Am Rande des Weltgewissens: Der vergessene Völkermord an den Jesiden

Die Chronik des Desinteresses

Der 3. August ist kein Feiertag. Er ist kein Tag, an dem man mit Picknickdecke und Kartoffelsalat ins Freie zieht. Kein Tag, an dem Supermärkte Blumenaktionen fahren oder mediale Countdown-Uhren auf Null ticken. Der 3. August ist ein Tag, an dem sich – weitgehend unbemerkt vom globalisierten Dauerfeuer der Empörungsschleifen – ein Datum jährt, das nach Hall schreit und Echo sucht, jedoch nur im Geröll der Nachrichtenflut verschüttet wird: der Beginn des Völkermords an den Jesiden durch den sogenannten Islamischen Staat im Jahr 2014.

Elf Jahre ist es her, dass Männer enthauptet, Frauen versklavt, Kinder verschleppt wurden. Nicht irgendwo in einem abstrakten Raum des Schreckens, sondern im nordirakischen Sindschar-Gebirge, einem Ort, der seither ein Synonym geworden ist für das Versagen der Menschheit, wenn es darauf ankommt. 2.700 Frauen und Kinder gelten weiterhin als vermisst – eine Zahl, die längst zu einer Fußnote der Weltpolitik verkommen ist, eine Ziffer in einem UN-Bericht, die zwischen „Klimakrise“ und „Künstlicher Intelligenz“ auf Seite 37 versickert.

Die Verhältnismäßigkeit der Aufmerksamkeit – oder: Warum Britney Spears’ Instagram mehr Schlagzeilen macht als die jesidischen Überlebenden

Was darf Aufmerksamkeit kosten? Was ist ein Menschenleben wert, wenn es nicht photogen, viral oder geopolitisch nützlich ist? In einer Welt, in der das Mitleid binnen 24 Stunden auf TikTok tanzen muss, um Relevanz zu behalten, haben die Jesiden verloren. Nicht nur ihre Angehörigen, ihre Dörfer, ihre Unversehrtheit. Sondern auch das unsichtbare Siegel dessen, was man „zivilisatorisches Minimum“ nennen könnte. Denn wer nicht sichtbar ist, dem wird nicht geholfen. Und wer nicht schreit, dem wird nicht zugehört. Die Jesiden haben geschrien. Doch unsere Ohren waren voller anderer Geräusche: Likes, Aktienkurse, Wahlkampfrhetorik, Influencerdramen.

Der Täter ist verschwunden, das Verbrechen bleibt

Der IS mag territorial besiegt sein, die Kalaschnikows verstummt, die schwarzen Fahnen eingerollt. Doch wie jeder gut gebaute Alptraum wirkt auch dieser nach. Die Strukturen der Gewalt, die Traumata, das Netz aus Angst und Stigma – sie sind geblieben. Wie ein Ölfleck im kollektiven Bewusstsein, das sich nicht entschließen kann, ob es überhaupt betroffen sein will. Der Täter hat sich entmaterialisiert, transformiert in Schatten, Zellen, Parolen. Die Tat jedoch lebt weiter in jedem jesidischen Kind, das seine Mutter sucht, in jeder Frau, die zu „Beute“ erklärt wurde – ein Wort, das nicht aus dem Mittelalter stammt, sondern aus der Rechtsprechung des Kalifats von gestern.

Moral als saisonales Angebot: Der westliche Blick und seine Halbwertszeit

Es ist ein merkwürdiges Schauspiel, das sich wiederholt, in immer neuen Variationen: Der Westen entdeckt eine Katastrophe, ist erschüttert, sendet Delegationen, organisiert Gedenkveranstaltungen mit exakt austarierter Betroffenheitsmimik, legt Kränze mit strategisch fotografierbaren Schleifen nieder – und wendet sich dann wichtigeren Dingen zu. Wahlumfragen. Haushaltspolitik. Der neuesten Netflix-Serie. Die Moral ist verfügbar, aber leider nicht vorrätig. Oder nur noch in Restbeständen.

Was dabei übersehen wird: Die Jesiden brauchen keine Lippenbekenntnisse. Sie brauchen Gerechtigkeit. Reparationen. Sichtbarkeit. Eine internationale Gerichtsbarkeit, die den Begriff Völkermord nicht inflationär gebraucht, sondern endlich justiziabel macht. Die Möglichkeit, sich als Subjekt zu begreifen, nicht nur als Objekt humanitärer Folklore.

Zynismus ist der letzte Schutzmantel der Wahrheit

Ja, man darf zynisch sein. Man muss es sogar, wenn man den Irrsinn dieser Welt nicht nur aushalten, sondern benennen will. Wenn ein Krieg mehr Sendezeit bekommt, weil er geografisch näher an einem Gasanschluss liegt, als einer, der ethnisch motivierten Genozid betreibt, dann ist Zynismus die einzig logische Reaktion. Wenn eine befreite jesidische Frau nach elf Jahren der Versklavung zwar als „breaking news“ kurz aufflackert, aber nicht einmal einen ministeriellen Akt der Würdigung erfährt, dann ist Ironie kein Stilmittel mehr, sondern Selbstschutz vor der Ohnmacht.

Kein Vergessen ist nicht genug

„Kein Vergessen!“ ruft es aus den wenigen Stimmen, die sich heute noch mit dem Schicksal der Jesiden befassen. Aber es reicht nicht, sich zu erinnern, wenn das Erinnern keine Konsequenz hat. Erinnern muss wehtun. Es muss handeln wollen. Es muss die eigene Bequemlichkeit stören. Sonst ist es sentimentaler Stillstand. Die Jesiden brauchen nicht unser Mitleid, sondern unsere Verantwortung. Sie sind kein Mahnmal – sie sind Menschen. Lebendig, verletzlich, voller Geschichten, die weitererzählt werden müssen – nicht als Tragödien, sondern als Zeugnisse eines Widerstandes gegen das Vergessen, gegen das Schweigen, gegen die Gleichgültigkeit.

Epilog: Ein Gebirge voller Stimmen

Das Sindschar-Gebirge schweigt nicht. Es ist voller Stimmen, auch wenn sie nur flüstern. In jeder verscharrten Leiche, in jeder überlebenden Frau, in jedem Kind, das mit zwei Namen lebt – dem gegebenen und dem gestohlenen. Wer hinhört, wird sie hören. Und wer sie hört, kann nicht mehr schweigen.

Gesinnung statt Spannung – Wie der „Tatort“ zur sonntäglichen Umerziehung mutierte

Prolog im Meinungskorsett: Wenn das Böse immer eine Glatze trägt

Es war einmal, an einem Sonntagabend, zwischen dem dritten Rotwein und dem letzten Stück Tiefkühlpizza, als das deutsche Fernsehvolk sich einig war: Jetzt ist aber endlich Tatort-Zeit! Ein bisschen Morden, ein bisschen Ermitteln, ein bisschen latent miefige Vorabendmelancholie – das Ritual, das selbst Atheisten eine Ahnung vom sonntäglichen Gottesdienst vermittelte. Doch mittlerweile flimmert kein Krimi mehr über die Bildschirme. Stattdessen läuft ein staatlich abgesegneter Erziehungsfilm mit Krimiverkleidung – irgendwo zwischen Sendung mit der Maus für Erwachsene und einem schlecht getarnten Propagandastreifen der postmodernen Tugendwächter. Willkommen in der neuen Sonntagsschule der ARD, wo der Täter stets das Falsche wählt – und zwar ideologisch.

Die neue Dramaturgie: Täter rechts, Opfer divers

Wer heutzutage einen „Tatort“ einschaltet, darf sich auf verlässliche Drehbuchkonventionen freuen, so sicher wie das Amen in der Kirche der Haltung: Der Täter ist – Überraschung! – männlich, weiß, mittelalt, Unternehmer oder alternativ wahlweise AfD-Wähler, Burschenschaftler oder Vater dreier Kinder mit einem zu festen Handschlag. Das Opfer hingegen hat einen Migrationshintergrund, lebt vegan, ist queer oder zumindest marginalisiert genug, um mit moralischem VIP-Status ausgestattet zu sein. Willkommen im Moral-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Fakten, Motive, logische Zusammenhänge? Nebensache. Was zählt, ist die Gesinnung – am besten im moralischen Streichelzoo zur Primetime.

Die Requisite ist entsprechend angepasst: Die Villa des Kapitalisten tropft vor kaltem Chic und ideologischem Schimmel, während die Unterkunft des Geflüchteten zwar baufällig, aber mit warmer Menschlichkeit durchflutet ist. Die Kommissare nicken verständnisvoll, wenn Opfergruppen sprechen, und blicken angewidert, wenn der rechtschaffene Mittelständler versucht, seine Sicht zu schildern. Wer das „falsche“ Weltbild vertritt, hat im Drehbuch sowieso keine Chance auf Menschlichkeit. Differenzierung ist halt ein Privileg der Guten.

Florian Hager und die Demokratiestiftung per Drehbuch

ARD-Intendant Florian Hager, ansonsten vor allem bekannt durch seine photogen-ernste Stirnfalte und das Talent, pädagogische Floskeln in Statements zu pressen wie ein Kantinenkoch das Sojaschnitzel, sieht den Tatort als „demokratiestiftendes Format“. Eine Aussage, so vollendet kafkaesk, dass man unweigerlich an die Zeit denkt, als öffentlich-rechtliche Sender noch Sendungen machten – und nicht Bekenntnisse.

Was genau gestiftet werden soll, bleibt allerdings offen. Demokratie? Oder eher ein Meinungsbiotop, in dem nur gedeiht, was im Diversity-Kosmos als fruchtbar gilt? Die Pluralität der Perspektiven weicht einer ideologischen Einfalt: Wer vom Skript der Weltoffenheit abweicht, landet im Plot als Täter. Wer kritisch fragt, ist verdächtig. Wer ironisiert, wird gecancelt – oder wenigstens aus dem Abspann gestrichen. Kritisches Denken wird durch korrektes Fühlen ersetzt, und wer denkt, das sei eine Karikatur, sollte dringend den letzten Tatort mit dem Gender-Kommissar-Duo in Transsolidarität anschauen.

Krimi als Klischeekulisse: Die Helden der neuen Zeit

Der klassische Kommissar – zynisch, ein bisschen versoffen, aber mit Instinkt – wurde längst beurlaubt. Er wurde ersetzt durch sensitiv kodierte Persönlichkeitsbausteine mit pädagogischem Sendungsbewusstsein. Der neue Ermittler spricht in Empowerment-Slogans, trägt feministische Buttons und zitiert lieber Judith Butler als den Obduktionsbericht. Die Verhöre ähneln Therapiesitzungen, die Täteranalysen klingen wie Instagram-Captions: „Toxische Männlichkeit führte zur Tat. Kapitalismus als strukturelle Gewalt. Weißsein als Mitverantwortung.“ Einmal Gendersternchen – mit allem, bitte!

Die Diversität im Tatort hat mittlerweile die narrative Integrität überrollt wie ein Lastenrad den Wochenmarkt. Was ursprünglich Vielfalt bedeutete – nämlich unterschiedliche Perspektiven, auch unbequeme –, wurde zu einem uniformen Wohlfühldiktat umgedeutet. Es darf alles sein, solange es sich im Safe Space der richtigen Haltung bewegt. Der Migrant mit krimineller Energie? Undenkbar. Der Antifa-Aktivist mit Gewaltproblem? Unmöglich. Der Unternehmer mit Herz? Nicht im Drehbuch vorgesehen. Willkommen in der Welt des fiktionalen Gesinnungskollektivs, in dem Widerspruch die größte Bedrohung darstellt.

