Die Karriereleiter als Drehtür

– und der Steuerzahler hält die Tür auf

Es war einmal ein Beamter. Nicht irgendeiner. Einer mit Doppelkinn, Brillenrand und der Überzeugung, dass Digitalisierung vor allem dann gut ist, wenn sie ordentlich budgetiert wird. Gottfried Ludewig – ein Name, den man sich nicht merken möchte, aber muss, weil er wie eine Zutat aus dem Rezeptbuch der deutschen Digitalbürokratie schmeckt: blass, aber durchdringend. Der Mann, der einst dafür zuständig war, den Staat mit technologischem Neuland zu impfen, hat heute beim Profiteur jener Injektion unterschrieben. Das nennt man Karriere. Oder: das symbiotische Verhältnis von Staat und Konzern im Kleid der Krise.

Was nach Kabarett klingt, ist deutscher Verwaltungsalltag: Die Drehtür zwischen Regierung und Industrie steht offen wie das WLAN eines CDU-Ortsverbands – und wer sich schnell genug dreht, landet weich im Lobbysofa. Die Pandemie war dabei weniger Katastrophe als Gelegenheit: ein Prüfstand für die Elastizität ethischer Grundsätze und die Biegsamkeit ministerieller Integrität. Ludewig hat diesen Test nicht nur bestanden – er hat ihn designt.

Vom digitalpolitischen Sachwalter zum steuerfinanzierten Türöffner

Es beginnt, wie alles beginnt in Deutschland, mit einem Ausschuss, einem Konzeptpapier, und dem Versprechen: „Diesmal machen wir es anders.“ Tatsächlich wurde alles anders – denn diesmal wurde gleich gar nichts ausgeschrieben. Die Corona-Warn-App: ein Projekt, das man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte, bevor man sich über Berliner Bauprojekte empört. SAP und T-Systems bekamen den Auftrag direkt – nicht etwa, weil sie die besten Anbieter waren, sondern weil sie die einzigen waren, die gefragt wurden. Eine Auswahl unter Ausschluss aller Alternativen. Ein Verfahren, das Juristen unter normalen Umständen „rechtswidrig“ nennen, in Notzeiten aber „alternativlos“.

Man darf fragen, was mit einem Staatswesen passiert, das bei Sturm den Kompass über Bord wirft und sich stattdessen auf die GPS-Daten der Großindustrie verlässt. Die Antwort liefert Ludewig selbst: Er steuert heute jenes Schiff, das er gestern noch vom Rettungsboot aus betankt hat.

Der digitale Komplex – oder: Wie man aus Steuergeld Zukunft bastelt

Zahlen lügen nicht – sie schütteln nur hin und wieder den Kopf. Von ursprünglich 20 Millionen Euro schraubten sich die App-Kosten auf über 214 Millionen. Das ist nicht einfach teuer. Das ist organisiertes Vertrauen. Vertrauen in eine Verwaltung, die dem Bürger erklärt, warum Faxgeräte im Gesundheitsamt noch immer Systemrelevanz besitzen, während sie gleichzeitig Millionen überweist, um Bluetooth-Begegnungen zu loggen, die niemand mehr nachvollziehen kann.

Dass ausgerechnet Deutschland, Heimat des Datenschutzes und der aktenheftenden Gründlichkeit, sich in einem digitalen Schnellschuss ohne jede Ausschreibung an SAP und T-Systems kettet, ist kein Skandal mehr. Es ist ein Symptom. Das Land, das am liebsten alles prüft, bevor es geprüft wird, hat in der Krise das Prüfen selbst ausgesetzt – zugunsten eines reflexhaften Vertrauens in die großen Namen. Vielleicht, weil man dort wenigstens jemanden kennt, der zurückruft.

Compliance als Witzfigur – Die neue Ernsthaftigkeit der Nebelkerze

Natürlich war alles legal. Irgendwie. Natürlich gab es Gutachten, Stellungnahmen, Rahmenbedingungen. Doch zwischen Paragraphen und politischen Bekundungen liegt die moralische Leerstelle, die das Ganze zur Farce macht. Denn das Problem ist nicht der Regelbruch – das Problem ist die Regel selbst.

Dass Beamte wie Ludewig nicht unter die Karenzzeit fallen, ist kein Versehen. Es ist Absicht in ihrer reinsten Form. Der Staatsapparat schützt nicht das Gemeinwohl, sondern seine Struktur: Hierarchien, Einflussketten, Machttransfers. Die moralische Integrität bleibt dabei auf der Strecke wie eine Maske im Bordbistro.

Dass Ludewig heute bei T-Systems sitzt, ist daher kein Fehler im System – es ist das System. Eine Governance, die vorgibt, unabhängig zu sein, während ihre Architekten sich längst für die Zeit danach positionieren. Posten werden nicht verlassen, sie werden gewechselt wie die Farbe auf dem Ministeriumsflur: von Beige zu Telekom-Magenta.

Satire am Rande des Realismus – Oder: Wenn Kafka Projektleiter wird

Es ist ein feines Paradox, dass die Corona-Warn-App, Symbol deutscher Digitalambition, heute eher als Mahnmal funktioniert – nicht etwa für technischen Misserfolg, sondern für politische Normalität. Die eigentliche Infektion war nicht das Virus, sondern das unkritische Einverständnis, mit dem eine ganze Gesellschaft hinnahm, dass Milliardenverträge unter dem Deckmantel der Effizienz vergeben wurden – in Hinterzimmern, an Freunde, ohne Nachfragen.

In einem Land, das sich an Bürgerdialogen über Tempolimits berauscht, in dem jede Kachel im Schulgebäude dokumentiert werden muss, war ausgerechnet bei der teuersten App-Entwicklung der Republik kein Platz für Transparenz. Ludewig hat das zu verantworten – und profitiert davon. Ironischerweise wäre er heute als Mitarbeiter von T-Systems genau nicht mehr zuständig für das Projekt, das er einst ins Leben rief. Er muss es nicht mehr sein – er war es ja bereits.

Fazit: Demokratie im Blindflug – und niemand am Steuer

Wenn man heute auf die Causa Ludewig blickt, bleibt nur ein zynisches Kopfnicken. Natürlich hat niemand etwas falsch gemacht. Natürlich wurde alles ordentlich dokumentiert. Natürlich gab es keinen Verstoß – weil es keine Vorschrift gab, die man hätte verletzen können. Willkommen in der neuen deutschen Post-Integrität: Alles korrekt, nichts in Ordnung.

Gottfried Ludewig ist kein Einzelfall. Er ist der Prototyp. Der Beamte als Konzernpilot, der Technokrat als Vermittler, der Krisenmanager als Profiteur. Sein Wechsel zur Telekom ist kein Skandal. Es ist ein Lehrstück. Und wie bei jedem guten Theaterstück fragt man sich am Ende: Wer hat das eigentlich geschrieben?

Spoiler: Es war niemand – das Drehbuch hat sich selbst verfasst.

Und wir alle hatten Sitzplätze in der ersten Reihe.

Mahlzeit Halal.

Vom heiligen Wurstverzicht im Namen der Vielfalt

Gelsenkirchen. Gesamtschule Erle. Am Rand der Republik, im Herzen der Realität. Was einst das Ruhrgebiet war, ist heute ein Spiegel der großen gesellschaftlichen Experimente – und wie jedes gute Experiment beginnt auch dieses mit dem Essen. Oder besser: dem Weglassen davon. Schwein, wohlgemerkt. Ein Tier, dem man in diesen Tagen mit mehr moralischer Empörung begegnet als manchem Despoten.

„Muttis Küche“ übernimmt also die Verpflegung, und Mutti ist jetzt halal. Ein Wort, das für die einen Reinheit bedeutet, für die anderen Rückschritt, für viele aber einfach nur: kein Schnitzel mehr. Die Schule verkündet die Neuigkeit mit der Euphorie eines Werbetextes: Vielfalt! Qualität! Nachschlag! Wasser! Dass man einst mit solchen Versprechen Kolonien errichtete, sei nur am Rande erwähnt.

Der große Gleichmacher: das Ausbluten

Das Tier muss bluten. Komplett. Das ist die Regel, und Regeln machen Gesellschaften. Sie schreiben sich nicht nur in Speisepläne, sondern in Weltbilder. Und Weltbilder, wie wir wissen, sind so etwas wie Religionen ohne Beipackzettel.

Doch keine Sorge: Es handelt sich nicht um eine Islamisierung! Sondern um „Inklusion“. Ein Wort, das in der deutschen Bildungspolitik seit Jahren als Trostpflaster auf jede offene Wunde geklebt wird. „Inklusiv“ bedeutet neuerdings, dass alle das essen, was einige dürfen – und nicht mehr das, was alle könnten. Die Frage, wer hier eigentlich wen inkludiert, bleibt wie der Schweinebraten: außen vor.

Schweine raus, Vielfalt rein – die neue Küchenethik

Früher hatte man Prinzipien. Heute hat man Profile. Und die Gesamtschule Erle möchte offenbar ein besonders buntes: diversitätssensibel, klimafreundlich, halal. Die Schulkantine als moralische Wetterstation. Nur dass hier nicht das Wetter wechselt, sondern der Ethos: Wo einst der Hausmeister mit der Fleischwurst die Maßlatte war, wird heute das Schaf geschächtet – ach nein, natürlich: nach allen Regeln der „Verfahrensethik unter Berücksichtigung religiöser Normativität“.

Wichtig sei, so betont die Schule, dass sich niemand ausgeschlossen fühle. Und wer sich ausgeschlossen fühlt, weil er nicht halal will? Tja. Toleranz ist schließlich keine Einbahnstraße. Sie ist ein Verkehrskreisel, in dem man so lange fährt, bis man das richtige Weltbild gefunden hat.

Der Preis der Vielfalt: Uniformität

Wer die Vielfalt will, muss auf Vielfalt verzichten. Klingt paradox, ist aber System. Die neue Kantine ist ein Abbild der großen gesellschaftlichen Vision: Integration durch Verzicht. Die Mehrheit passt sich an, damit die Minderheit nicht aneckt. Ein Schweinswürstchen wäre da schließlich schon fast ein diplomatischer Zwischenfall.

Man stelle sich vor: ein einsames Würstchen in der Auslage. Es würde Blicke provozieren, Diskussionen auslösen, vielleicht sogar ein Leserbrief in der Lokalzeitung. Man käme nicht mehr zur Ruhe. Viel einfacher, man lässt es einfach weg. Das ist nicht nur konfliktvermeidend, sondern auch kalorienarm.

Moral mit Soße – und veganer Alternative

Dass es täglich auch vegetarische Alternativen gibt, ist ein Trost. Für jene, die mit dem Fleisch ohnehin hadern. Für die anderen bleibt die Nudelbar – ein kulinarisches Äquivalent zur Neutralität: fade, ungefährlich, völlig unpolitisch.

Doch selbst die Salatbar ist nicht mehr frei von Ideologie. Wo früher Tomaten lagen, liegt heute „gelebte Toleranz“. Wo einst Mais war, ruht nun „Respekt gegenüber religiösen Praktiken“. Das Dressing: eine Vinaigrette aus schlechtem Gewissen und sozialpädagogischem Zwang.

Was bleibt? Die große, kleingekochte Geste

Was also sagt uns dieser Schritt? Er sagt: Es geht nicht ums Essen. Es geht um Haltung. Um die sichtbare Demonstration des guten Willens. Um die performative Abkehr vom Schwein als Symbol der provinziellen Engstirnigkeit. Der neue Speiseplan ist kein Menü – er ist ein Manifest.

Aber Vorsicht: Wer einmal angefangen hat, das Essen zu politisieren, wird bald feststellen, dass der Hunger keine Moral kennt. Schüler, die mit Chicken Nuggets groß wurden, fragen sich nicht, ob das Tier mit Blick nach Mekka fiel. Sie wollen einfach satt werden. Der Rest ist Schweigen.


Nachtrag aus dem Lehrerzimmer
Ein Lehrer mit Hang zum Sarkasmus soll es auf den Punkt gebracht haben:

„Wenn demnächst auch der Unterricht halal wird, bring ich mein eigenes Schulbuch mit.“

Man darf gespannt sein. Bis dahin: Guten Appetit. Oder: Bismillah.

Von der Grünen Jugend zur Grünen Armee Fraktion?

