Russland und Deutschland, ein Interview

Interviewer: Herr von Bismarck, herzlich willkommen im Jahr 2025. Es ist eine Ehre, mit Ihnen zu sprechen. Sie sagten einst: „Wenn Russland und Deutschland Freunde sind, geht es Europa gut.“ Was genau meinten Sie damit?

Otto von Bismarck: Die Freude ist meinerseits. Was ich damals sagte, hat an Gültigkeit nichts eingebüßt. Europa war und ist ein feines Gleichgewicht von Kräften. Wenn die zwei größten Völker auf dem Kontinent—Deutschland und Russland—einander mit Respekt und Bedacht begegnen, dann bleibt die Waage im Gleichgewicht. Feindschaft zwischen diesen Nationen ist wie ein Sturm, der das politische Haus Europas erschüttert.

Interviewer: In Anbetracht des aktuellen geopolitischen Klimas: Wie würden Sie die heutige Beziehung zwischen Russland und Deutschland beurteilen?

Otto von Bismarck: Nun, ich sehe mit Besorgnis, dass man sich auf Konfrontation statt auf Diplomatie verlegt hat. Ich war stets ein Mann der Verträge, der geheimen Absprachen und der Bündnisse zum Wohle des Friedens. Heute jedoch regiert das Misstrauen, und Sanktionen sind zur bevorzugten Waffe geworden. Das ist töricht. Vertrauen entsteht nicht durch Druck, sondern durch Verhandlung und gegenseitiges Verständnis.

Interviewer: Würden Sie angesichts des Ukraine-Krieges auch zu Dialog raten?

Otto von Bismarck: Krieg ist stets ein Eingeständnis politischen Scheiterns. Ich will die Realitäten nicht verharmlosen—ein Überfall auf ein souveränes Land ist durch nichts zu rechtfertigen. Doch ein kluger Staatsmann unterscheidet zwischen moralischer Entrüstung und strategischer Klugheit. Man muss erkennen, wann Worte mehr vermögen als Waffen. Ein dauerhafter Frieden entsteht nicht durch Siege, sondern durch Ausgleich.

Interviewer: Welche Rolle sollte Deutschland Ihrer Meinung nach in der heutigen Welt einnehmen?

Otto von Bismarck: Deutschland muss Brückenbauer sein—zwischen Ost und West. Es darf sich nicht blindlings in fremde Interessen einbinden lassen, sondern muss seine eigene Linie wahren, geleitet von Vernunft, Geschichte und dem Wohle des Kontinents. Eine Politik, die nur auf kurzfristige Popularität zielt, wird das Schiff der Nation an Klippen führen.

Interviewer: Was würden Sie den heutigen Politikern raten?

Otto von Bismarck: Mehr Demut. Mehr Kenntnis der Geschichte. Weniger Eitelkeit. Und vor allem: Geduld. Große Politik ist wie Schach, nicht wie Poker. Wer zu schnell spielt, verliert die Übersicht.

Interviewer: Vielen Dank, Herr von Bismarck, für Ihre Zeit und Ihre Einsichten. Es war uns eine Ehre.

Otto von Bismarck: Ich danke Ihnen. Möge Europa weise entscheiden—und Frieden finden.

Ein Konto namens Vertrauen

oder: Wie ich lernte, die Verwaltung zu lieben

Es beginnt, wie alles beginnt in diesem Land, mit einem Vorschlag. Einem harmlosen, pragmatischen, effizient gebürsteten Vorschlag, der aus dem Mund eines Anzugträgers dringt, begleitet von einem PowerPoint-Slide, auf dem das Wort Bürgerkonto prangt wie das Logo einer neuen Bank, nur dass hier nicht investiert, sondern über Sie investiert wird. Das „digitale Bürgerkonto“ also. Ein Portal, ein Profil, ein Zugang zur großen Bundescloud, mit dem sich das Leben vereinfachen soll, und wer könnte dagegen etwas haben? Das Bürgerkonto, sagt Friedrich Merz, sei „ein Quantensprung in Sachen Entbürokratisierung“. Und das stimmt, wenn man die Quantensprünge der Physik kennt: unglaublich klein, dafür mit unkalkulierbarer Wirkung.

Willkommen in der Ära der Verpflichtenden Vereinfachung. Denn der entscheidende Trick der neuen Regierung, die sich nicht mehr Ampel nennen muss, weil man in Zukunft ohnehin immer nur grün bekommt – für das, was der Staat will –, liegt in der Umkehrung der Sprache. Bürokratie wird nicht abgebaut, sie wird digitalisiert. Kontrolle wird nicht ausgeweitet, sie wird effizienter gestaltet. Der Bürger wird nicht überwacht, er wird verwaltet. Und der Staat wird nicht neugierig, er wird serviceorientiert. Nur wer etwas zu verbergen hat, kann gegen ein solches Konto sein, nicht wahr? Und seien wir ehrlich: Wir alle haben doch längst unsere Seele bei PayPal, unsere Gedanken bei Google und unsere Libido auf TikTok ausgelagert. Da kann das Konto beim Bund doch auch nicht mehr stören.

Der Staat als Daten-Daddy – Jetzt auch mit Dashboard!

Es ist faszinierend, mit welch seligem Grinsen die politische Klasse von Nutzerfreundlichkeit spricht, wenn sie meint: Unumgänglichkeit. Wer ein Bürgerkonto freiwillig einrichtet, ist bald so frei wie ein Passagier, der freiwillig den Notausgang blockiert – nicht, weil er will, sondern weil er muss. Steuererklärung, Krankenkasse, Elterngeld, Punkte in Flensburg, bald auch Impfstatus, CO₂-Fußabdruck und Streaming-Gewohnheiten: Alles läuft über dieses eine Konto. Ein zentrales Portal der Selbstvermessung, das aussieht wie ein Service, aber in Wirklichkeit ein System ist. Wer es nicht nutzt, ist verdächtig. Wer es nutzt, ist verwundbar. Wer es kritisiert, ist ein Dinosaurier, ein Verweigerer, ein Datenschutzromantiker, der noch glaubt, dass der Staat sich nicht für die Vorlieben seiner Bürger interessiert – es sei denn, es geht um Steuern, Waffenbesitz, oder wie viele Malteser man als Haustier anmeldet.

Merz, der alte McKinsey-Mönch, verkauft das Ganze als Effizienzoffensive. Verwaltung 4.0. Deutschland auf Speed. Endlich raus aus der Faxhölle, hinein in die Ära der Push-Benachrichtigung. Und doch: Die Frage, die im Raum schwebt wie der Duft kalter Pommes in einem Behördenflur, lautet nicht: Was kann dieses Bürgerkonto?, sondern: Was könnte es alles, wenn man wollte?

Weil sie es können – Das Machtversprechen der Technik

Hier liegt der Hund begraben, und zwar tief im Serverkeller des Bundesamts für digitale Euphemismen. Denn die Technik ist neutral, sagen sie – aber das war die Guillotine auch. Alles, was digitalisierbar ist, wird digitalisiert. Alles, was digital ist, kann getrackt, bewertet, priorisiert oder blockiert werden. Und was verpflichtend ist, wird zur Infrastruktur des Zwangs. Natürlich sagt niemand „Repression“, man sagt „vernetztes Regierungshandeln“. Man sagt „schnellerer Zugriff“. Man sagt „Proaktive Gefahrenabwehr“. Und es klingt so beruhigend wie ein Warnhinweis auf einer Medikamentenpackung: In seltenen Fällen kann es zu vollständiger Transparenz und plötzlicher Ausbürgerung kommen.

Es wäre naiv zu glauben, dass ein derart mächtiges Instrument nicht auch für etwas anderes genutzt wird. Vielleicht erst nur zur besseren Steuerung. Dann zur Kontrolle von Falschangaben. Dann zur automatisierten Sperrung von Leistungen bei „Unregelmäßigkeiten“. Und schließlich zur politisch konformen Selektion: Wer sich querstellt, wer zu oft fragt, wer zu laut denkt, bekommt vielleicht irgendwann nur noch „eingeschränkten Zugang“. Nicht, weil er schuldig wäre, sondern weil es geht. Weil sie es können.

Zynismus als Selbstverteidigung – Und ein Rest von Hoffnung

Natürlich, das alles ist überzeichnet, satirisch, polemisch – und doch: Wie oft in der Geschichte war das, was gestern noch Satire war, heute Gesetz und morgen Gewohnheit? Der Mensch gewöhnt sich an alles, sogar an das Bürgerkonto. Erst murrt man, dann nutzt man es, dann liebt man es – und bald kann man sich ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Dann wird es das Bürgerkonto Plus geben, mit Treuepunkten für vorbildliches Verhalten, und später das Bürgerkonto Safe, mit Gesichtserkennung und Gedankenprotokoll, optional natürlich. Nur für Ihre Sicherheit.

Aber lachen wir drüber. Noch dürfen wir das. Noch ist Ironie nicht steuerpflichtig. Noch ist dieses Essay kein Gefährdungspotenzial. Noch.

Denn so sehr das alles auch nach dystopischer Schwarzmalerei klingt – es ist eben auch ein Spiegel. Einer, der uns zeigt, wie verführbar wir sind, wenn man uns sagt: Es ist alles zu deinem Besten. Und manchmal, ja manchmal, hilft dann nur noch Zynismus als letzte Bastion des freien Denkens. Ironie als Notwehr. Und Satire als Bürgerpflicht.

Ablasshandel im Kostüm des Klimaschutzes

Von der Wiege des Ablasses zur Wiege des Emissionszertifikats

Einst standen wir staunend vor den Portalen mittelalterlicher Kathedralen, ehrfürchtig lauschend dem lateinischen Gemurmel geweihter Männer, die mit fliegenden Gewändern und goldverzierten Büchern in der Hand ewiges Seelenheil versprachen – gegen klingende Münze, versteht sich. Der Ablasshandel, jenes sakrosankte Geschäftsmodell der römischen Kirche, florierte prächtig. Der Sündenerlass per Einzahlung auf göttlich autorisierte Konten: eine transzendente Transaktion mit Rendite auf dem Jenseitskonto.

Heute stehen wir staunend vor den Portalen der Bürokratie, lauschen den wortgewaltigen Litaneien der Klimawissenschaft und Politsprech, die uns einreden, dass jede ausgestoßene Tonne CO₂ ein Akt metaphysischer Schuld sei – und wie damals gilt: Wer zahlt, wird frei. Die CO₂-Steuer ist die moderne Hostie des guten Gewissens, die Kommunion des moralischen Bürgers. Doch der Mönch Tetzel, der wenigstens noch mit schillernder Verlogenheit und echtem Theatralismus die Gnade feilbot, ist abhandengekommen. Heute stehen grüne Minister*innen mit PDF-Präsentationen vor uns und reden vom „Bepreisungsmechanismus“. Wie langweilig. Wie deutsch.

Der neue Katechismus der Klima-Kirche

Es ist ein neuer Glaube, ein universaler Kult, der sich aufgeschwungen hat, die Weltherrschaft zu übernehmen. Seine Gebote sind ebenso schlicht wie unumstößlich: Du sollst kein Fleisch essen. Du sollst nicht fliegen. Du sollst kalt duschen und dein Auto durch einen moralisch überlegenen Akku ersetzen, der aus den Tränen kongolesischer Kinder gespeist wird.

Die CO₂-Steuer ist das Sakrament dieses Glaubens. Sie funktioniert nicht durch Änderung der Realität, sondern durch Bekehrung des Gewissens. Denn der gläubige Bürger, geplagt von der Schuld, beim letzten Mallorca-Flug zu tief geatmet zu haben, darf sich nun freikaufen – mit ein paar Cent mehr pro Liter Sprit. Halleluja. Die Welt wird gerettet, ein Tankvorgang nach dem anderen.

Und wehe dem Ketzer, der es wagt, Zweifel zu äußern. „Klimaleugner!“ schallt es wie einst „Hexe!“ über den Marktplatz des Meinungsaustauschs. Der moderne Scheiterhaufen ist digital, doch die Flammen der Empörung brennen nicht minder heiß. Selbst der heilige Franziskus würde heute mit dem Lastenrad zur Predigt erscheinen, während Greta als unsere Johanna der Klima-Offenbarung mit finsterem Blick über die sündige Menschheit richtet.

Der Markt der Moral – Bekenntnisse eines emissionsgeplagten Sünders

In der himmlischen Buchhaltung des Weltklimarats zählt jede Tonne CO₂. Der moderne Mensch, ausgestattet mit Paypal-Zugang und ökologischer Angststörung, lebt im permanenten Ablass. Für 12,90 Euro kann man den Inlandsflug zur Oma mit einem Zertifikat segnen lassen. Es heißt „Kompensation“, klingt nach Verantwortung, riecht aber streng nach Ablenkung.

Denn während wir mit LED-Kerzen Energie sparen, verbrennen jenseits der Komfortzonen Containerfrachter weiter Schweröl wie einst Wikinger Bier bei der Siegesfeier. Doch Hauptsache, der Bürger trennt seinen Müll und klebt sich ein Solarzellen-Sticker ans Fenster. Die Weltrettung, ein bürgerliches Hobby – mit SEPA-Mandat.

Ironischerweise ist der Emissionshandel nicht etwa ein Instrument der Vermeidung, sondern ein Vehikel der Verlagerung. Der Westen verkauft sich Reinheit durch den Import der Sünde. Unsere CO₂-Neutralität beruht auf der Verlagerung schmutziger Industrien nach Fernost – ein Export von Schuld mit Rückkauf von Tugend. Es ist ein ökologischer Ablassbrief deluxe: Made in China, geweiht in Brüssel.

Wo bleibt der neue Tetzel?

Wo ist er, der neue Tetzel, der mit spitzbübischem Lächeln und dramatischem Pomp von Tür zu Tür zieht und ruft: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Atmosphäre sich reinlich schwingt“? Nein, statt dessen kriegen wir Steuerbescheide mit Fußnoten und ein moralinsaures „Das ist alternativlos“ ins Gesicht gedrückt.