Satire oder Realität? Man weiß es nicht mehr

Dass dieser Text satirisch ist, sei ausdrücklich betont. Obwohl – ist er das wirklich? In einem Medienklima, in dem der Witz vom Irrsinn kaum mehr zu unterscheiden ist, wird jede Polemik zur erschütternden Zustandsbeschreibung. Wenn der Tatort als „demokratiestiftend“ gilt, dann war die „Feuerzangenbowle“ wohl ein Experiment zur Bildungsgleichheit. Wenn jeder Bösewicht ein Unternehmer ist, dann liegt die einzige Spannung darin, ob es diesmal der Immobilienhai oder der Metzgereibesitzer mit Facebook-Konto war. Und wenn ausgerechnet ein Krimi keine Ambivalenz mehr zulässt, sondern sich in moralischer Eindeutigkeit suhlt wie ein Politiker im Eigenlob – dann ist das Tragik, keine Satire.

Epilog: Die Moral von der Geschicht? Einschalten lohnt sich nicht

Wer heute noch Tatort schaut, ist entweder Soziologe, Masochist oder Fan von frontalpädagogischen Erzählungen im Polizeiuniformformat. Spannung? Fehlanzeige. Stattdessen gibt es pädagogischen Stuhlkreis mit Mordfallbeilage. Das Ende ist längst klar: Der Täter ist der Falsche, das Opfer ist der Richtige, und wir Zuschauer sind die Umerzogenen.

Aber vielleicht liegt die Zukunft des deutschen Fernsehens genau darin: Unterhaltung durch Unterweisung, Spannung durch Signalwirkung. Statt „Wer war’s?“ heißt es bald: „Wer denkt falsch?“ Und die letzte Pointe wird nicht mehr im Abspann stehen, sondern im Schulbuch – als Beispiel für demokratiestiftendes Fernsehen.

Oder, um es mit einem alten Tatort-Kommissar zu sagen: „Ich habe da so ein Gefühl – und das gefällt mir gar nicht.“


Ende – oder: Bleiben Sie kritisch. Irgendjemand muss es ja sein.

Der Nebel des Relativismus oder: Wie man auf beiden Augen blind wird

Klarheit & Verantwortung in der Nahostpolitik sind Gebot der Stunde!

Es ist eine der tragischsten Grotesken der Gegenwart: Während Raketen auf israelische Städte niedergehen, während Kinder sich in Bunkern verschanzen und Terrororganisationen in Liveübertragung ihre Charta der Vernichtung skandieren, falten europäische Intellektuelle ihre Hände – nicht zum Gebet, sondern zur Haltungsübung. Alles sei „kompliziert“, „historisch belastet“, „von kolonialen Strukturen durchwirkt“. Und so verwandelt sich das reale Schlachtfeld des Nahen Ostens in einen moralphilosophischen Sandkasten westlicher Diskursakrobatik. Das Existenzrecht Israels? Aber bitte im Konjunktiv. Die Hamas? Ein Produkt sozioökonomischer Frustration. Der Antisemitismus auf Europas Straßen? Ein „Hilfeschrei“ migrantischer Subjektivitäten. Die Täter-Opfer-Umkehr wird so geschickt zelebriert, dass Orwell sich in seinem Grab umdrehen müsste – mit anerkennendem Nicken.

Das Recht auf Selbstverteidigung – aber bitte nur mit Wattebäuschchen

Die Logik ist bestechend in ihrer Perversion: Israel darf sich verteidigen – aber nur, wenn es niemandem wehtut. Keine zivilen Opfer, keine Kollateralschäden, keine moralischen Grauzonen. Dass die Gegenseite sich hinter Babys, Krankenhäusern und Moscheen versteckt, wird dabei geflissentlich ignoriert. Die Choreographie ist immer gleich: Die Hamas feuert Raketen, Israel reagiert, die Presse titelt „Gewalt im Nahen Osten“. Und dann folgt das große moralische Fingerspitzengefühl: „Verhältnismäßigkeit“. Ein Wort, das in seiner Anwendung auf Israel so häufig bemüht wird, dass man meinen könnte, es sei ausschließlich für diesen Zweck erfunden worden. Die Frage, wie ein demokratischer Staat sich gegen Terror wehren soll, ohne als Aggressor zu gelten, bleibt unbeantwortet. Oder schlimmer: bewusst unbeantwortbar.

Von der Staatsräson zur Staatsvermeidung

Die deutsche Staatsräson sei die Sicherheit Israels, so hört man. Ein schöner Satz, den man gerne auf Gedenkveranstaltungen oder Regierungserklärungen rezitiert, vorzugsweise mit leicht belegter Stimme und ernster Miene. Doch jenseits des Protokolls sieht es düster aus: Während Synagogen bewacht werden müssen, wird der Antisemitismus auf Schulhöfen, Unicampi und Demos unter dem Schutzmantel der Meinungsfreiheit geduldet – solange er sich in den richtigen Farben kleidet und die richtigen Parolen brüllt. Der Unterschied zwischen „Kritik“ und „Hass“ ist dann nur noch semantisch, und die „Sorge um die Palästinenser“ dient als moralischer Feigenblattvorhang für blanken Judenhass. Wenn Staatsräson bedeutet, an Gedenktagen Kränze zu legen, aber am nächsten Tag UN-Resolutionen durchzuwinken, die Israel delegitimieren, dann ist sie nur noch eine rhetorische Zierde – wie das Kreuz im Sitzungssaal eines religionskritischen Ethikrats.

Luftpost aus Absurdistan – Wenn der Himmel über Tel Aviv dröhnt

Wenn über Tel Aviv das metallene Dröhnen schwerer Triebwerke ertönt, ist es für viele Israelis längst keine eindeutige Bedrohung mehr, sondern ein Multiple-Choice-Quiz: A) Hamas-Raketen. B) Iranische Drohnen. C) Die deutsche Bundesluftwaffe auf einem weiteren humanitären Experimentierflug. Letzteres ist der Albtraum mit Gütesiegel – Päckchenweise „Zivilhilfe“, die über Umwege, Tunnel und befreundete Autokratien am Ende genau dort landet, wo Sprengstoff beigemischt wird. Die Ironie: Dieselben Länder, die Israel diplomatisch zum Maßhalten ermahnen, ermöglichen strukturell die Aufrechterhaltung des Terrors, den sie dann mit betroffener Stirn verurteilen. Es ist das geopolitische Äquivalent zum Feuerlegen mit dem einen Arm und Feuerlöschen mit dem anderen – nur, dass Letzterer stets leer bleibt.

Resolutionstheater der Absurdität – Die UN als moralisches Improvisationskollektiv

Willkommen im Weltsicherheitsrat, jener moralischen Puppenbühne mit realem Einfluss. Hier wird täglich auf hohem Niveau Empörung simuliert, während die schlimmsten Diktaturen der Welt als Richter über Israel auftreten dürfen. Der jährliche Wettbewerb „Wer formuliert die schönste anti-israelische Resolution?“ ist längst Tradition. Dass währenddessen syrische Fassbomben, iranische Hinrichtungen und chinesische Uigurenlager weitgehend ohne UN-Kommentare auskommen, ist kein Zufall, sondern System. Denn Israel, das ist ein Land, das man kritisieren kann, ohne politische Kosten zu fürchten – ein ideales Feindbild für moralische Schaumschlägerei. Und das alles unter der blauen Flagge der Menschenrechte. Die Farce ist so vollständig, dass man sich fragt, wann Kafka als Ghostwriter in Erscheinung tritt.

Campus der Doppelmoral – Akademischer Antizionismus als Fortschrittsreligion

Die Universität, so hieß es einmal, sei der Ort, an dem Denken frei sei. Heute ist sie vor allem der Ort, an dem Denken vorab auf Wokeness-Tauglichkeit geprüft wird. Der akademische Antizionismus ist dabei kein Nebensatz mehr, sondern Teil des Curriculums. Wer sich gegen Israel ausspricht, darf auf Podien, Preise und Professuren hoffen. Wer sich für Israel äußert, wird zur problematischen Figur erklärt – bestenfalls als naiv, schlimmstenfalls als Komplize der Unterdrückung. Die neue Religionsgemeinschaft heißt „Dekoloniale Theorie“ – mit Heiligtümern, Märtyrern und dogmatischer Rechthaberei. Ihre Priesterschaft nennt sich „kritische Wissenschaft“, ihr Bannstrahl trifft alle, die Juden nicht nur als Opfer, sondern auch als Subjekte mit einem legitimen Nationalstaat begreifen. Es ist nicht intellektuelle Neugier, die hier regiert, sondern ideologischer Eifer – durchdrungen vom Wunsch, die Geschichte umzuschreiben, notfalls auf Kosten der Realität.

Feuilletonistische Pirouetten – Wenn Redakteure rückwärts denken

„Differenziert“, „abgewogen“, „nachdenklich“ – so beschreibt sich der deutsche Feuilleton gerne selbst, während er die Klarheit meidet wie der Teufel das Weihwasser. Wenn Juden in Deutschland wieder Polizeischutz brauchen, liest man nicht etwa: „Wie konnte das passieren?“, sondern: „Muss Israel seine Politik überdenken?“ Wenn ein Massaker in Israel geschieht, folgt der Reflexartikel: „Wie stark hat die Besatzung daran Anteil?“ Und wenn die Hamas mordet, dann ist der Schuldige schnell gefunden – nämlich Israel, das „mit seiner Politik die Spirale der Gewalt befeuert“. Es ist ein Tanz auf Zehenspitzen – rückwärts, mit verbundenen Augen und gespielter Entrüstung. Haltung wird simuliert, während man sich krümmt. Moral wird angedeutet, nie aber behauptet. Und Israel? Das bleibt die ewige Projektionsfläche für das deutsche Bedürfnis, Schuld zu delegieren, ohne sie abzugeben.

Das Kreuz mit der Schuld – Kulturelle Selbstverleugnung als neuer Exorzismus

Was früher Buße hieß, nennt sich heute postkoloniale Kritik. Doch die rituelle Selbstkasteiung westlicher Gesellschaften hat eine neue Stufe erreicht: die kulturelle Selbstverleugnung als Tugend. Wer heute einen klaren Satz über die Verteidigung demokratischer Werte sagt, sieht sich schnell dem Verdacht des „Eurozentrismus“ ausgesetzt. Solidarität mit Israel? Koloniale Arroganz. Verteidigung westlicher Rechtsprinzipien? Imperialistische Erbsünde. Der neue Kult des Schuldgefühls verlangt nicht nur Demut – er verlangt Selbstauflösung. Und nichts eignet sich besser als Sühneopfer als Israel: ein jüdischer Staat, gegründet auf westlich-demokratischen Prinzipien, bewaffnet, selbstbewusst – also gleich doppelt verdächtig.

Der Clou: Man nennt es „Reflexion“, meint aber Selbstverachtung. Und so verbeugt sich Europa mit wachsender Inbrunst vor jenen, die es verachten, während es jene belehrt, die es verteidigen. Israel steht dann nicht als Verbündeter da, sondern als Störenfried – eine peinliche Erinnerung daran, dass man selbst einmal für Aufklärung, Freiheit und Wehrhaftigkeit stand. Heute reicht ein gepostetes Gedicht von Mahmoud Darwish, um sich auf der richtigen Seite zu wähnen – und gleichzeitig die eigene Geschichte in den Papierkorb zu werfen.

