der Bedürftigen

Die Kürzung von Sozialleistungen ist der Höhepunkt der Sparpolitik gegen den „kleinen Mann“. Hier wird der Schwächste zum Sündenbock gemacht, zum faulen Nutznießer des Systems, der angeblich die fleißige Mitte belastet. Dabei verschweigen dieselben Politiker, dass die eigentlichen Kosten nicht durch Sozialtransfers entstehen, sondern durch Steuervermeidung, unfaire Subventionen und ein entfesseltes Finanzsystem.

Man spart nicht nur Geld, man spart auch an Menschlichkeit. Wer Hilfe braucht, wird in bürokratischen Mühlen zerrieben, in Hartz-IV-ähnlichen Maßnahmen gedemütigt und mit Almosen abgespeist. Gleichzeitig wird die Gesellschaft darauf konditioniert, die Armen als Gegner zu betrachten, nicht als Mitmenschen.

Ein zynisches Ritual

Sparen gegen den „kleinen Mann“ ist keine Notwendigkeit, es ist ein Ritual. Es ist das Eingeständnis, dass die Mächtigen weder den Willen noch die Kreativität besitzen, um gerechtere Alternativen zu schaffen. Stattdessen wird ein Narrativ aufrechterhalten, das den Status quo zementiert.

Aber wehe, jemand schlägt vor, bei den wirklich großen Posten zu sparen: bei Subventionen für Großkonzerne, bei Steuererleichterungen für die Superreichen, bei den absurden Kosten des Militärapparates. Dann heißt es plötzlich, dies sei „unrealistisch“, „wirtschaftsfeindlich“ oder gar „populistisch“. Der kleine Mann darf sparen – die großen Jungs spielen weiter.

Vielleicht sollten wir alle den Gürtel enger schnallen – nicht aus finanziellen, sondern aus moralischen Gründen. Denn die Luft, die man mit diesem System atmet, wird immer dünner.

Die Maskerade der Tugend

Zwischenruf aus der Vergangenheit

Wenn Ignazio Silone, ein Mann, der dem Faschismus ins kalte Auge geblickt hatte, in den Ruinen des Zweiten Weltkriegs warnte, der Faschismus werde eines Tages im Mantel des Antifaschismus zurückkehren, so darf man sich erlauben, diesem Gedanken mit vorsichtiger Ironie zu begegnen. Denn wie viel subtiler könnte sich eine totalitäre Ideologie tarnen als mit der Maske der Tugend, der Banner der Freiheit und der Moral in Händen haltend? Silones Zitat ist eine jener pointierten Bemerkungen, die gleichermaßen als Mahnung wie auch als Einladung zur Selbstprüfung dienen. Doch wie ernst ist es ihm gewesen? War das ein prophetisches Seufzen oder schlicht ein kluger Aphorismus für die Ewigkeit, einer jener Sätze, die dazu geschaffen sind, in den Gassen von Florenz als Graffito zu enden oder in den Fußnoten linker Theoretiker verstaubt zu werden?

Der Antifaschismus als sakrosanktes Narrativ

Man könnte behaupten, der Begriff „Antifaschismus“ sei mittlerweile die perfekte Hohlformel geworden: wandelbar, adaptiv und elastisch genug, um alles und jeden zu umfassen, der sich irgendwie gegen Unterdrückung positioniert – oder dies zumindest behauptet. Da ist keine klare Linie mehr zwischen dem, was realer Widerstand ist, und dem, was bloß schillernde Pose bleibt. Denn seien wir ehrlich: Wer möchte in den Spiegel schauen und entdecken, dass er auf der „falschen Seite der Geschichte“ steht? Doch genau hier beginnt das Problem: Der Antifaschismus, so wie er heute vielfach auftritt, funktioniert nicht mehr als Werkzeug der Emanzipation, sondern immer öfter als Waffe der gesellschaftlichen Sanktionierung. Er wird zum Kontrollinstrument, ein moralischer Pranger, dessen Effektivität nicht auf Fakten, sondern auf der emotionalen Macht seiner Begriffe basiert.