Der Unterschied zum Mittelalter? Damals war der Ablasshandel wenigstens unterhaltsam. Heute ist er Verwaltungsakt. Eine kafkaeske Übung in Pseudomoral, verordnet von Technokraten, denen selbst der Humor verboten wurde. Der neue Ablass ist effizient, emotionslos und rechnet in Emissionsäquivalenten. So stirbt nicht nur die Umwelt, sondern auch der Witz.

Vielleicht ist das der wahre Skandal: Nicht, dass wir unsere Emissionen besteuern, sondern dass wir dabei so fürchterlich langweilig, so bar jeder Ironie, so unfassbar humorfrei vorgehen. Der Kapitalismus hat sich nicht reformiert, er hat sich eine Maske aufgesetzt – aus recyceltem Bio-Plastik, natürlich.

Und am Ende bleibt… die heiße Luft

Natürlich ist Klimaschutz wichtig. Natürlich sollten wir nicht die Atmosphäre grillen wie ein Discounterhähnchen. Aber muss die Lösung wirklich ein bürokratisches Monstrum sein, das dem Bürger eine Tasche voller Schuld auflädt, um sie ihm dann per Lastschrift wieder abzunehmen?

Der CO₂-Ablass ist keine Lösung – er ist ein Beruhigungsmittel, ein Placebo für ein System, das sich selbst nicht ändern will. Man spricht von Transformation, handelt aber im Modus der Kontinuität. Und währenddessen geht der Planet leise vor die Hunde – unter Begleitung eines Steuerbescheids und dem sanften Piepen eines Elektroautos, das von Kohlestrom gespeist wird.

Der Ablass lebt. Nur der Glaube fehlt. Und der Humor auch.

DIE DEMOKRATIE DER DIPLOMATEN

WENN DIE MENSCHHEIT ZUSCHAUEN DARF, WIE ÜBER SIE ENTSCHIEDEN WIRD

Es gibt viele Arten von Demokratien: direkte, repräsentative, parlamentarische, präsidentielle – und dann gibt es noch die Genfer Variante: eine Demokratie der abgedunkelten Sitzungsräume, in denen nicht das Volk regiert, sondern der Zeitdruck, das Protokoll und die Angst, es China, den USA oder Bill Gates zu verscherzen.

Während in den Demokratien dieser Welt Millionen von Bürgern Masken tragen, ihre Bewegungsfreiheit aufgeben und auf Intensivstationen beatmet werden, sind es in Genf ein paar hundert Diplomaten, Beamte und Lobbyisten, die mit steril formulierten Paragrafen den künftigen Verlauf globaler Gesundheitsdiktate vorskizzieren – ohne dass ein einziger Wähler je gefragt wurde.

Nicht etwa, dass diese Verhandlungen geheim wären – im Gegenteil, sie sind öffentlich wie eine Theaterprobe: man kann zuschauen, aber nicht mitreden, applaudieren vielleicht, aber nichts beeinflussen. Es ist die Demokratie als Dekoration, ein institutionelles Ballett, dessen Choreografie so kompliziert ist, dass man gar nicht merkt, wenn einer mit dem Fuß auf dem Hals der Öffentlichkeit steht.

DIE GLOBALE GESUNDHEIT ALS CHEFSACHE: NUR NICHT DIE DER BEVÖLKERUNG

Dass der neue WHO-Vertrag – der rechtlich bindend sein soll, wohlgemerkt – keinerlei parlamentarische Ratifizierung in vielen Ländern vorsieht, ist dabei mehr als ein technisches Detail. Es ist ein Paradigmenwechsel. Denn in der Regel ist es gute demokratische Sitte, dass Gesetze, die tief in Grundrechte eingreifen könnten – man denke nur an Lockdowns, Impfpflichten, Reiseverbote – zumindest durch die gewählten Repräsentanten abgesegnet werden.

Doch was hier passiert, ist das Gegenteil: Ein supranationales Gremium erlässt Grundsätze, und die nationalen Parlamente dürfen anschließend überlegen, wie sie das bitte möglichst elegant in ihre Gesetzesarchitektur einbauen – ohne allzu viele Fragen, versteht sich. Die WHO gibt das Menü vor, die Staaten servieren. Und der Bürger darf bestenfalls beim Abräumen helfen.

DER BEIFALL DER UNGEWÄHLTEN: WENN LOBBYISTEN JUBELN UND ABGEORDNETE GÄHNEN

Man fragt sich, wer eigentlich bei diesen Verhandlungen am lautesten klatscht – es sind nicht die Patienten, nicht die Pflegekräfte, nicht die Eltern, die in der Pandemie ihre Kinder vor dem Laptop sedierten, während der Lehrplan kollabierte. Nein, es sind vor allem die Vertreter jener Industrien, deren Geschäftsmodelle künftig pandemiesicher gemacht werden: Pharmaunternehmen, Biotech-Konzerne, Anbieter digitaler Kontrollsysteme – allesamt eingeladen zu „Stakeholder-Dialogen“, die mit demokratischer Teilhabe ungefähr so viel zu tun haben wie ein James-Bond-Film mit echter Diplomatie.

Währenddessen erfahren Abgeordnete in nationalen Parlamenten von der Existenz solcher Verträge oft erst aus der Presse – oder, noch schlimmer: von Twitter. Die Gewaltenteilung wird zum Gewaltverzicht: Die Legislative verzichtet stillschweigend auf Mitsprache, um ja nicht als rückschrittlich zu gelten. Wer jetzt noch Transparenz fordert, wird als Querulant abgestempelt, als Bremser, als Feind der wissenschaftlichen Vernunft.

DIE WHO ALS WELTREGIERUNG LIGHT: NICHT GEWÄHLT, ABER MIT ANSPRUCH AUF GEHORSAM

Die Weltgesundheitsorganisation – dieses Relikt aus der Nachkriegszeit, einst angetreten, um Malaria und Masern zu bekämpfen – stilisiert sich mit dem neuen Vertrag endgültig zur weltweiten Koordinationszentrale für Notstandspolitik. Was mit Impfempfehlungen begann, endet nun womöglich mit konkreten Anweisungen an nationale Behörden. Und das alles unter der Flagge der „Solidarität“. Doch Solidarität, die verordnet wird, ist keine – sie ist ein sanft getarntes Diktat.

Dabei ist die WHO selbst kein demokratisches Gremium. Ihre Leitung wird nicht gewählt von den Menschen, die ihre Anordnungen befolgen sollen, sondern von Staatenvertretern, die wiederum oft selbst autokratisch regieren. Ironie der Geschichte: Während Bürger in westlichen Demokratien Grundrechte abgeben, wird die globale Gesundheitsstrategie mit Zustimmung von Regierungen beschlossen, die Meinungsfreiheit, Presse und Oppositionen bestenfalls als lästige Details betrachten.

DIE ILLUSION DER EINHEIT ODER: WENN GLOBALISMUS ZUR MASKERADE WIRD

Man redet von Gleichheit, von gemeinsamer Verantwortung, vom Ende der Impfapartheid – doch in Wirklichkeit sieht man die Umrisse einer Ordnung, in der mächtige Länder weiterhin bestimmen, woher die Medikamente kommen, wohin sie gehen und wer den Preis bestimmt. Die Demokratiedefizite sind also nicht nur struktureller Natur – sie sind ideologisch eingebrannt: in eine Weltordnung, die sich gern als vereint verkauft, aber im Ernstfall vor allem eines ist – asymmetrisch.

Der Vertrag behauptet, die Menschheit zu schützen – tatsächlich schützt er in seiner jetzigen Form vor allem das bestehende Machtgefüge: reich gegen arm, Nord gegen Süd, Regierung gegen Bürger, Pharma gegen Öffentlichkeit. Und das alles in schönster Einigkeit, protokolliert in druckreifen Floskeln.

FAZIT: DIE BESTE ALLER WELTEN, VON DER DU NICHTS GEWUSST HAST

Man könnte es Fortschritt nennen. Oder Fatalismus. Oder einfach: eine weitere Episode der Postdemokratie im Laborkittel. Was als Triumph der Vernunft verkauft wird, ist bei näherem Hinsehen eine gewaltige Aushebelung demokratischer Kontrolle – mit besten Absichten, versteht sich. Die Straße zur Gesundheitsdiktatur ist gepflastert mit Pandemieplänen, und an jeder Laterne hängt ein WHO-Logo.

Applaus bitte. Aber leise – die nächste Runde Genfer Diplomatie tagt vielleicht schon.

Die Dattel auf dem Kebbab

Es war einmal eine Welt, in der der Ausdruck „die Kirsche auf der Torte“ ein Symbol war – nicht nur für das Übermaß, für das i-Tüpfelchen, für das kleine, süße Extra, das dem ohnehin schon überbordend Wohlgeratenen noch einen finalen Hauch von Perfektion verlieh, sondern auch für eine Kultur, die wusste, was ihr schmeckte. Heute hingegen: Die Dattel auf dem Kebbab. Trocken, schrumpelig, orientalisch verbrämt, süßlich-klebrig – und vor allem: deplatziert. Doch sie sitzt da, thronend auf einem Fleischspieß, der längst nicht mehr weiß, ob er Speise, Symbol oder politisches Statement ist. Die Dattel ist keine Verheißung, sie ist eine Zumutung. Und sie ist das Signum unserer Zeit.

Die Ästhetik des Unpassenden

Wir leben in einer Epoche, in der nicht mehr das Stimmige gesucht, sondern das Schräge gefeiert wird. Was einst als Dissonanz galt, wird heute als subversive Tiefe verklärt. Ironie, einst das edle Instrument des feinsinnigen Zweifels, ist zum Vorschlaghammer der Selbstgerechtigkeit verkommen. Und so ziert die Dattel nicht nur den Kebbab, sondern auch die Debatte, die Politik, die Kunst, den Diskurs – kurzum: alles, was sich einst der Kohärenz verpflichtet fühlte.

Man will nicht gefallen, man will verstören. Man will nicht überzeugen, man will provozieren. Die Dattel ist dabei Symbol und Symptom zugleich. Sie ist nicht die Frucht einer geschmacklichen Entscheidung, sondern die Karikatur eines Geschmacksurteils. Ihr Platz auf dem Spieß ist kein kulinarischer Einfall, sondern ein Statement: „Seht her, ich bin anders!“ Nur leider: Das Anderssein um des Andersseins willen ist eben noch kein Inhalt. Es ist Pose. Und nichts ist ermüdender als Pose, wenn sie sich für Wahrheit hält.

Die Tyrannei des Besonderen

In dieser Dattel steckt auch ein Anspruch: der Anspruch, einzigartig zu sein. Authentisch, divers, edgy – das Vokabular der Gegenwart sabbert vor Begeisterung über das Besondere, das Andere, das Fremde. Doch in Wahrheit hat das Streben nach Individualität nur zur Uniformität des Exzentrischen geführt. Jeder will die Dattel sein, keiner die Torte. Jeder will auffallen, keiner will passen.

Was früher als gekonntes Understatement galt – etwa das noble Beige eines maßgeschneiderten Mantels –, wird heute übermalt von grellen Farben und schrillen Mustern, die schreien: „Ich bin nicht wie ihr!“ Und doch sind sie alle gleich in ihrem Bemühen, nicht gleich zu sein. Die Dattel auf dem Kebbab ist das kulinarische Pendant zur Einhorn-Leggings mit Bio-Siegel und ironischem Hitlerbart.

Vom Verlust des Maßes

Die Dattel ist aber nicht nur Symbol des schlechten Geschmacks, sie ist auch das Denkmal des entgrenzten Maßes. In einer Welt, die kein Zentrum mehr kennt, sondern nur noch Ränder, wird jedes Detail zur Hauptsache, jede Abweichung zur Tugend. Die Dattel wird nicht gefragt, ob sie zum Fleisch passt – sie wird gefeiert, weil sie nicht passt. Man klatscht Beifall für den Bruch, für die Irritation, für das Aus-der-Reihe-Tanzen, auch wenn dabei niemand mehr weiß, was eigentlich die Reihe war.

Der Verlust des Maßes ist nicht etwa ein bedauerlicher Kollateralschaden, er ist Programm. Maß, das klingt nach Ordnung, nach Regel, nach Norm – alles Begriffe, die man mit hysterischem Furor aus der Debatte verbannt hat. Übrig bleibt das Kaleidoskop der Bedeutungsfragmente, in dem sich alles spiegelt und nichts mehr erkenntlich wird. Die Dattel auf dem Kebbab ist der Triumph der Beliebigkeit über das Urteil, der Triumph des Gimmicks über das Gelungene.

Postmoderne Pseudo-Tiefe und andere Sauereien

Natürlich könnte man die Dattel auf dem Kebbab auch „deuten“ – als symbolische Umarmung der Kulturen, als interkulturellen Dialog auf Spießhöhe. Solche Deutungen hört man oft. Sie kommen aus jenen Mündern, die auch ein leerstehendes Einkaufszentrum für eine „interaktive Rauminstallation“ halten. Denn in einer Welt, in der Bedeutung nicht gefunden, sondern behauptet wird, genügt es, laut genug zu behaupten.

So wird aus dem Zufall ein Konzept, aus dem Kitsch ein Kanon, aus dem peinlichen Fehlgriff ein politisches Statement. Alles ist diskursiv aufladbar, alles wird kunsttheoretisch rückversichert, alles ist bedeutungsschwanger, nur um sich am Ende als Kaisers neue Kleider zu entpuppen – aus Second-Hand-Stoffen, versteht sich. Die Dattel ist nicht mehr Frucht, sondern Narrativ. Und man isst sie nicht, man „erlebt“ sie.