über die infantile Radikalisierung, politische Hybris und die ewige Versuchung der moralischen Selbstermächtigung

Vorspiel in Grün: Wenn Idealismus zum Karneval der Eitelkeiten wird

Die Revolution trägt Turnschuhe und genderneutrale Pronomen. Ihre Banner wehen nicht mehr rot, sondern biozertifiziert grün, mit einem Hauch von Pastelllila und einem regenbogenfarbigen Aufnäher gegen Diskriminierung. Einst marschierten sie mit Rosa Luxemburg-Zitaten auf Transparenten durch Berlin-Kreuzberg, heute twittern sie mit dem Furor eines digitalen Robespierre gegen alles, was rechts von der eigenen Gesinnungsblase existiert. Und inmitten dieser Welt aus Ironie, Emojis und heiligem Ernst erhebt sich Jette Nietzard, Vorsitzende der Grünen Jugend, als neue Jeanne d’Arc des deutschen Antifaschismus – allerdings ohne Rüstung, dafür mit Mikrofon, Podcast-Abo und einem gefährlichen Hang zur melodramatischen Selbstüberhöhung.

Ihre jüngsten Aussagen zum Thema „Widerstand“ gegen eine mögliche AfD-Regierung im Jahr 2029 lesen sich wie ein Mash-up aus einem schlecht redigierten Polit-Thriller und einer dilettantischen Revolutionssimulation. Die Frage „mit Waffen?“ steht da auf einmal im Raum, fast so nonchalant ausgesprochen wie die Frage nach Hafermilch oder Soja im Cappuccino. Und während man sich fragt, ob das jetzt eine pubertäre Provokation oder ein authentischer Ernstfallposten der Apokalypse war, beginnt das demokratische Deutschland, genervt die Stirn zu runzeln.

Gesinnungstheater mit Pyrotechnik: Von der Symbolpolitik zur semantischen Eskalation

Es ist nicht neu, dass sich politische Jugendorganisationen als moralisches Korrektiv ihrer Mutterparteien gerieren – das ist sogar ihre ureigenste Aufgabe im demokratischen Spektrum. Doch was sich hier abzeichnet, ist keine jugendliche Mahnung, sondern eine gefährlich unscharfe Radikalisierungsfantasie, die sich an der Grenze zum demokratischen Abgrund tänzelnd gefällt.

Nietzard stellt Fragen, die an sich berechtigt wären – in einem anderen Tonfall, in einem anderen Kontext, mit einem anderen Ernst. Doch sie formuliert sie in einem Sound, der nicht nach demokratischer Wachsamkeit klingt, sondern nach ästhetisiertem Widerstandslustspiel. Es geht nicht um Analyse, sondern um Affekt. Nicht um Argumente, sondern um Attitüde. „Wären wir bereit, Menschen zu verstecken?“ – so floskelt sie ins Mikrofon, als wäre sie Hauptdarstellerin einer Netflix-Serie über den deutschen Untergrund im Jahr 2030. Man sieht förmlich die Schwarz-Weiß-Ästhetik, den Soundtrack von Hans Zimmer und das entschlossene Flüstern im feuchten Kellergewölbe: „Wir sind die letzte Bastion der Menschlichkeit.“

Die Doppelmoral der Apokalyptiker: Demokratie nur, wenn sie grün wählt?

Was an dieser Debatte so perfide ist, ist die moralische Asymmetrie, mit der hier gearbeitet wird. Wer die AfD – vielleicht zu Recht – als Gefahr für die Demokratie beschreibt, aber gleichzeitig laut darüber nachdenkt, mit undemokratischen Mitteln gegen eine demokratisch gewählte Regierung vorzugehen, verstrickt sich in einen Zirkelschluss des autoritären Antiautoritarismus.

Der Tabubruch liegt nicht allein in der Formulierung, sondern in der unbedarften Selbstverständlichkeit, mit der diese Formulierung in den Raum geworfen wird. Dass Nietzard keine konkrete Antwort hat, ist fast schon nebensächlich – entscheidend ist, dass sie die Frage überhaupt stellt. Nicht aus Notwehr, nicht aus akutem Handlungsdruck, sondern aus einer ideologischen Vorfreude auf den Ernstfall. Der Gedanke an den Widerstand – möglichst dramatisch, möglichst heroisch – ist längst zu einer identitätspolitischen Ersatzreligion geworden.

Die RAF im Schatten der Regenbogenflagge?

Natürlich: Jette Nietzard hat nicht zu Gewalt aufgerufen. Sie hat sie nur vage imaginiert, in den Raum gestellt, hypothetisch gedacht. Aber genau hier liegt der feine, toxische Unterschied. Die RAF begann auch nicht mit Bomben, sondern mit einem Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber dem „Schweinesystem“. Mit der Überzeugung, dass man – als kleine Avantgarde – das Richtige tut, auch wenn man dafür das Falsche tun muss.

Man täte gut daran, solchen Gedanken schon im Keim zu widersprechen. Denn Geschichte wiederholt sich nicht – aber sie reimt sich, wie Mark Twain sagte. Und der Sound, der da aus den Interviews mit Nietzard zu vernehmen ist, erinnert fatal an eine intellektuelle Vorstufe zum bewaffneten Dogmatismus. Wenn demokratische Prozesse nur dann akzeptiert werden, wenn das „Richtige“ dabei herauskommt, ist man nicht mehr Demokratin, sondern eine Fundamentalistin mit Biotütchen.

Der Ernst der Lage: Ja, die AfD ist eine Gefahr – aber nicht das einzige Problem

Die AfD ist in ihrer jetzigen Form rechtsextrem, illiberal und demokratiezersetzend. Ihre Regierungsbeteiligung wäre ein Schock für die Republik, eine tektonische Verschiebung des politischen Koordinatensystems. Aber genau deshalb braucht es als Antwort keine rhetorisch bewaffnete Jugendbewegung, sondern die besonnene Stärke einer wehrhaften Demokratie – mit offenen Augen, klarem Kompass und festen Prinzipien.

Was es nicht braucht, sind pseudo-heroische Phantasien über Untergrundwiderstand, über Waffen, über das Verstecken von Menschen. Solche Aussagen sind nicht nur politisch brandgefährlich – sie sind auch ein Geschenk an die AfD. Denn sie erlauben es ihr, sich als Opfer einer linksradikalen, autoritär durchdrungenen Elite zu inszenieren. Wer also wirklich gegen Rechts kämpfen will, sollte aufhören, dem Gegner das Narrativ zu liefern.

Schlussbild mit Ironie: Revolution? Nein danke, ich habe schon einen Kompost

Am Ende bleibt das Bild einer Politikerin, die ein Feuer entzünden wollte – und stattdessen nur Nebel erzeugt hat. Die sich selbst als Mahnerin gegen die Barbarei sieht, aber im Pathos ihrer eigenen Vorstellung untergeht. Der Weg in die politische Relevanz führt nicht über Instagrammable Revolutionsrhetorik, sondern über reale Arbeit an den demokratischen Strukturen, so mühsam und unspektakulär sie auch sein mag.

Wer heute mit rhetorischen Waffen jongliert, darf sich nicht wundern, wenn morgen die Demokratie auf der Streckbank liegt. Die grüne Jugend sollte sich entscheiden, ob sie Zukunft gestalten oder Fiktionen bewohnen will. Revolution ist kein Rollenspiel. Und der demokratische Diskurs keine Bühne für hypermoralisches Theater.

Denn eines ist klar: Wer im Namen des Guten das Schlechte denkt, wird am Ende nicht der Retter der Republik, sondern nur ihr tragikomischer Fußnotenkomparse.

Willkommen im Schacht: Sie glauben, Sie buddeln sich nach oben

„Sie sind kein Kapitalist, Sie sind ein ausgebeuteter Arbeiter mit Stockholm-Syndrom“

Beginnen wir mit einem Selbstbetrug, der so universal ist wie Zahnschmerzen und genauso unerträglich, wenn man ihn einmal ernst nimmt: Der Glaube, durch genug Arbeit, Cleverness oder Zufall vom geknechteten Lohnabhängigen zum Kapitalisten aufzusteigen.

Das ist ungefähr so plausibel wie die Hoffnung, durch ausreichend langes Treten im Hamsterrad irgendwann den Horizont zu erreichen. Sie strampeln – das ist sichtbar. Sie schwitzen – das ehrt Sie. Aber Sie bewegen sich nicht. Und das sollen Sie auch gar nicht.

Denn Ihre ganze Existenz – Ihre Angst, Ihr Ehrgeiz, Ihre Restillusion – ist Treibstoff für die Maschine. Sie denken, Sie arbeiten für sich. Tatsächlich aber sind Sie Biomasse in einer gigantischen Ökonomie der Hoffnung, aus der Rendite gepresst wird wie Saft aus halbverwestem Obst.

Ihr ETF-Sparplan ist nicht Ihre Eintrittskarte in die Welt der Besitzenden. Er ist das Lutschbonbon, das man Ihnen gibt, während man Sie langsam in siedendem Wasser kocht.

Sie denken, Sie haben Optionen – und das macht Sie erst recht zum Sklaven

„Niemand zwingt mich zu diesem Job“, sagen Sie – und das ist das Tragischste an allem: Ihre freiwillige Knechtschaft.

Denn je mehr Optionen Sie vermeintlich haben, desto größer Ihre Scham, dass nichts daraus wird. Es ist das Paradox der Freiheit: Niemand hält Sie fest, und doch kommen Sie keinen Millimeter voran. Sie tragen keine Ketten – aber Ihre Mietkosten, Ihre Versicherungen, Ihre Altersarmutsparanoia wirken präziser als jedes mittelalterliche Folterinstrument.

Und so optimieren Sie sich selbst: für eine Karriere, die nie kommt, für Gehaltserhöhungen, die nie reichen, für Anerkennung, die in Form von „Super Job, weiter so“-E-Mails daherkommt. Sie machen Weiterbildung, weil Sie glauben, Sie seien nicht gut genug – und nicht, weil das System Ihnen nie erlaubt hat, genug zu sein.

Ihre Mühe ist nicht edel. Sie ist tragikomisch.

Ihre Verehrung ist pathologisch – und Ihr Chef weiß das

Sie sprechen über Ihre Vorgesetzten, als wären sie Halbgötter. Sie erzählen Freunden, dass der CEO „echt bodenständig“ sei. Dass er Ihnen auf der Betriebsfeier ein Bier angeboten habe.

Gratulation. Die Elite reicht Ihnen Brosamen – und Sie klatschen Beifall wie dressierte Zirkusaffen.

Sie sind emotional investiert in ein System, das Ihnen jederzeit ins Gesicht spucken würde, wenn es die Profitrate steigert. Und damit kein Aufschrei kommt, werden Sie gefüttert mit Corporate-Märchen: „Diversity“, „Teamspirit“, „Work-Life-Balance“. Alles Fassaden. Alles Theater.

Ihr Chef ist kein Mentor. Er ist ein Funktionär des Systems, das Sie ausbluten lässt – mit einem Lächeln und einem Wellness-Gutschein zum Quartalsziel.

Sie glauben, der Kapitalismus belohnt Fleiß – er belohnt Erbschaften

Sie schuften. Tag für Tag. Und was bringt’s? Ein bisschen Status. Eine bessere Zahnbürste. Vielleicht mal Business-Class, wenn Meilenaktionen laufen.

Der Kapitalismus, so wurde Ihnen gesagt, ist meritokratisch. Wer sich anstrengt, gewinnt. Doch schauen Sie sich um: Die Gewinner haben geerbt. Netzwerke. Immobilien. Aktienpakete.

Sie hingegen haben einen Bachelor in BWL, Rückenschmerzen mit 34 und einen Ratenkredit für einen gebrauchten Audi.

Sie sind nicht gescheitert, weil Sie faul waren. Sie sind gescheitert, weil Sie geglaubt haben, das Spiel sei fair.

Das System braucht Ihre Hoffnung – um Sie zu fressen

Wenn Sie heute kündigen würden – was würden Sie tun? Aussteigen? Wohin? In die Selbstständigkeit? In die Depression? In die Sinnsuche?

Egal, wohin Sie fliehen: Das System folgt Ihnen. Es steckt in Ihren Verträgen. In Ihrem Kontostand. In Ihrem Selbstbild. In Ihrer DNA.

Die größte Grausamkeit des Kapitalismus ist nicht, dass er ausbeutet – sondern dass er Ihre Sehnsucht nach Bedeutung, Selbstwirksamkeit und Autonomie verwendet, um Sie am Laufen zu halten.

Sie glauben, irgendwann kommt das große Aufatmen. Die Freiheit. Der Exit. Das passive Einkommen.

Aber nein – Sie werden alt, müde, überflüssig. Und dann ersetzt man Sie durch einen jüngeren, billigeren, motivierteren Klon von Ihnen selbst.

Sie waren nie ein Subjekt. Sie waren immer nur Funktion.