Schluss mit dem Selbstbetrug

Es wird Zeit, die Begriffe wieder zu ordnen. Terror ist Terror. Selbstverteidigung ist kein Verbrechen. Und Israel ist kein koloniales Konstrukt, sondern ein existenzielles Bollwerk gegen einen fanatisierten Nihilismus. Wer das nicht erkennt, hat entweder zu viel Adorno zitiert oder zu wenig Realität gesehen. Klarheit ist kein aggressiver Akt, sondern eine moralische Notwendigkeit. Verantwortung bedeutet, nicht neutral zu sein zwischen Demokratie und Barbarei – denn wer in der Mitte zwischen Anstand und Fanatismus steht, steht immer auf der falschen Seite.


Denn Solidarität ist kein Bauchgefühl. Sie ist eine Entscheidung. Und sie sollte, verdammt nochmal, nicht so schwerfallen.

Im Theater der Absurden: Zwei Männer, ein Ultimatum, null Verstand

Wenn zwei alte Männer mit der Welt Schach spielen, aber keiner weiß, wo das Brett steht

Man stelle sich die Szene vor: Zwei Männer – beide mit Alterserscheinungen, die entweder vom Whiskey, vom Machtmissbrauch oder von zu viel Bildschirmzeit stammen – führen eine Diskussion, die jeden diplomatischen Beobachter das Zittern lehrt, jedoch nicht vor Ehrfurcht, sondern vor Verzweiflung. Der eine heißt Trump, bekannt als der Erfinder des „alternativen Fakts“, und hält nun in seiner zweiten Amtszeit Hof auf einer Plattform, die klingt wie ein überambitioniertes Wellness-Start-up („Truth Social“) – der andere heißt Medwedew, ein Mann, der einst als Präsident Russlands galt, heute aber mehr wie ein Telegram-Bot auf Koks agiert. Beide werfen mit Worten um sich, als seien es Wasserballons auf einem Kindergartenfest – nur dass die Ballons mit Plutonium gefüllt sind.

Trump, der sich offenbar für den Chuck Norris der Geopolitik hält, kündigt per social media die Verlegung zweier Atom-U-Boote in „geeignete Regionen“ an. Die Orte bleiben vage, weil Vagheit bei Trump zur Methode gehört – Unklarheit ist sein Schwert, Dunst sein Schild. Das erinnert nicht zufällig an Fernsehformate der 90er: Showdown ohne Drehbuch, dafür mit viel Nebelmaschine. Dass die Welt dabei als Bühne herhalten muss, ist nur folgerichtig – immerhin ist sie ja ohnehin schon Kulisse geworden in einem Theater, das längst keine Handlungen mehr kennt, nur noch Attitüden.

Die Rückkehr der Apokalypse als Politikstil – Retro ist das neue Real

Was aber wirklich bemerkenswert ist, ist nicht die atomare Andeutung an sich – das ist im 21. Jahrhundert leider schon fast ein Stilmittel. Es ist der Tonfall: ein kindischer, provokativer, pubertär-kriegerischer Sound, der sich um jeden historischen Ernst foutiert. Trump, der Mann, der Twitter durch den rhetorischen Fleischwolf gedreht hat, gibt sich „überrascht“, dass mit Putin zwar gute Gespräche möglich waren, aber trotzdem Bomben fliegen. Diese Mischung aus gespielter Naivität und tatsächlicher Realitätsverweigerung ist mehr als gefährlich – sie ist symptomatisch für eine Weltordnung, die ihre Fäden verloren hat, aber weiterhin so tut, als liefe alles nach Drehbuch.

Und Medwedew? Der grummelige Ersatz-Stalin mit Telegram-Zugang, dessen Drohungen mittlerweile fast schon literarisch wirken – jedenfalls in ihrer manischen Wiederholung. Dass er Trump als „Opa“ bezeichnet, ist fast poetisch. Ein gealterter Halbgott beleidigt einen anderen, als säße man in einer antiken Tragödie, nur ohne Chor, dafür mit Social Media. Beide umgeben sich mit Pathos, das den Eindruck erwecken soll, es ginge noch um Prinzipien. Tatsächlich geht es nur noch um Egos. Und um Klicks. Und um die Möglichkeit, sich als letzte virile Instanz in einer entmannten Welt zu präsentieren – mit nuklearem Subtext, versteht sich.

Die Rolle Europas: Der Kontinent als Fußnote

Und Europa? Nun, Europa sitzt wie immer am Katzentisch der Geschichte, löffelt kalte Suppe und murmelt etwas von „regelbasierter Ordnung“, während sich am anderen Ende des Saals zwei testosterongetriebene Atompäpste mit Ultimaten bewerfen. Brüssel veröffentlicht eine „scharfe Stellungnahme“, Berlin telefoniert mit sich selbst, und Paris gibt sich verschnupft über mangelnden Respekt gegenüber französischer Diplomatie – kurz: Business as usual. Das große Projekt der europäischen Friedensordnung wirkt in solchen Momenten wie ein gut gemeinter Aquarellkurs inmitten eines Flammenmeers.

Die U-Boote? Europa hat keine. Jedenfalls keine, die man erwähnen möchte. Was bleibt, ist Empörung in PDF-Form, eine Gipfelkonferenz mit schlechtem Kaffee und die vage Hoffnung, dass sich die Großen doch bitte wieder benehmen mögen. Doch das Problem ist: Die Großen haben sich nie benommen. Und Europa war nie groß. Es war immer nur der moralische Erzähler einer Geschichte, die andere schreiben – mit Blut, Stahl und dem Wort „Sicherheit“ im Munde.

Atomare Schatten in börsennotierten Zeiten

Währenddessen zittern die Märkte. Natürlich. Börsenkurse, diese sensiblen Seismografen globaler Grobheit, reagieren auf Trumps U-Boot-Show mit dem klassischen Abwärtsschnupfen. Der DAX taumelt, Analysten dreschen semantisches Stroh, und das goldene Kalb Kapital bekommt mal wieder ein bisschen Fieber. Die Eskalation ist also angekommen, wo sie hingehört: im Depot. Und wie immer ist es diese Mischung aus geopolitischem Horror und monetärer Nervosität, die unsere Gegenwart so einzigartig schizophren macht: Ein Satz auf Truth Social lässt Milliarden verschwinden, ein U-Boot in Bewegung ersetzt einen Friedensplan. Willkommen im Zeitalter der Simulation.

Das eigentliche Drama ist jedoch, dass niemand mehr glaubt, dass jemand glaubt. Alle Akteure agieren wie Figuren in einem aufgeblähten Rollenspiel, in dem jeder weiß, dass der Endgegner nur ein Algorithmus ist. Die Drohung wird zur Inszenierung, das Ultimatum zum Clickbait. Und der Atomkrieg? Vielleicht nur ein besonders gut getimter Marketing-Gag.

Schlussstück ohne Pointe: Wir spielen Krieg – aber keiner weiß mehr, wie man Frieden macht

Was bleibt also, außer ein resigniertes Schulterzucken mit intellektuellem Überbau? Die Vorstellung, dass ein einziger alter Mann auf einer Social-Media-Plattform darüber entscheidet, wie nah zwei Atom-U-Boote an Russland heranschleichen, ist grotesk – und gleichzeitig völlig logisch. In einer Welt, in der die politische Rationalität durch ein Gemisch aus Showgeschäft, Altersstarrsinn und nuklearer Nostalgie ersetzt wurde, ist alles möglich. Und nichts mehr wahrscheinlich.

Vielleicht ist das die neue Konstante: Dass wir nicht mehr wissen, ob wir uns in einem Weltkrieg befinden oder nur in einer besonders absurden Episode spätkapitalistischer Realitätssatire. Die Grenzen verschwimmen, die Sprache implodiert, die Logik kapituliert. Und mittendrin steht Europa, milde verwirrt, leicht enttäuscht und – wie immer – ohne Plan, aber mit vielen Prinzipien. Irgendwo in der Ferne ein U-Boot. Und ein Tweet. Und eine Frage: Wann genau wurde das alles eigentlich normal?

Wissenschaft oder Weihrauch?

Die Popper’sche Zumutung – über Falsifikation, modische Wahrheiten und akademischen Ablasshandel

Es war einmal ein Denker namens Karl Popper, der mit britisch-wienerischer Gründlichkeit die Wissenschaft in eine Zwangsjacke aus Logik und Skepsis steckte. Für ihn war eine These nur dann wissenschaftlich, wenn sie falsifizierbar war – also widerlegbar im Prinzip, prüfbar in der Praxis, und dem kalten Schwert der Realität ausgesetzt wie ein Fisch auf dem Trockenen. Kein Dogma, keine letzte Wahrheit, keine sakrosankte Theorie durfte vor der Möglichkeit ihrer Widerlegung sicher sein. Wissenschaft, so Popper, sei ein Wettlauf gegen das eigene Irrtumspotenzial – ein disziplinierter Narzissmus, der sich am liebsten selbst widerlegt, um zu wachsen.

Wie unhöflich! Wie antisozial! Wie neurotisch!

Denn diese Zumutung, dass Wissenschaft mehr mit methodischer Bescheidenheit als mit moralischer Gewissheit zu tun hat, widerspricht allem, was der moderne Mensch von der Wissenschaft erwartet: Erlösung, Orientierung, Identität. Was bei Popper ein gefährlicher Vorschlag zur intellektuellen Demut war, ist heute für viele nur noch ein staubiges Fußnotenskelett aus der Epoche der alten, weißen Männer mit Brillen. Denn längst hat sich ein anderer Geist durch die akademischen Tempel geschlichen – einer, der keine Thesen mehr überprüft, sondern Weltbilder zementiert. Willkommen in der Ära der Modewissenschaft.

Das postmoderne Dogma – Wenn die These nicht falsifizierbar sein darf, weil sonst der Seminarraum implodiert

Es ist ein feiner, fast unhörbarer Wechsel, der da stattfand: Statt Thesen aufzustellen, die man widerlegen kann, werden heute Narrative gebaut, die man nicht in Frage stellen darf. Aus prüfbarer Hypothese wurde dekonstruktiver Mythos, aus experimenteller Neugier ein identitärer Kult. Der Diskurs hat die Evidenz abgelöst. Es zählt nicht mehr, ob etwas stimmt, sondern ob es „problematisiert“ werden kann. Wer fragt, ob eine Theorie überprüfbar ist, wird verdächtigt, „epistemische Gewalt“ auszuüben.

Ein besonders glänzendes Beispiel dieses Wandels: die Genderwissenschaft, dieses polyphonetische Labyrinth aus Text, Text über Text und Text über die Texte über Text. Dort wird nicht geforscht, sondern gedeutet – mit einer Inbrunst, die mittelalterliche Theologen neidisch gemacht hätte. Die Realität – Biologie, Statistik, Beobachtung – ist nicht die Basis, sondern das zu überwindende Hindernis. Wer fragt, ob Geschlecht auch biologische Komponenten habe, wird mit dem intellektuellen Holzhammer der Dekonstruktion erschlagen: „Was ist schon Biologie außer ein kulturelles Konstrukt, das sich als Natur ausgibt?“ Eine These, so immun gegen Falsifikation, dass selbst der Papst erröten würde.

Doch Popper würde wohl trocken antworten: „Wenn nichts widerlegt werden kann, dann ist es auch keine Wissenschaft. Sondern Glaube. Oder Ideologie. Oder Theater mit Fußnoten.“

Alte Geister in neuen Kutten – Die Renaissance der Ideologie mit akademischem Anstrich

Nun wäre das alles nur amüsant, wenn es nicht historische Vorläufer gäbe, die deutlich machten, wie gefährlich diese Art der Wissenschaftssimulation werden kann. Denn auch andere Systeme hatten ihre Modewissenschaften – nur nannten sie sie nicht so höflich. Im Dritten Reich blühte die sogenannte „Rassenforschung“: ein Gemisch aus biologistischer Scharlatanerie, pseudostatistischer Arroganz und ideologisch vorgegebener Zielstruktur. Dort wurde nicht geforscht, sondern bewiesen – beweisen sollte man, dass es Unterschiede gäbe, hierarchisch, erblich, unüberwindbar. Und siehe da: Die Ergebnisse passten stets zur Ideologie. Falsifizieren? Das war Judenkram.