Die Dialektik der Tugendterroristen

Es scheint fast eine dialektische Ironie der Geschichte zu sein, dass der Kampf gegen den Faschismus zuweilen selbst faschistoide Züge annimmt. Da marschieren sie, die neuen Tugendwächter, bewaffnet mit Twitter-Accounts, empörten Hashtags und der moralischen Unfehlbarkeit eines Zehnjährigen, der gerade entdeckt hat, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist, sondern in hunderttausend Grautönen schimmert. Ihre Gegner? Jeder, der es wagt, auch nur eine Nuance außerhalb der offiziellen Palette der korrekten Meinungen zu wählen. Und hier liegt die groteske Tragik: Wer einmal in die Fänge dieser selbsternannten Garde gerät, wird nicht befragt, er wird verurteilt. Der Antifaschismus wird so zum Tribunal, vor dem Abweichler keine Gnade erwarten dürfen.

Eine neue Uniform für alte Ideen

Das Paradoxe – und vielleicht auch das Geniale – an dieser neuen Form von moralischem Konformitätsdruck ist, dass er von einer Erzählung getragen wird, die sich auf die höchsten Prinzipien der Freiheit und der Menschenwürde beruft. Wer könnte es wagen, sich dagegen zu stellen? „Antifaschistisch“ ist das Adjektiv, das jeden Zweifel zerquetscht, jede Debatte vorab beendet. In seinem Namen wird diffamiert, ausgeschlossen, boykottiert, sanktioniert. Dabei könnte es fast zum Lachen reizen, wie blind die moralischen Wachtposten gegenüber ihrer eigenen Inkohärenz sind. Sie, die sich als die letzten Bastionen gegen autoritäre Übergriffe sehen, werden selbst zu autoritären Überwachern. Doch wie man weiß, sieht ein Fisch sein eigenes Wasser nicht.

Die Ästhetik der Anklage

In einer Zeit, in der Diskurse mehr von Emotionen als von Argumenten geprägt sind, haben Worte wie „Faschist“ oder „Nazi“ ihre ursprüngliche Schärfe verloren. Sie wurden zu bloßen Etiketten, die man Gegnern aufklebt, um sie aus der Arena zu schubsen. Das Problem dabei? Wenn jede Abweichung, jede Opposition, jeder Zweifel faschistisch ist, dann ist irgendwann gar nichts mehr faschistisch. Das Wort wird entkernt, seines ursprünglichen Schreckens beraubt, bis es nichts weiter ist als ein rhetorischer Vorschlaghammer, der mehr Lärm als Wirkung verursacht. Und was bleibt am Ende übrig? Ein gesellschaftliches Klima, in dem keiner mehr wagt, das Wort zu ergreifen, aus Angst, mit dem falschen Etikett versehen zu werden.

Selbstmord der Kritik

Silones warnender Satz ist heute vielleicht aktueller denn je, nicht weil der Faschismus im herkömmlichen Sinne wiederkehrt, sondern weil wir vergessen haben, wie man ihn erkennt. Die wahren Feinde der Freiheit tarnen sich nicht mehr in Uniformen und Stiefeln, sondern in freundlichen Phrasen, inklusiven Logos und gut gemeinten Initiativen. Doch unter der glänzenden Oberfläche lauert derselbe alte Geist: der Zwang, die Welt in Gut und Böse zu teilen, die Unfähigkeit, Ambiguitäten zu ertragen, und der unbändige Drang, die eigene Wahrheit universell zu machen. Und so kehrt er zurück, nicht mit dem Marschtritt vergangener Tage, sondern im sanften Flüsterton, der sich stets als das Gegenteil von dem ausgibt, was er ist.

Die Pflicht zur Skepsis

Am Ende bleibt die Frage: Wie entkommen wir diesem neuen Tugendwahn? Die Antwort ist so schlicht wie unbequem: mit Skepsis. Skepsis gegenüber einfachen Antworten, Skepsis gegenüber moralischen Absolutismen, Skepsis auch gegenüber dem eigenen Drang, alles in Schubladen zu stecken. Vielleicht würde Silone heute mit einem leisen Lächeln anmerken, dass der Faschismus zurückgekehrt ist – in Gestalt derer, die sich am lautesten gegen ihn stellen. Doch wie jeder gute Satiriker wüsste auch er: Die Tragödie der Geschichte ist immer auch ihre Farce.