Ein moralisches Orchester mit selektiver Partitur

Es ist eine der seltsamen Konstanten in einer Zeit, die sich für besonders aufgeklärt hält: Die Moral ist wieder in Mode, aber diesmal trägt sie Funktionskleidung und filtert ihre Werte durch eine ideologische App. Die Welt ist komplex – ja, sogar grausam –, doch das stört den westlichen Moralhaushalt nicht im Geringsten. Man urteilt trotzdem. Schnell. Empört. Und mit der Wucht einer moralischen Guillotine, bei der selbst Robespierre vor Neid in den Revolutionshimmel schauen würde.

Und da stehen wir nun, mit blutrotem Blick auf den Gazastreifen, auf Israel, auf all das, was nicht in 280 Zeichen passt. Die Fakten? Zweitrangig. Die Zusammenhänge? Zu kompliziert. Die Geschichte? Stört nur die Erzählung. Und so hallt es durchs deutsche Feuilleton, durch Fernsehstudios, Straßen und studentische AStA-Büros: „Was Israel tut, ist unverhältnismäßig!“, „Die Palästinenser leiden!“, „Man muss die andere Seite sehen!“

Natürlich. Man muss. Man soll. Man darf. Aber eines fällt auf: Während in Nazi-Deutschland, in einem der durchindustrialisiertesten Vernichtungsregime der Menschheitsgeschichte, vereinzelt Deutsche ihre Menschlichkeit bewahrten, Juden versteckten, retteten, riskierten – in Gaza, nach dem 7. Oktober, nach dem Massaker, nach der Vergewaltigung, nach dem Kindermord, hat kein einziger der 2,3 Millionen Bewohner auch nur eine Geisel versteckt, beschützt, gerettet.

Nicht eine.

Und man fragt sich: Was passiert da eigentlich, wenn die moralische Buchhaltung so stumm bleibt bei dieser Bilanz?

Die neue Linke – universell solidarisch, aber nur wenn’s ins Weltbild passt

Es gehört zu den bittersten Ironien unserer Zeit, dass ausgerechnet jene, die einst gegen Totalitarismus, Gewalt und Unrecht kämpften, heute ihre rote Fahne über dem Tunnel der Relativierung hissen. Antikolonialismus, Antiimperialismus, Antizionismus – es klingt so schön rhythmisch, so wissenschaftlich. Und es ist so bequem. Denn wer Israel als „Kolonialmacht“ imaginiert, kann auf Menschenrechtsrhetorik reiten, ohne sich die Hände mit Fakten zu beschmutzen.

Dass in Gaza kein Jude lebt – seit Jahren nicht. Dass Israel sich zurückgezogen hat, dass es Wahlen gab, dass man sich für Hamas entschied wie andere für Popcorn – das alles ist egal. Hauptsache, der Klassenkampf gegen den Westen bleibt aufrecht.

Aber was ist das eigentlich für eine Revolution, die keinen Einzigen findet, der eine Geisel versteckt? Keine alte Frau mit Gewissensbiss. Kein Lehrer. Keine Ärztin. Kein Imam, der sagt: „Nicht in meinem Haus, nicht in Allahs Namen.“

Nein, es wird geschwiegen. Oder schlimmer: gefeiert. Paraden, Konfetti, Süßigkeiten für die Kinder, weil der Feind geschändet wurde. Das ist kein Widerstand – das ist Barbarei auf Instagram.

Das Märchen vom Schweigen der Mehrheit

Es gibt eine Phrase, die wie ein Mantra wiederholt wird, jedes Mal, wenn ein islamistisches Massaker durch die Medien spült: „Die Mehrheit der Muslime hat damit nichts zu tun.“ Oder, im aktuellen Fall: „Nicht alle Gazaner sind Hamas!“

Gewiss. So wenig wie alle Deutschen Nazis waren. Und doch… und doch gab es da Sophie Scholl. Hans Scholl. Menschen, die bei Strafe des Todes Flugblätter verteilten, Juden versteckten, Funksprüche abfingen, aus Fenstern warfen. Wer war der Sophie Scholl von Gaza? Wo ist der Hans Scholl von Khan Yunis?

Ein Tweet, ein anonymer Hinweis, ein YouTube-Video, das ein Kinderschicksal rettet. Nichts. Stattdessen: Schweigen. Feigheit? Vielleicht. Zustimmung? Wahrscheinlicher. Kollaboration? Wahrscheinlich. Und doch wird diese Feststellung nicht geduldet. Sie ist, so sagt man, „rassistisch“.

Was für eine Farce. Wenn es rassistisch ist, ein moralisches Verhalten zu erwarten, dann ist der Rassismus zur Tugend geworden – und wir sind seine ergebenen Schüler.

Die neue Arithmetik der Schuld

Früher war Moral einfach: Gut war, wer half. Böse, wer schädigte. Heute ist Gut, wer ein Narrativ hat. Und Böse, wer darauf besteht, dass Moral universell sein sollte.

Die neue Rechnung geht so:

  • Wenn Israel Bomben wirft, sind alle Opfer Opfer.
  • Wenn Hamas Menschen abschlachtet, sind die Täter… ein Missverständnis.

Es ist eine moralische Mathematik, in der Null geteilt durch Null das Ergebnis „Kolonialgeschichte“ ergibt. Eine Logik, die jedes westliche Verbrechen bis zum heutigen Tag verlängert, aber östliche, südliche, islamistische Gewalt als „reaktiv“ entschuldigt.

Es ist das akademische Stockholm-Syndrom, bei dem sich die Geisel in den Täter verliebt, weil der so eindrucksvolle Postkolonialseminare halten könnte.

Der Luxus der Empathie – ein westliches Überbleibsel

Empathie ist in unserer Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr – sie ist ein westliches Luxusgut, wie Bio-Kaffee oder Genderseminare. Man verteilt sie dosiert, kuratiert, entlang politischer Routen. Wer die falschen Opfer beweint, ist verdächtig. Wer die richtigen Täter benennt, ist raus.

Und so empören wir uns kollektiv – über Israels Selbstverteidigung, über Bilder von Trümmern, über Raketenabwehrsysteme, die das Falsche schützen. Aber über das Offensichtliche, das Unleugbare, das, was uns eigentlich ins Mark treffen müsste – das völlige Fehlen jedweder moralischer Regung bei einem millionenstarken Kollektiv nach einem Massaker – darüber schweigen wir. Denn es ist unbequem. Es zerstört das Narrativ.

Der Zynismus der guten Menschen

Man sagt oft: Satire darf alles. Und man meint damit meist, dass Satire verletzen darf. Aber wahre Satire will nicht verletzen – sie will entlarven. Die Maske herunterreißen, den Spiegel so fest ins Gesicht pressen, dass sich niemand mehr herausreden kann.

Und hier stehen wir, mit all unserer Aufgeklärtheit, unserem Humanismus, unserem politischen Feingefühl – und lassen zu, dass das Offensichtliche ignoriert wird, weil es uns nicht ins Weltbild passt.

Es ist nicht zynisch, zu sagen, dass kein einziger Gazaner eine Geisel gerettet hat.
Zynisch ist, das zu wissen – und es trotzdem nicht zu sagen.

Die frohe Kunde vom fröhlichen Feldzug

Es gibt Tage, da traut man seinen Ohren nicht – und andere, da traut man seinen Hirnzellen nicht mehr, weil sie offenbar kollektiv beschlossen haben, in den Streik zu treten, sobald jemand mit Krawatte und Mikrofon vom „Gewinnen eines Krieges“ spricht, als handle es sich um ein Kickerturnier im Ministerium. Krieg, so erfährt man jetzt in gewissen Kreisen, sei nicht mehr nur ein letztes Mittel, ein düsterer Ausnahmezustand der Geschichte, sondern: eine Option. Eine Strategie. Ein Weg. Vielleicht sogar – man raunt es ehrfürchtig – eine Chance zur Identitätsstiftung.

Der politische Diskurs, einst die Domäne der Besonnenen, hat sich nun in eine Mischung aus Propagandawerkstatt und motivationalem Coaching-Seminar verwandelt. Man redet nicht mehr vom Tod, sondern vom Einsatz. Nicht vom Morden, sondern vom Verteidigen. Und am Ende lächeln die Soldaten. Sagt man. Vielleicht winken sie auch aus dem Hubschrauber. Und man stelle sich vor, sie posten noch ein Selfie mit dem Hashtag #kriegsgewinn.

Pazifismus ist das neue Appeasement

Wer heute Zweifel äußert, ist kein Mahner mehr, sondern ein Feigling. Wer an die UNO glaubt, ist weltfremd. Wer fragt, was nach dem Sieg kommt, gilt als zersetzend. Es scheint, als habe sich eine neue Elite gebildet: die Kriegsverständigen. Sie sitzen in Thinktanks, moderieren Talkshows, twittern aus sicheren Redaktionsstuben. Und sie sind sich einig: Frieden? Schön und gut. Aber bitte erst, wenn er durch den Sieg definiert ist.

Früher nannte man solche Haltung zynisch. Heute nennt man sie realpolitisch. Es ist die Umkehr der Werte in Echtzeit: Diplomatie gilt als Schwäche, Reflexion als Verrat. Der moralische Imperativ wurde durch einen strategischen ersetzt, und wer dabei stirbt, tut dies – so hofft man – mit Würde. Oder zumindest ohne öffentliches Aufsehen.

Bilderbuchheimkehrer mit Kriegsgewinnlächeln

Ja, reden wir darüber, wie unsere Soldaten siegreich heimkehren. Vielleicht auf E-Bikes, klimaneutral. Vielleicht werden ihnen Rosen gestreut, wie einst im Hollywoodkino, wo die Heimkehrer immer gut rasiert, etwas nachdenklich, aber tief im Inneren doch zufrieden waren. Ihre Kameraden sind gefallen, ja, aber für eine gute Sache – für die Freiheit, für unsere Werte, für… na ja, irgendwas halt.

Die Vorstellung, man könne einen Krieg mit einem emotionalen Happy End abschließen, gehört in die Werbebroschüre des postheroischen Nationalstolzes. Oder ins Drehbuch eines Netflix-Dramas mit moralischem Leitnarrativ und ausgewogener Diversitätsquote. Aber nicht in den ernsthaften Diskurs einer Nation, die vorgibt, aus ihrer Geschichte gelernt zu haben. Oder haben wir das etwa doch nicht?

Historische Alzheimer oder die Wiederentdeckung des Endsiegs

Es gab einmal eine Zeit, da klang der Begriff „Endsieg“ so toxisch, dass selbst rechte Kreise ihn mieden wie ein offenes Mikrofon auf einer Gedenkveranstaltung. Heute jedoch scheint sich eine sprachliche Renaissance des militärischen Optimismus breitzumachen. Man wolle nicht nur bestehen, nein: man wolle siegen. Und das natürlich moralisch einwandfrei, menschenrechtskonform, vielleicht sogar inklusiv. Der neue Krieg ist gewaschen, zertifiziert und von der Ethikkommission gebilligt.

Es ist ein wenig wie beim Veganismus: Niemand will mehr schuld sein, aber alle wollen mitmachen – sofern es andere ausführen. Die Gewalt wird ausgelagert, der Krieg als Notwendigkeit umetikettiert, die Toten zu tragischen, aber notwendigen Fußnoten der Geschichte. Und so stehen wir da, mit tränenerstickter Stimme, aber militärstrategisch entschlossen.

Der Menschenfreund in Camouflage

Wie tröstlich, dass man den Krieg heute wieder lieben darf – vorausgesetzt, er ist der richtige. Wenn nur die böse Seite leidet. Wenn nur die Guten schießen. Und wenn am Ende ein internationaler Preis für „mutige politische Führung“ vergeben wird. Vielleicht gibt’s bald auch eine Reality-Show dazu: Germany’s Next Top-War – mit Voting aus dem Publikum! Der Sieger erhält ein Interview bei „Maischberger“ und ein Treffen mit dem Verteidigungsminister.

Aber wehe dem, der fragt, ob man Gewalt wirklich mit Gewalt aufheben kann. Der gilt dann als naiv. Oder schlimmer: als Putin-Versteher, Systemgegner, Nestbeschmutzer. Die Reflexe sitzen. Wer die Logik des Krieges hinterfragt, wird moralisch exkommuniziert – selbst wenn er nichts weiter will als das, was einmal Staatsraison war: nie wieder Krieg.

Der Wahnsinn trägt Uniform – und ein Lächeln

So reden wir also über das Siegen. Über glückliche Heimkehrer. Über „unsere Jungs“, die Heldentaten vollbringen sollen, damit wir uns wieder sicher fühlen dürfen. Was für eine Farce. Was für eine gefährliche, sentimentale, medienkompatible Farce. Die Sprache ist längst korrumpiert, die Realität in Narrative verpackt, und die Wahrheit liegt irgendwo unter Trümmern begraben – in einem Ort, dessen Namen man nicht mehr korrekt aussprechen kann, aber für den man mit viel Pathos eine Fahne hisst.

Schlusspunkt mit bitterem Nachgeschmack

Ja, reden wir darüber, wie wir einen Krieg gewinnen. Und vielleicht schreiben wir dazu ein Kinderbuch. „Max und Moritz im Einsatz – Wie kleine Helden große Werte verteidigen“. Oder wir drehen einen Werbespot: ein Sonnenuntergang, ein Heimkehrer mit Hund, dazu ein Voice-over: „Mut. Ehre. Heimat. Und jetzt: zurück ins Leben.“ Der Wahnsinn wird nicht nur gelebt, er wird produziert, inszeniert, verkauft.

Doch der einzige Krieg, den wir wirklich gewinnen müssten, wäre der gegen die eigene Gedankenlosigkeit. Und den verlieren wir – jeden Tag ein bisschen mehr. Lächelnd. Und mit besten Absichten.