In der DDR trug dieselbe Haltung ein anderes Kostüm: Der „wissenschaftliche Sozialismus“ – allein der Begriff ein Oxymoron in drei Akten. Dort wurde nicht überprüft, ob eine Theorie funktioniert, sondern die Realität wurde geprüft, ob sie sich dem Marxismus-Leninismus unterwirft. Wer Zweifel anmeldete, war kein Skeptiker, sondern „Klassenfeind“. Wer empirisch dachte, galt als Konterrevolutionär. Auch hier: Wissenschaft war kein Werkzeug zur Erkenntnis, sondern ein Service zur Legitimierung des Systems.

Man sollte meinen, Europa hätte daraus gelernt. Doch was ist der Unterschied zwischen der Behauptung, „die Rasse bestimmt den Geist“, und der Behauptung, „das Geschlecht bestimmt die Wahrheitsperspektive“ – wenn beide immun gegen Kritik, aber übervoll mit moralischem Pathos vorgetragen werden?

Die neue Unantastbarkeit – Kritik als Sakrileg

Wir leben in einer Zeit, in der jede Kritik an bestimmten akademischen Feldern als politischer Affront gilt. Nicht das Argument zählt, sondern die Position des Kritikers im soziokulturellen Koordinatensystem. Ist er alt? Weiß? Männlich? Dann kann es sich nur um Reaktion handeln. Die These selbst wird nicht mehr an der Realität gemessen, sondern an der Biografie des Sprechers. Ein Rückfall in prämoderne Erkenntnistheorie: Nicht was gesagt wird, sondern wer es sagt, entscheidet über die Wahrheit.

Damit hat sich die Wissenschaft endgültig von Popper verabschiedet. Nicht durch einen offenen Putsch, sondern durch intellektuelle Ermüdung. Warum soll man sich anstrengenden Überprüfungen aussetzen, wenn man auch in wohlfeilen Panels über „Diskurse“, „Narrative“ und „hegemoniale Strukturen“ parlieren kann – ganz ohne Risiko? Die neue Modewissenschaft ist eine Art akademischer Wellness: beruhigend, bestätigend, bequem. Die These ist, was mir nützt. Falsifizieren? Nur meine Kritiker.

Die Wissenschaft als Dienstleister des Zeitgeists

Es bleibt das bittere Fazit: Was heute oft als Wissenschaft verkauft wird, ist häufig nur eine gutgekleidete Form der Weltanschauung. Sie will nicht zweifeln, sondern bestätigen. Nicht prüfen, sondern predigen. Die Labore wurden durch Seminarräume ersetzt, das Mikroskop durch das Schlagwort, der Beweis durch das Betroffenheitszeugnis. Statt sich der Wirklichkeit auszusetzen, konstruiert man sie um – bis sie endlich passt.

Und wer widerspricht? Der wird gelöscht, gecancelt, exmatrikuliert oder wenigstens bei der nächsten Drittmittelvergabe übersehen. Die Falsifikation hat in der modernen Akademie keinen Platz mehr – nicht, weil sie widerlegt wurde, sondern weil sie unbequem ist. Sie stört beim Rechtbehalten.

Nachsatz: Der Popper-Test für unsere Zeit

Vielleicht sollte man ein kleines Experiment wagen – im Sinne Poppers. Man nehme eine These, etwa: „Geschlechterrollen sind rein soziale Konstrukte, völlig unabhängig von biologischen Grundlagen.“ Dann frage man: Was müsste passieren, damit diese These als falsch gilt? Wenn die Antwort lautet: „Nichts. Jede Gegenmeinung ist Ausdruck des Patriarchats“ – dann ist die These kein wissenschaftliches Statement, sondern ein Glaubensartikel.

Und das ist völlig in Ordnung – solange man es als solchen deklariert. Doch wehe dem, der sich Wissenschaft nennt, aber sich der Prüfung verweigert. Denn der hat nicht nur Popper verraten. Sondern die Idee von Aufklärung selbst.

Wenn die größte Enzyklopädie der Welt zum Propagandawerkzeug wird

Die neue Weltordnung der Fußnoten

Man stelle sich vor: Eine Enzyklopädie – also ein Bollwerk des Wissens, eine Kathedrale der Aufklärung, ein digitaler Parnass der Fakten – wird infiltriert. Nicht etwa durch Heuschrecken, sondern durch Hyperlinks. Nicht mit Bomben, sondern mit Formulierungen, die so neutral klingen wie „umstritten“, „teilweise belegt“ oder „aus palästinensischer Perspektive verständlich“. Willkommen in der Matrix des Wissens, deren Rückgrat ein kollektiver Konsens ist, ausgehandelt von anonymen Nutzerkonten mit Kosenamen wie „FalastinFreedomFighter92“ oder „ZioNopes1973“.

Die Anti-Defamation League, selbst nicht gerade zimperlich in der Wortwahl, hat jüngst einen Bericht veröffentlicht, der einen Skandal beschreibt, der – wäre er ein Film – irgendwo zwischen „Mr. Robot“ und einer Doku über al-Qaida landen würde. Mindestens 30 Autoren (eine geradezu biblische Zahl, wie man sagen möchte) haben Wikipedia gezielt als Propagandafläche benutzt. Die Rede ist von einer „Koordination“, die mehr Disziplin aufweist als ein nordkoreanisches Ballettensemble. Ihr Ziel: Israel raus, Hamas rein – nicht geografisch, sondern semantisch.

Wenn der Tunnel zum „Widerstandsbauwerk“ wird

Da werden Terroranschläge zu politischen Unmutsbekundungen umdekliniert, Hamas-Raketen zu „emotionalen Hilferufen“ stilisiert und Massaker zu „Vorfällen mit unklarer Faktenlage“ relativiert. Die Enzyklopädie als semantisches Minenfeld. Man könnte meinen, ein paar hyperideologisierte Aktivisten hätten sich die Tastaturen blutig getippt, doch was sich hier abzeichnet, ist weit mehr: ein organisiertes, langfristiges Desinformationsprogramm unter dem Deckmantel der Neutralität.

Der Bericht nennt es „systematische Eingriffe“. Ein Euphemismus, der glatt auch von der Hamas-PR-Abteilung stammen könnte. In Wahrheit: eine digitale Intifada. Die zynische Ironie dabei? Die Täter berufen sich auf die Grundsätze der Wikipedia selbst – Neutralität, Konsens, belegbare Quellen – um genau diese Prinzipien zu unterwandern. Ein semantischer Coup d’État.

Der große Quellenverschiebebahnhof

Es ist das Paradoxon der Moderne: Je mehr Quellen man verlinkt, desto glaubwürdiger erscheint der Unsinn. Da werden tote Links recycelt wie Plastik in Jakarta, Studien aus ideologischen Echokammern als wissenschaftliche Kronzeugen angeführt, und Aussagen von Hamas-Sympathisanten werden unter dem Label „palästinensische Zivilgesellschaft“ verkauft. Es ist das perfekte Verbrechen: unsichtbar, unblutig, unbemerkt.

Doch was macht das mit einer Plattform, die sich als Hüterin der kollektiven Wahrheit versteht? Es zerstört nicht nur Vertrauen – es installiert neue Wahrheiten. Wer heute „Zionismus“ googelt, trifft auf eine Definition, die klingt, als hätte Edward Said sie persönlich ins Etherpad getippt. Nicht mehr Befreiungsideologie, sondern Kolonialprojekt. Ein Narrativwechsel, orchestriert von Tastatur-Taliban mit VPN-Zugang.

Die Demokratie der Editierbarkeit – Fluch und Fassade

Wikipedia, so heißt es, ist die demokratischste aller Wissensplattformen. Jeder darf mitreden. Jeder darf mitgestalten. Doch was geschieht, wenn diese Offenheit zur Einfallspforte für ideologische Trojaner wird? Wenn das Prinzip der Editierbarkeit von jenen instrumentalisiert wird, die sich einen feuchten Dreck um Objektivität scheren?

Die ADL nennt das „Canvassing“. Klingt wie ein harmloser Nachmittagsworkshop, ist aber in Wahrheit digitale Guerillakriegsführung. Da werden Stimmen mobilisiert, Mehrheiten simuliert, Abstimmungen verzerrt. Das Ganze über externe Kommunikationskanäle, damit der schöne Schein der Wikipedia-internen Konsensfindung gewahrt bleibt. Orwell hätte seine helle Freude an dieser neuen Dialektik: Krieg ist Frieden, Terror ist Widerstand, Hamas ist karitativ.

Neutralität als Feigenblatt der Manipulation

Wikipedia selbst wiegelt ab – wie stets, wenn’s brenzlig wird. Man verweist auf Richtlinien, Moderatoren, die heilige Dreifaltigkeit aus „Diskussionsseiten“, „Requests for Comment“ und dem Wächterrat der Administratoren. Doch was nützen Regeln, wenn sie von jenen gebrochen werden, die sie gleichzeitig zitieren? Die Perversion besteht nicht im Regelbruch – sie besteht im Regelgebrauch zur Unterwanderung. Neutralität wird hier zur Waffe.

Was ist Wahrheit, wenn sie im Konsens ausgehandelt wird? Was ist Objektivität, wenn ihre Aushandlung von den Lautesten dominiert wird? Wikipedia ist längst kein Abbild der Wirklichkeit mehr – es ist ein Schachbrett, auf dem Meinungen zu Fakten werden, wenn nur genügend Bauern im Spiel sind.

Satire trifft Realität: Die neue digitale Zensur

Der bittere Witz an der Sache ist, dass wir es längst gewohnt sind, Desinformation in dunklen Ecken des Netzes zu vermuten – auf Telegram-Kanälen, in TikTok-Videos oder auf Webseiten, die aussehen wie aus der Zeit von Windows 95. Doch dass die große heilige Wikipedia, diese Leuchtturmseite der westlichen Aufklärung, nun selbst zur Gummizelle für Faktenverrenkungen geworden ist, das hat eine Qualität, die jedes Meme zum Weinen bringt.

Denn mit jedem Klick, mit jeder Google-Suche, mit jedem Sprachmodell, das seine Daten aus der Wikipedia schöpft, wird dieses verzerrte Wissen weiterverbreitet. Der Skandal ist nicht nur die Manipulation – der Skandal ist ihre Unsichtbarkeit.

Und was nun? Eine Ethikkommission für Fußnoten?

Die ADL fordert Expertenpanels, Super-Editoren, politische Task Forces. Ein bisschen Bürokratie gegen die semantische Flut. Man will das Wissen sichern, mit Siegeln, Stempeln und Stellenbeschreibungen. Doch wer entscheidet, wer „Experte“ ist? Wer bewacht die Wächter? Und wann wird aus dem Schutz vor Desinformation eine neue Form von Zensur?

Vielleicht ist das größte Problem nicht die Unterwanderung, sondern unsere Naivität. Der Glaube, dass etwas „objektiv“ sei, nur weil es in der Wikipedia steht. Dass Konsens gleich Wahrheit sei. Vielleicht ist es Zeit, der Enzyklopädie die Unschuld zu nehmen – und uns selbst die Illusion.