Und trotzdem machen Sie weiter – warum?

Weil Sie nichts anderes kennen.

Weil die Wahrheit zu hässlich ist, um sie morgens nüchtern zu ertragen.

Weil es leichter ist, sich einzureden, dass man bald selbst Investor wird, als zu akzeptieren, dass man nie mehr war als ein Zahnrad, das sich selbst für das Getriebe hielt.

Weil Zynismus zwar bitter ist – aber wenigstens noch einen Geschmack hat, in einer Welt voller geschmacksneutraler Lügen.

Epilog ohne Trost:

Sie sind kein Kapitalist. Sie waren nie einer.

Sie sind ein Gläubiger im Tempel des Marktes, ein bürokratischer Mönch mit KPIs statt Gebeten. Und während Sie weiter an Ihrem LinkedIn-Profil feilen, sich durch Podcasts motivieren und auf Gehaltserhöhungen hoffen, stirbt jeden Tag ein kleiner Teil von dem in Ihnen, der einst geglaubt hat, frei zu sein.

Aber machen Sie ruhig weiter. Jeder Kult braucht seine Priester. Und das System braucht Menschen wie Sie:
Gebildet genug, um es am Laufen zu halten –
aber betäubt genug, um es nicht zu hinterfragen.


Machen Sie sich keine Sorgen: Der Burnout wird kommen, lange bevor die Erleuchtung eintritt. Und falls Sie das hier lesen und denken: „So schlimm ist es doch gar nicht.“ – dann hat das System bei Ihnen ganze Arbeit geleistet.

„Ich wollte verstehen, nicht rächen“


Eine Würdigung zum 100. Geburtstag von Michael Goldmann – Der Mann, der Eichmann verhörte

Am Tisch saß ein Mann mit Brille. Er sprach leise, höflich, fast pedantisch. Ihm gegenüber: einer der größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts. Adolf Eichmann, Bürokrat der Vernichtung, Organisator der Deportationen, Architekt der „Endlösung“. Zwischen ihnen: kein Schreien, kein Spucken, keine Rache. Nur Fragen. Und ein Tonbandgerät.

Der Mann, der da fragte, hieß Michael Goldmann. Heute, an seinem 100. Geburtstag, lebt er noch immer. Klar im Kopf, ruhig in der Sprache, beinahe unheimlich gelassen angesichts der Dämonen, denen er begegnet ist. Goldmann gehört zu jener Generation, die das Böse nicht nur sah – sondern ihm ins Gesicht blickte und sagte: „Erklären Sie mir, warum.“

Ein Leben im Schatten der Geschichte

Geboren 1925 in Breslau, überlebte Michael Goldmann das, was für Millionen zum Tod wurde: Auschwitz. Als junger Jude von den Nazis verfolgt, gefoltert, entrechtet, entmenschlicht – und doch überlebend, mit nichts als seiner Muttersprache, einem wachen Geist und einem brennenden Wunsch: zu verstehen.

Nach dem Krieg emigrierte er nach Palästina, wurde Polizist im jungen Staat Israel – und stieg später zum Beamten im Geheimdienst Shin Bet auf. Und dann, 1960, nach Eichmanns spektakulärer Entführung aus Argentinien: der Auftrag seines Lebens.

Es war Goldmann, der Adolf Eichmann über Wochen hinweg verhörte. Kein Jurist, kein Folterknecht, kein Racheengel – sondern ein Zeitzeuge, der Fragen stellte. Klare, ruhige, tödlich präzise. Ihm verdanken wir das nüchterne, erschütternde Porträt eines Mannes, der „nur Befehle befolgte“. Ein Täter, der in Goldmanns Protokollen so gefährlich banal wirkt, dass Hannah Arendt später ihre berühmte Formel prägte: „Die Banalität des Bösen.“

Der Mann, der nie laut wurde

Was Michael Goldmann von vielen unterscheidet: Er hat nie den Ruhm gesucht. Keine Talkshows, keine Bestseller, keine glitzernde Erinnerungskultur. Vielleicht, weil er wusste, dass die Wahrheit durch Mikrofone oft nicht klarer wird, sondern greller.

Goldmann blieb zurückhaltend. Er sprach, wenn man ihn fragte. Er schrieb keine Abrechnung, sondern Berichte. Seine Stimme war kein Echo, sondern ein Original. Und vielleicht braucht eine Erinnerungskultur, die oft zwischen Betroffenheitskitsch und Geschichtsmüdigkeit pendelt, genau solche Stimmen: leise, aber unerschütterlich.

Das Gedächtnis, das nicht schweigt

Heute, mit 100 Jahren, lebt Michael Goldmann zurückgezogen in Israel. Seine Erinnerungen trägt er wie ein Archiv in sich – ordentlich, schwer, sorgfältig beschriftet. Wenn er spricht, wird Geschichte plötzlich wieder Gegenwart. Dann hört man nicht nur, was war – sondern versteht, wie es wurde.

Er war nie ein Richter über Eichmann. Aber ein Zeuge. Und das, was er sah, vergaß er nie. Darum ist sein 100. Geburtstag kein bloßer historischer Meilenstein – sondern ein Mahnmal aus Fleisch und Blut. Solange er lebt, lebt das Gedächtnis.

Ein Jahrhundert – ein Mensch – ein Vermächtnis

Michael Goldmann ist nicht nur der Mann, der Eichmann verhörte. Er ist einer der letzten lebenden Fäden zwischen dem Heute und jenem bodenlosen Damals. Sein Leben ist keine Heldengeschichte. Es ist eine Chronik der Würde im Angesicht des Grauens. Ein Jahrhundertmensch, nicht weil er laut war – sondern weil er sich weigerte zu schweigen, wo andere schwiegen.

Zum 100. Geburtstag verneigen wir uns vor einem Mann, der nichts vergaß und nie vergaß, Mensch zu bleiben. Es gibt keine Statue von ihm. Kein Film. Kein Museum. Nur seine Stimme. Und vielleicht ist das – in einer Welt des ewigen Lärms – das Wertvollste, was bleibt.

Michael Goldmann (geb. 1925): Zeuge der Wahrheit. Chronist des Grauens. Mensch mit Rückgrat. Möge seine Stimme nie verstummen.

Vom Corona-Fonds zum Kriegsbudget?

Es klingt unglaublich: 335 Milliarden Euro aus dem Corona-Fonds – angeblich einst dringend nötig – blieben ungenutzt. Doch statt das Geld zurückzugeben, will es Ursula von der Leyen für Aufrüstung verwenden. Es droht der EU-Zentralstaat.

Damals Alarmstufe Rot – heute liegen 335 Milliarden brach. Wurden wir von Brüssel zum Narren gehalten?

Frühjahr 2020: Die EU ruft den Corona-Fonds aus – 750 Milliarden Euro, angeblich „dringend nötig“, um Europas Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. Ursula von der Leyen spricht vom „Moment Europas“, warnt vor einer „Depression“, die ohne gemeinsame Investitionen drohe, und fordert Solidarität. Die Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich unter Kanzler Sebastian Kurz zögern. Als „Sparsame Vier“ werden sie dafür scharf angegriffen – Medien und Politiker werfen ihnen Egoismus und fehlende Solidarität vor.

Fast die Hälfte der Corona-Gelder wurden nie ausgegeben!

Doch heute, fünf Jahre später, zeigt sich: 335 Milliarden Euro des Fonds – fast die Hälfte – blieben ungenutzt. Das angeblich so dringend benötigte Geld zur Bewältigung der „größten Krise seit 1945“ wurde nie ausgegeben. Doch damit nicht genug: Statt es zurückzuzahlen oder an die Bürger weiterzugeben, will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es nun für Rüstungs- und Kriegsprojekte zweckentfremden.

„Es ging nie um Corona – es ging um Macht“

Der Corona-Fonds sei in Wahrheit nie als Notmaßnahme gedacht gewesen, um Europas Wirtschaft anzukurbeln. Tatsächlich habe die EU-Kommission darin vor allem eines gesehen, Die Europäische Kommission erblickte darin die einzigartige Chance, einen riesigen Schuldenberg aufzunehmen. Das war die Innovation. Dies sollte zum Präzedenzfall für künftige EU-Finanzierungen werden. Denn: Deutschland und Österreich galten damals noch als solide Kreditnehmer, die Märkte vertrauten ihnen.

Die Märkte akzeptierten diese Schuldenaufnahme – nicht weil Zypern und Griechenland dabei waren, sondern weil Deutschland dahinterstand, und weil man der Meinung war: Wenn es schiefgeht und wenn es Rückzahlungsschwierigkeiten gibt, dann wird Deutschland schon dafür einstehen.

Die Pandemie war nur der Vorwand

Die Berufung auf Corona sei nichts als Tarnung für machtpolitische Ziele gewesen. Die Kommission strebe seit jeher nach mehr Macht und Geld, und dafür instrumentalisiere sie jede Krise. Heute zeigt sich, wenn von 750 Milliarden Euro immer noch 335 Milliarden übrig sind, die nicht eingesetzt worden sind, dann stimmt etwas Fundamentales nicht. Dann gibt es dafür in Wahrheit keinen Bedarf.

Doch statt sich der Kritik zu stellen, schaffe Brüssel neue Rechtfertigungen. Der Europäischen Kommission sind rechtliche Rahmenbedingungen völlig egal.

Vom Corona-Fonds zum Kriegsbudget?

Weil der ursprüngliche Zweck nicht mehr tragfähig sei, fand man nun einen neuer Vorwand – der Ukraine-Krieg. Es ist anzunehmen, dass die Europäische Kommission, wenn die Rückzahlung ansteht – 2028 –, einen Grund finden wird, nicht mit der Rückzahlung zu beginnen.

Besonders brisant sei: Die geplante Umwidmung wäre gleich in zweifacher Hinsicht skandalös. Erstens: Die EU habe laut Verträgen gar keine Kompetenz für Verteidigungspolitik, und es gilt Artikel 41 Absatz 2 des EU-Vertrags: Lasten der Verteidigung werden national finanziert.

Tom Lehrer – Ein letzter, scharfzüngiger Akkord

Ein Nachruf auf den Mann, der die Welt mit einem Lächeln demontierte

Wenn Zynismus eine Kunstform ist, dann war Tom Lehrer ihr unangefochtener Mozart – oder besser: ihr Groucho Marx mit Klavier. Mit seinem Tod verliert die Welt einen Mann, der so witzig wie weitsichtig, so gnadenlos klug wie schmerzhaft präzise war – ein satirisches Skalpell in einer Welt der rhetorischen Gummimesser. Nun ist also auch der scharfste Verstand der Harvard-Mathematik und des schwarzen Humors verstummt. Und wir fragen uns: Wer reimt uns jetzt das Elend so schön wie Lehrer?

Lehrer, der in den 1950ern und 60ern mit Liedern über Atombomben, Völkermord, Moralheuchelei und toxische Frömmigkeit Millionen Menschen zum Lachen und Erschrecken brachte, war ein Solitär – eine Art musikalischer Diogenes mit Flügel. Er sang, was andere sich nicht einmal zu denken trauten, und tat es mit der Eleganz eines Kabarettisten, der es nie nötig hatte, auf eine Bühne zu steigen, um Applaus zu heischen. Seine Bühne war die Welt, sein Publikum das denkende Individuum – und seine Pointe stets ein Dolchstoß ins gutbürgerliche Zwerchfell.

Der Humorist, der nicht versöhnte

Was Tom Lehrer so einzigartig machte, war sein Unwille, zu trösten. Wer in seinen Liedern Erleichterung suchte, wurde bitter enttäuscht – oder belohnt, je nach Temperament. Er gab keine Hoffnung, sondern Klarheit. Kein Schöndenken, sondern scharfen Spott. Ob „The Vatican Rag“, „Pollution“ oder „So Long, Mom (I’m Off to Drop the Bomb)“ – Lehrer zeigte mit fröhlicher Virtuosität, wie sehr die Absurditäten der Welt den moralischen Ernst aushebeln. Er verzieh nie. Und dennoch liebte man ihn.

Vielleicht, weil man bei Lehrer lernte: Der Witz ist die letzte Bastion des freien Denkens. Sein Sarkasmus war nie Selbstzweck, sondern Widerstand. Ein intellektueller Mittelfinger gegen Dogma, Macht und die feisten Selbstgewissheiten der Mittelklasse.