Der Schuldschein meiner Biologie

Ich bin ein alter, weißer Mann. Schon diese Aussage – rein deskriptiv – ist heute ein Schuldeingeständnis. Ein verbaler Offenbarungseid, der in der Hierarchie der moralischen Wertung irgendwo zwischen „SUV-Fahrer“ und „Atomkraftbefürworter“ rangiert. Ich bin über 60, also: cis, hetero, männlich, westlich sozialisiert, wirtschaftlich unabhängig und politisch überhaupt nicht „woke“. Ich bin, kurz gesagt, der Endgegner jeder Diskursveranstaltung an deutschen Universitäten. Ich bin das, wovor heute gewarnt wird – nicht etwa wegen meiner Taten, sondern meiner Jahrgänge. Eine Art wandelndes Patriarchat im Ruhestand, das bestenfalls schweigen, schlimmstenfalls umdenken sollte.

Denn ich habe mich geirrt. Ja wirklich. Ich dachte früher, es gäbe zwei Geschlechter – biologisch jedenfalls. Ich dachte, Sprache diene der Verständigung und nicht dem Tugendsignal. Ich dachte, Ironie sei ein Stilmittel und kein Mikroaggressionswerkzeug. Und ich dachte, Meinungsfreiheit bedeute, dass man widersprechen darf – nicht, dass man um Verzeihung winseln muss, bevor man etwas Kritisches äußert.

Apokalypse auf Raten: Der Klimatod wartet an der Kasse

Die neue Religion unserer Zeit kennt keine Himmel, keine Heiligen, keine Erlösung – aber sie kennt die Apokalypse. Und sie kommt garantiert, wenn wir nicht sofort eine CO₂-Steuer bezahlen. Nicht irgendwann, sondern morgen. Spätestens übermorgen. Es sei denn, wir recyceln unsere Zahnbürsten, verzichten auf Flugreisen, essen Hafermilch und zahlen, zahlen, zahlen. CO₂ ist das neue Teufelsgas. Früher hat man sich im Namen des Herrn gegeißelt – heute kompensiert man seinen Latte-to-go mit einem schlechten Gewissen und 18 € für atmosfair.

Ich erinnere mich an eine Zeit, da war Ökologie wichtig, aber nicht hysterisch. Da waren Klimaforscher nüchtern, nicht missionarisch. Heute dagegen sind Kinder die Vordenker der Energiepolitik, und wer einen Baum pflanzt, darf sich als Messias feiern lassen. Ich habe nichts gegen Umweltschutz – aber etwas gegen den sakral aufgeladenen Ablasshandel, der daraus gemacht wurde. Wer nicht mitmacht, ist nicht nur ein Leugner, sondern ein Sünder. Eine Art CO₂-Ketzer. Und für Ketzer war in der Geschichte nie viel Platz.

Die Rentenzahler aus aller Welt

Ich habe auch gelernt: Migration rettet unsere Renten. Das sagen Studien. Zumindest manche. Also die richtigen. Jene, die man in Talkshows zitiert und in Redaktionen herumreicht wie Hostien. Die Idee, dass Menschen, die aus völlig anderen kulturellen, sprachlichen und sozialen Systemen kommen, in einem Land mit durchreglementiertem Arbeitsmarkt, höchsten Zugangshürden und maximaler Bürokratie plötzlich alle Steuerzahler werden, ist so charmant wie naiv. Aber sie klingt gut. Und das ist heute wichtiger als alles andere.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Integration ein mühsamer, aber konkreter Prozess war. Heute ist sie ein abstraktes Dogma. Eine Behauptung, die jeder Einzelfall widerlegt – aber niemand infrage stellen darf. Denn das wäre dann „rechts“. Und rechts ist, wie wir wissen, das neue Böse. Ein Begriff, der alles umfasst – von Menschen, die sich über Sprachregelungen wundern, bis hin zu tatsächlichen Nazis. Ein semantisches Erdbeben, das den Unterschied zwischen einem konservativen Bürger und einem Faschisten in einem moralischen Erdrutsch verschwinden lässt.

Die Einbahnstraße des Diskurses

Man sagt mir: Die Gefahr kommt von rechts. Immer. Ausschließlich. Wer das infrage stellt, gilt bereits als Teil des Problems. Dabei ist das Problem vielleicht nicht nur politisch – sondern intellektuell. Es ist die Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen. Die neue Öffentlichkeit funktioniert wie ein Sicherheitsgurt: festgeschnallt, alternativlos, mit Airbag gegen jede Form von Abweichung. Die alte pluralistische Idee, dass man miteinander ringt, sich widerspricht, streitet und dennoch respektiert – ist abgelöst worden durch eine Moraljurisdiktion, in der Begriffe wie „Vielfalt“ nur gelten, solange sie im gleichen Takt nicken.

Ich war nie ein Fan des Sozialismus. Heute wird er mir wieder als Zukunftsmodell verkauft – diesmal im grünen Gewand, mit dem Versprechen: Wohlstand für alle. Natürlich nicht in Form von Eigentum, Verantwortung oder Leistung. Sondern durch Umverteilung, Regulierung und Dauerbetreuung. Der Bürger als Kunde eines Staates, der alles weiß, alles lenkt, alles zuteilt. Das hat beim letzten Mal schon nicht funktioniert – aber diesmal ist es ja „fürs Klima“ und „gegen Rechts“. Das reicht.

Und nun? Ein Fazit im Nebel

Ich bin ein alter weißer Mann. Ich bin privilegiert. Aber mein größtes Privileg ist, dass ich mich noch erinnern kann. An Diskurse ohne Cancel Culture. An Wissenschaft ohne Dogmen. An Journalismus ohne Haltungspflicht. An Politik ohne infantil-moralischen Imperativ. An Zeiten, in denen man dem Staat misstraute, nicht heiligsprach.

Heute ist das alles Geschichte. Und Geschichte, das weiß ich, wird von denen geschrieben, die übrig bleiben. Und wer sich nicht beugt, bleibt nicht übrig. Er wird „eingespart“, „entfolgt“, „entlarvt“, „problematisiert“ – oder einfach ignoriert.

Aber ich bin noch da. Ich schaue zu. Ich schreibe. Ich erinnere mich. Und vielleicht, irgendwann, wird man merken, dass das größte Privileg nicht jung, divers oder genderfluid ist – sondern kritisch.

Prolog aus dem polnischen Morgenland

Wrocław, Breslau, das florierende Herz des neuen Mitteleuropas, glänzt im hellen Sonnenlicht wie eine frisch polierte Nationalidee. Es ist Wochenende, der Altmarkt überquillt von patriotischer Jugend in kampfunfähiger, aber Instagram-tauglicher Uniform. Es riecht nach Grillwurst, Freiheit und einem Hauch von geopolitischem Größenwahn. Die Bauwerke strahlen wie nach einer Generalbeichte, alles wirkt wie rekatholisiert, aber mit WLAN. Hier wird Europa nicht dekonstruierend zerredet, sondern heroisch neu gegründet – auf Polnisch. Willkommen in der IV. Rzeczpospolita, dem großpolnischen Reich der Herzen und Grenzen, das mit stoischer Entschlossenheit endlich die Ordnung wiederherstellt, die dem Westen abhanden gekommen ist – irgendwo zwischen Drag Show, Doppelmoral und Gender-Galaxie.

Schlandistan zerfällt – und niemand merkt’s

Während man in Berlin-Mitte noch versucht, die korrekte Anrede für nichtbinäre Verkehrsampeln zu etablieren und ob man öffentliche Debatten künftig besser mit Triggerwarnung oder Selbsthilfegruppenpflicht versieht, ist weiter östlich längst etwas ganz anderes geschehen: Die (Frei)staaten Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg – einstige Mitglieder im Bundesverbund „Subvention mit Wutbürgeranteil“ – haben sich kollektiv der IV. Rzeczpospolita angeschlossen. Nicht etwa aus geopolitischer Ratio, sondern aus einem zutiefst menschlichen Bedürfnis: dem Wunsch nach Klarheit, Ordnung, Handlungsfähigkeit. Dinge, die im alten Germanistan, dem Kalifat der weichgekochten Identitäten, längst als rechts galten – oder schlimmer: als altmodisch.

Man stelle sich einen Brandenburger Innenhof vor, wo nicht mehr gegendert, sondern gegessen wird, wo das Wort „Vaterland“ wieder ein Satzzeichen besitzt und die Nationalhymne nicht von einer queeren Akapellagruppe interpretiert wird. Statt „Vielfalt stärken“ heißt es jetzt „Verstand bewahren“, und anstelle von „gefühlten Wahrheiten“ regieren wieder knallharte Tatsachen – ob man will oder nicht.

Die Rückkehr der Wehrhaftigkeit

Im neuen Europa, das sich um das großpolnische Herz zentriert, wird nicht diskutiert, sondern geübt – Marschieren, Disziplin, das richtige Anzünden einer Kerze im Gottesdienst. Der Begriff wehrfähig ist wieder mehr als ein Feuilleton-Wort aus sicherer Entfernung. Nein, das Volk wird wehr-tauglich gemacht – physisch, psychisch, ideologisch. Die Wehrpflicht ist zurück, diesmal nicht als soziale Chill-Option, sondern als Initiation in die Realität. Feminismus wird toleriert, solange er katholisch ist. Das Klima wird geschützt, aber nicht angebetet. Das Gendersternchen? Ein ferngerücktes Kuriosum aus einem untergegangenen Reich der Buntheit.

Die neue Ordnung wirkt nicht repressiv – sondern befreiend. Für jene, die sich nach Eindeutigkeit sehnen. Wer sich an „Zweifel“ gewöhnt hatte, dem erscheint „Gewissheit“ wie ein Befreiungsschlag. Ironischerweise ist der Wahnsinn der neuen Ordnung nur deshalb so erfolgreich, weil der Wahnsinn des alten Westens ihn möglich gemacht hat.

Wahl zwischen Wahnsinn und Wahnsinn

In Wrocław ist die Welt noch in Ordnung – oder wieder. Die Grenzen sind sicher, die Wirtschaft wächst, der Katholizismus erlebt ein modisches Revival, und der neue Europaparlamentssitz im ehemaligen Theater von Dresden ist ein Symbol: Kultur wird nicht mehr dekonstruiert, sondern bespielt. Man hat sich neu erfunden, im Stile des 19. Jahrhunderts, allerdings mit flächendeckendem 5G. Die Zweitsprache ist Deutsch, aber nur unter Aufsicht. Die polnischen Behörden achten streng darauf, dass keine Spuren von Berliner Gesinnungsrhetorik eingeschleppt werden. Deutsche Minderheiten genießen Verfassungsrang, dürfen sogar Schiller zitieren – allerdings nur, wenn’s sich reimt und nicht woke ist.

Wahlprogramme sind in der IV. Rzeczpospolita überflüssig – denn es wird nicht gewählt. Es wird geführt. Vom starken Zentrum, das alles vereint: Gott, Markt, Nation und die heilige Pflicht zur Normalität. Und so leben die Völker in Angst vor Russland, Misstrauen gegenüber Brüssel und tiefer Skepsis gegenüber Berlin – aber in einem Wohlstand, der von Selbstdisziplin und Misstrauen gespeist wird.

Epilegomena zur postliberalen Vernunft

Natürlich ist das alles Wahnsinn. Aber es ist ein Wahnsinn, der wieder einen Boden hat. Nicht der luftige, von Thinktanks durchlüftete, woke Wahnsinn des Westens, wo jede Wirklichkeit zuerst durch eine intersektionale Lesart zerrieben wird, bevor man sie überhaupt wahrnimmt – sondern ein geerdeter, robuster Wahnsinn. Der Wahnsinn der Ordnung, des Patriarchats mit Wifi, der Leitkultur in Tarnfarben. Er ist brutal, aber er funktioniert.

Und während Berlin immer noch fragt, wie viele Geschlechter ein Baum hat, marschiert in Wrocław die Jugend – stramm, höflich, bilingual.

Schlusswort: Ironie als letzte Verteidigungslinie

Es mag alles grotesk erscheinen. Es ist grotesk. Aber es ist nicht absurder als die Gegenwart. Denn in einer Welt, in der der Wahnsinn regiert, hat die Satire keine Wahl: Sie muss realistischer sein als die Realität selbst. Vielleicht ist das neue Polenreich die Reaktion auf ein Europa, das sich selbst entkernt hat – aus Angst, jemandem wehzutun.

Und so steht der Besucher auf dem Rynek von Wrocław, mit einer Zapiekanka in der Hand und einem ironischen Lächeln im Gesicht – nicht, weil alles gut ist, sondern weil es immerhin nicht Berlin ist.

Ein Abgesang mit Brecht’schem Flackern

„Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“
– Bertolt Brecht

Ähnlichkeiten mit bestehenden Staaten sind selbstverständlich rein zufällig.

Die sanfte Selbstzerstörung – aus Rücksicht, aus Haltung, aus Prinzip

Es gibt Untergänge mit Fanfaren und Feuern, solche mit Bomben und Barrikaden – und dann gibt es den deutschen Weg: Der stille Zerfall im Namen der Vernunft. Man betritt ihn nicht mit Getöse, sondern in Turnschuhen, nickend, debattierend, an der Ladesäule wartend. Es ist ein Pfad der gutgemeinten Selbstverneinung, gepflastert mit Idealen, auf denen längst niemand mehr steht, aber über die sich alle artig hinwegbeugen, um auch ja nicht zu stören. Der Irrsinn hat kein Gesicht mehr, keine Uniform, keine Fahne – er trägt heute das Siegel der Anständigkeit. Und wehe dem, der wagt, in den aufgeregten Kreisen der Debattenschickeria zu fragen, ob all das noch irgendeinen Sinn ergibt.

Denn die größte Tugend dieser neuen Welt ist nicht Weisheit, nicht Mut, nicht gar gesunder Menschenverstand – es ist die Kunst des permanenten Rückzugs vor dem Offensichtlichen. Man duckt sich aus Argumenten, flieht in Haltungsfloskeln, vergoldet das Absurde mit moralischem Klarlack. Und währenddessen marschiert der Wahnsinn weiter, höflich, nachhaltig, gendergerecht.