Fazit: Die Wahrheit braucht keine Hyperlinks – nur Rückgrat

Was bleibt? Eine bittere Erkenntnis und eine bittere Pointe: Wikipedia war nie der heilige Gral der Wahrheit. Es ist ein Spiegel – und wie jeder Spiegel kann er auch ein Zerrbild sein. Die Wahrheit stirbt nicht an der Lüge, sondern an ihrer schleichenden Umschreibung. Fußnote für Fußnote. Eintrag für Eintrag. Und wenn wir nicht aufpassen, dann ist die nächste Enzyklopädie, die wir lesen, von einer KI geschrieben – mit Daten aus einem System, das längst kein Wissen mehr liefert, sondern Narrative.

Und dann stehen wir da, wissend, aber ohne Wahrheit. Und fragen uns: Wer hat’s geschrieben? Und schlimmer noch – warum wir es geglaubt haben.

Ende der Durchsage. Willkommen im Informationskrieg. Mögen die besten Editoren gewinnen.

Gottes kleine Pausenräume

oder: Der fromme Wahnsinn der deutschen Bildungslandschaft

Die stille Revolution hinter verschlossenen Türen

Wie still muss ein Gebet sein, damit es niemand merkt? Wie harmlos ein Raum, damit er nicht auffällt? Und wie naiv muss eine Gesellschaft sein, um zu glauben, dass 176 „multireligiöse“ Gebetsräume an Schulen einfach nur ein Ausdruck liberaler Religionsausübung sind – so neutral, so offen, so unschuldig wie ein diffusionsoffener Wandanstrich? Nordrhein-Westfalen, das Musterländle des progressiv-bürokratischen Bildungsidealismus, hat wieder einmal geliefert: Eine neue Statistik zeigt, dass an exakt 176 Schulen (eine Zahl, die verdächtig nach Exaktheit riecht, aber vermutlich auf dem Zufallswürfel eines Ministerialbeamten basiert) Räume existieren, in denen Schüler beten dürfen. Alle. Jederzeit. Anscheinend. Für alle Religionen. Sogar für den fliegenden Spaghettimonsterismus, sollte man meinen.

Natürlich darf niemand laut lachen, wenn das Ministerium die frohe Botschaft verkündet. Man muss sich stattdessen betroffen die Stirn reiben, leise „Pluralismus“ murmeln und ein zustimmendes Nicken andeuten, als verstünde man, was hier passiert. Denn Kritik daran – sei sie sachlich, satirisch oder schlicht gesundem Menschenverstand entsprungen – wird sofort mit dem Säbel der Toleranz niedergerungen. Wer fragt, ob solche Räume vielleicht weniger die Vielfalt fördern als vielmehr Parallelwelten zementieren, wird mit der üblichen Rhetorik der Weltoffenheit plattgewalzt: Natürlich sind diese Räume für alle da! Ja, sicher. Und der Türsteher entscheidet spontan per Koranvers, Bibelzitat oder Bhagavad-Gītā-Stelle, ob du reindarfst.

Multikulti im Mehrzweckraum – Sakrale Zonen im Schulalltag der Widersprüche

Stellen wir uns den Alltag vor. Im Gebetsraum der Gesamtschule Wokenstein betet um 12:07 die islamische Schülergruppe gen Mekka, um 12:45 schiebt sich der katholische Jugendkreis mit Gitarren hinein, um „Jesus in unser Herz zu lassen“, und um 13:30 zündet die buddhistische AG ein Räucherstäbchen an. Um 14:00 Uhr tagt dann das atheistische Schülerparlament, das mit ironischem Ernst darüber diskutiert, wie man den Raum in einen Ort der „spirituell befreiten Reflexion“ umgestalten könnte – natürlich mit respektvollem Verweis auf das Selbstbestimmungsgesetz und inklusive aller genderdiversen Identitäten.

Was für ein Spektakel! Und was für eine Farce!

Die Wahrheit ist: Diese Räume sind keine Tempel der Toleranz, sondern Monokulturen im multireligiösen Tarnanzug. Wer glaubt, dass in einer Schule im Duisburger Norden Christen, Juden, Muslime, Hindus und Agnostiker sich reihum respektvoll in einem Raum der spirituellen Koexistenz ablösen, glaubt auch, dass das Bürgergeld Leistungsanreize setzt und die Deutsche Bahn im Stundentakt pünktlich fährt.

Der neue Schulglaube: Beten, Beugen, Bußgeldkataloge

Während der Biologieunterricht über Evolution, Zellteilung und Sexualität stolpert – zumeist gehemmt von den sensiblen Empfindlichkeiten religiös konnotierter Elternhäuser – wird gleichzeitig ein Raum eingerichtet, in dem dieselben Schüler metaphysisch-genital fixierte Moralvorstellungen kultivieren dürfen. Ein Widerspruch? Nur, wenn man noch an den Zusammenhang zwischen Bildung und Aufklärung glaubt.

Heutzutage ist Bildung ein Balanceakt zwischen kultureller Selbstverleugnung und pädagogischer Selbsthypnose. Die Schule, die früher eine Anstalt war (wie herrlich altmodisch dieses Wort!), ist nun ein therapeutischer Erlebnispark mit religiösen Feelgood-Zonen, Diversity-Schulungen und Pronomen-Workshops. Ein Ort, an dem der Lehrer nicht mehr bildet, sondern begleitet. Am liebsten im genderneutralen Tonfall mit empathischer Körpersprache.

Der Gebetsraum wird so zur sakralen Verlängerung dieser neuen Glaubenssysteme: Ob Allah, Jehova oder woke Fluidität – was zählt, ist der Ausdruck subjektiver Wahrheit. Nicht die Konfrontation mit Fakten, sondern das Wohlfühlen in der Blase der Überzeugung. Das pädagogische Ideal: ein harmonischer Eintopf aus Intersektionalität, Weltethos und Wohlfühlfrömmigkeit.

Und wo sind die Tampon-Automaten?

Natürlich fragt man sich zu Recht: Wenn Gebetsräume flächendeckend eingeführt werden, wo bleiben die anderen Zeichen dieser neuen Schulreligion? Wo ist der Tampon-Automat auf der Jungentoilette, selbstverständlich mit Hinweisschild in sieben Sprachen und Piktogrammen für Sehbehinderte? Wo sind die Unisex-Klos mit Duftkerzen und Hafermilchspendern? Und natürlich: Wo ist der Infostand zum Selbstbestimmungsgesetz, flankiert von einer Broschüre über Menstruation bei transmaskulinen Schülern?

Man kann das alles für grotesk halten – oder für notwendig. Je nachdem, wie stark man bereits in die Denkweise des ministerialen Spaghettidenkens eingetaucht ist. In der Sprache der Verwaltung sind all diese Maßnahmen schlicht „Schritte zur Inklusion“. Aber jeder, der einmal an einer Gesamtkonferenz teilgenommen hat, weiß: Hinter der Inklusionsfassade lauert oft eine Kakophonie aus Dogmen, Empfindlichkeiten und ideologischer Überbetreuung.

Fazit: Beten mit Bauchgefühl

Nordrhein-Westfalen hat einen Weg gefunden, die Schule zur Kapelle der Gegenwart zu machen. Nicht, weil dort gebetet wird – das wäre an sich noch das Harmloseste. Sondern weil der Glaube an Bildung durch den Glauben an Stimmungen, Zugehörigkeit und subjektive Identitäten ersetzt wurde.

176 Gebetsräume sind keine Bedrohung. Sie sind ein Symptom. Ein Symbol für eine Bildungswelt, die sich mehr um Gefühle als um Inhalte sorgt. Die lieber Räume schafft als Horizonte. Die glaubt, dass man Konflikte durch Rückzugsorte löst.

Und deshalb bleibt nur ein Vorschlag: Warum nicht gleich den gesamten Stundenplan in eine Art säkular-religiöse Liturgie umwandeln? Morgens Yoga, mittags ein bisschen interkultureller Tanz, nachmittags Beten, Beichten, Basteln. Und in der Pause ein kleiner Workshop über Mikroaggressionen und das Patriarchat im Chemieunterricht.

Denn wer braucht schon Wissen, wenn man Glaube hat?

Palantir oder: Der Blick, der zurückblickt

Die schöne neue Übersichtlichkeit – Überwachung als Service

In einer Epoche, in der die Daten schneller fließen als das Wasser aus einer Berliner Leitung (jener Stadt, in der selbst Digitalisierung gelegentlich noch als Schamanismus gilt), stellt sich die Welt auf ein neues Dogma ein: Wissen ist Macht, und absolute Macht ergibt sich aus absolutem Wissen. Willkommen im Zeitalter von Palantir – dem Start-up, das längst keines mehr ist, sondern die digitale Reinkarnation des allsehenden Auges von Sauron, jedoch mit Benutzeroberfläche, Support-Hotline und freundlichem Investorengesicht.

Palantir, benannt nach den Sehenden Steinen aus Tolkiens düsterer Mythologie – und wer das nicht sofort als Warnung versteht, hat entweder zu wenig Fantasie oder zu viel Vertrauen in Silicon Valley –, verkauft nicht Produkte, sondern Möglichkeiten: die Möglichkeit, alles mit allem zu verbinden, jede Bewegung, jede Entscheidung, jeden Atemzug eines Menschen in kausale Beziehung zu setzen mit dem großen Algorithmus-Weltgeist, den wir irrtümlich „Sicherheit“ nennen.

Transparenz ist die neue Privatsphäre – oder: Warum du keine Geheimnisse mehr brauchst, weil du ohnehin keine hast

Datenschutz, ein bürgerliches Luxusproblem der 1990er, überlebt in der Ära Palantir nur noch als museale Erinnerung in Grundgesetzkommentaren und alten Snowden-Memes. Wo früher Richtervorbehalte und richterliche Zurückhaltung herrschten, dominiert heute das Prinzip „Daten zuerst, Fragen später“. Palantir hilft Regierungen, Geheimdiensten und Polizeibehörden, ihre Bürger besser zu „verstehen“. Und wer würde sich nicht gerne verstanden fühlen? Besonders von einer Software, die mit Machine Learning erkennt, dass du deinen Cousin dritten Grades kennst, der in Wuppertal einmal mit jemandem telefoniert hat, der 2007 in einer Chatgruppe war, in der auch ein späterer Gefährder einen Katzensticker gepostet hat.

Die Logik ist bestechend in ihrer Monstrosität: Alles ist potenziell verdächtig – man muss es nur richtig miteinander verknüpfen. Und das kann Palantir: 10 Millionen Datenpunkte pro Minute? Kein Problem. Namen, Orte, Telefonnummern, Flugbewegungen, Finanztransaktionen, Facebook-Likes, WhatsApp-Metadaten und das letzte Tinder-Swipe – alles läuft zusammen im Palantir-Gehirn, das nie schläft, nie vergisst und nie die Menschlichkeit der Maschinen in Frage stellt, weil sie gar keine braucht.

Die Unschuldsvermutung stirbt im Dashboard

Der Clou: Palantir präsentiert seine Erkenntnisse nicht als trockenes Excel-Archiv, sondern als schick animierte Oberfläche – eine Art iTunes für Verdachtsmomente. Polizeibeamte und Analysten lieben das, denn endlich ist Überwachung sexy, intuitiv, gamifiziert. Jeder ist ein bisschen Sherlock Holmes, nur mit weniger Pfeife und mehr Filterfunktion. Die Unschuldsvermutung? Ein sentimentales Relikt. In einer Welt, in der Korrelation gern für Kausalität gehalten wird, ist der Verdacht die neue Wahrheit.

Wie bequem: Wenn der Verdacht auf Knopfdruck visualisiert wird, wird auch das Denken delegiert. Das System hat’s gesagt, also muss es stimmen. Verantwortung? Liegt beim Code. Und der ist natürlich „proprietär“, geheim, geschützt – ausgerechnet in einem System, das Transparenz von seinen Nutzern (alias Bürgern) fordert, aber selbst agiert wie eine Blackbox im Tarnkappenmodus.