Die Kunst des gepflegten Desinteresses

„Ich interessiere mich nicht für Politik.“

wie der stolz geschwellte Ausruf: „Ich interessiere mich nicht für Politik.“ Es ist eine Form intellektueller Selbstermächtigung, ein Akt symbolischen Widerstands, der dem postmodernen Mantra „Ignoranz ist Stärke“ neue Dimensionen verleiht. In einer Welt, die aus den Fugen geraten scheint, wirkt das Desinteresse an Politik wie der letzte verbliebene Luxus, den man sich leisten kann, ein rebellisches Schulterzucken gegenüber der unhöflichen Realität. Doch ist es das wirklich? Oder ist es nur der dümmliche Versuch, in einem brennenden Haus friedlich weiterzuschlafen, während der Rauchmelder sich heiser schreit?

Beginnen wir mit der Frage: Was genau steckt hinter diesem Stolz, mit dem Menschen verkünden, sich nicht für Politik zu interessieren? Es ist ein Stolz, der in seiner Struktur fast religiös anmutet. Der Apostel der Ignoranz sagt: „Ich will rein bleiben. Unbefleckt von all den dreckigen Machenschaften der Mächtigen.“ Das klingt zunächst hehr, nicht wahr? Ein Hauch von Rousseauschem Idealismus schwebt über dieser Haltung – die Reinheit der Seele bewahren, sich nicht korrumpieren lassen durch die Niederungen der Realpolitik. Doch dieser vermeintliche Idealismus ist nichts anderes als eine dünn verpackte Kapitulation. Eine, die man euphemistisch als „Neutralität“ verkauft, während man gemütlich mit einem Eiskaffee auf der Titanic sitzt und lässig bemerkt, dass der Eisberg sicher auch seine Gründe hatte.

Die Wahrheit ist: Politische Ignoranz ist keine Reinheit, sondern Dekadenz. Es ist ein Privileg, das nur jenen zusteht, die glauben, dass die Welt auch ohne ihr Zutun irgendwie in Ordnung bleibt. Wer keine Angst haben muss, ob die nächste Wahl ein totalitäres Regime an die Macht bringt, wer sich nie Sorgen um seine Grundrechte machen musste, wer nie fürchtete, dass ein verirrter Drohnenangriff auf die falsche Postleitzahl niedergeht, der kann sich leisten, Politik zu ignorieren. Es ist der Champagner-Sozialismus der Gedankenwelt: süffig, berauschend, und völlig entkoppelt von der Lebensrealität der meisten Menschen.

Ein Fest für die Tyrannen

Man könnte meinen, dass der kollektive Rückzug ins Private ein unschuldiges Phänomen ist. Menschen wollen einfach ihre Ruhe, nicht wahr? Sie wollen Netflix schauen, ihre 10.000 Schritte am Tag machen und hin und wieder ein Selfie vor einem Sonnenuntergang posten. Doch in Wahrheit ist diese Apathie ein Geschenk für all jene, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Politische Apathie ist keine neutrale Haltung. Sie ist die aktive Ermächtigung der Machtlosen, indem man den Mächtigen das Feld überlässt.

Martha Gellhorn hatte recht, als sie die stolze Ignoranz in Politik mit der Verleugnung der eigenen Gesundheit verglich. Der Mensch, der Politik ignoriert, ist wie jemand, der einen wuchernden Tumor mit einem freundlichen Lächeln übersieht, weil die Realität einfach zu unbequem ist. Währenddessen sitzen die Strippenzieher der Welt in ihren gläsernen Türmen, lachen sich ins Fäustchen und murmeln leise: „Perfekt. Je weniger die Leute mitreden wollen, desto einfacher für uns, die Regeln zu schreiben.“

Die Politik der Avocado-Toast-Generation

Natürlich gibt es eine Sonderform der politischen Ignoranz, die sich in den sozialen Medien besonders wohlfühlt: die Lifestyle-Politik. Es ist diese wunderbar selektive Haltung, bei der man sich „für die richtigen Dinge“ interessiert – Klimaschutz, Menschenrechte, Diversity – allerdings nur so lange, wie man dafür nicht den eigenen Lifestyle ändern muss. „Nachhaltigkeit ist wichtig,“ sagt die Influencerin, die jeden Monat neue Outfits für ihre 100.000 Follower präsentiert. „Gleichberechtigung zählt,“ murmelt der Tech-Milliardär, der in seinen Unternehmen Gewerkschaften verhindert.