Die Karriere eines notorischen Aussteigers

Dass Lehrer irgendwann aufhörte – einfach so, ohne große Ansage, mitten im tosenden Applaus –, war kein Bruch, sondern Konsequenz. Wer so sehr dem Denken verpflichtet ist, hält den Betrieb nur schwer aus. Statt sich von der Welt bejubeln zu lassen, zog sich Lehrer zurück. Er unterrichtete Mathematik, veröffentlichte keine neuen Songs mehr und weigerte sich, in den Zirkus der Nostalgie einzusteigen. Ein Star, der sein eigenes Denkmal nie betrat – weil er wusste, dass alle Denkmäler früher oder später Taubendreck fangen.

Und dann, als wäre es der finale Witz seines Lebens, verschenkte er vor einigen Jahren sein gesamtes Werk zur freien Nutzung: „Feel free to do whatever you want with my songs. I no longer care.“ Diese Gleichgültigkeit war keine Resignation, sondern letzte Konsequenz eines Lebens, das der Aufklärung mehr diente als dem Ruhm. Lehrer entließ seine Kunst in die Welt – nicht aus Eitelkeit, sondern aus Haltung.

Der leise Abgang eines lauten Geistes

Mit Tom Lehrers Tod stirbt nicht einfach ein Komiker. Es geht ein Aufklärer, ein Querdenker im besten Sinne, ein Satiriker, der nie den Applaus der Massen suchte, sondern den Zweifel in der Einzelnen. Einer, der uns zeigte, dass Denken und Lachen keine Gegensätze sind, sondern notwendige Verbündete im Kampf gegen die Dummheit. Seine Songs sind heute aktueller denn je – was kein Lob für unsere Zeit ist.

Möge also die Erde ihm leicht sein. Oder wenigstens schwer genug, um ein Comeback auszuschließen – denn niemand könnte es besser machen als er selbst.

Tom Lehrer (1928–2025), gestorben an den Folgen einer geistigen Überlegenheit.

Die Wahrheit in Trümmern – Medien, Moral und Mohammed

Die Diktatur der Optik: Wenn ein Bild mehr sagt als die Wahrheit

Es war einmal ein Kind. Ausgemergelt, winzig, leblos in den Armen seiner Mutter. Das Bild ging um die Welt wie ein in Flammen stehender Bote – nicht der Wahrheit, sondern der Empörung. Und wie es mit heiligen Ikonen so ist: Wer sie hinterfragt, begeht Blasphemie. Der kleine Mohammed – das neue Sinnbild für das Leiden Gazas, das kollektive Schluchzen der Weltöffentlichkeit, das knochige „Wehret den Anfängen“ in Millionen Wohnzimmern. So wirkt es zumindest auf den ersten Blick.

Doch der zweite Blick, wie so oft, ist ein unbequemer Gast. Er räumt auf mit der Komfortzone der Empörung. Mohammed ist nicht Opfer eines gezielten Aushungerns. Er ist krank. Seit Geburt. Zerebralparese. Sechs statt neun Kilo – ja. Aber kein Hungerstreik gegen Israel. Sondern ein Körper, den die Natur selbst sabotierte. Doch was nützt die Wahrheit, wenn sich das Bild schon in die Retina der Welt eingebrannt hat wie ein Heiligenschein in der Sixtinischen Kapelle? Wahrheit, das langweilige Grauschattierte, kann der Wucht eines ikonischen Bildes selten das Wasser reichen.

Von der Pflicht zur Prüfung zur Lust an der Pose

Man hätte fragen können. Hätte prüfen, recherchieren, nachhaken können. Doch Recherche ist anstrengend. Emotionen hingegen – leicht entflammbar. Und wenn ein Bild wie Mohammeds erst einmal brennt, dann zündet es gleich ein ganzes Narrativ mit an. Hunger. Israel. Schuld. Schwarz. Weiß. Die BBC wusste von physiotherapeutischer Behandlung. Die New York Times fabulierte einen toten Vater „auf Nahrungssuche“. Die Wahrheit? Ein Gefecht. Ein Terroristenversteck. Aber wer will schon von Kriegszonen hören, wenn das Kind in der Mutterbrust ruht wie ein moderner Pietà-Jesus?

„Neue Informationen“ – so beschönigt die Times ihr Versagen. Und bringt die Korrektur nicht etwa auf die große Bühne der eigenen Plattform, sondern auf ein PR-Kammerl mit 90.000 Followern. Das wäre in etwa so, als würde man einem Großbrand mit einer Pipette begegnen. Die alte Redewendung vom Baum im Wald, der fällt, wenn niemand hinhört – sie lebt weiter, nur digital: Ein Rückzug im Flüsterton, nachdem man zuvor mit Megafon angeschrien hat.

Mohammed, Osama, Metapher: Die Kinder des Zorns als Projektionsfläche

Und Mohammed ist nicht allein. Osama al-Raqab, ebenfalls abgemagert, ebenfalls zum Symbol des Aushungerns erklärt – ist Mukoviszidose-Patient. Auch er: kein Opfer einer politischen Blockade, sondern genetischer Tragik. Evakuiert durch Kooperation mit Israel, behandelt in Mailand, Fortschritte sichtbar. Die Story wäre eigentlich ein Hoffnungsnarrativ. Doch Hoffnung verkauft sich schlecht, wenn der Zorn bereits Klickzahlen verspricht. Und so wandelt sich das leidende Kind zur Metapher: Nicht mehr Mensch, sondern Munition im Informationskrieg.

Das Kind wird zur Waffe. Ein stiller Vorwurf mit großen Augen. Und wer es nicht als Waffe nutzen will, wird selbst verdächtig. Das Bild wird zum Argument, das sich gegen Widerspruch immunisiert. Was bleibt, ist die bequeme Moral: „Man sieht doch, was passiert!“ Nein – man sieht, was man sehen will. Und man zeigt, was man zeigen will.

Medien als Komplizen: Der Empörungs-Journalismus und seine Alibi-Moral

In einer Welt, in der Moral längst zum Geschäftsmodell wurde, sind Medien keine Wächter der Wahrheit mehr, sondern Zulieferer fürs Gefühlskonto. Wo früher Aufklärung war, ist heute Einfühlung. Recherche wird ersetzt durch Resonanz. Klicks vor Kontext. Schlagzeile vor Substanz. Und wehe, jemand ruft „Halt, das stimmt so nicht!“ – er wird niedergetrampelt vom Chor der Empörung, der längst nicht mehr hören, sondern nur noch schreien will.

Ob es Ignoranz war oder Absicht, ist fast egal. Die Wirkung bleibt dieselbe: Das Bild wurde zur Waffe. Es erschießt keine Menschen, aber es tötet Diskurs. Und es bedient genau das, was Propagandisten wie die Hamas lieben: das Opfer-Narrativ, das Schuldparadigma, das Rauschen der Entrüstung, das Denken ersetzt.

Das stille Sterben der Differenzierung

Differenzierung? Ein Relikt. Wie Faxgeräte oder Vernunft. In der Ära der visuellen Schlagkraft hat sie ausgedient. Der Kontext stirbt den Tod durch Redaktionsschluss. Die Wahrheit wird beerdigt unter Schlagzeilen wie „So sieht Hunger aus“. Die Mutter weint. Die Medien drucken. Die Moral applaudiert. Und irgendwo stirbt die Aufrichtigkeit – nicht spektakulär, sondern still, wie eine Fußnote, die niemand mehr liest.

Es ist bequem, Mohammed zum Symbol zu machen. Es ist unbequem, ihn als das zu sehen, was er ist: ein tragisches, kränkliches Kind, das unsere Anteilnahme verdient – aber nicht unsere ideologische Vereinnahmung. Ein Kind, keine These. Ein Leben, kein Leitartikel.

Die Wahrheit als Kriegsopfer – wieder einmal

Vielleicht ist das die eigentliche Tragik in all dem: Nicht nur Mohammed wurde instrumentalisiert. Nicht nur Osama. Sondern wir alle. Die Wahrheit, wenn sie denn noch irgendwo atmet, wird zur letzten Unbeteiligten im großen Spiel der Meinungen, Narrative und Moralimitationen.

Es ist nicht neu, dass in Kriegen zuerst die Wahrheit stirbt. Aber selten hat sie so viele Zuschauer dabei gehabt. Und noch seltener hat sie so wenig interessiert.

ANMERKUNG; am 31. Juli 2025 noch online

Tschechien gegen das rote Gespenst

über Verbote, Vergleiche, Verdrängung – und die Kunst, sich mit Geschichte die Zähne auszubeißen

Ein Gesetz wie ein Frontalcrash mit der Vergangenheit

Es ist vollbracht. Die Tschechische Republik, jenes nachdenklich gewordene Kind der Samtenen Revolution, hat sich dazu durchgerungen, in einem heroischen (oder hysterischen?) Akt der Rechtsgeschichte endlich das getan, was der nationale antikommunistische Reflex seit drei Jahrzehnten ersehnt, gefordert, herbeigeschrien hat: Die Kommunisten stehen nun offiziell neben den Nationalsozialisten – im Strafgesetzbuch, wohlgemerkt. Beide sollen künftig gleich behandelt, gleich verfolgt, gleich verachtet werden. Eine Gleichstellung, die weniger juristische Logik als vielmehr politische Psychotherapie atmet.

Was als Akt der historischen Gerechtigkeit verkauft wird, ist in Wahrheit das, was man mit einem schlichten Wort „Rache“ nennen könnte – freilich eine mit einem Etikett demokratischer Notwehr übertünchte. Rache an Gespenstern, die ohnehin nur noch an Denkmaltagen und auf schlecht besuchten Parteitagen herumgeistern. Rache an der eigenen Geschichte, die man lieber verbieten würde, als sie zu verstehen.

Wenn Geschichte zur Statistik verkommt – und Moral zur Keule

Natürlich: Die kommunistische Herrschaft in der Tschechoslowakei war repressiv. Natürlich: Die Geheimpolizei hatte mehr Ohren als ein Konzertsaal. Natürlich: Die Parteispitze war so demokratisch wie ein Betonklotz. Aber: Wer den Kommunismus als monolithischen Block dämonisiert, wer Stalin neben Hitler stellt, als handele es sich um zwei Varianten derselben Pathologie, betreibt nicht Aufklärung, sondern moralische Vereinfachung im XXL-Format.

Und überhaupt: Seit wann definieren sich Demokratien dadurch, dass sie Meinungen verbieten? Ach ja, wenn diese Meinungen „böse“ sind. Aber wer bestimmt das? Wer entscheidet, ob ein Verweis auf Marx schon Propaganda ist oder erst dann, wenn man Lenin in Bronze gießt und auf dem Wenzelsplatz eine rote Büste aufstellt? Die Tschechische Republik, so scheint es, ist dabei, sich durch Verbot ein historisches Saubermann-Image zu verpassen – mit einem Gesetz, das wie ein Symbol politischer Hygiene wirkt, aber den Schmutz der Vergangenheit nur tiefer unter den Teppich kehrt.

Katerina und der Klassenkampf 2.0

Besonders ironisch ist die Szenerie, weil die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) bis heute nicht totzukriegen ist. Sie hat Mitglieder, sie hat Wähler, sie hat ein funktionierendes Sprachrohr – und sie hat: Katerina Konecna. Die Frau, die mit einem Dauerblick der Empörung durch Talkshows marschiert, ist eine wandelnde Mahnung an all jene, die glauben, man könne Ideologien durch Strafrechtsnovellen aus der Welt schaffen.

Konecna gibt sich kämpferisch – was man von Kommunisten ja gewohnt ist – und nennt das neue Gesetz einen Angriff auf die politische Vielfalt. Dabei ist gerade ihre Partei ein Anachronismus in roter Verpackung: marxistisch in der Rhetorik, populistisch in der Praxis, nostalgisch in der Haltung. Und dennoch: Sie ist demokratisch gewählt. Noch. Bald könnte sie illegal sein.

Dass ein ehemaliger KP-Funktionär – Petr Pavel – dieses Gesetz unterschreibt, gibt dem ganzen Stück eine groteske Würze, die Kafka vor Neid in die Schreibmaschine hätte beißen lassen. Es ist, als würde ein trockengelegter Alkoholiker dem Bier das Brauen verbieten. Vielleicht ist es Reue. Vielleicht ist es Kalkül. Wahrscheinlich beides.

Wenn Antikommunismus zur Ersatzreligion wird

Was der Antikommunismus in Tschechien heute ist? Nicht bloß ein Reflex. Nicht bloß eine Haltung. Sondern fast schon eine staatstragende Ersatzreligion. Es ist ein Glaubensbekenntnis, das man nicht anzweifeln darf, ohne unter Verdacht zu geraten. Die „Gleichstellung“ von Kommunismus und Nationalsozialismus ist dabei wie ein Dogma: Man muss es nicht verstehen, nur glauben. Wer fragt, wankt.