Krieg I: Der gegen die Realität – erfolgreich verloren

Der erste Krieg war jener gegen die Tatsachen. Er begann harmlos, mit Begriffsumdeutungen, mit netten Gesten und einer Prise Empörung auf Twitter. Es war die Zeit, als man begann, nicht mehr das zu sagen, was ist, sondern das, was sein sollte, wenn alles anders wäre, am besten schöner, reiner, gerechter. Realitätsverweigerung wurde zur Tugend erklärt, zur moralischen Notwehr gegen das Grauen der Wirklichkeit. Wenn die Mieten steigen, schafft man Mietendeckel. Wenn die Strompreise explodieren, erklärt man das zur notwendigen Opfergabe auf dem Altar des Planeten. Und wenn Migration nicht funktioniert, ändert man nicht die Politik, sondern die Definition von Integration.

Die Realität aber, zäh wie sie ist, ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie kam durch die Hintertür zurück – in Gestalt von kalten Klassenzimmern, stillgelegten Kernkraftwerken, an Grenzen kollabierenden Verwaltungen und Rentnern, die sich zwischen Heizung und Abendessen entscheiden müssen. Aber anstatt innezuhalten, wurde nachgelegt. Der Krieg gegen das Reale war nicht zu gewinnen – also erklärte man ihn zum Sieg.

Krieg II: Der gegen die Geschichte – dekorativ revisionistisch

Der zweite Krieg galt der Vergangenheit. Nicht jener düsteren, mit der Deutschland sich zu Recht seit Jahrzehnten schmerzhaft, gründlich und eindrücklich befasst hat, sondern jener breiten historischen Wirklichkeit, die vor lauter moralischer Maniküre kaum mehr zu erkennen ist. Die Geschichte wurde zu einem Disney-Film mit schlechter Regie: edle Opfer, böse Täter, kein Graubereich, keine Widersprüche – alles muss passen ins große Theater der Erbauung. Helmut Schmidt? Raucher. Adenauer? Patriachat. Goethe? Kolonialistisch kontaminiert. Kant? Fragwürdig. Schiller? Männlich. Wagner? Ohnehin erledigt.

So wird ein Volk, das sich einst durch Erinnerungskultur definierte, zu einer Kultur ohne erinnerbare Tiefe. Statt Lehren aus Geschichte zu ziehen, werden Namen von Schulen getilgt, Straßenschilder umgepinselt, Denkmäler umgewidmet. Der historische Diskurs degeneriert zur postmodernen Entrümpelungsshow. Was bleibt, ist ein leerer Raum – ideal für neue Narrative, praktisch für eine Gesellschaft, die sich jeden Tag neu erfinden muss, weil sie ihr Gestern für peinlich hält und ihr Morgen für unproblematisch.

Krieg III: Der gegen das Selbst – mit voller Hingabe

Und nun der dritte Krieg. Der finale. Der gegen das Eigene, das Nationale, das Konkrete. Und damit: der Krieg gegen das Überleben. Denn wenn ein Gemeinwesen sich nicht mehr erlaubt, sich selbst zu denken – dann hat es bereits aufgehört zu existieren. Deutschland, einst durch Identität geformt und durch Verantwortung genährt, ist heute ein Land, das sich schämt, zu sein. Alles, was deutsch klingt, muss relativiert werden. Einwanderung ist kein Problem, sondern eine Chance, auch wenn sie nicht funktioniert. Sprache ist nicht Ausdruck, sondern Tatwaffe. Grenzen sind nicht Schutz, sondern Rückfall. Selbstkritik wird zur Selbstverleugnung. Und der Bürger? Der Bürger wird zum Betreuten, zum Teilnehmer, zum Schweigenden.

Das Land wird aufgelöst wie eine Brausetablette in der heißen Brühe seiner eigenen Schuldgefühle. Was nicht sofort auf globaler Ebene Gültigkeit beansprucht, hat hier keine Berechtigung mehr. Nationales Interesse? Völkisch! Leistung? Sozial kalt. Autorität? Faschistoid. Und während die Polizei das Gendern lernt, kämpfen Alleinerziehende mit Formularen, und Lehrer mit der Grammatik ihrer Schüler.

Die Rückkehr des Karthago-Moments

Karthago war eine stolze Stadt. Handelsreich. Strategisch klug gelegen. Dreimal hatte es die Stirn, Rom herauszufordern. Am Ende stand kein Kompromiss, kein Runder Tisch, kein „Bündnis für Nachhaltigkeit“. Am Ende stand: Salz in der Erde. Vergessen.

Die Parallele ist – rein zufällig. Deutschland führt seine Kriege nicht gegen äußere Feinde. Es führt sie gegen sich selbst. Mit Verwaltungsakten, mit Talkshows, mit der Unterschrift unter jedes noch so absurde Abkommen. Es führt sie mit grünem Lächeln, unter Genderfahnen, im Takt der Empörungswelle. Die Panzer sind Phrasen, die Granaten sind Narrative, das Giftgas: Konsensdruck. Und der Rauch, der aufsteigt, ist der aus den Resten eines öffentlichen Diskurses, der früher einmal durch Widerspruch lebte.

Ein letzter Versuch der Ironie – oder: Brecht hätte gelacht (geweint)

Wenn man heute sagt: „Das ist Wahnsinn“, antworten sie: „Nein, das ist Fortschritt“. Wenn man fragt: „Wohin führt das?“, sagen sie: „Nach vorne.“ Und wenn man dann, vorsichtig, auf das Offensichtliche zeigt – auf das knirschende Fundament, die bröckelnde Infrastruktur, die zersetzte Sprache, das fehlende Personal, das explodierende Defizit, die symbolbesoffene Gesetzgebung – dann kommt der letzte Satz, das finale Totschlagargument: „Aber was ist die Alternative?“ Und so steht man da, schweigend, unter einem Windrad, mit schlechtem Netz und einer kalten Dusche – und versteht Brecht.

Das große Karthago…

Deutschland nach dem ersten Krieg – noch mächtig, aber verwirrt.
Nach dem zweiten – noch bewohnbar, aber unkenntlich.
Und nach dem dritten?

Vielleicht noch da. Aber ohne sich selbst.

Die Söhne der Anderen sterben schöner

In jeder Epoche gibt es Sätze, die wie Gewehrsalven durch die Nebel der Vernunft knattern. Lebeds bitterer Aphorismus gehört zu jenen: Er trifft nicht nur den Nerv, er entblößt das Nervensystem. Und während die Kriegsapologeten der Gegenwart, in Talkshows mit Manschettenknöpfen aus Ethik und strategischer Moral, den nächsten Waffentransport besprechen, geschieht eines mit absoluter Regelmäßigkeit: Es sterben immer die Falschen. Immer die Armen. Immer die Kinder derer, die nicht eingeladen waren zur Sicherheitskonferenz.

Würde man – in einem Anfall göttlich inspirierter Gerechtigkeit – die Debatte über „militärische Optionen“ an eine Schulklasse aus dem Diplomatenviertel verlegen, mit der stillen Bedingung, dass der eigene Nachwuchs morgen früh zur Front abrückt, es würde nicht eine Rakete mehr starten. Kriege wären sofort obsolet – wie weiße Tennissocken oder öffentliche Intellektuelle. Der Frieden wäre kein Ideal mehr, sondern ein Reflex.

Doch solange man die Verluste outsourcen kann, ans untere Ende der Gesellschaft, an die Ränder der Weltkarte, bleibt Krieg eine diskursfähige Option. Als sei er eine Sportart, bei der nur die Ersatzbank blutet.

Die Saturierten simulieren Sinn

Es ist nicht der Wahnsinn der Straße, den wir fürchten müssten – es ist der Wahnsinn der Konferenzräume, der Thinktanks, der Universitätsseminare, wo junge Männer und Frauen mit Stirnrunzeln über „Asymmetrien im Konfliktpotential“ schwadronieren, als ginge es nicht um Fleisch, sondern um Flächen. Um Territorien, nicht um Träume. Sie reden von „chirurgischen Schlägen“, während irgendwo ein Kind mit abgerissenen Armen schreit. Man sieht es nicht – es wurde herausgecuttet für eine bessere Sendezeit.

Diese neue Elite – die globale Klasse der Irgendwo-Angestellten mit Überzeugungen im Leasing – hat gelernt, jeden Irrsinn in ein Narrativ zu übersetzen. Sie können einen Drohnenschlag in PowerPoint darstellen. Einen Genozid als „strukturelle Entladung“. Ein Exekutionskommando als „humanitäre Intervention“. Wer das tut, braucht keine Moral mehr – nur ein gutes Branding.

Die Sprache, einst Mittel der Aufklärung, ist zum Nebelwerfer geworden. Wahrheit wird dabei nicht verleugnet – sie wird gebrochen wie Licht im Prisma: Jeder darf sich seine Farbe aussuchen. Die Kinder der Elite tragen Uniformen aus Worten. Und sie schießen mit Konzepten, die tödlicher sind als Kugeln, weil sie wie Vernunft klingen.

Krieg ist wieder chic – solange er sich gut streamen lässt

In einer Welt, in der jeder Schrecken auch Ästhetik sein darf, ist Krieg nicht mehr das absolute Grauen – er ist Content. Solange die Trümmer fotogen sind, der Widerstand möglichst jung und weiblich und das Feindbild sauber gezeichnet, lässt sich auch das Massaker gut monetarisieren. Man kann heute Kriegspartei sein, ohne die Couch zu verlassen. Man muss nur den richtigen Hashtag setzen, das Profilbild mit der passenden Flagge unterlegen und vielleicht einmal jährlich zur Friedensdemo gehen – wo es fair gehandelten Kaffee gibt und Literatur von Leuten, die nie selbst Blut gesehen haben, aber wissen, dass Pazifismus „naiv“ sei.

Der neue Krieg ist digital, moralisch aufgeladen, aber physisch fern. Er ist eine Gelegenheit zur Identitätsbildung für die saturierte Generation Ironie, die sich nichts mehr wünscht als Bedeutung – und sei es in Form eines Drohnenbildes mit passenden Filter. Krieg, das ist nicht mehr nur die Hölle – es ist ein Event mit Postproduktion.

Und die Kinder der Elite? Sie stehen in Podcast-Studios, diskutieren über Verteidigungshaushalte und Nachhaltigkeit, während ein Bursche aus dem Niemandsland mit 19 Jahren in einer nassen Uniform stirbt, die ihm nie gepasst hat.

Die neue Wehrpflicht: Moralische Mobilmachung

Man spricht wieder davon, Menschen „dienstpflichtig“ zu machen. Ein Begriff, der aus einer sprachlichen Eisenkammer stammt, als hätte Thomas de Maizière ihn mit Mottenkugeln verpackt aufbewahrt. Doch gemeint ist selten der eigene Sohn, die eigene Tochter – gemeint ist immer der andere. Der, der im Fitnessstudio arbeitet. Der, dessen Eltern keine Kolumnen schreiben. Die, die nie eingeladen werden, mitzureden – aber verpflichtet werden, mitzusterben.

Dabei müsste man doch, in einem gerechten Wahnsinn, einmal sagen: Wer einen Krieg fordert, verpflichtet sich selbst – mit Körper und Kind. Wer in Talkshows für „mehr Durchsetzungsfähigkeit im internationalen Raum“ plädiert, muss nachweisen, dass sein Nachwuchs das Wort „Graben“ nicht nur vom Familienurlaub in der Normandie kennt. Und wer Panzer fordert, sollte zumindest erklären können, wie man einen fährt – oder wenigstens, wie man aussteigt, bevor er brennt.

Die letzte Bastion: Das Lachen

Was bleibt, außer Zynismus? Vielleicht nichts – aber vielleicht auch das Lachen. Nicht das Lachen der Dummen, sondern das des Erwachens. Das bittere, trockene, das sich in der Kehle festsetzt, wenn man erkennt, wie absurd diese Welt geworden ist. Wie sehr wir uns einreden, dass wir zivilisiert seien, während wir mit feuchten Augen auf Live-Ticker starren, in denen gerade wieder ein Ort „zurückerobert“ wurde – mit 30.000 Toten.

Der Wahnsinn trägt heute Maßanzug. Er spricht mehrere Sprachen, kennt seine Zielgruppe und ist bestens vernetzt. Er tritt auf in Brüssel, Berlin, Boston – immer höflich, immer hochgebildet. Und immer bereit, das Leben anderer zu opfern, für Prinzipien, die man in Thinktanks erfunden hat und in Kriegsgräbern beerdigt.

Epilog: Rekrutierungsvorschlag

Alexander Lebed, ein General, kein Pazifist, sprach den klügsten Satz, den je ein Krieger gesagt hat. Er wusste, was Krieg ist. Und dass er aufhört, wenn jene, die ihn befehlen, auch jene wären, die ihn führen müssten.

Man stelle sich eine Welt vor, in der nicht die Kinder der Ungehörten marschieren – sondern die Kinder der Entscheider. In der nicht mehr über Krieg gesprochen wird, sondern mit ihm, von denen, die ihn wollen. Eine Welt, in der jeder Rüstungsdeal eine Patenschaft bedeutet. Und jedes Kriegsvotum eine Verpflichtung zur Front.

Dann wäre der Krieg vorbei – am ersten Tag. Und der Wahnsinn vielleicht mit ihm.

Kriegstreiber an die Front

Der demokratische Konsens, jener goldene Teppich, auf dem sich unsere Parteien selbstgefällig durch die Geschichte tragen, ist endgültig zur Sprengfalle geworden. Man glaubt, sich in einem gut geölten System öffentlicher Debatte zu befinden – doch plötzlich zündet einer den Applaus. Und siehe da: Krieg ist wieder eine Option! Nein, nicht als Schicksal, nicht als letzte Notwehr. Sondern als wohltemperiertes Planspiel, das man zwischen Sonntagsrede und Sicherheitskonferenz lässig in den Diskurs schiebt.