Diese Form von Politikverständnis hat etwas Bequemes, etwas Kuscheliges. Sie erlaubt es, sich moralisch überlegen zu fühlen, ohne jemals wirklich etwas zu riskieren. Es ist der vegane Cheeseburger der politischen Welt: ein Widerspruch in sich, aber immerhin instagrammable.

Humor als letzte Zuflucht

Doch bevor wir uns völlig in den Abgrund des Zynismus stürzen, sei eine versöhnliche Note erlaubt: Der Mensch ist ein anpassungsfähiges Wesen. Auch wenn der derzeitige Zustand der Welt einem dysfunktionalen Jahrmarktskarussell gleicht, das wahlweise in Flammen steht oder von einem wütenden Clown gesteuert wird, gibt es Hoffnung. Denn die Erkenntnis, dass man Politik nicht ignorieren kann, kommt oft auf leisen Sohlen, aber sie kommt. Sie kommt, wenn der Strom plötzlich teurer wird, wenn die Straße vor der Haustür zur Schlaglochhölle wird, oder wenn der Bus, den man seit Jahren nimmt, auf mysteriöse Weise nicht mehr existiert.

Vielleicht brauchen wir also nicht mehr Zynismus, sondern mehr Humor. Einen Humor, der nicht resignativ ist, sondern aktiv. Der die Absurditäten der Welt aufdeckt und sie auf die Spitze treibt. Denn wie schon Kurt Tucholsky wusste: „Was darf die Satire? Alles.“

In diesem Sinne: Interessieren Sie sich ruhig nicht für Politik. Aber beschweren Sie sich bitte nicht, wenn der Eisberg Ihr Eiskaffee-Glas trifft.

Die im Dunkeln sieht man nicht

Die Macht, die spricht und schweigt

Es gibt Menschen, die durch ihre bloße Existenz Geschichte schreiben. Es gibt andere, die Geschichte lenken, ohne je in die Schlagzeilen zu geraten. John Jay McCloy gehörte zur zweiten Kategorie. Als Architekt der Nachkriegswelt, Strippenzieher der Weltbank, US-Hochkommissar in Deutschland und diskreter Berater der Macht war McCloy eine der mächtigsten unsichtbaren Kräfte des 20. Jahrhunderts. Doch wer war dieser Mann, der gleichermaßen ein Freund von Präsidenten und ein Förderer von Kriegsverbrechern war, der Demokratie predigte, während er Diktatoren hofierte, und dessen Entscheidungen die Weltordnung prägten? Eine polemische Reise durch das Lebenswerk eines Mannes, der sich im Schatten des Weltgeschehens heimisch fühlte.

Der junge Diplomat – Ambitionen, Kontakte und ein Faible für zwielichtige Geschäfte

Philadelphia, 1895: John Jay McCloy wurde in einer Stadt geboren, die einst ein Symbol für Freiheit war. Ironischerweise schien Freiheit für McCloy immer weniger eine universelle Tugend als ein verhandelbares Gut zu sein. Schon früh lernte er, dass Macht nicht in moralischen Absoluten, sondern in verhandelbaren Deals liegt – eine Lektion, die ihm als junger Anwalt zugutekam, als er für Cravath, Henderson & de Gerssdorff die Interessen amerikanischer Konzerne in Europa vertrat. Dass diese Interessen oft in den Taschen von Mussolini oder Göring landeten, störte ihn nicht – Business ist schließlich Business.

Seine Arbeit als Anwalt führte ihn direkt ins Herz der europäischen Wirtschaftskrise der 1920er und 30er Jahre. In dieser Zeit wurde McCloy zum stillen Architekten jener Netzwerke, die von der Wall Street bis zu den Korridoren der faschistischen Machtzentralen reichten. Man stelle sich McCloy vor, wie er in einem Pariser Café sitzt, mit einem Vertreter von I.G. Farben ein Glas Rotwein trinkt und über Kredite spricht, die später Giftgas finanzieren würden. Skrupel? Fehlanzeige.

Der Patriarch der paradoxen Prinzipien

Im Zweiten Weltkrieg wandelte sich McCloy vom profitgetriebenen Anwalt zum staatstreuen Bürokraten. Als Unterstaatssekretär im Kriegsministerium wurde er zum Architekten zahlreicher Strategien, die das US-Militär zum Sieg führten. Doch während er auf den Schlachtfeldern des Pazifik und Europas für die Demokratie kämpfte, setzte er sich gleichzeitig für die Internierung japanischstämmiger Amerikaner ein. Seine Argumentation: Sicherheit gehe vor Freiheit. Eine Lektion, die die USA später im Kalten Krieg perfektionieren sollten.