Dabei macht die Gleichsetzung historisch wenig Sinn. Sie ist nicht nur ein analytisches Eigentor – sie ist auch politisch gefährlich. Denn sie nivelliert Unterschiede, bannt Grautöne, und suggeriert: Wer für Mietendeckel ist, steht mit einem Bein im Gulag. Wer sich Kapitalismuskritik erlaubt, denkt bereits an Enteignung. Ein Schwarzweißdenken, das politisches Gespräch durch moralische Erpressung ersetzt.

Putin, Prag und der Phantomschmerz der Sowjetunion

Natürlich bleibt auch Moskau nicht stumm. Der Sprecher der Duma, Wjatscheslaw Wolodin, deutet das Gesetz als Angriff auf Russland selbst – was immerhin eine kuriose Ehrlichkeit offenbart: Offenbar ist man sich in Moskau durchaus bewusst, dass das heutige Regime mit der alten Sowjetunion mehr gemein hat als bloß nostalgische Gedenkfeiern.

Dass ausgerechnet ein Repräsentant der neuen russischen Autokratie die tschechische Gesetzgebung als „faschistisch“ kritisiert, ist ein rhetorischer Geniestreich aus dem Handbuch für dialektische Inkontinenz. Die Ironie: Im Russland des Jahres 2025 wäre jede Form von echter kommunistischer Demokratie ebenso verboten – nur nennt man sie dort eben „Störung der sozialen Ordnung“.

Verboten, aber nicht verschwunden

Man kann Parteien verbieten. Man kann Symbole entfernen, Bücher zensieren, Reden bestrafen. Aber man kann Ideen nicht ausmerzen wie Unkraut im Schrebergarten. Das Gedankengut lebt weiter – in Küchen, in Kneipen, im Netz. Und je mehr man es verbieten will, desto attraktiver wird es für jene, die sich ausgeschlossen, verraten, ignoriert fühlen.

Und ja, die KSCM ist keine progressive Lichtgestalt. Aber sie ist auch keine Nazi-Partei mit Uniformfetisch. Sie ist ein Sammelbecken für Nostalgiker, Rentner, Systemverlierer – und ein paar Idealisten, die nicht glauben wollen, dass „links“ zwangsläufig „Stasi“ bedeutet.

Finale Furioso: Satire oder Staatsraison?

Vielleicht ist es ja genau das, was dieses Gesetz in Wahrheit tut: Es zeigt die Ohnmacht der Demokratie gegenüber ihren eigenen Dämonen. Es ist ein symbolischer Exorzismus, ein verzweifelter Versuch, durch Paragrafen zu regulieren, was die Gesellschaft selbst nicht mehr klären will: Was darf gesagt, gedacht, gewählt werden – und warum eigentlich?

Ein Gesetz, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Eine Maßnahme, die sich als Notwehr tarnt, aber an die Wurzeln politischer Freiheit rührt. Und ein Triumph der Erinnerungspolitik über die politische Realität.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass die Freiheit sich nicht eines Tages dagegen wehrt, so oft zu ihrer Verteidigung missbraucht zu werden. Denn sonst droht der Demokratie das, was sie dem Kommunismus vorwirft: dogmatisch, intolerant und geschichtsvergessen zu werden.

Und dann helfen auch keine Gesetze mehr.

Ende mit Ironie. Oder fängt es gerade erst an?

Der schwarze Block kniet Richtung Mekka

Es ist eine groteske Prozession: Vermummte Antifaschisten, schwarz gekleidet, mit Kampfstiefeln und Spraydosen bewaffnet, ziehen durch die Straßen, ihre Parolen hallen zwischen den Altbauten wie postmoderne Psalmen. „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ schreien sie – kurz bevor sie am nächsten Tag Schulter an Schulter mit dem lokalen Imam eine „Kundgebung gegen Islamophobie“ veranstalten, bei der Frauen gebeten werden, sich „aus Respekt“ im hinteren Teil des Raumes aufzuhalten. Die Ironie? Sie bleibt unbemerkt. Der antifaschistische Furor ist mittlerweile so betäubt vom eigenen moralischen Narzissmus, dass er sich selbst nicht mehr erkennt – weder im Spiegel noch im Widerspruch. Wo früher noch Religionskritik als revolutionäre Pflicht galt, ist heute jede Kritik an islamischem Fundamentalismus ein Verrat an der neuen Frontlinie: der heiligen Allianz gegen den Westen.

Denn der wahre Feind, so raunt es in den WG-Küchen und Hochschulseminaren, ist nicht mehr die Unterdrückung, sondern das Narrativ über sie. Der Westen hat den Kolonialismus erfunden, also hat er fortan die Klappe zu halten – auch wenn es um Steinigungen, Ehrenmorde oder religiösen Fanatismus geht. Die ANTIFA, einst eine Bastion des säkularen Humanismus, hat sich in eine identitätspolitische Schattenarmee verwandelt, die bereitwillig die religiös aufgeladene Rhetorik des Dschihad übernimmt – solange sie sich gegen „den Westen“ richtet. Man zerschlägt Schaufenster in Neukölln gegen „Gentrifizierung“, und danach reicht man dem örtlichen Salafistenbruder die Hand im gemeinsamen Kampf gegen „islamfeindliche Strukturen“. Die Koalition der Widersprüche wird dabei zur Tugend verklärt: Der eine will das Kalifat, der andere den Kommunismus – aber beide hassen „weiße Männlichkeit“, und das verbindet mehr als jede Analyse.

Die sogenannte radikale Linke, längst nur noch ein politischer Scherbenhaufen aus Identitätsfetzen, hat die Theologie des Islamismus aufgesogen wie einst den Situationismus – nicht, weil sie sie versteht, sondern weil sie sie braucht: als Projektionsfläche, als neue Form des radikal Anderen, als Werkzeug der Selbstverachtung. Der Islamismus wird zur letzten Revolutionsmythologie einer ansonsten entzauberten politischen Romantik, in der jeder Molotowcocktail heiliger ist als jede empirische Evidenz. Was zählt, ist nicht die Realität, sondern das richtige Pathos.

Und die Islamisten? Die lachen sich ins Fäustchen. Sie nutzen die moralische Naivität ihrer Bündnispartner mit der Abgebrühtheit eines Guerillakämpfers, der weiß: Wenn der Feind sich selbst zerlegt, reicht ein bisschen Mitgefühl mit Bart und Datteln, um als Widerstandskämpfer durchzugehen. Warum selbst die Uni unterwandern, wenn linke Studierende freiwillig jedes Podium räumen, auf dem das Wort „Aufklärung“ fällt? Warum das Patriarchat verteidigen, wenn es unter dem Etikett „kulturelle Diversität“ bereitwillig restauriert wird? Die ANTIFA liefert das ideologische Deckmäntelchen – die Salafisten liefern den Ernst. Und gemeinsam arbeiten sie am Rückbau der Moderne – aus unterschiedlichen Gründen, aber mit vereintem Eifer.

Freundschaft und Inshallah.

Nie wieder war gestern II – Meine Hochachtung!

über das postmoralische Deutschland – zwischen Paragrafenpoesie, Richterromantik und Tugendterror

In einem Land, in dem der Antisemitismus bekanntlich nur dann als solcher gilt, wenn er im Duktus der 1930er Jahre daherkommt und sich höflich beim Zentralrat anmeldet, darf man offenbar inzwischen auch ganz offiziell skandieren, was früher als brandgefährlich galt: From the river to the sea… – was übersetzt nicht etwa bedeutet „wir wünschen Israel ein langes Leben in Frieden“, sondern eher das Gegenteil – aber wen kümmert schon Kontext, wenn die Gesinnung stimmt?

Richter Philipp Berkholz, dessen Robe offenbar nicht nur juristische Neutralität, sondern auch ein Faible für intellektuelle Akrobatik und gefühlige Milde signalisiert, hat sich jedenfalls einen Platz in der Galerie der juristischen Avantgarde erstritten. Eine Art postmoderner Kardinal Richelieu der Berliner Gerichtsbarkeit, nur ohne Degen, dafür mit Kaffeetasse und vermutlich einer Ausgabe von Judith Butler unter dem Richterpult.

In seinem Urteil, das weniger nach Rechtsstaat klang als nach Poetry Slam im akademischen Elfenbeinturm, attestierte er einer bekennenden Israel-Hasserin „Hochachtung“ für deren Engagement. Man müsse schließlich anerkennen, wenn jemand mit Inbrunst Unfug verzapfe – das sei schließlich auch eine Form von Zivilcourage. Wie sagte einst Brecht so treffend? „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Urteil zur Gesinnungstat.“ Oder so ähnlich.

Die neue Heilige: Saint Yasemin von Kreuzberg

Wer ist also diese neue Jeanne d’Arc der deutschen Aktivismus-Operette? Yasemin Acar, 38, arbeitslos, hochdekoriert im akademischen Prekariat mit einem Bachelor in Philosophie (womit sie immerhin qualifizierter ist als der durchschnittliche Twitter-Kommentator), tritt auf wie eine Instagram-Revoluzzerin mit Orientflair. Die Kufiya ist nicht nur ein modisches Statement, sondern ein ideologischer Gesamtkunstwerk-Knopf – getragen mit der Ernsthaftigkeit eines Trauerflors für die politische Urteilskraft der Bundesrepublik.

Dass Frau Acar mit einem Schirm geworfen, Polizisten beleidigt und sich weinerlich als Opfer „strukturellen Rassismus’“ inszeniert hat, verkommt im Gerichtssaal zur pittoresken Fußnote. Ihre „Geständnis“-Rede wirkte wie das Bewerbungsschreiben für ein Stipendium bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Pathos, Opfernarrativ, und ein Hauch von Pseudo-Intellektualismus – „Ich sage nur, was man in diesem Land nicht sagen darf!“ (und es dafür auf jeder Demo, in jeder Zeitung, jedem Insta-Post immer wieder tut).

Der Richter als Rebell – oder: Lyrik aus der Robe

Philipp Berkholz, ein Mann, der offenbar glaubt, dass Rechtsstaatlichkeit am schönsten ist, wenn sie sich wie ein WG-Küchentischgespräch anfühlt, hat mit seinem Urteil die juristische Rhetorik neu erfunden: zwischen empathischer Ermahnung und pädagogischem Pathos. Man möchte fast meinen, er habe statt des StGB eher Adornos Negative Dialektik konsultiert – oder wahlweise den Subreddit „r/antiimperialismfashion“.

Dass man eine Frau, die sich auf Anti-Israel-Demos tanzend über iranische Raketen freut, als „engagiert“ lobt, wirkt in dieser schillernden Groteske deutscher Werteverwirrung fast schon konsequent. Schließlich lebt man hier im moralischen Slalomlauf: Auf der einen Seite Erinnerungskultur bis zum Erbrechen, auf der anderen Seite blankes Unverständnis, wenn jemand sie auch ernst meint.

Applaus für die Anklagebank – Standing Ovations für den Rechtsbruch

Was früher in weihevollen Staatsakten beschworen wurde – „Nie wieder!“ – wirkt heute wie das Etikett auf einem veganen Sojapudding: formal korrekt, aber völlig bedeutungsentleert. Während auf Schulhöfen jüdische Kinder wieder weglaufen müssen, feiert sich eine Aktivistin im Gerichtssaal für ihre „geografische Umschreibung“. Man stelle sich vor, jemand würde ein Hakenkreuz als „historisch-ästhetische Spirale“ deklarieren – es gäbe kein Halten mehr.

Aber vielleicht ist genau das der neue deutsche Weg: Statt Täter zu verurteilen, werden ihre Motivationen psychologisch seziert und sozialtherapeutisch veredelt. Statt Recht wird Gefühl gesprochen. Statt Paragrafen zählt das Pathos. Es ist ein bisschen wie beim Eurovision Song Contest: Es gewinnt nicht die beste Leistung, sondern die emotionalste Botschaft.

Fazit: Der Rechtsstaat im Gesinnungskoma

Man mag sich fragen, wohin ein Land driftet, das seine demokratischen Fundamente mit einem derartigen Hang zur Selbstverachtung untergräbt. Wo Richter Hochachtung zollen, wo der Rechtsstaat nur noch auf dem Papier existiert, und wo der Applaus nicht mehr im Gerichtssaal verboten, sondern der logische Schlussakt ist.

Yasemin Acar mag nicht gefährlich sein im klassischen Sinne – sie ist kein Terrorist, sie baut keine Bomben, sie schreibt wahrscheinlich eher offene Briefe. Aber das, was sie sagt, das, was sie repräsentiert, wird in einem Land, das sich im Spiegel der Geschichte nur noch selbst bewundert, plötzlich salonfähig – und das ist vielleicht gefährlicher als jede Brandrede.