Was früher den politischen Außenseitern, den Großmäulern mit Stahlhelmfetisch und geschichtsvergessener Libido vorbehalten war, trägt heute das Siegel der Mitte. Ausgerechnet dort, wo einst Mahner und Brückenbauer residierten, sitzen jetzt die Bastler am geopolitischen Kippschalter. Verteidigung wird zur Glaubensfrage, Angriff zur Option. Der Pazifismus, einst moralischer Fels, verkommt zur Laune von Ewiggestrigen – und alle nicken, als wäre das logisch.

Und während der Bürger noch denkt, man müsse doch verhandeln, marschiert der Bundestag bereits im Stechschritt durch Twitter. Nur, dass man heute keine Helme mehr verteilt, sondern Hashtags. Keine Uniformen näht, sondern Narrative.

Eine Million Mann: Die neue Wehrpflicht heißt Mitgliedsausweis

Eine Million Menschen? Für den Krieg mit Russland? Kein Problem, wir haben doch die Parteien! Die Truppe steht bereit, die Uniformen liegen metaphorisch im Abgeordnetenflur, gleich neben dem Lastenradstellplatz.

  • SPD: 365.189 Mitglieder
  • CDU: 363.101 Mitglieder
  • CSU: 125.996 Mitglieder
  • Grüne: 125.991 Mitglieder
  • Linke: 50.251 Mitglieder

In Summe: 1.030.528 potentielle Krieger im Namen der liberalen Ordnung.

Na bitte. Wer das Schwert schwingen will, soll sich auch blutige Hände holen dürfen. Und wer Tag für Tag mit moralisierendem Furor erklärt, dass Waffen Frieden bringen, dass mehr Panzer weniger Krieg bedeuten, der möge bitte die erste Reihe bilden. Denn wie sagte schon der große Philosoph Habeckus von Scholzenstein: „Es gibt keinen Frieden ohne die Bereitschaft zum totalen Verteidigungsimport.“

Von der Friedenspartei zur Frontlinie – Metamorphosen einer Moral

Was ist nur aus den Grünen geworden, diesen einstigen Waldbesetzern mit Jutebeutel und Nato-Abneigung? Sie wollten Bäume retten – heute liefern sie Leopard-Panzer. Sie protestierten gegen den Irakkrieg – heute machen sie Antrittsbesuche bei Rüstungsfirmen, als handle es sich um Biohöfe. Und die SPD? Der letzte Rest an Willy Brandt wird aus dem Willy-Brandt-Haus gekehrt wie eine peinliche Jugendphase, ein pazifistisches Mißverständnis, das es bitte zu vergessen gilt.

Linke? Gänzlich gespalten. Die einen zucken, die anderen zucken noch mehr – aber in die jeweils andere Richtung. Derweil fordert die CDU militärische Führungsfähigkeit, während sie selbst keine Führungspersönlichkeiten mehr hat, sondern bloß politische Roommates im Co-Working-Space des Zeitgeistes.

Alle reden von Verantwortung. Aber gemeint ist immer: für andere. Für Ukrainer, für Amerikaner, für „die Freiheit“, deren Definition sich in den letzten Monaten häufiger geändert hat als die Netflix-Empfehlungen. Nur eines bleibt konstant: Die eigenen Bürger werden in der Pflicht gesehen, zu zahlen, zu frieren, zu glauben.

Realitätsverlust mit parlamentarischer Mehrheit

Wahlprogramme? Lesen sich heute wie Bewerbungen bei der Rüstungsindustrie. Zwischen digitaler Offensive und moralischer Überlegenheit bleibt nur Platz für eines: Eskalation. Wer auf Deeskalation pocht, gilt als naiv. Wer von Diplomatie spricht, ist „Putinversteher“. Wer Zweifel äußert, wird aus dem Diskurs exkommuniziert wie ein Ketzervater im digitalen Mittelalter.

Der politische Realismus, einst Kompass vernunftbegabter Führung, ist ersetzt worden durch eine Mischung aus Pathos, Panik und Pixelrhetorik. Abgeordnete zitieren Churchill, aber verhalten sich wie Influencer auf Speed. Wer keine Ahnung von Geopolitik hat, der tweetet sie sich einfach zurecht.

Und die Medien? Sie klatschen, dichten mit, machen Meinung zur Munitionshilfe. Wer eine Talkshow besucht, wird nicht befragt, sondern geprüft: auf Kriegswilligkeit, auf Standhaftigkeit gegenüber der „russischen Gefahr“. Die Bühne ist frei, das Skript geschrieben – und wer sich nicht fügt, wird in der nächsten Ausgabe als „antieuropäisch“ etikettiert.

Die Rückkehr der Wehrpflicht? Nein – der Applauspflicht!

Was früher mit Trommelwirbel und Fanfare zur Musterung rief, geschieht heute stiller, subtiler – aber nicht weniger brutal. Man wird nicht mehr eingezogen – man wird eingestimmt. Auf Linie gebracht. Die Trommel heißt heute Algorithmus, die Pflicht zum Marschieren wird ersetzt durch die Pflicht zur Meinungskonformität.

Die neue Front verläuft durch Zeitungen, durch Talkshows, durch Social Media-Profile. Wer noch Fragen stellt, gerät ins Kreuzfeuer. Wer widerspricht, ist kein Bürger, sondern ein Problem. Der Ruf zur Waffe ist nicht mehr körperlich – er ist rhetorisch. Und millionenfach geteilt.

Finale furioso: Der Preis der Pose

Und so stehen sie da, die eine Million Mitglieder – theoretisch kriegsbereit, praktisch tastaturbewaffnet. Die SPD-Funktionärin, die gegen Atomkraft kämpfte und heute Uranmunition duldet. Der grüne Bundestagsabgeordnete, der gegen die NATO demonstrierte und jetzt stolz auf den 100-Milliarden-Etat blickt. Die CDUlerin, die einst den Wehrdienst aussetzte und nun die Wehrpflicht zurückholen will – allerdings bitte mit sozialen Elementen, Gendergerechtigkeit und einem Fokus auf Diversität in der Schützengrabengestaltung.

Der Wahnsinn, meine Damen und Herren, ist keine Abweichung mehr. Er ist der neue Normalzustand. Eingebettet in wohlformulierte Absichtserklärungen, abgestützt durch Parteitagsbeschlüsse und eingewickelt in das flauschige Tuch einer moralischen Notwendigkeit.

Und während draußen der Frieden stirbt, schreibt man drinnen an der nächsten Pressemitteilung. Der Krieg? Kommt nicht überraschend. Er wurde bestellt – von einer Mehrheit, die sich selbst nicht an die Front traut.

Also: Kriegstreiber an die Front.
Viel Vergnügen. Wir, die Zweifler, behalten uns vor, zuzusehen – mit Spaten, falls jemand wieder raus will.

Alles ist Rassismus – auch das Gegenteil

Es war einmal ein Wort. Es war groß, schwer, dunkel und ernst. Man sprach es nicht leichtfertig aus. Es war ein Begriff, der zählte, weil er zählte, was nicht hätte sein dürfen: die systematische Verachtung des Anderen, des Fremden, des Nicht-Passenden. Rassismus – das war mehr als ein Vorwurf, das war ein Urteil, ein Stigma, ein gesellschaftlicher Bannspruch. Heute? Heute wird das Wort herumgereicht wie ein Gratis-Desinfektionsspray in der Fußgängerzone: Jeder hat’s, jeder benutzt’s, keiner weiß mehr, was drin ist. Der Rassismusbegriff, einst der symbolische Notruf in einer tatsächlich gefährlichen Welt, ist inzwischen das Schweizer Taschenmesser moralischer Erregung. Wer ihn zückt, braucht keine Argumente mehr. Es reicht, dass jemand „dunkel“ sagt – zack: Alltagsrassismus! Und wehe, jemand lacht an der falschen Stelle, sagt ein „falsches“ Wort oder zitiert ein Kinderbuch, das vor 1980 gedruckt wurde: Die Empörung lässt nicht lange auf sich warten, sie kommt in Großbuchstaben, Hashtags und mit ironiefreier Entschlossenheit.

Dabei ist der neue Rassismusvorwurf nicht etwa ein scharfes Schwert gegen Unrecht, sondern eine schiefe Brille, durch die alles zur Diskriminierung verschwimmt. Nicht mehr die Tat zählt, nicht die Absicht, nicht der Kontext – sondern das empfindungstechnische Echo im moralisch geschulten Bauch der Selbstgerechten. Die inflationäre Anwendung dieses Wortes hat aus einem klaren moralischen Maßstab eine trübe moralistische Brühe gemacht. Wer alles Rassismus nennt, der verharmlost ihn nicht nur, er erzeugt auch künstlich Feindbilder, wo vielleicht nur Missverständnisse, Unbeholfenheit oder schlicht: menschliche Imperfektion existieren.

Vom Falschkompliment zum Feindbild: Wenn sogar Nettigkeit verdächtig wird

Man stelle sich vor: Ein Mensch, nennen wir ihn Thomas, macht in der Bahn einer Mitreisenden ein Kompliment über ihre Sprache: „Sie sprechen aber ein sehr schönes Deutsch.“ Die Reaktion? Nicht etwa Dank – sondern die sofortige Einordnung als „Mikroaggression“. Denn – so lautet das neue Glaubensbekenntnis – das Implizite sei das Gefährliche. Hinter dem Lob verberge sich ein Subtext: „Sie sehen nicht so aus, als könnten Sie Deutsch sprechen.“ Thomas, der keine böse Absicht hatte, wird zur Symbolfigur eines strukturellen Problems erklärt – und das mit der Inbrunst einer Inquisition, die sich nicht mehr um das Feuerholz kümmern muss, weil sie längst die Zündschnur der Empörungsindustrie gelegt hat.

Der moralische Fortschritt – das war einmal die Fähigkeit, differenziert zu urteilen. Heute ist es die Kunst, alles in die gleiche braune Soße zu tunken. Der Falschkomplimente-Rassismus, der Namen-richtig-aussprech-Rassismus, der „Ich-sehe-keine-Farbe“-Rassismus: Alles wird unter dem Mantel der Betroffenheit zur strukturellen Gewalt hochstilisiert. Die hehre Idee der Gleichheit verkommt zur Denunziationsmaschinerie, in der selbst die positivsten Absichten unter Generalverdacht geraten. Wer keine Rassistin sein will, darf eigentlich gar nichts mehr sagen. Oder besser: nur das, was von der aktuellen Sprachfibel des progressiven Empörungsetats abgesegnet wurde. Leider aktualisiert sich diese Fibel schneller als jedes iPhone-Update.

Schwarzfahren, Schwarzsehen, Schwarzbrot – linguistische Säuberungen im Sinne des Guten

Es beginnt mit einem Wort. Es ist immer ein Wort. Und das reicht inzwischen. „Schwarzfahren“ zum Beispiel – eine Vokabel aus dem Reich der Verkehrsbetriebe, über Jahrzehnte hinweg zuverlässig, nüchtern, technisch. Doch nun soll das „Schwarz“ eine rassistische Konnotation tragen. Man wittert dahinter die kulturelle Stigmatisierung von Hautfarbe – ein semantischer Gedankenspagat, der selbst für eingefleischte Germanistikstudenten sportlich ist. Wo Sprache früher Klarheit schuf, wird sie heute zur Mine, über die man leicht stolpert – ob man will oder nicht.

Die neue Sprachmoral ist dabei kein Plädoyer für Rücksicht, sondern eine militante Umcodierung aller Begriffe. Wörter sollen nicht mehr benennen, sondern bekennen. Und wenn ein Wort in einem völlig anderen Zusammenhang verwendet wird – sei es „Schwarzmarkt“, „Schwarzarbeit“ oder „Schwarzmalerei“ – dann reicht das schon, um es zu ächten. Die Sprache wird nicht mehr gepflegt, sie wird gereinigt. Mit Hochdruck. Mit Gesinnungsschaum. Mit moralischer Lauge. Es ist die gute alte Zensur, aber in neuem Gewand – diesmal kommt sie nicht von oben, sondern aus der Mitte der hyperwachsamen Zivilgesellschaft. Sprachreinigung als Volkssport.

Wenn alles Rassismus ist, ist nichts mehr ernst – und niemand mehr sicher

Das Tragische – und darin liegt die bittere Ironie – ist die Verharmlosung des echten Rassismus durch diese semantische Hybris. Wenn der, der ein unbedachtes Wort sagt, in einem Atemzug mit dem genannt wird, der Menschen aufgrund ihrer Herkunft Gewalt antut – dann verschwimmen die Kategorien. Dann wird aus dem Neonazi im Fußballstadion und der Deutschlehrerin, die „Mohrenkopf“ sagt, ein und dieselbe Figur. Und das ist keine Übertreibung – das ist die gelebte Realität in den Kommentarspalten, in akademischen Diskursen, in Öffentlich-Rechtlichen Debattenrunden mit Ausgewogenheitsquoten.

Was dabei untergeht? Der tatsächliche Kampf gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Hass. Denn dieser Kampf ist schwer. Lang. Und unbequem. Aber wozu sich mit realen Missständen beschäftigen, wenn man sich stattdessen im Wohlfühl-Feuilleton über „exkludierende Sprache“ empören kann? Der neue Moralismus hat aus dem politischen Handeln eine Gefühlsästhetik gemacht, in der sich Betroffenheit als Tatersatz tarnt. Der Kampf gegen echten Rassismus wird durch diese Empörungssimulation nicht unterstützt, sondern sabotiert. Man verwechselt das Hashtag mit Heldentum – und das Mitgefühl mit Selbstinszenierung.

Resümee: Zwischen Hygiene und Hysterie

So stehen wir also da, im Deutschland der Wohlmeinenden, der Gutformulierten, der sprachlich Geläuterten – und merken nicht, wie wir in unserer Empörungsfreude die Ernsthaftigkeit verlieren. Wie wir aus einem Kampf für Menschenwürde eine Karikatur machen. Und aus der Erinnerung an echte Verbrechen einen PR-Text mit Genderstern. Wir haben die moralische Sprache professionalisiert – aber das moralische Denken infantilisiert. Wir haben Begriffe vergrößert – und damit entleert.