McCloy war auch ein Mann der großen moralischen Entscheidungen – oder der Vermeidung derselben. 1944 sprach er sich gegen die Bombardierung des Konzentrationslagers Auschwitz aus. Sein Argument: strategische Prioritäten. Ironischerweise setzte er sich später dafür ein, dass einige der Männer, die Auschwitz mit erbaut hatten, frühzeitig aus der Haft entlassen wurden. Ein Mann voller Widersprüche – oder, wie McCloy es vielleicht formuliert hätte, ein Realist.

Der Hohe Kommissar – Richter, Gnadenherr und Architekt des Wirtschaftswunders

Nach dem Krieg wurde McCloy zum Hohen Kommissar der USA in Deutschland ernannt – ein Posten, der ihn zu einer Art römischem Prokonsul in der besiegten Provinz machte. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einer scharfen Feder in der Hand leitete er den Wiederaufbau Deutschlands. Seine Entscheidungen – von der Förderung des Marshallplans bis zur Begnadigung von Kriegsverbrechern – waren stets pragmatisch, oft kontrovers und immer durchdrungen von einem fast zynischen Glauben an die Macht des Kompromisses.

Man kann McCloy als den Paten des deutschen Wirtschaftswunders bezeichnen – ein Titel, den er wahrscheinlich mit Freude akzeptiert hätte. Doch während er die Trümmer in den Straßen beseitigte, hinterließ er moralische Trümmer in den Köpfen vieler. Die Begnadigung von Alfried Krupp und Friedrich Flick, zwei der berüchtigtsten Kriegsverbrecher, mag für McCloy ein kluger politischer Schachzug gewesen sein, doch für viele war es ein Verrat an den Opfern des Dritten Reichs.

Der diskrete Berater – Macht ohne Verantwortung

Nach seiner Zeit in Deutschland zog sich McCloy nie wirklich aus der Weltpolitik zurück. Als Berater der Chase Manhattan Bank, als Mitglied der Warren-Kommission und als Architekt zahlreicher internationaler Abkommen blieb er einer der einflussreichsten Männer Amerikas. Doch seine Macht war subtil: Er zog die Fäden hinter den Kulissen, beriet Präsidenten, beeinflusste die Wirtschaft und entschied über die Geschicke von Nationen – und das alles, ohne jemals eine Wahl zu gewinnen.

Seine Beratungstätigkeit für die großen Ölkonzerne war vielleicht der krönende Abschluss seiner Karriere. Während die Weltöffentlichkeit sich Sorgen um die Umwelt machte, half McCloy dabei, die Macht der OPEC einzudämmen und die Dominanz der westlichen Konzerne zu sichern. Ein letzter Akt des Pragmatismus – oder Zynismus, je nach Perspektive.

Der Schattenmann des 20. Jahrhunderts

John Jay McCloy war ein Mann, der die Welt veränderte, ohne jemals wirklich gesehen zu werden. Seine Entscheidungen – oft pragmatisch, manchmal zynisch, gelegentlich geradezu unmoralisch – prägten die Weltordnung des 20. Jahrhunderts. Doch während die Monumente seines Schaffens weithin sichtbar sind, bleibt die moralische Bilanz seines Lebenswerkes bis heute umstritten.

Vielleicht wäre McCloy selbst der erste, der über diese Kontroversen lachen würde. Denn am Ende war er ein Mann, der verstand, dass Geschichte nicht von Helden geschrieben wird, sondern von Männern wie ihm – unsichtbar, unentbehrlich und unbequem.

Antifa oder der schöne Glanz des Extremismus

Schwarz ist das neue Braun

«Kein Fußbreit dem Faschismus!» – ein Schlachtruf, der klingt wie ein Echo aus einer besseren, einfacheren Zeit. Damals, als die Fronten klar waren und der Faschist ein uniformierter Schrecken mit Schnurrbart, Stechschritt und einem Hang zur Monotonie. Heute hingegen, im Zeitalter des moralischen Relativismus, ist der Feind diffuser, beinahe unsichtbar, und seine Erkennung bedarf eines scharfen Auges, oft gepaart mit einem anmaßenden Hang zur Überinterpretation. Die Antifa, jene schwarze Phalanx der Unnachgiebigen, erhebt sich als selbsternannte Wächterin über die Demokratie, während sie diese auf der anderen Seite mit einer Inbrunst erdrückt, die an die von ihr gehassten Autoritären erinnert.