Der Neoliberalismus trifft den Polizeistaat – Daten als Renditeobjekt

Palantir ist dabei nicht einmal originell böse. Es ist nicht Orwell, es ist Excel mit Ambitionen. Es ist nicht Dystopie im klassischen Sinne, sondern schlicht eine weitere Form von Plattformkapitalismus. Der Kunde ist König – sofern der König ein Ministerium ist, das möglichst viel Kontrolle will, möglichst wenig Verantwortung trägt und ein Budget hat, das sich nicht nach Wählerwünschen, sondern nach Bedrohungsszenarien richtet.

Die Ironie? Palantir verkauft seine Dienste oft in Demokratien, die sich als Bollwerke gegen totalitäre Systeme verstehen. Doch während man mit dem Zeigefinger auf China deutet, integriert man im Hintergrund genau jene Technologien, die man andernorts als Überwachungsstaat brandmarkt. Nur mit besserem Marketing. Der Sozialkredit ist halt einfach netter, wenn man ihn auf Englisch bekommt.

Und wo bleibt der Aufschrei?

Er bleibt aus. Denn wer gegen „Sicherheit“ argumentiert, klingt immer wie jemand, der etwas zu verbergen hat. Das ist der perfide Charme dieser neuen Kontrollarchitektur: Sie tarnt sich als Fortschritt, als Effizienz, als Schutz. Und die Bürger? Sie nicken. Sie haben ja „nichts zu verbergen“. Bis sie plötzlich etwas „falsch“ gemacht haben, ohne es zu wissen. Bis ein Algorithmus sie falsch verstanden hat. Und dann? Viel Glück beim Widerspruch gegen eine KI-gesteuerte Verdachtsmatrix.

Die Frage ist nicht mehr, ob wir in einer Überwachungsgesellschaft leben. Die Frage ist, wie viel Design und UX es braucht, bis wir es lieben, überwacht zu werden.

Epik der Ironie – und der ganz reale Wahnsinn

Palantir ist keine Fiktion. Es ist Realität mit Logo, Mitarbeiterhandbuch und Cloud-Zugang. Es ist ein Unternehmen, das mit Daten handelt, als wären es Waren. Es ist ein Werkzeug, das Demokratie in ein Planspiel verwandelt – und das mit einem einzigen Mausklick zur Tyrannei in Schönschrift werden kann.

Und wir? Wir scrollen weiter, stimmen AGBs zu, teilen Standortdaten, installieren Gesundheits-Apps, sprechen mit Sprachassistenten und wundern uns, wenn irgendwann die Polizei schon weiß, dass wir heute lieber Pizza statt Salat bestellt haben.

Nachsatz aus dem Spiegel der Vernunft

Der Palantír in Tolkiens Welt konnte vieles zeigen – aber nie die ganze Wahrheit. Er zeigte, was man sehen sollte, nicht, was war. Und wer zu lange hineinsah, verlor sich. Auch das: keine Metapher mehr, sondern Betriebsanleitung.

Palantir: Aus dem CIA-Inkubator direkt ins Innenministerium

Palantir Technologies wurde 2003 gegründet – mit Startkapital von In-Q-Tel, dem Investmentarm der CIA. Der Auftrag war klar: Eine Plattform zur Auswertung massiver Datenmengen – aus Geheimdienstquellen, Überwachungssystemen, Polizeidatenbanken. Früh wurde klar: Wer dieses Werkzeug besitzt, kann Muster erkennen, wo der Mensch nur Datenmüll sieht – oder glaubt, noch Privatsphäre zu haben.

Peter Thiel, Mitgründer und radikaler Libertärer mit autoritären Neigungen, erklärte 2009 offen, dass „Demokratie und Freiheit nicht mehr vereinbar“ seien. Und er wusste: Der Weg zur Macht führt nicht mehr über Parlamente, sondern über Plattformen. Palantir war sein trojanisches Pferd.

Das Produkt: Totale Auswertung.

Palantirs Flagschiff-Software Gotham wird weltweit von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten genutzt. Die Software ist kein „klassisches Überwachungstool“, sondern eine Datenfusionsmaschine. Sie saugt strukturierte und unstrukturierte Daten aus:

  • Behördenakten (Strafverfolgung, Ausländerbehörden, Gesundheitsämter)
  • Mobilfunkmetadaten
  • Kreditkartenzahlungen
  • Open Source Intelligence (OSINT): Soziale Medien, Nachrichtenportale
  • Lizenzkennzeichenerkennungssysteme
  • Videoüberwachung
  • Gesundheitsdaten (z. B. in den USA im Zuge von COVID-19)

Was Gotham daraus macht, ist eine Art soziale Rasterfahndung in Echtzeit: Verknüpfungen, Aufenthaltsorte, Netzwerke, mutmaßliche „Gefährder“ – auf Knopfdruck.

Deutschland: Kein Widerstand. Nur Unterschriften.

2017: Das Bundeskriminalamt (BKA) testet Palantir für die Terrorismusabwehr.

2018: Das hessische Innenministerium unter Peter Beuth (CDU) führt Palantir unter dem Tarnnamen HessenDATA ein – ohne Ausschreibung, direkt, auf Zuruf. Der damalige Datenschutzbeauftragte schlägt Alarm. Ergebnis: Ein Gutachten wird erstellt, das dem BKA abrät. Die Polizei bleibt dabei.

2020: Nordrhein-Westfalen unter Innenminister Herbert Reul (CDU) führt Palantir ein. Name diesmal: NADIA. Kostenpunkt: Millionen Euro. Angeblich DSGVO-konform. Kritiker sprechen von einer „Rechtsstaatssimulation“.

2023: Der Bund plant ein eigenes „Datenanalysezentrum“. Und: Palantir ist als „Partner“ im Gespräch. Der Begriff polizeilicher Datenverbund wird zum Euphemismus für Überwachungskonzerne mit Außenstelle in Washington D.C.

Die Bilanz: Kein Terror verhindert, aber Grundrechte beschädigt

Erfolgsmeldungen? Keine. Weder in Hessen noch in NRW gibt es belastbare Hinweise, dass Palantir-Antiterrorsoftware je ein Anschlagsvorhaben vereitelt hätte. Stattdessen:

  • 2021: Die „Frankfurter Neue Presse“ deckt auf, dass Beamte in HessenDATA private Daten von Journalisten und Aktivisten abfragten – für „private Zwecke“.
  • 2022: Das Bundesverfassungsgericht urteilt: Teile der Hessendatennutzung sind verfassungswidrig. Der Staat hat seine Pflicht zum Schutz personenbezogener Daten verletzt.
  • 2023: Datenschutzbeauftragte monieren erneut: Die Trennung zwischen Analyse und operativen Daten wird systematisch verwischt. Der Zweckbindungsgrundsatz? Eine Formalität.

Die Polizei selbst? Begeistert. Das Tool sei „unverzichtbar“. Die Gewerkschaft der Polizei spricht von „Gamechanger“. Die Frage, ob ein rechtsstaatliches System auf ein intransparentes US-System angewiesen sein sollte, stellt keiner mehr laut.

Europa macht es nach – oder schlimmer

  • Frankreich: Palantir wird vom Militär eingesetzt – u. a. für Auslandseinsätze in Mali.
  • Niederlande: Die Steuerbehörde nutzt Palantir-ähnliche Systeme für Risikoanalysen – und diskriminierte damit systematisch Menschen mit Migrationshintergrund (Skandal: „Toeslagenaffaire“).
  • UK: Die NHS (National Health Service) vergibt einen Millionenauftrag an Palantir zur Analyse von Patientendaten – unter massivem Protest von Ärzten und Datenschützern.

Demokratische Institutionen, die früher Grundrechte garantierten, werden zu Auftraggebern eines Unternehmens, das sich von diesen Rechten nie hat beeindrucken lassen.

Wer kontrolliert die Kontrolleure? Niemand.

Die Verträge mit Palantir sind geheim. Die Öffentlichkeit erfährt Details oft nur durch Anfragen von Journalist:innen oder geleakte Dokumente. Kein Parlament prüft die Algorithmen. Kein öffentliches Audit offenbart, wie Fehlanalysen entstehen. Kein Bürger hat Einblick, ob er falsch verdächtigt wurde.

Der Staat outsourct nicht nur seine technische Infrastruktur – er externalisiert seine Verantwortung.

Palantir sagt: „Nur Daten, keine Entscheidungen.“
Doch Daten strukturieren Entscheidungen. Und sie tun es in einer Blackbox, die nicht verklagbar, nicht nachvollziehbar, nicht demokratisch legitimiert ist.

Realpolitik trifft Sicherheitsillusion: Die stille Umkehrung der Beweislast

Mit Palantir etabliert sich ein neuer Gesellschaftsvertrag: Du bist sicher – aber nur solange du keine Anomalie bist. Kein abweichender Aufenthaltsort, kein auffälliger Geldtransfer, kein „ungewöhnlicher Kontakt“.

Das Narrativ der Behörden: „Wir müssen mit den Daten arbeiten, die wir haben.“
Die Wahrheit: Sie sammeln die Daten, mit denen sie dich irgendwann zur Gefahr erklären können.

So entsteht der paradoxe Effekt, dass in der angeblich freiesten Gesellschaft der Welt der Verdacht zur Norm wird – und der Rechtsstaat zur Fassade.

Schlussakkord: Eine Demokratie auf Bewährung

Palantir ist kein Konzern der Zukunft. Es ist ein Unternehmen der Gegenwart – ein Unternehmen, das Demokratie als Datenproblem löst. Es baut nicht an der Dystopie – es ist die Dystopie, nur dass sie in den Farben von Ordnung, Effizienz und Prävention erscheint.

Die Frage ist nicht mehr, ob diese Entwicklung aufzuhalten ist. Die Frage ist, wann der Preis sichtbar wird. Und ob es dann zu spät ist.

Denn wer glaubt, er könne einer Regierung mit Vollzugriff auf Vergangenheit, Gegenwart und Prognosen seiner Bewegungen widersprechen – der hat weder Palantir noch Peter Thiel verstanden.

„Der Führer im Flaschenhals“

Die Flasche und das Vaterland – Vinophile Verirrungen im Schatten der Geschichte

Man muss sich das einmal in aller Nüchternheit vorstellen – wobei Nüchternheit in dieser Geschichte mit Vorsicht zu genießen ist. Ein Mann aus dem Lavanttal, einer jener pittoresken Landstriche, wo die Berge sich noch scheuen, den Horizont zu verletzen, steht nun im Jahre des Herrn 2025 vor einem Geschworenengericht in Klagenfurt – nicht etwa wegen Mord, Totschlag oder Steuerhinterziehung, sondern weil er sich offenbar der schwerwiegenden Tat schuldig gemacht haben soll, eine Weinflasche mit dem Konterfei eines gewissen Adolf Hitler zur Schau gestellt zu haben. Ja, richtig gelesen: Wein. Flasche. Hitler.

Als wäre der Nationalsozialismus nicht schon historisch hinreichend verflüssigt worden, nun also auch noch als Kellereiprodukt etikettiert. Das Grauen als Retro-Chic. Das Verbrechen in Flaschenform. Der Massenmörder als Markenbotschafter. In dieser Geschichte treffen sich postmoderne Geschmacklosigkeit und geschichtliche Verantwortung in einem Schrebergarten, um sich mit einem lautlosen „Heil“ zu zuprosten – und zwar ganz ohne ironische Brechung. Oder doch?