Was bleibt? Ein Begriff, der früher Gewicht hatte – und heute wie ein schlecht kopierter Protestbutton klingt: „Rassismus“. Man pinnt ihn sich schnell an, ruft ihn aus, twittert ihn weiter. Aber er ist porös geworden. Er schützt nicht mehr. Er verklärt. Er blendet.

Und das ist nicht nur ärgerlich. Es ist gefährlich.

Willkommen im Wörterbuch der empörungsverdächtigen Begriffe

3. Auflage, vollständig moralisiert, mit Triggerwarnungen.

Hier findet sich eine Liste ehemals harmloser Alltagswörter, die inzwischen unter schwerem Verdacht stehen. Ihre Verwendung kann je nach Kontext, Tonfall, Hautfarbe des Sprechers oder Tageszeit zwischen „grenzwertig“ und „faschistoid“ schwanken. Achtung: Ironie wird nicht als mildernder Umstand anerkannt.


1. Schwarzfahren (Substantiv, höchst verdächtig)

Früher: Beförderungserschleichung im ÖPNV
Heute: Linguistische Vorverurteilung pigmentierter Menschen
Alternativvorschläge:

  • „Ticketfreies Mobilitätsverhalten“
  • „Dunkeltarifliches Fortbewegungsmodell“
  • „Beteiligungskritisches Bahnengagement“

2. Schwarz auf Weiß (Redewendung, Racially Questionable)

Früher: Ausdruck für klare Beweise
Heute: Farbdualismus mit kolonialem Beigeschmack
Vorschlag:

  • „Kontrastbasierte Faktendarstellung“
  • „Pigmentäquivalente Beweiskraft“

3. Mohrenstraße (Ortsbezeichnung, heute: Kriegsgebiet)

Früher: Historischer Straßenname, keiner wusste warum
Heute: Offenes Sprachdelikt mit Rücktrittspotenzial
Empfohlen:

  • „Straße des postkolonialen Unbehagens“
  • „Menschenfarbenunabhängige Verkehrsachse“

4. Zigeunerschnitzel (Kulinarisches Kriegsverbrechen)

Früher: Tomaten-Paprika-Soße mit Fleisch
Heute: Rassistische Diffamierung durch Soßenbezeichnung
Alternativen:

  • „Schnitzel mit soziokulturell neutraler Würzmasse“
  • „Paprika-spezifisch sozialisierte Fleischscheibe“

5. Dunkelhäutig (Adjektiv, einst beschreibend, heute: Nest der Mikroaggression)

Früher: Versuchte sachliche Beschreibung
Heute: Reduktion auf Hautfarbe mit struktureller Komponente
Alternative Formulierung:

  • „Melaninreiche Mitmenschlichkeit“
  • „Person of Tanned Expression“

6. Weißbrot (Substantiv, zutiefst eurozentristisch)

Früher: Backware, eher trocken
Heute: Symbol für kulturelle Überheblichkeit, Kolonialgluten
Empfohlene Umschreibung:

  • „Pigmentfreies Hefeprodukt“
  • „Diversitätsdefizitäres Gebäck“

7. Indian Summer (poetisch, jetzt: appropriiert)

Früher: Bezeichnung für einen goldenen Herbst
Heute: Romantisierte Verharmlosung indigener Leiden
Alternativvorschlag:

  • „Herbstlicher Temperaturwiderstand mit kultureller Sensibilität“
  • „Spätsommerliche Dekolonialisierungsphase“

8. Schwarzsehen (Pessimismus, pigmentverdächtig)

Früher: Düstere Zukunftsprognose
Heute: Suggestive Gleichsetzung von Dunkelheit und Negativität
Empfohlene Neudeutung:

  • „Optimismusferne Farbwahrnehmung“
  • „Hoffnungskritisches Farberlebnis“

9. Weiße Weste (Redewendung, heute: Exklusion durch Textilien)

Früher: Ausdruck für Unschuld
Heute: Symbol für Reinheitsfantasie westlicher Prägung
Alternative:

  • „Nicht kontaminierte Ethikbekleidung“
  • „Transparenzsignalisiertes Oberbekleidungsversprechen“

10. Farbfernsehen (veraltet, aber gefährlich)

Früher: Technologischer Fortschritt
Heute: Subtile Hierarchisierung visueller Reize
Vorsicht: Kann als „visuelle Kolonialisierung der Wahrnehmung“ interpretiert werden
Empfohlen:

  • „Pigmentdiverses Signalempfangsgerät“

Hinweis an den Benutzer

Die Verwendung dieser Begriffe kann zu erhöhter Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken, akademischen Diskursen und unter 23-Jährigen führen.
Empörung ist jederzeit ohne Vorwarnung möglich.
Ironie, Sarkasmus und gesunder Menschenverstand wurden im Zusammenhang mit diesem Lexikon vorsorglich außer Betrieb genommen.

Der Krieg beginnt nicht mit Schüssen, sondern mit Schlagzeilen

Im Krieg stellt der Staat die Panzer, die Reichen das Kapital, und das Volk seine Kinder. Nach dem Krieg holt sich der Staat die Panzer zurück, die Reichen zählen ihren Profit, und das Volk trauert an den Gräbern seiner Söhne.“

Bevor die erste Kugel fliegt, fliegt bereits der erste Kommentar durch die Online-Redaktionen. Nicht das Maschinengewehr eröffnet das Schlachtfeld, sondern das Mikrofon. Noch während der erste Truppenverband seine Stiefel schnürt, hat das Feuilleton schon den Tonfall gewechselt – von kritisch zu patriotisch, von pazifistisch zu realistisch, von differenziert zu dringend. Die Meinungsmaschinerie marschiert immer zuerst. Ihre Munition? Sprachbilder, Narrative, Sätze wie „Wir dürfen jetzt nicht wegsehen“, „Es geht um unsere Werte“ und das unvermeidliche „Es gibt leider keine Alternative.“

Wie bequem sich die Parolen wiederholen lassen, wie elegant sich Komplexität in Schlagworten versenken lässt, das ist eine Kunstform, die im Krieg zur Blüte gelangt. Die Reichen investieren in die Rüstungsindustrie, die Mittelschicht in Meinungsabos, und die Unterklasse? Die liefert, wie eh und je, das Personal. Für das Bodenlose. Für das Blut.

Die Panzer glänzen, die Gewinne glänzen mehr

Es ist ein faszinierendes Schauspiel, wie schnell sich die industrielle Intelligenz einer Gesellschaft mobilisieren lässt, wenn es darum geht, Leben zu vernichten statt zu verbessern. Kein Geld für Schulen, Krankenhäuser, Sozialwohnungen – aber plötzlich Milliarden für „Sicherheitspakete“. Der Staat, vorher ein klammer Bittsteller beim Rententopf, wird zur spendablen Kriegsmaschine, großzügig ausgestattet mit Steuergeld und rhetorischem Pathos. Das Konjunkturpaket der Waffenlobby nennt sich dann „Sondervermögen“ – eine semantische Meisterleistung. Orwell lächelt, aus dem Grab heraus.

Doch während der Staat mit Betonköpfen über Budgetfragen streitet und die Panzer durch parlamentarische Drucksachen rollen, ist der wahre Sieg längst errungen – von denen, die nicht kämpfen müssen. Die Rüstungsaktien steigen steiler als je eine Friedensdividende. Und je länger der Krieg dauert, desto klarer zeigt sich: Der Markt liebt Blut. Solange es nicht das eigene ist.

Die Kinder des Volkes – Kanonenfutter mit Staatsangehörigkeit

Man spricht heute viel von Generationengerechtigkeit, wenn es um Renten, Klima oder Digitalisierung geht. Doch in Wahrheit kennt der Staat nur eine Form echter Gerechtigkeit: die Gerechtigkeit des Opferns. Wer jung ist, hat zu liefern. Früher: Arbeitskraft. Heute: Ideale. Morgen vielleicht wieder: Leben. Die jungen Männer – und Frauen, in Gleichstellung getrimmten Armeen längst inkludiert – dienen nicht mehr Gott oder dem Vaterland, sondern der geopolitischen Verantwortung, der Bündnistreue, der „regelbasierten Weltordnung“. Und wenn man ihnen erklären will, wofür sie eigentlich sterben sollen, dann bekommt man ein PDF. Zwölf Seiten NATO-Narrativ, ohne Fußnoten, aber mit Logo.

Die Uniform ersetzt nicht den Charakter, sie ersetzt die Verantwortung. Der Soldat, einst Symbol von Tapferkeit und Pflicht, ist heute vor allem: ein Konsument der Logik anderer. Geführt von Drohnen, dirigiert von Lobbyisten, bejubelt von Kommentatoren, verlassen von denen, die ihn hinschicken.

Und nach dem Knall? Das große Aufräumen beginnt

Wenn der Krieg vorbei ist – was immer das heißen mag in einer Zeit, in der Kriege nicht mehr erklärt und nie mehr offiziell beendet werden – kehrt der Staat zur Routine zurück. Er verschrottet das Gerät, bilanziert den Haushalt, kürzt die Sozialhilfe, vergisst die Veteranen. Die Reichen hingegen verschrotten nichts. Sie reinvestieren. In Rohstoffe, in Wiederaufbauverträge, in Erinnerungsnarrative. Man errichtet Stiftungen, denkt an „unsere Gefallenen“, baut Mahnmale, legt Kränze, gibt sich betroffen – doch niemals haftbar.

Und das Volk? Es steht an den Gräbern. Trägt Blumen, Tränen, Trauer – und die Last der Erzählung. Dass es „notwendig war“. Dass es „nicht anders ging“. Dass die Kinder nicht umsonst gestorben sind. Dabei sind sie genau dafür gestorben: für das Nichts. Für das Leere hinter den Begriffen. Für das Vakuum der Verantwortung.

Das Pathos der Macht – und das Schweigen der Geschichte

Kriege haben Konjunktur. Frieden ist wirtschaftlich schlecht verwertbar. Er bringt keine Schlagzeilen, keine Helden, keine Exportrekorde. Frieden ist die Zwischenphase zwischen zwei Investitionszyklen. Und so lernen wir wieder: Geschichte wiederholt sich nicht – sie wird einfach konsequenter ignoriert. Die Generation, die einst „Nie wieder Krieg“ auf ihre Banner schrieb, nickt heute Zustimmungswerte in Umfragen ab, solange die eigenen Kinder nicht einrücken müssen. Die Politsprache, verkommen zum Verwaltungsvokabular der Vernichtung, betreibt Schadensbegrenzung per Hashtag: #StandWith, #Solidarity, #DefendDemocracy – alles schön mit Flagge im Profil.

Und nun? Der große Konformismus als Tarnanzug

Der Wahnsinn hat sich gut getarnt. Er trägt jetzt Anzug, schreibt Essays, verteidigt moralisch Überlegenes mit tödlicher Konsequenz. Er kommt nicht mehr mit Stiefeln, sondern mit Buzzwords. Er ruft nicht mehr zum Heldentod auf, sondern zum Beitrag im „Sicherheitsdiskurs“. Jeder, der widerspricht, wird nicht widerlegt – er wird „problematisiert“, „relativiert“, „isolationistisch“ genannt. Der Konformismus ist nicht mehr obrigkeitshörig, sondern gesinnungsethisch durchgelüftet. Und das macht ihn umso gefährlicher. Denn wer glaubt, auf der Seite des Guten zu stehen, kann das Schlechte exzellent delegieren.

Der Tod als Gemeingut

Und so bleibt dem Volk nur das, was ihm immer geblieben ist: Die Rolle des Leidenden, Zahlenden, Trauernden. Während über ihm debattiert, unter ihm verdient und um ihn herum marschiert wird. Im Krieg stellt der Staat die Panzer, die Reichen das Kapital – und das Volk seine Kinder. Nach dem Krieg kehren nur zwei von dreien heim.

Der Panzer wird ins Museum gestellt. Das Kapital verzinst sich weiter. Und das Kind liegt still.

Über die neue Lust am gerechten Töten, den bellizistischen Biedermeier und die Rückkehr der Zivilisationsvergessenen

Die Kriegstreiber im T-Shirt – Von der Wellness der Selbstgerechtigkeit

Da sitzen sie also, die Generäle der Moral, in ihren Coworking Spaces und Twitter-Trutzburgen, klimatisiert, koffeiniert, post-ironisch. Sie führen Krieg mit Hashtags, fordern Waffenlieferungen mit beleuchtetem Keyboard, twittern sich ins Exerzitium der Entrüstung – und wundern sich dann, wenn der Tod nicht antwortet. Die neue Kriegsbegeisterung kommt nicht mehr mit Pickelhaube und Trommelwirbel daher, sondern als moralisch zertifiziertes Paket in der DHL-Sonderzustellung: „Panzer? Ja bitte! Und zwar express! Für die Freiheit™!“

Wie Helmut Schmidt einst sagte – Helmut, nicht Kevin – „Leute, die keinen Krieg erlebt haben…“, und der Satz endet nicht mit einer Pointe, sondern mit einer Verdammung. Denn heute führen diejenigen Krieg, die sich dabei fühlen wollen wie im Widerstand, aber auf der Couch sitzen. Sie haben nie einen Granatsplitter gesehen, nie gerochen, wie verbrannte Erde stinkt – aber sie wissen genau, wie man sich richtig positioniert. Zwischen Empörung und Empathie, zwischen Frontbericht und Followerzuwachs. Sie verwechseln geopolitische Komplexität mit einem Netflix-Drehbuch – und wollen in jeder Staffel als Helden auftreten.