Der eigentliche Skandal ist nicht Acar. Es ist das Klima, das sie möglich macht. Und ein Richter, der dem juristischen Prinzip den Rücken kehrt, weil er denkt, er müsse Seelsorger sein. Der Glaube an die Unfehlbarkeit des eigenen moralischen Kompasses ersetzt keine Justiz – er ist deren Karikatur.

Willkommen in Deutschland, 2025.
Nie wieder war gestern. Heute ist Verständnis. Und morgen?
Vielleicht wieder. Nur diesmal mit Applaus.

Eine Schlüsselindustrie auf der Bremse.

Die heilige Kuh in der Sackgasse

Es war einmal ein Land, in dem das Auto mehr war als ein Fortbewegungsmittel. Es war ein Fetisch. Eine Identität. Ein Heiligtum auf vier Rädern. Und in diesem Land, so will es die Legende, schleuderten Ingenieure mit dem Temperament von Altphilologen seit Jahrzehnten Drehmomente auf die Weltmärkte, während Vorstände sich beim Neujahrsempfang gegenseitig die CO₂-Bilanzen in die Lackschicht scratchten. Und nun?

Nun rollen die Götzen von einst schnaufend in die Gegenwart – und prallen auf eine Wand aus Realität. Zölle? Störend. China? Schwierig. Der Dollar? Schwach. Der Gewinn? Noch schwächer. BMW vermeldet einen Einbruch um fast ein Drittel. Damit steht BMW allerdings immer noch stabiler da als die anderen deutschen Automobilkonzerne: VW hatte – wie seine Tochter Audi – im ersten Halbjahr mehr als ein Drittel, Mercedes-Benz sogar mehr als die Hälfte des Gewinns eingebüßt, Porsche gleich um 91 Prozent – also praktisch ein monetäres Totalschaden-Gutachten in Excel-Form. Es ist, als hätte man ein Jahr lang auf dem Nürburgring mit angezogener Handbremse versucht, die Weltherrschaft zurückzuerobern. Spoiler: Hat nicht geklappt.

Vom Exportweltmeister zum Reklamationsbeauftragten

Früher prahlte Deutschland mit seinen Exportzahlen wie ein Influencer mit seinen Bauchmuskeln. Heute muss der Exportweltmeister zur Kenntnis nehmen, dass die Welt nicht mehr ungeduldig auf das nächste übermotorisierte Statussymbol aus Bayern wartet – schon gar nicht, wenn ein chinesischer BYD für den halben Preis mehr Technik, weniger Arroganz und gratis Hafermilchkaffee in der Mittelkonsole bietet.

Dass das Geschäft in China „schwierig“ sei, ist dabei eine bemerkenswert untertriebene Formulierung – so, als würde man sagen, die Titanic habe ein kleines Navigationsproblem gehabt. In Wahrheit hat die chinesische Regierung mit subtiler, aber tödlicher Eleganz damit begonnen, den deutschen Autobauern ihre Schwächen zurückzuspiegeln: zu schwerfällig, zu überheblich, zu spät.

Und so klammern sich die Konzerne an die alte Gewissheit, dass man nur „Premium“ genug brüllen muss, um den Markt zum Zittern zu bringen. Dumm nur, dass das Wort „Premium“ in Shenzhen mittlerweile eine Gähn-Reaktion auslöst – vergleichbar mit einem Blackberry im Jahr 2012.

Innovation? Nur mit Zulassung und Kantinenplan

Natürlich gibt es im Innersten der deutschen Automobilindustrie noch Ideen, Fantasie, ja sogar Visionen. Sie werden liebevoll auf DIN-A4-Papier dokumentiert, dann in Sitzungen totprotokolliert, mit Datenschutzbedenken sterilisiert und schließlich von einem Konzernjuristen mit einem Vermerk „noch mal prüfen“ in der Schublade versenkt.

Innovationskultur? Ja, sicher – aber bitte nicht vor dem Tarifabschluss. Lieber wird ein millionenschweres SUV mit eingebautem Rückfahrassistenten für moralische Verantwortung auf den Markt geworfen, statt endlich ein ernstzunehmendes E-Auto zu bauen, das nicht aussieht, als sei es aus einem IKEA-Bausatz gefallen.

Inzwischen haben Tesla, Hyundai und eben jene vielgescholtenen Chinesen längst gezeigt, wie man Elektromobilität radikal und sexy denken kann. Und während BMW noch damit beschäftigt ist, die historische Wichtigkeit des Sechszylinders in einer Wanderausstellung zu erklären, entscheidet sich die nächste Generation für ein Auto, das sie nie besitzen, sondern nur abonnieren will. Was bei BMW ungefähr so beliebt ist wie vegane Weißwürste.

Der deutsche Traum vom stotternden Reichtum

Doch die vielleicht tragischste Pointe dieses Trauerspiels ist: Es geht nicht nur um Zahlen. Es geht um Menschen. Rund 800.000 Beschäftigte hängen hierzulande direkt von der Autoindustrie ab – was in der politischen Argumentation gerne klingt wie ein moralischer Airbag gegen jede Veränderung.

Die Industrie steckt also in einer absurden Zwangslage: Einerseits weiß sie, dass die Transformation kommen muss, andererseits fürchtet sie sich vor ihren eigenen Beschäftigten, den Betriebsräten, den Subunternehmern, den Wählern, den Gewerkschaften. Kurz: vor allen.

Und so bleibt man lieber auf halber Strecke stehen – dort, wo man noch glitzernde Imagekampagnen mit dem Begriff „Zukunft“ schmücken kann, ohne sie wirklich betreten zu müssen. Das hat in etwa die Konsequenzkraft eines Fallschirms, der sich weigert, sich beim Absprung zu entfalten, weil man ja sonst nass werden könnte.

Fazit: Kein Ausweg aus der Einbahnstraße ohne Rückwärtsgang

Wenn das Auto jemals das Symbol deutscher Ingenieurskunst war, dann ist sein Niedergang nun das Symbol für ihre Unbeweglichkeit. Und obwohl BMW – noch – vergleichsweise stabil dasteht, ist auch hier längst klar: Das Fundament bröckelt.

Und vielleicht ist das auch gut so. Denn in dieser Krise steckt die Chance, endlich ehrlich zu werden. Sich einzugestehen, dass es nicht mehr reicht, der Vergangenheit ein Facelift zu verpassen, um sie als Zukunft zu verkaufen. Dass „Made in Germany“ nicht automatisch bedeutet, dass der Rest der Welt sich artig hinten anstellt. Und dass E-Mobilität mehr ist als ein Benziner mit Batterie.

Bis dahin bleibt die Industrie auf der Bremse. Mit Vollgas.

Aber immerhin: Die Fensterheber funktionieren noch.

GAZA – Fakten, die nur stören

Wenn der Täter den Richter bestimmt und das Publikum klatscht

Es ist schon eine absurde, tragikomische Farce, ein Theaterstück mit wechselnder Kulisse, doch gleichbleibendem Skript: Der eine wirft den Molotowcocktail, der andere wird ermahnt, beim Löschen nicht so grob vorzugehen. In der Hauptrolle: Die Hamas – eine Organisation, die als de-facto-Regierung eines verwüsteten Küstenstreifens regiert wie ein mittelalterlicher Fürst, predigt wie ein Fanatiker und agiert wie ein Konzern mit Terrorabteilung. Ihre Waffen: Raketen, Menschenleben und die kalkulierte Träne des Kindes vor der Kamera. Ihre Gegner: eine Demokratie im Ausnahmezustand und eine Weltöffentlichkeit mit Gedächtnis wie ein Goldfisch auf Valium.

Die Fakten liegen offen da wie ein aufgeschlagenes Buch, das keiner lesen will, weil die Titelgrafik nicht ins moralische Moodboard passt: Die Hamas könnte diesen Krieg heute beenden – nicht morgen, nicht irgendwann, sondern jetzt, augenblicklich. Die Bedingung ist so einfach, dass sie in eine WhatsApp-Nachricht passen würde: Geiseln frei, Waffen weg. Fertig. Kein Friedensplan in drei Phasen. Kein Roadmap-Theater. Nur ein Akt, der nicht ins Selbstverständnis jener passt, die lieber mit Märtyrern als mit Menschen leben.

Westliche Moral als Waffe – die moralische Eskalation

Man sagt, wer nur einen Hammer hat, sieht in allem einen Nagel. Der Westen, ausgestattet mit einer Armee aus „Statements“, „scharfen Verurteilungen“ und „besorgten Erklärungen“, schlägt damit wild um sich und wundert sich, dass der Balken im eigenen Auge nicht weicht. Als Israel und die Hamas Ende Juli 2025 einer Einigung gefährlich nahe rückten, fielen plötzlich 28 Regierungen über das diplomatische Parkett her wie belehrende Eltern, die ihr Kind zurechtweisen, obwohl sie selbst die Vase zerschmettert haben.

Großbritannien, Frankreich – jene Nationen, die in der Kolonialzeit Land verteilten wie Werbeflyer am Bahnhof, reden nun von Menschenrechten. Das ist, als ob ein Pyromane die Feuerwehr bei der Arbeit kritisiert, weil sie zu nass ist. Und während Macron & Starmer das hohe Lied des Friedens intonieren, schlagen die Hamas-Delegierten in Doha ihre Akten zu, lehnen sich zurück und sagen: „Merci, Kameraden.“ Die Botschaft ist klar: Wer laut genug winselt, bekommt mehr. Der Westen hat den Krieg nicht angefangen, aber er gibt ihm durch sein Tun (oder besser: sein Tun-als-ob) einen verlängerten Aufenthalt – all inclusive.

Israel: Zwischen Selbstverteidigung und Sisyphos

Man kann Israel für vieles kritisieren. Für seine Regierung. Für ihr chaotisches Kommunikationsverhalten. Für ihre Fehler, ihre Härte, ihre moralische Müdigkeit. Aber nicht für die Absurdität, den Feind mit Diesel zu betanken, damit dieser in den eigenen Hinterhof bomben kann. Seit jenem schwarzen Oktober – dem schlimmsten Tag für Juden seit 1945 – wird Israel dazu gezwungen, sich gleichzeitig zu verteidigen und zu beweisen, dass es nicht zu hart verteidigt. Eine absurde Übung in moralischer Akrobatik: Springt, aber fallt nicht. Wehrt euch, aber lächelt dabei.

Tatsächlich hat Israel Gaza weiterhin mit Wasser, Nahrung und Treibstoff versorgt – was in jedem anderen Krieg der Weltgeschichte als Wahnsinn gegolten hätte. In Gaza wird die Hilfe freilich nicht als humanitäre Geste gesehen, sondern als Beweis der Schuld. Israel handelt – also muss es sich rechtfertigen. Israel schweigt – also muss es sich erklären. Und Israel blockiert die Hilfslieferung für Terroristen? Skandal! Israel lässt sie durch? Skandal! Wie man’s macht, macht man’s falsch, solange man nicht stirbt.

Von Blockade und Butterkuchen – Die Hamas isst zuerst

Während UN-Berichte über Kinder mit Untergewicht schreiben, posten israelische Quellen Fotos von Hamas-Kämpfern, die in unterirdischen Bunkern sitzen, Torten essen und Kalaschnikows putzen. Es ist ein Bild, das wirkt wie eine Karikatur, aber leider echt ist. Der Hamas-Terrorist hungert nicht. Er sammelt, hortet, verkauft – und rekrutiert mit den Erlösen neue Kämpfer.

Wenn Hilfslieferungen in Gaza eintreffen, bedeutet das für viele Familien nicht: „Essen ist da“, sondern: „Die Hamas verkauft heute wieder.“ Wer nicht zahlen kann, hungert. Wer protestiert, verschwindet. Und wer mit internationalen Helfern kooperiert, riskiert, im besten Fall, ein Leben in Angst. Die Versorgung ist ein Mittel des Terrors geworden – und der Terror lebt vom Bild der hungrigen Kinder. Mitleid ist seine PR-Agentur.

Die Blockade, die keine ist

Die Zahlen sind unerbittlich: 147 Hungertote in fast zwei Jahren Krieg. Jedes einzelne dieser Leben ist ein Drama. Doch wer behauptet, Israel wolle zwei Millionen Menschen aushungern, hat nicht die Realität im Blick, sondern ein politisches Feindbild. Vergleiche mit historischen Belagerungen (Stichwort: Leningrad) machen deutlich, was hier nicht geschieht. Israel hat die Fähigkeit zur totalen Abriegelung, aber es verzichtet darauf – nicht aus Schwäche, sondern aus Prinzip.