Schrebergarten-Goebbels – Provinzposse mit ideologischem Dosenöffner

Der Tatort: eine Gartenhütte, vermutlich von Zwergerln bewacht, mit Geranien geschmückt, irgendwo zwischen Rindenmulch und Rainfarn. Dort, wo andere Gartenzwerge aufstellen oder Solarleuchten mit Farbwechsel, da stellt unser mutmaßlicher Patriot eine Flasche mit dem Führer auf. Ein Mahnmal? Ein Witz? Ein peinlich entgleister Sammlerfetisch? Oder doch ein stilles „Na endlich wieder Ordnung“-Statement?

Die Antwort kennt womöglich nur der Mann selbst, der nun auf dem harten Holz des Gerichtssaals Platz nehmen darf, flankiert von Paragraphenreitern in Robe. Dass das Ganze ein Fall fürs Geschworenengericht ist, spricht nicht gerade für seine Bagatellisierung. Man nimmt es ernst, das demokratische Antikörper-Training, selbst wenn es gegen eine Weinflasche geht. Die Demokratie hat bekanntlich viele Feinde – doch nur wenige von ihnen tragen Schraubverschluss.

Die Republik im Spiegelkabinett – Wenn der Rechtsstaat zum Stresstest wird

Und doch steht über all dem ein ernster Satz wie aus Granit gemeißelt: Für den Mann gilt die Unschuldsvermutung. Ja, auch für den mit der Hitlerflasche im Rosenbeet. Auch für ihn schlägt das große Herz des Rechtsstaates, der sich, wenn auch unter Magenkrämpfen, auch solcher „Repräsentanten“ seiner selbst annimmt. Aber wie viel Satire verträgt ein Paragraf? Wie viel historische Verblendung steckt noch in der staubigen Erde der Heimatliebe?

Es ist ein österreichisches Lehrstück, das hier gegeben wird – irgendwo zwischen Joseph Roth und Karl Valentin, zwischen Kafka und Karl Kraus. Und es spielt in einer Gegenwart, die zunehmend ihre Geschichte zu vergessen scheint, um sie dann in grotesker Form wieder aufleben zu lassen: als Accessoire, als Social-Media-Gag, als identitärer Code in ironiefreier Zone. Die Demokratie, sagt man, sei eine zarte Pflanze – in Österreich wächst sie offenbar sogar zwischen Gartenzwergen und Hitlerflaschen.

Der letzte Tropfen – Über Geschmack, Gerichte und geschmacklose Gerichte

Nun also der Prozess. Ein Mann, eine Flasche, ein Staat. Man wird Beweisfotos zeigen, Zeugen hören, Paragrafen wälzen. Und irgendwo im Hintergrund steht sie, die große Frage: Darf man das? Und vor allem: Warum zum Teufel will man das überhaupt?

Vielleicht ist das Ganze nur der traurige Beleg für eine unstillbare Sehnsucht nach Bedeutung – nach irgendeiner Form von Relevanz in einer Zeit, die ihre Helden in Realityshows und Influencer-Videos findet. Der Mann mit der Führerflasche steht symbolisch für ein Unvermögen, die Geschichte zu verarbeiten – er hat sie stattdessen entkorkt und auf ein Regal gestellt. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Der Richter wird entscheiden, das Urteil sprechen. Aber die Farce bleibt.

Und der Rechtsstaat so: „Na servas.“

Man fragt sich: Wird die Demokratie das überstehen? Nun, sie hat Schlimmeres überlebt – aber selten in so bizarr folkloristischer Form. Es ist eine Tragikomödie auf mittlerer Hitze gekocht, in der provinzieller Dilettantismus auf den bitteren Ernst einer Vergangenheit trifft, die noch nicht verjährt ist.

Und so steht sie da, die Republik, mit gerunzelter Stirn, leicht verschämt grinsend, ein bisschen wütend, ein bisschen müde, und sagt sich vielleicht insgeheim: „Wir haben Hitler vertrieben, aber nicht die Dummheit.“
Und das ist – wie immer in Österreich – sowohl das Problem als auch die Pointe.


„Führerwein im Schrebergarten – das ist nicht nur ein Prozess, das ist ein Symptom.“

Die Sabotage der Aufklärung

Ein Nachruf auf die politische Zurechnungsfähigkeit

Wenn eines den Deutschen heilig ist – neben dem Dackel, dem Datenschutz und dem bindestrichgeadelten Titelwesen – dann ist es der funktionierende Bahnverkehr. Doch wie alles, was man liebt, wird es früher oder später angezündet. Im aktuellen Fall nicht metaphorisch, sondern ganz konkret: durch ein paar Radikale mit Zeitzünder und ideologischem Kurzschluss. Die Täter? Eine Antifa-Gruppe mit ökoklimatischem Erweckungspathos, ein Grüppchen, das seine Radikalität aus einer Melange von Weltuntergang und Weltenrettung bezieht, sich selbst dabei als eine Art bewaffneter Erlösertrupp inszeniert. Die Methode? Brandsatz auf Kabel. Das Ziel? Alles, nur nicht Versöhnung.

„Die Zeit, an einer Versöhnung der Seiten zu arbeiten, ist vorbei“, verkünden die Täter mit der Nonchalance selbsternannter Endzeitpropheten, als hätten sie gerade beschlossen, dass Kommunikation überbewertet ist. Vielleicht zu viele Nietzsche-Zitate gelesen, aber nur halb verstanden. Vielleicht auch einfach nur gelangweilt vom politischen Mittelmaß, das keine Revolution verspricht. Der Bahnanschlag als symbolische Begleitmusik einer unterkomplexen Weltverachtung, zündelnd inszeniert auf Kosten von Infrastrukturen und Gesellschaftsvertrag.

Brandsätze statt Argumente: Vom ideologischen Eifer zur strategischen Dummheit

Der „Eisblock Timer“ – eine Bastelanleitung aus dem humorlosen Arsenal der Sabotageliteratur für Möchtegern-Guerilleros – ist offenbar das Gadget der Stunde. Während der Rest der Welt darüber streitet, wie man das Klima schützt ohne dabei die Gesellschaft gleich mit abzufackeln, greifen diese militanten Klimaaktivisten zur Technik der Zerstörung, weil Argumente offenbar zu wenig Feuerkraft haben. Wer keine Geduld für Diskurs hat, bastelt sich eben seine Wirkung – aus Benzin, Uhrwerk und ideologischer Frustration.

Die Ironie dabei: Diese Täter kämpfen angeblich für die Zukunft, indem sie die Gegenwart zerstören. Das wäre fast poetisch, wenn es nicht so wahnsinnig wäre. Es ist, als würde man ein Krankenhaus in die Luft jagen, um gegen Krankheit zu protestieren. Aber vielleicht ist Logik ja nur ein Herrschaftsinstrument in der dialektischen Fantasie dieser Aktivisten. Vielleicht bedeutet Freiheit in ihren Kreisen ohnehin nur die Lizenz zur Anarchie.

Wenn Notwehr zur Religion wird: Moralischer Narzissmus im Endzeitkostüm

Besonders bemerkenswert – oder vielmehr alarmierend – ist die Selbstrechtfertigung der Täter. Man fühlt sich im Recht, in der Pflicht, ja fast schon im sakralen Auftrag. Ihre Gewalt sei Notwehr, ihre Sabotage das notwendige letzte Mittel, weil die Welt nicht auf sie hört. Eine Mischung aus narzisstischem Opfermythos und revolutionärer Erlösungsfantasie.

Wer nicht „so radikal denkt“, ist Feind. Wer abwägt, kollaboriert. Wer demokratisch entscheidet, bremst die Geschichte aus. Aus dem Geltungsdrang wird Gewalt, aus der Ohnmacht Übergriffigkeit, aus der Frustration Terror. Das Bekennerschreiben liest sich wie das Tagebuch eines trotzig verzweifelten Kindes, dem man die Welt nicht nach Wunsch zurechtbauen will. Dabei wirkt das ganze Pathos wie ein Schulaufsatz aus dem Seminar „Moralische Überlegenheit für Anfänger“.

Verrat an der eigenen Bewegung: Wenn der Kampf fürs Klima in Brandstiftung endet

Nicht nur die Gesellschaft wird zur Zielscheibe, auch die eigenen Leute. Die Täter geißeln die „Mainstream“-Klimaaktivisten – Luisa, Greta, alle, die es zu Talkshowruhm oder NGO-Karriere gebracht haben – als abtrünnige Opportunisten. Deren Fehler? Nicht radikal genug. Nicht brennend genug. Nicht bereit, die letzten Brücken zur Realität hinter sich abzureißen. Die Revolution duldet eben keine Differenzierung.

Was dabei untergeht: Dass genau diese „Mainstream“-Bewegung überhaupt erst dafür gesorgt hat, dass Themen wie Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit auf der politischen Agenda auftauchten. Aber für die Extremisten sind Vermittler nur Schwächlinge. Wer nicht mit brennt, ist verbrannt. Eine groteske Logik, die ausgerechnet in jenem Fanatismus wurzelt, den man angeblich bekämpfen will.

Staatliche Fördergelder für die Demokratie – oder doch für deren Feinde?

Dass die Antifa in Teilen von SPD, Grünen oder Linken zumindest toleriert, wenn nicht sogar mittelbar durch gewisse NGOs mit öffentlichen Geldern gestützt wird, ist ein offenes Geheimnis, das wie ein schlecht gewarteter Feuerlöscher neben einem brennenden Ölfass steht. Man wollte „gegen rechts kämpfen“ – was grundsätzlich ehrenwert ist – und hat dabei die Brandstifter aus den eigenen Reihen übersehen oder unterschätzt.

Es ist ein Paradebeispiel für das alte linke Dilemma: Man will Gerechtigkeit, bekommt aber Fanatismus. Man will Widerstand, bekommt aber Gewalt. Und am Ende sitzt der Rechtsstaat da wie ein geschlagener Schulmeister, der zwar Förderanträge prüfen kann, aber nicht erkennt, wann seine Schüler längst zu Pyromanen geworden sind.

Die Lücke im Rechtsstaat – zwischen politischer Naivität und operationaler Blindheit

Während ein „Kommando Angry Birds“ Bahnkabel anzündet und sich dabei auf eine Mischung aus Karl Marx, Twitter-Rage und Bastelanleitungen aus dem Internet beruft, diskutiert der deutsche Rechtsstaat noch über Gendersterne im Verfassungsschutzbericht. Es ist, bei aller Notwendigkeit differenzierter Betrachtung, ein Armutszeugnis. Ein Staat, der bereitwillig den Verfassungsschutz auf Landwirte ansetzt, aber den Sprengsatz unter seinen Verkehrsadern erst bemerkt, wenn der Fahrplan explodiert, hat das Verhältnis von Risiko und Ideologie endgültig verloren.

Der Rechtsstaat darf nicht wegschauen, wenn sich linke Gewalt in die Wohlfühlfassaden der „richtigen Gesinnung“ schleicht. Wer gegen rechts mit Inbrunst kämpft, aber bei linkem Terrorismus milde laviert, gefährdet seine eigene Glaubwürdigkeit. Gewalt bleibt Gewalt – unabhängig vom ideologischen Anstrich. Und wer Gewalt relativiert, wird früher oder später zum Mittäter.

Epilog mit Brandsatz – Von der Endzeitpose zur Gegenwartsverachtung

Es bleibt am Ende eine bittere Erkenntnis: Die Täter dieses Anschlags hassen nicht nur die Konzerne, die Strukturen oder den Kapitalismus. Sie hassen auch die Menschen, die in Zügen sitzen, zur Arbeit fahren, ihre Kinder besuchen, ein Wochenende planen. Sie verachten das Alltägliche, weil es ihnen zu banal ist, um als revolutionär zu gelten. Sie wollen die Welt brennen sehen – im Namen der Rettung.