Krieg als politisches Accessoire – Der Lifestyle des Lauten

Der Krieg ist zurück in den Köpfen, aber nicht in seiner hässlichen Realität, sondern als Zitat, als ästhetisierte Metapher. Politiker tragen heute militärische Begriffe wie Krawatten – „Zeitenwende“, „Verteidigung der Werte“, „Kampf gegen das Böse“ –, ohne auch nur einen Moment innezuhalten und sich zu fragen, ob hinter jedem heroischen Verb nicht ein verstümmelter Mensch liegt. Stattdessen wird aufgerüstet, investiert, geliefert, als ginge es um ein neues iPhone-Release. Und wer Zweifel äußert, gilt als Defätist, als Sympathisant des Feindes, als historisch unbeleckt. Die moralische Erpressung funktioniert prächtig: Wer für Frieden ist, muss sich erstmal erklären. Wer Waffen will, braucht nur ein scharfes Statement.

Früher war Krieg das letzte Mittel – heute ist er ein Statement. Ein Profilbild mit Flagge, ein Slogan, ein Tweet. Man will Haltung zeigen, nicht Haltung bewahren. Man will kämpfen – nicht leiden. Und vor allem will man: recht haben. Dass am Ende Menschen sterben, ist eine Randnotiz, über die hinweggegangen wird wie über Fußnoten in einem Manifest.

Marschrichtung Meinung – Die Konformisten in den Kampfanzügen

Die wohlfeile Einigkeit in Redaktionen, Parteitagen und Sprechblasenforen erinnert an eine besonders skurrile Choreografie: Alle bewegen sich synchron, in einem Tanz der Zustimmung, der als Mut verkauft wird, obwohl er nichts anderes ist als das Gegenteil – der Rückzug ins bequeme Kollektiv. Kriegsbegeisterung ist wieder salonfähig, solange sie im richtigen Vokabular kommt. Wer hingegen abrüstet – sprachlich oder geistig –, gilt als naiv, feige, geschichtsvergessen.

Dabei liegt die wahre Geschichtsvergessenheit bei jenen, die Geschichte nicht mehr als Mahnung, sondern als Anleitung lesen. Sie zitieren 1938, schreien „Nie wieder!“ – und meinen: nie wieder zögern. Dabei hat gerade das Zögern große Katastrophen verhindert. Willy Brandts Kniefall war eine Geste der Demut, nicht der Macht. Heute kniet man nur noch, wenn die Likes stimmen.

Die Infantilisierung des Ernstfalls

Es ist die vielleicht größte Groteske unserer Zeit: Eine Generation, die sich zu Recht gegen psychische Belastung wehrt, diskutiert mit schäumender Begeisterung über Langstreckenraketen. Menschen, die Triggerwarnungen für Shakespeare-Stücke fordern, sprechen mit kühlem Sachverstand über den Nuklearschlag als Option. Die Dissonanz ist ohrenbetäubend. Was ist das für eine Gesellschaft, die Panzer mit Regenbogenflagge lackieren will? Die Waffenexporte für feministische Außenpolitik hält und dann betroffen schaut, wenn auch getötet wird?

Krieg ist kein planspielkompatibles Szenario für Talkshow-Moderationen. Er ist kein moralischer Preis, den man auf Podien diskutiert. Er ist auch nicht sauber. Er ist keine gerechte Sache. Er ist Dreck. Immer. Selbst im besten Fall. Und wer das vergisst, nur weil er nie barfuß durch Leichenteile waten musste, hat das Recht auf Kriegsrhetorik verwirkt.

Ein Echo der Geschichte – Wenn der Lärm wieder beginnt

Helmut Schmidt, der letzte Kanzler mit echter Kriegserfahrung, war ein nüchterner Mann. Kein Friedensapostel, kein linker Romantiker, sondern ein Realist mit einem moralischen Sensorium, das heute vielen fehlt. Er wusste, dass Krieg nicht heldenhaft, sondern höllisch ist. Dass jede Rakete ein Grab schaufelt. Dass man auch mal nicht mitmacht. Und vor allem, dass Moral ohne Mäßigung zur Barbarei wird.

Wer heute von „Zeitenwende“ spricht, sollte sich daran erinnern, dass Zeitenwenden selten sauber verlaufen. Und dass sie meist mit Pathos beginnen – und mit Trümmern enden. Der historische Rückspiegel zeigt nicht nur Hitler. Er zeigt auch Serbien, Vietnam, Afghanistan, Irak. Und überall dazwischen: die immer gleiche Illusion, dass man den Krieg „nur richtig führen“ müsse, um ihn zu rechtfertigen.

Der Furor der Ahnungslosen

Der neue Wahnsinn hat viele Gesichter. Er trägt Uniform, Hoodie, Podcast-Mikrofon und Ministerrang. Er ist nicht laut, er ist grell. Er ist nicht mutig, er ist fanatisch. Und er weiß alles besser – bis der Rauch aufsteigt. Dann ist das Internet still. Und die Hände zittern.

Ein Contra gegen diesen Wahnsinn heißt nicht: Kapitulation. Es heißt: Klarheit. Vorsicht. Und das Wissen, dass es keine sauberen Kriege gibt, nur schmutzige Lügen.
Denn wer heute nach Waffen ruft, sollte sich fragen, ob er sie auch tragen würde.
Oder ob er nur den Tod delegiert – an andere, weit weg, unsichtbar.

Helmut Schmidt wusste, wovon er sprach. Die meisten anderen sprechen – und wissen nichts.

Der Luxus der Meinungslosgkeit

Es gibt Momente in der politischen Landschaft, da kann man entweder lachen oder weinen. Oder beides. Und doch stellt sich beim jüngsten Coup des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers, der nun seine Fähigkeiten als EU-Banker ausleben soll, die Frage: Warum eigentlich nicht? Schließlich ist der Weg von der politischen Führungsetage auf den internationalen Bankenmarkt so schmal wie der Grat zwischen ambitionierter Karriere und systemischer Verrottung. Der Schritt von der Machtpolitik zum Finanzimperium wirkt fast natürlich, wenn man den Lebenslauf des Ex-Kanzlers in Augenschein nimmt – und dabei das Bauchgefühl des geneigten Bürgers ins Auge fasst. „Es hat doch immer gut funktioniert, oder?“

Nach Jahren in der österreichischen Politik hätte dieser Mann alles – aber warum sollte man sich in seiner zweiten Karriere nicht die Taschen mit dem Geld füllen, das nicht mehr von den Steuerzahlern, sondern von den Steuervermeidern stammt? Die EU als Finanzinstitution ist ja nun nicht gerade ein Ponyhof für das Wohl der Weltwirtschaft – und wer könnte dieses Geschäft besser führen als jemand, der seine politische Karriere mit der geradezu meisterhaften Kombination aus Intransparenz und Interessenvertreter-Wissen verbracht hat? Der Ex-Kanzler hat schon immer dafür gesorgt, dass das Spiel mit den finanziellen Unsicherheiten funktioniert – es wäre fast eine Ironie, ihn nicht für solch ein Amt zu gewinnen. Die Frage bleibt nur, ob er bei seinem Job als EU-Banker den gleichen „Politik-Ausschnitt“ verfolgen wird wie in seiner Amtszeit als Kanzler. Aber wer weiß? Vielleicht hat er ja einen gewissen Plan.

Was es bedeutet, „keine Meinung“ zu haben

An dieser Stelle kann man sich gut fragen: Was würde wohl Beate Meinl-Riesinger zu dieser bemerkenswerten Wendung des Ex-Kanzlers sagen? Sie, die sich selbst als souveräne Vertretung einer Meinungsfreiheit im absoluten Vakuum versteht, hat nunmehr das politische Bürokraten-Motto für sich entdeckt: „Ich erlaube mir, dazu keine Meinung zu haben.“ Punkt. Ein Satz so prägnant wie die leeren Worthülsen, die allmorgendlich auf den Frühstückstischen dieser Welt verzehrt werden – vielleicht in einer formschönen Schüssel, die einem auslaufenden EU-Begrüßungsgeld in einem nachlassenden Stil gerecht wird.

Frau Meinl-Riesinger, die wahrlich von allem eine Meinung zu haben scheint – zumindest immer dann, wenn es um etwas geht, das sie selbst nicht betrifft – hat durch ihre Aussage ein absolutes Meisterwerk der politischen Abkehr geschaffen. Ihr „Ich erlaube mir, keine Meinung zu haben“ ist die neue olympische Disziplin im politischen Sprechakt. Kein Bekenntnis, keine Verantwortung, keine Ahnung. Der „Punkt“, den sie nach dieser tiefgründigen Erkenntnis setzt, könnte nicht klarer sein: Sie ist „neutral“ – und wie sehr das die politische Landschaft bereichert! Es ist, als ob man einem Hund beigebracht hätte, Gitarre zu spielen: faszinierend und unnötig zugleich.

Der Wahnsinn, den sie in ihrer glänzenden Abwesenheit von jeglichem Commitment zur Schau stellt, ist nicht nur eine persönliche Lebensentscheidung, sondern ein veritabler Triumph der politischen Elite, die es geschafft hat, in einem Satz sämtliche komplexen Fragestellungen zu umgehen. Bei einer so feinsinnigen Ansprache könnte man glatt vergessen, dass hier eine Politikerin spricht, deren einzige Leistung es ist, sich dem politischen Diskurs mit der Präzision eines Pappkartons zu entziehen. „Ich erlaube mir keine Meinung zu haben“ – wie tröstlich! Was für ein Statement der Unverbindlichkeit in einer Zeit, die nach felsenfesten Standpunkten schreit. Und was ist das Resultat dieses genialen Zugriffs? Nichts anderes als eine Exekutive, die sich der Verantwortung entzieht und der Welt mit einem Schulterzucken und einem „ich habe nichts zu sagen“ begegnet.

Posten als Belohnungssystem

Kommen wir zurück zum ehemaligen Kanzler, der jetzt EU-Banker ist. Was bedeutet dieser Schritt für die europäische politische Kultur? Die Antwort ist erschreckend einfach: Nichts. Oder vielmehr: Alles. Die Beförderung von Politikern in hochbezahlte Posten in internationalen Banken ist inzwischen ein gewohnter Teil des Systems, das die politische Klasse über Jahre hinweg erfolgreich zur Kunstform erhoben hat. Wir sprechen hier von einem elitären Club, in dem die Verleihung von Posten nicht nach Können, sondern nach politischer Zugehörigkeit und/oder der Bereitschaft zur stillen Kooperation erfolgt. In diesem Club gibt es keine Türen – es gibt nur Durchgänge, die im besten Fall einen Hauch von Verdunkelung erhaschen.

Der neue EU-Banker bringt zweifellos keine frischen Ideen oder revolutionären Reformen mit sich – er ist ein weiteres Rad im Getriebe des Finanzimperiums, das auf stabilem Stillstand basiert. Aber das Schöne an der politischen Kaste ist, dass die Postenvergabe kein Wettbewerb ist, sondern ein Belohnungssystem für diejenigen, die sich im Spiel der Macht bestens zurechtfinden. Jeder dieser Aufstiege ist der Triumph des Opportunismus über die Moral. Und das wird, da sind wir uns einig, niemanden wirklich überraschen.

Politische Selbstbedienung

Die tragische Ironie, die sich hier abzeichnet, ist von solch einer atemberaubenden Wucht, dass selbst der Bundespräsident bei seiner nächsten Neujahrsansprache leicht ins Stolpern geraten dürfte. Ein Ex-Kanzler wird EU-Banker, weil er es kann – und die Politiker, die ihn dabei unterstützen, tun dies aus einem simplen, wenn auch nicht besonders sympathischen Grund: Es gibt einen Job zu vergeben, und derjenige, der ihn am meisten verdient hat, ist derjenige, der es versteht, alle anderen in diesem verrückten Spiel hinter sich zu lassen. Wer schon als Kanzler von der Korruption des Systems profitierte, bekommt nun die Gelegenheit, sich als Hüter des europäischen Finanzwesens zu inszenieren. Ein politisches Pendant zum „Bananenrepublik-Syndrom“, bei dem Macht immer nur an die übergeht, die im richtigen Moment die richtigen Türen offen halten.

Doch der wahre Witz an der Sache ist, dass all diese Akteure von der „Glaubwürdigkeit“ der Institutionen sprechen, während sie selbst als wandelnde Exempel für den moralischen Niedergang innerhalb dieser Institutionen fungieren. Das politische Establishment hat sich längst zum Selbstbedienungsladen entwickelt, in dem die wahren Gewinner nicht die Bürger sind, sondern diejenigen, die den Weg von der Macht in den Wohlstand so geschickt kennen wie das ABC der Bürokratie. Und an dieser Stelle sei nochmals erinnert: Der wahre Wahnsinn ist nicht der, der ex-Kanzler als EU-Banker sieht, sondern der Wahnsinn, dass dieser Schritt so nahtlos in die politische Landschaft passt, als wäre er das Unvermeidliche.

Ein Kontinent im Schatten des Puffs

„Ich erlaube mir dazu keine Meinung zu haben.“ Punkt. Mehr gibt es nicht zu sagen, oder vielleicht doch? Der Wahnsinn hat Methode, und die Methode ist einfach: Das Spiel der Macht wird nicht mehr von politischen Idealen oder gesellschaftlichen Bedürfnissen bestimmt, sondern von einem Kalkül der Verwertbarkeit. Politiker werden zu Bankern, Banker zu Politikern, und die Bürger? Sie sitzen in ihren Wohnzimmern, die eine Hand am Controller, die andere am Bier – und versuchen, dieses Spiel zu verstehen, das sie ohnehin nicht gewonnen haben.

Die politische Landschaft hat sich längst in eine Bühne verwandelt, auf der die Schauspieler ihre Rollen wechseln, wie sie es für richtig halten. Doch das Stück bleibt immer das gleiche. Der wahre Wahnsinn, der uns alle betreffen könnte, liegt in der Tatsache, dass niemand mehr weiß, wann der Vorhang fällt – oder ob er überhaupt noch fällt.