Der Schwarze Block, jene Ikone des militanten Antifaschismus, agiert nicht selten wie das dunkle Spiegelbild dessen, was er zu bekämpfen vorgibt. Gewalt als legitimes Mittel? Check. Dogmatische Weltanschauung? Check. Intoleranz gegenüber Andersdenkenden? Aber natürlich. Die martialische Ästhetik ist dabei keine rein zufällige Begleiterscheinung. Der schwarze Hoodie, das Tuch vor dem Gesicht – das ist nicht nur praktisches Mittel zur Anonymität, sondern auch ein Statement. Es ist die Uniform der Tugendhaften, ein Pseudo-Kriegsgewand, das signalisiert: Wir sind die Guten, und wer das nicht glaubt, dem zünden wir den Kleinwagen an.

Freiheit für alle – außer dir

Es ist eine seltsame Ironie, dass eine Bewegung, die sich explizit dem antifaschistischen Widerstand verschreibt, so oft in eine autoritäre Haltung abdriftet, die dem Faschismus selbst erschreckend nahekommt. Die Reden von Freiheit und Gleichheit klingen hohl, wenn die Gegner, echte oder vermeintliche, niedergebrüllt, diffamiert oder gleich physisch attackiert werden. Die Antifa argumentiert: Die Bedrohung durch rechte Kräfte sei so gravierend, dass alle Mittel gerechtfertigt seien. Doch wer entscheidet darüber, wann eine Bedrohung «gravierend» ist? Und wann genau wurde die Idee, dass das Ziel die Mittel heiligt, zu einem linken Prinzip?

Die Parallelen sind frappierend. Auch der klassische Faschismus legitimierte seinen autoritären Anspruch mit der angeblich existenziellen Notwendigkeit, eine Gesellschaft vor inneren und äußeren Feinden zu schützen. Der Unterschied: Während die Faschisten den Feind oft erfanden, erkennt die Antifa ihn überall. Eine feindselige Twitter-Meinung? Faschistisch. Ein konservativer Vortrag an der Universität? Faschistisch. Ein CSU-Politiker? Vermutlich Hitler persönlich. So verschwimmt die Grenze zwischen dem echten Feind – den es zweifellos gibt – und jeder Form von politischer oder gesellschaftlicher Abweichung.

Von der Selbstgerechtigkeit zur Paranoia

Man kann der Antifa eine bemerkenswerte Errungenschaft nicht absprechen: Sie hat die Moralisierung des politischen Diskurses perfektioniert. Wer gegen sie ist, ist nicht einfach anderer Meinung – er ist der Feind der Menschlichkeit selbst. Doch diese Position hat ihren Preis. Sie erzeugt einen Zustand ständiger moralischer Alarmbereitschaft, der nicht nur das eigene Lager zerreißt, sondern auch zu einer zunehmenden Isolierung führt. Die Antifa wird zu einem sozialen und politischen Monolithen, unvereinbar mit der pluralistischen Realität, die sie vorgibt zu verteidigen.

Dabei wäre eine reflektierte antifaschistische Bewegung notwendiger denn je. Der tatsächliche Rechtsextremismus, der sich nicht in nebulösen Andeutungen, sondern in konkreten politischen Projekten und Gewalttaten manifestiert, ist kein Hirngespinst. Doch die Antifa, die sich selbst als Gegenpol versteht, ist längst zu einem Teil des Problems geworden. Indem sie den Begriff «Faschismus» inflationär und willkürlich benutzt, entwertet sie ihn. Und in der Welt der Antifa ist kein Platz für Zwischentöne. Das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, ist, zum «Faschisten» erklärt zu werden – unabhängig davon, ob die Bezeichnung zutrifft oder nicht.

Warum Radikalität keine Lösung ist

Ignazio Silone, dessen düstere Prophezeiung vom Faschismus, der sich als Antifaschismus tarnt, heute aktueller denn je erscheint, war ein Mann, der den Totalitarismus aus erster Hand erlebt hat. Silone wusste, dass der Schlüssel zum Überleben der Demokratie nicht in der Bekämpfung von Extremismus mit anderem Extremismus liegt, sondern in der kompromisslosen Verteidigung ihrer zentralen Werte: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsvielfalt.