Dass einzelne Minister in Tel Aviv radikale Töne spucken, ist unbestritten. Doch die Realität vor Ort sieht differenzierter aus. Der Hunger ist real – aber er ist nicht Israels Waffe. Er ist das Ergebnis eines Systems, in dem jede humanitäre Struktur von einer Terror-Organisation kontrolliert oder sabotiert wird, deren Existenzziel nicht das Wohl ihrer Bevölkerung, sondern die Vernichtung ihres Feindes ist. Und solange letzteres nicht gelingt, darf ersteres ruhig verelenden.

Wer hilft, stirbt zuerst

Die Gründung der Gaza Humanitarian Foundation – einer neuen, von Israel und den USA unterstützten Organisation – war ein diplomatischer Versuch, das Hilfswesen vom Würgegriff der Hamas zu befreien. Die Antwort der Terroristen: Entführungen, Morde, Sabotage. Der neue Verteilmechanismus wurde angegriffen wie ein feindlicher Außenposten. Warum? Weil eine Bevölkerung, die nicht leidet, nicht instrumentalisiert werden kann.

Die Hamas braucht das Elend wie ein Influencer seine Follower: als Kapital, als Legitimation, als Bühne. Und der Westen – ob UNRWA, EU, oder sonstige moralische Freischärler – spielt mit. Teils aus Naivität, teils aus Bequemlichkeit, teils aus einer unterbewussten Lust am kollektiven Ablasshandel. Es ist einfacher, Israel zu mahnen, als sich der Erkenntnis zu stellen, dass in Gaza keine zwei Seiten verhandeln – sondern Demokratie gegen fanatisierte Despotie steht.

Fazit: Der Frieden liegt nicht in den Phrasen, sondern in der Verantwortung

Wäre Satire nicht längst Realität geworden, man müsste all das als überzogen ablehnen. Doch die Welt, wie sie sich hier zeigt, ist kein Theater. Es ist eine Tragödie – mit zu vielen Zynikern auf der Zuschauertribüne und zu wenigen Mutigen auf der Bühne.

Die Hamas kann den Krieg beenden. Jetzt. Ohne Bedingungen. Ohne Phrasen. Der Westen kann ihr nicht die Hand zum Frieden reichen, wenn sie die andere um den Abzug legt. Und Israel? Wird weiter kämpfen – mit Waffen und mit Hilfsgütern.

Ein Staat, der gezwungen ist, gleichzeitig Terroristen zu bekämpfen und sie mit Diesel zu beliefern, lebt nicht in einem Krieg – er lebt im moralischen Irrenhaus einer Welt, die zu feige ist, Täter und Opfer beim Namen zu nennen. Willkommen im 21. Jahrhundert.

Nie wieder war gestern I – deutsche Luftbrücke für die Hamas

Die Moral von der Fabel: Made in Germany

„Nie wieder!“ – kaum zwei Worte sind derart hochglanzpoliert über den deutschen Schultertugenden angebracht worden wie dieses doppelte moralische Hüftgelenk. Einst war es Mantra, Mahnung und Maulkorb zugleich, ein Zauberspruch gegen den Rückfall in den Abgrund. Doch wie das mit Zaubersprüchen nun mal so ist: Sie wirken nur, solange man sie glaubt. Heute hingegen ist „Nie wieder“ längst ein Kulturdenkmal wie der Berliner Flughafen – ambitioniert begonnen, grotesk gescheitert, teuer im Betrieb. Und so sitzt Deutschland nun in der moralischen Economy-Class, mit der Tendenz zur Notlandung im Nahostdiskurs, während es sich vorn in der Business-Class der Betroffenheit bequem macht. Getränke und Doppelmoral sind inklusive.

Was einst das Auschwitz-Gelöbnis war, ist heute ein Koalitionsschattenspiel zwischen peinlicher Ergriffenheit und postkolonialer Verwirrung. Deutsche Politik, das muss man ihr lassen, schafft es mit bewundernswerter Konsequenz, in jeder historischen Lektion das genaue Gegenteil zu lernen. Man verbeugt sich tief vor den Opfern der Vergangenheit – um sich dann in aller Würde an die Seite ihrer ideologischen Erben zu stellen. In diesem Sinne: Willkommen zur ersten staatlich geförderten Luftbrücke für eine Terrororganisation mit Weltkulturerbe-Ambitionen.

Solidarität auf Arabisch: Die Umkehr des Unumkehrbaren

Wie kommt es eigentlich, dass ein Land, dessen außenpolitischer Kompass jahrzehntelang auf das „besondere Verhältnis“ zu Israel geeicht war, nun tonnenschwere Hilfsgüter gen Gaza fliegt, während Raketen auf Tel Aviv niedergehen? Ach ja, der humanitäre Imperativ. Wer könnte ihm schon widersprechen – außer vielleicht dem gesunden Menschenverstand? Der Humanitarismus, jene säkulare Ersatzreligion deutscher Befindlichkeit, hat längst die konkrete Unterscheidung zwischen Täter und Opfer aus seiner Liturgie verbannt. Die Lage ist komplex, ruft man uns zu – was meistens bedeutet, dass man sich der Komplexität nicht stellen will.

So wird aus den fanatischen Tunnelgräbern der Hamas plötzlich die „palästinensische Zivilbevölkerung“, aus antisemitischer Vernichtungsideologie ein „legitimer Widerstand gegen Besatzung“, und aus deutschen Steuergeldern ein Solidaritätsakt mit zärtlich verklausulierten Mördern. Man liefert Brot und Diesel, während diese die Stromkabel zu Sprengfallen umfunktionieren. Und der deutsche Diskurs? Der diskutiert, ob es moralisch verwerflich sei, bei einem pro-palästinensischen Flashmob die „Intifada“ zu rufen – immerhin habe man ja das Wort „Friedensprozess“ dazugemurmelt.

Pädagogik des Selbsthasses: Deutschland erzieht sich ab

Es ist ein sonderbarer Reflex, der Deutschland in den letzten Jahren befallen hat: das Bedürfnis, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen – koste es, was es wolle, selbst wenn es die Geschichte selbst ist. Die Kinder von Auschwitz besuchen heute Workshops zur „Dekolonialisierung der Erinnerungskultur“, in denen ihnen beigebracht wird, dass jüdische Opfer zwar zu betrauern seien, aber bitte nur bis zu jenem Punkt, an dem palästinensische Täter die narrative Übernahme antreten dürfen. Wer dem widerspricht, bekommt es mit dem pädagogisch postlinken Korrektiv zu tun: Antisemitismus? Gibt’s nicht – es sei denn, er kommt von einem sächsischen Kegelclub oder einem AfD-Stammtisch.

Die deutsche Bildungslandschaft kultiviert eine neue Art von Dummheit: jene, die sich für besonders aufgeklärt hält. An den Universitäten lernen junge Menschen, dass Zionismus eine Form von Rassismus sei, während die Hamas als „subalterne Stimme des Widerstandes“ durchgeht. Die Tatsache, dass dieser „Widerstand“ bei Gelegenheit Frauen steinigt, Schwule an Baukräne hängt und Juden schlachtet, wird als Ausdruck kultureller Differenz abgeheftet. Diversität, baby.

Die Luftbrücke der Lächerlichkeit

Einmal mehr hebt der deutsche Staat ab – im doppelten Sinne. Während man im Bundestag noch letzte Zweifel darüber austauscht, ob die Hamas tatsächlich antisemitisch sei (man wolle nicht vorschnell urteilen), starten in Ramstein die Transportflugzeuge mit Hilfsgütern. Das Bundeswehrlogo schimmert golden auf dem Rumpf, während darunter „Free Palestine“-Graffiti gegen den Lack kratzen. Es ist das perfekte Sinnbild dieser Farce: Ein Land, das sich nach 1945 schwor, jüdisches Leben nie wieder in Gefahr zu bringen, organisiert heute logistische Hilfe für diejenigen, die jüdisches Leben als Gefährdung empfinden.

Natürlich, so hört man, diene das Ganze ausschließlich der „zivilen Infrastruktur“. Diesel für Krankenhäuser, Mehl für Kinder. Dass man mit Diesel auch Raketen bauen und mit Mehl Sprengstoff strecken kann – Kleinigkeiten. Und wenn doch ein bisschen davon in die falschen Hände gerät? Tja. Fehler passieren. Man kann ja nicht jedes Fass überprüfen. Und überhaupt: Was wäre die Alternative – nichts tun? Genau. Aber dieses Wort kommt im deutschen Diskurs nur dann vor, wenn es um Waffenlieferungen an Israel geht.

Epilog in Moll: Zwischen Merz und Hamas

Was bleibt also von diesem politischen Kabarett, das sich „deutsche Außenpolitik“ nennt? Ein Katalog der Heuchelei, eine Litanei an verpassten Gelegenheiten, ein Manifest des moralischen Selbstbetrugs. Kanzler Merz spricht von „unserer Verantwortung für den Frieden“, während er tatenlos zusieht, wie Hassnachschub mit deutscher Hilfe in Palettenform abgeworfen wird. Die Grünen rufen zu den Waffen, während Gaza mit deutscher Unterstützung wieder aufmunitioniert wird. Und Lars Klingenbeil? Der verwaltet das Ganze mit der Emphase eines Sparkassenkassierers, dem man gerade den Weltfrieden anvertraut hat.

Derweil lebt Israel weiter – allein, belagert, verteufelt. Die deutschen Intellektuellen schreiben Essays über „israelische Apartheid“, untermalt von Ringelpiez mit Keffiyeh. Und wenn dann doch wieder etwas in die Luft fliegt – sei es ein Bus, ein Kinderzimmer oder eine Synagoge in Berlin – dann wird man betroffen sein. Betroffen, aber hilflos. Sprachlos, aber konsequent falsch.

Denn „Nie wieder“, das war gestern. Heute heißt es: „Kommt Zeit, kommt Hamas.“

Das Pixel als Pogrom – Vom digitalen Gerücht zum realen Hass

Der Ursprung des Bildes: Oder warum der moderne Antisemitismus kein Bart mehr trägt

Es ist ein unruhiges Summen, das aus den Ritzen des Internets steigt – wie das gedämpfte Gemurmel eines Marktplatzes, auf dem man nicht ganz sicher sein kann, ob gleich Äpfel verkauft oder Scheiterhaufen errichtet werden. In dieser neuen Agora, der Timeline, auf der sich Wahrheit und Fiktion ein maskiertes Tänzchen liefern, kehrt etwas wieder, das niemals wirklich ging: Das Gerücht. Doch das Gerücht, so Adorno, ist nicht bloß ein Missverständnis, ein bisschen Klatsch am Kaffeetisch der Geschichte. Es ist das Gift, das sich durch die Windungen des Bewusstseins frisst, eine zähflüssige Ideologie in Sprühdosenform. Und es hat sich angepasst, hat sich modernisiert, trägt heute keine springerstiefelige Stumpfheit mehr zur Schau, sondern eleganten moralischen Zynismus, der sich mit Hashtags und hochaufgelösten Trugbildern tarnt.

Die „Fakebilder“ aus Gaza – das ist das neue „Gerücht über die Juden“, nicht weil es sich um eine bloße Fälschung handelt, sondern weil es wie das alte Gerücht funktioniert: Es hat keinen Ursprung, aber eine Richtung. Es kommt von überall und trifft immer nur einen. Die Pixel lügen, aber nicht allein. Sie werden genährt vom Bedürfnis, zu glauben, was man glauben möchte. Der Antisemitismus unserer Zeit trägt keine Hakenkreuze – er hat ein Profilbild und nennt sich „Aktivist“.

Die Moral des Betrachters: Wie das Mitgefühl zur Komplizin der Projektion wird

Wer heutzutage mitleidet, will oft nicht verstehen – er will beweisen, dass er leidet. Der Schmerz des Anderen, so scheint es, wird zur moralischen Trophäe, zur Inszenierung einer Empathie, die weniger mit Ethik als mit Eitelkeit zu tun hat. Es ist ein voyeuristisches Humanitätsbedürfnis, das mit tränendem Blick auf Kinderfotos starrt, ohne sich je zu fragen, ob die Tränen nicht schon längst vor der Kamera künstlich erzeugt wurden – oder ob das Kind in einem anderen Kontext vielleicht plötzlich als „zionistischer Siedlernachwuchs“ gelten würde. Die Empathie, diese einst zarte Pflanze, ist zur Dog Whistle der digitalen Meute verkommen.