Doch die Antifa scheint diese Lektion nicht gelernt zu haben. Sie verharrt in einer infantilen Welt des Schwarz-Weiß-Denkens, in der sie sich selbst als unfehlbar und jede Kritik an ihrem Vorgehen als Angriff auf die Gerechtigkeit betrachtet. Das Ergebnis? Eine Bewegung, die mehr mit der Radikalisierung der Gesellschaft beiträgt als zu deren Heilung.

Die Gefahr der guten Absichten

Die Antifa ist das perfekte Beispiel dafür, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Ihr Anspruch, das Böse zu bekämpfen, hat sie selbst anfällig für die Versuchungen der Macht gemacht. Denn Macht, auch die moralische, korrumpiert. Und wer sich im Kreise der Tugendhaften aufhält, bemerkt oft nicht, wie leicht der Übergang zur Hybris ist.

Doch vielleicht ist das alles nur Teil des Spiels. Vielleicht ist der Antifaschismus weniger ein politisches Projekt als ein identitäres – eine Möglichkeit, sich selbst als besser, reiner, moralischer darzustellen. Und vielleicht liegt darin die eigentliche Tragödie: Die Antifa könnte so viel mehr sein, doch sie zieht es vor, auf der Bühne des Extremismus zu glänzen, während die Welt um sie herum brennt.

Von Rentnern und Raketen

Warum wir jetzt die Rente opfern müssen, damit die Welt sicher bleibt

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine besorgte Nation, bedroht von geopolitischen Spannungen, blickt auf ihre Zukunft. Doch anstatt auf technologische Innovationen, diplomatische Geschicklichkeit oder gar auf eine solidarische Verteilung von Verantwortung zu setzen, entdeckt ein mutiger Ökonom ein neues Feindbild: Rentner. Ja, jene betagten Damen und Herren, die, wenn sie nicht gerade Kreuzworträtsel lösen oder mit dem Rollator zur Apotheke schieben, offenbar für alles Schlechte in der Welt verantwortlich sind. Moritz Schularick, seines Zeichens Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, hat diesen finsteren Plan nun skizziert: Die Generation 65+ soll den Gürtel enger schnallen, damit Panzer und Patriot-Raketen unsere Straßen sicherer machen. Bravo, Herr Präsident! Was für eine visionäre Idee!

Rentenkürzungen als moralische Pflicht

„Die ältere Generation hat es versäumt, ausreichend in unsere Sicherheit zu investieren.“ Diese Aussage ist derart atemberaubend, dass man fast eine Sauerstoffmaske benötigt, um die zynische Höhe dieses intellektuellen Gipfels zu erklimmen. Hat der Mann mal einen Blick in die Geschichtsbücher geworfen? Dieselbe ältere Generation, die hier gescholten wird, hat Nachkriegsdeutschland wieder aufgebaut, den Sozialstaat erschaffen und – das sei nebenbei erwähnt – einen Großteil der Rentensysteme finanziert, von denen Herr Schularick vermutlich auch noch profitieren wird.

Aber nein, diese Generation hat nicht ausreichend in Sicherheit investiert. Was für ein Frevel! Stattdessen hat sie sich in einer dekadenten Orgie aus Butterbrot und Filterkaffee gesuhlt, anstatt milliardenschwere Rüstungsprojekte zu finanzieren. Wie konnte es nur dazu kommen, dass Menschen nach einem Arbeitsleben von 40 oder mehr Jahren annehmen, sie hätten ein Recht auf ein wenig Ruhe? Zeit, die Renten einzufrieren! Schließlich ist der Euro, den Oma Erna im Supermarkt spart, ein Euro mehr für die nächste Hyperschallrakete.

Altersarmut? Luxusproblem im Schatten des Leopard-Panzers

Herr Schularick mag die Existenz von Altersarmut schlichtweg übersehen haben – was bei einem komfortablen Schreibtischjob und einem garantiert inflationssicheren Einkommen verständlich ist. Die Realität, dass fast jede fünfte Rentnerin und jeder fünfte Rentner in Deutschland von Altersarmut bedroht ist, scheint für ihn irrelevant. Wahrscheinlich gehören auch sie zu den Schmarotzern, die den Staat ausbluten lassen, während sie sich mit ihrer bescheidenen Rente Luxusgüter wie Brot und Heizung leisten.