Und so klickt man „Teilen“, weil man „nicht schweigen kann“, auch wenn man nichts weiß. Die Empörung ist der Applaus der Ahnungslosen. Es genügt, dass das Bild das Richtige zeigt – nicht im Sinne der Wahrheit, sondern der politischen Richtung. Eine verbrannte Kinderhand, ein Mauerrest, ein weinender Vater im Staub – sobald es gegen Israel geht, ist jedes Bild plausibel, jedes Video echt genug, um Wut zu rechtfertigen, die schon vor dem Sehen bereitlag. Das Fakebild wird zur Offenbarung, nicht zur Lüge. Es spricht „Wahrheiten“, die man längst kannte – oder zumindest fühlen wollte.

Die Linke und ihr doppelter Boden: Wie man lernt, Antisemit zu sein, ohne es zu merken

Es ist ein tragikomisches Kapitel linker Ideengeschichte, dass ausgerechnet jene, die sich rühmten, „kritisch zu sein“, aus lauter Empörung blind geworden sind. Die akademisch gestählte Menschenfreundlichkeit hat ein Feindbild entdeckt, an dem sie sich moralisch wärmen kann: den Juden, der nicht mehr Opfer, sondern Staat ist. Der Jude mit Uniform passt nicht ins Narrativ der ewigen Unterdrückung. Also wird Israel zur Chiffre – nicht für Staatlichkeit, sondern für Schuld. Und die Bilder aus Gaza liefern die optische Beglaubigung dieses Ressentiments.

Natürlich, es geht ja nicht um Juden, heißt es dann. Es geht um „die Politik“. Um „Besatzung“. Um „Verhältnismäßigkeit“. Doch man merke: Wer im syrischen Bürgerkrieg keine Kinderbilder teilte, wer zu Aleppo schwieg, zu Xinjiang stumm blieb, aber bei jedem israelischen Luftschlag plötzlich erwacht, der hat kein moralisches Problem, sondern ein selektives. Die Fakebilder – oft Jahre alt, aus Syrien, Libanon, Irak – funktionieren nur, weil niemand prüft, solange sie gegen die richtigen Täter sprechen. Und siehe da: Der Jude, also der Israeli, ist wieder Täter. Endlich. Die Geschichte macht eine Pirouette – und viele klatschen Beifall.

Der Zynismus der Aufgeklärten: Warum sie alles wissen, aber nichts verstehen

Die Selbstgewissheit der digitalen Weltbürger ist atemberaubend. Zwischen einem Flat White und einem Flug nach Tel Aviv (um dann „gegen die Apartheid“ zu protestieren), tippt man mit französischem Maniküre-Finger „Free Palestine“ in die Kommentarspalte, löscht alte israelische Freunde – „nichts Persönliches“ – und teilt ein verwackeltes Video, das angeblich ein Massaker zeigt, aber in Wahrheit aus einem Netflix-Kriegsfilm stammt. Man glaubt, man sei Teil eines globalen Gewissens, dabei ist man bloß Teil eines Algorithmus, der Hass besser verkauft als Zweifel.

Zweifel – dieses einstige Markenzeichen der Aufklärung – ist zum Hindernis geworden. Wer heute fragt, ob ein Video authentisch ist, wird verdächtigt, „Propaganda“ zu verteidigen. Die Tatsache, dass Hamas ihre zynische Medienstrategie längst perfektioniert hat – Kinder als menschliche Schutzschilde, Leichen in die Kamera gehalten, Statisten in Krankenwagen – ist bekannt, aber irrelevant. Die Wahrheit stört nur, wenn sie der Wut im Wege steht.

Der Antisemitismus der Bilder: Warum Pixel töten können

„Worte können töten“, sagte man einst. Heute sind es Bilder – oder besser: die Kombination aus Bild und Behauptung. Der Pixel ist das neue Pogrom, das Meme die moderne Karikatur, das Video der neue Mythos vom Brunnenvergifter. Nur dass diesmal kein Der Stürmer nötig ist – die Leute machen es selbst. TikTok ist die neue antisemitische Volksaufklärung, Instagram der digitale Wandschmierer. Und die Wirkung? Verheerend. Synagogen werden angegriffen, jüdische Schüler verstecken ihre Identität, der Mob steht nicht mehr vor den Häusern, sondern in den Kommentaren – und oft genug draußen in Neukölln gleich mit.

Und wie nennt sich das Ganze? „Solidarität“. Ein Euphemismus, der so glatt ist, dass man auf ihm bequem in den Abgrund gleiten kann.

Letzte Worte eines Unglaubenden: Warum man lachen muss, um nicht zu verzweifeln

Vielleicht ist das Lachen das Letzte, was uns bleibt – nicht das Lachen der Schadenfreude, sondern das Lachen des Schmerzes. Das Lachen, das einem ausbricht, wenn man sieht, wie sich gebildete Menschen zum Tribunal versammeln, während sie ein CGI-generiertes Trümmerfeld für ein Massengrab halten. Das Lachen über den Umstand, dass man für das Teilen eines Holocaust-Memorials weniger Applaus bekommt als für einen schlecht gemachten Gaza-Reel.

Adorno schrieb, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben sei barbarisch. Heute wäre es vielleicht barbarisch, ein Meme zu posten. Aber man tut es trotzdem. Und vielleicht ist es unsere letzte Aufgabe als aufrechte Zyniker mit Restverstand, darauf hinzuweisen, dass der Antisemitismus nicht tot ist – er ist nur gephotoshopt.

Keine Pizza für Juden in Wien

Die Pizza, der Teig, das Grauen – oder: Der neue Geschmack der Stadt

Wien, du alter Narr, du morbides Kaffeehaus mit Marzipanseele und Monarchie-Mundgeruch. Du, der du einst die Wiege der Aufklärung, der Psychoanalyse und der musikalischen Genialität warst – was ist aus dir geworden? Heute sitzt du mit fettigen Fingern in der Dönerbude, hörst Türkpop und schimpfst auf „die Juden“ – ganz ungeniert und in aller Öffentlichkeit. Willkommen im Jahr 2025. Willkommen im 15. Bezirk. Willkommen in einer Welt, in der Hebräisch offenbar gefährlicher ist als eine Ratte im Kühlhaus.

Eine Musikergruppe – Cello, Geige, Klavier – ein Trio, das selbst in Tel Aviv nur als solide Lounge-Beschallung durchginge, wollte in Wien einfach nur Pizza essen. Keine Forderung nach koscherem Essen, keine brennende Menora auf dem Tisch, keine einstimmige Interpretation von „Hava Nagila“ im Pizzabackraum – nur Pizza. Margherita vielleicht. Maximal eine Quattro Stagioni. Doch es kam anders. Denn Hebräisch ist offenbar die neue Reizsprache für den gemeinen Pizzapropheten von der Ecke.

Die Szene: ein Pizzaboden zu viel – oder: Der Moment, in dem das Abendland endgültig den Teig verlor

Der Kellner – ein investigativer Geist von Berufung und ein aufrechter Spracherkennungs-Detektiv – fragt: „In welcher Sprache sprechen Sie?“ Die Frage selbst hat bereits etwas von kafkaeskem Theater, so als würde man in einem Wiener Kaffeehaus nach der Schuhgröße fragen, bevor man ein Glas Wasser serviert bekommt.

„Hebräisch“, sagt der Cellist. Bäm. Ein Wort. Zwei Silben. Und schon gleiten wir, ganz ohne Zwischengericht, in die historische Tiefenebene menschlicher Abgründe.

Die Antwort des Kellners: keine Pizza für euch. Nicht heute. Nicht hier. Nicht in dieser Sprache. Die Zutaten: Mehl, Wasser, Hefe, Judenhass. Eine Rezeptur, die man zuletzt 1938 als „volksnah“ bezeichnet hätte.

Und was machen die anderen Gäste? Genau das, was in Österreich seit Jahrhunderten bewährt ist: Sie tun nichts. Sie schauen, schweigen, kauen. Der Wahlspruch des Landes: „Wird scho passen.“

Von Pizzaofen und Pogromphantasien – oder: Wie man sich Wien antisemitisch schönredet

„Na gut, vielleicht war’s ein Missverständnis“, wird jetzt der eifrige Realitätsrelativierer in sich hineinmurmeln. Vielleicht war es ein Sprachproblem. Vielleicht dachte der Kellner, „Hebräisch“ sei ein Codewort für „ich spucke in die Sauce“. Vielleicht war’s die Mittagshitze. Vielleicht war auch der Kellner einfach ein Fan von Richard Wagner und wollte seine neue Biografie von Adolf Eichmann nicht aus der Hand legen, um Mozzarella zu streuen.

Aber nein – es war kein Missverständnis. Es war kalkulierter, blanker, unverhüllter Antisemitismus. Keine subtile Mikroaggression. Kein sozialer Fauxpas. Sondern: “Ich serviere euch kein Essen. Ihr sprecht Hebräisch. Geht.“

Das ist keine Szene aus einem dystopischen Roman. Es ist Wien. 2025. In einem Lokal, das vermutlich auf Google Maps immer noch 4,3 Sterne hat. Mit Kommentaren wie: „Gute Preise, nettes Personal, leider keine Pizza für Juden.“

Der Staatsschutz rührt sich – oder: Wenn das Gesetz den Ofen anschmeißt

Die Polizei prüft. Das LSE prüft. Österreich prüft. Wie so oft. Man prüft hier alles. Vor allem dann, wenn es eigentlich längst klar ist. Währenddessen bleibt der Laden offen. Man könnte also reinmarschieren, sich ein Bier bestellen, ein arabisches Lied auflegen, über Israel schimpfen – alles im Preis inbegriffen.

Die eigentliche Frage ist nicht, ob hier ein Vorfall von Antisemitismus stattfand – das ist so eindeutig wie ein schlecht getarntes Nazi-Tattoo beim Public Viewing. Die Frage ist: Warum sind wir schon wieder an diesem Punkt?

Warum wird eine jüdische Musikergruppe in Wien nicht bedient – und niemand protestiert? Warum sagen Menschen, die am Nebentisch saßen, nicht: „Das ist nicht in Ordnung“? Warum verlässt niemand solidarisch mit ihnen das Lokal?

Die Antwort ist tragisch einfach: Weil es immer noch geht. Weil Antisemitismus in Europa immer noch ein gesellschaftliches Kavaliersdelikt ist – solange er nicht in Uniformen auftritt, sondern in Kellnerschürzen.

Der stille Applaus – oder: Was Schweigen bedeutet, wenn man es hört

Die anderen Gäste schritten nicht ein. Das ist der eigentliche Skandal. Antisemitismus ist ein Feuer, das sich nicht durch den Brandstifter allein ausbreitet, sondern durch das Trockene der umstehenden Menschen, die nicht löschen – sondern rauchen, lächeln, weiteressen.

Man stelle sich dieselbe Szene umgekehrt vor: Drei arabischsprachige Musiker werden in einem jüdischen Lokal abgewiesen. Die Twitter-Server würden brennen. Die New York Times würde berichten. Es gäbe Mahnwachen. Die UNO tagte. Und Wien bekäme Besuch von Al Jazeera.

Aber in diesem Fall? Ein paar Artikel. Ein Facebook-Post. Und dann kehrt wieder Ruhe ein im Pizzalokal der Verdrängung.

Wien, du alter Judenhasser – oder: Die ewige Melodie zwischen Schnitzel und Schweigen

Vielleicht ist es unfair, eine Stadt zu beschuldigen. Vielleicht sind es nur Einzelfälle. Vielleicht ist auch der Kellner nur ein verwirrter Einzelidiot. Doch in einer Stadt, in der Theodor Herzl träumte, Gustav Mahler komponierte und Sigmund Freud analysierte, ist der moralische Verfall umso schmerzlicher. Wien hat eine Geschichte mit seinen Juden – und sie ist keine schöne. Jetzt wiederholt sie sich. Nur mit Pizza statt Pogrom.

Die Zukunft liegt im Ofen – oder: Wer schweigt, bäckt mit

Ein jüdischer Cellist. Eine Pizzeria. Eine Sprache. Eine Ablehnung. Und ein Land, das sich prüfend räuspert. Vielleicht braucht Österreich nicht mehr Geschichte – sondern mehr Zivilcourage. Mehr Kellner, die Pizza für alle machen. Und mehr Gäste, die aufstehen, wenn das Unrecht serviert wird.

Denn Antisemitismus ist keine Frage der Vergangenheit. Er ist das Tagesgericht. Und wir alle entscheiden, ob wir mitessen.


Keine Pizza für Juden? Vielleicht kein Einzelfall. Aber ganz sicher: kein Einzelfehler.