Das Narrativ, das hier gesponnen wird, ist von beeindruckender Simplizität: Deutschland braucht Geld für Rüstung. Rentner haben Geld. Ergo: Nehmen wir es ihnen weg. Dass viele von ihnen jedoch eher Monat für Monat jonglieren, um Miete, Strom und Medikamente zu bezahlen, wird in der akademischen Filterblase offenbar nicht bedacht. Aber hey, was ist schon eine kalte Wohnung im Winter gegen die wohlige Wärme, die ein neuer Kampfflieger für die Nation bereithält?

Vom „Gefrierpunkt“ der Renten und anderen ökonomischen Glanzideen

„Den Lebensstandard der Ruheständler sollte man auf dem aktuellen Niveau durch einen Inflationsausgleich einfrieren“, schlägt Schularick vor. Eingefroren. Wie Fischstäbchen in der Tiefkühltruhe. Ein hübsches Bild, nicht wahr? Vielleicht könnte man auch gleich ein Rentner*innen-Quartett herausbringen, bei dem die Kategorien „Jahreseinkommen“, „Mangelernährung“ und „Sterberate durch Kältetod“ gegeneinander antreten. Das wäre sicher ein Hit – vielleicht sogar erfolgreicher als das 100-Milliarden-Euro-Rüstungspaket, das laut Schularick offensichtlich zu wenig ist.

Die Frage, die man sich stellen muss: Warum gerade die Renten? Warum nicht die Vermögen der oberen 10 %, die in den letzten Jahren exorbitant gestiegen sind? Warum nicht die Milliardengewinne von Rüstungskonzernen besteuern? Vielleicht, weil diese Leute Lobbyisten und Anwälte haben und sich wehren können? Rentner hingegen sind leichte Beute. Sie haben weder Macht noch eine starke Interessenvertretung – und offenbar auch keine Chance gegen den Spardruck eines Ökonomen, der den Etat eines globalen Schurkenstaats zusammenrechnen möchte.

Kann Sicherheit überhaupt erkauft werden?

Abgesehen von der moralischen Verwerflichkeit dieses Vorschlags, sollte man eine grundlegende Frage stellen: Garantiert mehr Geld für Rüstung tatsächlich mehr Sicherheit? Ist ein überbordendes Verteidigungsbudget der Schlüssel zu einer friedlicheren Welt? Oder ist das nicht vielmehr ein perfides Ablenkungsmanöver, um andere politische Versäumnisse zu verschleiern – von der Verfehlung beim Klimaschutz bis hin zur immer größer werdenden sozialen Schere?

Vielleicht ist es an der Zeit, dass Herr Schularick und Co. ihren Blick über die Spreadsheet-Tabelle hinaus erweitern und sich der Realität der Menschen widmen, über deren Zukunft sie so großzügig entscheiden wollen. Vielleicht sollten sie sich mal mit einem Rentner unterhalten, der zwischen Brillenrezept und Heizkostenabrechnung jongliert. Oder sie könnten einfach innehalten und erkennen, dass man soziale Kohäsion nicht auf dem Altar des Militärbudgets opfern kann, ohne die Grundfesten der Gesellschaft zu beschädigen.

Wenn die Satire zur Realität wird

In einer Welt, in der ein Ökonom ernsthaft vorschlägt, Rentner für die Landesverteidigung bluten zu lassen, bleibt einem nur noch der Zynismus. Vielleicht sollten wir als nächstes die Kinder besteuern – sie profitieren schließlich am längsten von einer sicheren Zukunft. Oder wie wäre es, wenn wir Arbeitslose in Uniformen stecken? Sie haben doch eh nichts Besseres zu tun, oder?

Doch Vorsicht: Satire und Realität scheinen in diesen Zeiten erschreckend oft ineinander zu fließen. Herr Schularick, Sie haben es geschafft, uns daran zu erinnern, wie schnell ökonomische Kälte in menschliche Tragödie umschlagen kann – und dafür gebührt Ihnen, wenn auch zähneknirschend, Dank. Wenigstens bleibt uns das Lachen, wenn auch bitter.