Doch die Frage, die sie nie beantworten werden, ist diese: Wenn ihr wirklich glaubt, dass die Gesellschaft euch verraten hat – was genau habt ihr ihr je angeboten außer eurem Zorn?

Denn wer alles niederbrennt, wird am Ende nicht als Visionär erinnert, sondern als der, der nicht unterscheiden konnte zwischen einem Leuchtturm und einem Molotowcocktail.

Die Rückkehr des Verdrängten – oder warum Wilhelm Reich nicht totzukriegen ist

Es gibt Bücher, die wie tote Pferde behandelt werden: Man schlägt nicht mehr darauf ein, weil es sich nicht mehr lohnt. Und es gibt Bücher, die wie tote Pferde behandelt werden, weil sie – in Wahrheit – noch immer galoppieren, wild, schnaubend, mit aufgerissenen Nüstern durch die Flure der Macht, der Medien, der Mittelstandshysterie. Wilhelm Reichs Massenpsychologie des Faschismus gehört zur zweiten Kategorie. Man nennt ihn einen Spinner, einen Sexguru, einen Krypto-Kommunisten mit Orgon-Akkumulator. Und das ist noch die freundliche Variante. Die unfreundliche: Ein Fall für die Anstalt. Doch wer das Buch tatsächlich liest – und damit ist nicht gemeint, es zu googeln oder sich durch Sekundärliteratur zu hangeln wie ein kulturkritischer Affe auf der Suche nach Erdnüssen – wird bald feststellen: Hier wird mit chirurgischer Präzision seziert, was heute wieder um sich greift. Nein, nicht nur am rechten Rand, nicht nur bei den identitär tätowierten Adonissen in Camouflage. Sondern auch in Yogakreisen, in Start-up-Inkubatoren, in Diversity-Workshops. Der Faschismus hat sich neu kostümiert, aber das Muskelzucken unterm Gewand, das hat Reich längst beschrieben. Wer also heute vor Faschismus warnt, ohne Reich gelesen zu haben, ist wie jemand, der über Krankheiten redet, ohne je in einem Körper gewohnt zu haben.


„Charakterpanzerung“ und Einhornfilter – über die neue Lust an autoritärer Selbstverblendung

Reichs zentrale These ist ebenso einfach wie unerträglich: Der Faschismus gedeiht nicht trotz, sondern wegen der inneren Bedürftigkeit der Massen. Nicht die Ideologie ist entscheidend, sondern die seelische Struktur, die sie inhalieren will wie ein Asthmatiker das letzte Spray. Der autoritäre Charakter, sagt Reich, ist nicht das Produkt politischer Indoktrination, sondern das Resultat frühkindlicher Unterdrückung, sexueller Verdrängung, familiärer Dressur. Heute nennt man das Bindungstrauma, Beziehungshölle oder schlicht: Coachingbedarf. Der moderne Mensch, zwischen Achtsamkeit und Amazon, hat den autoritären Impuls längst internalisiert – er gehorcht sich selbst, beutet sich freiwillig aus, optimiert seine Produktivität mit der neurotischen Gier eines KZ-Aufsehers mit Meditationshintergrund. Reich hätte darüber nicht gelacht. Er hätte vermutlich geweint. Oder masturbiert. Oder beides. Und der Charakterpanzer, den er beschreibt, existiert heute nicht mehr nur als sadomasochistische Sexualstruktur, sondern als Lifestyle-Dogma, als woke Empfindsamkeit, als digitaler Reinheitsfimmel. Was früher das Kreuz auf der Brust war, ist heute die CO₂-Bilanz auf der Verpackung. Nur dass man sich heute dafür besser fühlt. Früher war man autoritär und wusste es. Heute ist man autoritär und nennt es Verantwortung.

Der neue kleine Mann – über die Regression ins Lächerliche

Reichs „kleiner Mann“ war der Prototyp des autoritären Mitläufers: bieder, untervögelt, aggressiv nach unten, devot nach oben. Ein Mensch, der seine Angst vor Freiheit mit dem Ruf nach Ordnung überspielt. Heute trägt dieser kleine Mann Sneaker, trinkt Cold Brew Coffee und betreibt einen Podcast über toxische Männlichkeit – in dem er sich, natürlich, permanent entschuldigt. Der neue kleine Mann ist nicht mehr das autoritäre Familienoberhaupt, sondern der sensibilisierte Selbsthasser mit feministischer Tinder-Bio. Doch der Kern bleibt gleich: Die Angst vor echter Freiheit, vor echter Verantwortung, vor echter Nähe. Man hat gelernt, dass autoritäre Führer inakzeptabel sind – also wird das Führerprinzip internalisiert, als Selbstführung, als Kalenderstruktur, als Bullet Journal. Der kleine Mann von heute ruft nicht „Heil!“, sondern „Ich brauch meine Routine!“. Der Faschismus der Zukunft, so könnte man Reich aktualisieren, wird ein Faschismus der Selbstverwirklichung sein – mit Yoga, Yuzu-Limo und YouTube-Tutorials zum Thema „Wie du dein inneres Kind zur Räson bringst“.

Reich reloaded – Warum auch links nicht immun ist

Einer der unbequemen Aspekte an Reichs Analyse ist, dass sie auch die Linke nicht schont. Wer glaubt, Faschismus sei ein Phänomen der „anderen Seite“, hat weder Reich gelesen noch die Geschichte verstanden. Die autoritäre Struktur tarnt sich gern als progressive Bewegung. Der Moralismus, die Umerziehungsfantasien, das Bedürfnis, Abweichung nicht zu tolerieren, sondern zu exorzieren – das alles gibt es auch bei jenen, die sich für besonders emanzipiert halten. Der neue Antifaschismus trägt oft selbst autoritäre Züge: Er will Gesinnung kontrollieren, Sprache normieren, Schuld zuweisen. Reich würde sagen: Die neurotische Struktur bleibt bestehen – nur das Objekt der Projektion wechselt. Heute ist es der Klimaleugner, der Fleischesser, der Maskenverweigerer – morgen vielleicht der Ungeimpfte der neuen Generation: der Mensch mit zu wenig Filterblasenreinheit. Der neue Totalitarismus ist weichgespült, aber nicht weniger obrigkeitlich. Und das Tragische: Er glaubt, auf der richtigen Seite zu stehen. Wie jeder gute Faschist.

Orgon für alle! – Ein satirisches Plädoyer für die Revolution der Lust

Was also tun? Reichs Antwort war radikal, ungeschönt, heute beinahe komisch in ihrer Naivität: sexuelle Befreiung. Die Libido, nicht der Diskurs, ist das Terrain der Revolution. Wer frei lieben kann, braucht keine Führer. Wer seinen Körper kennt, lässt sich nicht dressieren. Doch natürlich hat man Reich dafür ausgelacht. „Der Mann will die Welt mit Orgasmen retten!“ Ja. Wollte er. Und vielleicht hatte er damit mehr Recht als all die Systemkritiker mit ihren Taschen voller Pamphlete und Podcasts. Was, wenn die autoritäre Struktur wirklich nur verschwindet, wenn der Mensch sich selbst spürt? Nicht als Idee, nicht als Ich-AG, sondern als atmendes, lustvolles, verletzliches Wesen? Dann wäre der nächste Schritt kein Wahlkampf, keine Demo, kein Hashtag – sondern ein kollektives, ekstatisches Sich-Ausziehen aus allen Panzerungen. Natürlich wird das nicht passieren. Stattdessen werden weiter Bücher geschrieben, Podcasts produziert, Empörung kanalisiert. Aber wenigstens wissen wir jetzt: Der Faschismus war nie nur politisch. Er war immer auch erotisch – oder vielmehr: das traurige Resultat ihrer Unterdrückung.

Schlusswort: Die Rückkehr des verdrängten Reichs – oder warum wir mehr spinnen sollten

Wilhelm Reich war unbequem. Er war exzentrisch. Er war oft schlicht verrückt. Aber genau deshalb war er seiner Zeit voraus – und ist unserer überlegen. In einer Ära, in der alles reguliert, moderiert, etikettiert wird, war er ein wildes Tier: schreibend, lebend, forschend mit einer Unbedingtheit, die heute nur noch KI-generierte Avatare simulieren. Die Tragik: Reich wurde von der Rechten gehasst, von der Linken verraten, von der Wissenschaft verspottet – und ist doch der Einzige, der das Unbehagen in der Kultur mit chirurgischer Tiefe verstanden hat. Heute wäre er vermutlich gesperrt auf Twitter, gelöscht auf YouTube, ausgeladen von jedem Debattencamp. Zu sexuell, zu unkontrolliert, zu echt. Aber genau das bräuchten wir. Nicht als Kultfigur. Sondern als das, was er war: ein Mensch, der uns zeigen wollte, wie wenig wir wirklich leben – solange wir nicht fühlen.


Ende. Oder besser: Anfang?

Queere Partnerschaften im Tierreich – und der heteronormative Reflex der Entrüstung

Ein zoologisches Outing oder: Wenn die Natur sich nicht an die Bibel hält

Stellen Sie sich vor, ein Pinguinpaar adoptiert ein verwaistes Ei. Und das tut es nicht aus einem Disney-Film heraus, sondern aus der Naturbeobachtung, aus empirischer Wissenschaft, dokumentiert, katalogisiert, peer-reviewed. Jetzt stellen Sie sich weiter vor: Es handelt sich bei den Adoptiveltern um zwei Männchen. Ein Alarmsignal für konservative Stammtischbiologen, die sich mit Frackträgern im Eis offenbar nur dann wohlfühlen, wenn diese ihre Brutpflege in heteronormativer Ordentlichkeit verrichten – am besten noch mit einem „Mutti brütet, Vati fischt“-Narrativ zum Mitschunkeln.

Doch halt! Die Natur, dieses vermeintlich ordnende Prinzip aller Dinge, spielt in Wirklichkeit ihr ganz eigenes, wildes, queeres Theater – ungefragt, ungefiltert, unzensiert. Von Delfinen, die sich in Unterwasser-Orgien gegenseitig beglücken, über Bonobos, die Konflikte lieber mit erotischer Gymnastik als mit Gewalt lösen, bis hin zu jenen berüchtigten Laysan-Albatrossen, die Jahr für Jahr in lesbischer Harmonie ihre Küken großziehen: Die Liste queerer Tierarten ist länger als das Grundsatzprogramm einer Partei, die verzweifelt versucht, den Unterschied zwischen Biologie und Ideologie zu begreifen.

Und es sind, laut Wissenschaftsjournalist Josh Luke Davis, nicht zehn, nicht hundert, sondern mindestens 1500 Arten, bei denen gleichgeschlechtliche Paarungen, soziale Bindungen und sexuelle Interaktionen beobachtet wurden. Ach was, vermutlich sind es noch viel mehr – man müsste halt mal hinschauen, statt immer nur hinwegzusehen.

Dickhornschafe urinieren im Sitzen – und die Zivilisation fällt in Ohnmacht

Der durchschnittliche Diskurs über queere Identität im Tierreich verläuft immer noch so, als hätte jemand der westlichen Mehrheitsgesellschaft ein Gendersternchen ins Müsli gemischt. Doch was passiert, wenn ein Dickhornschaf – ein Symbol für alpine Männlichkeit, Testosteron in Hornform – plötzlich beschließt, sich ausschließlich für männliche Artgenossen zu interessieren, auf Kampfgehabe zu verzichten und auch noch im Sitzen zu pinkeln? Na, da bleibt doch kein Stein auf dem anderen im Bergmassiv der traditionellen Geschlechterrollen!

Was für den Zoologen eine spannende Beobachtung darstellt – Varianz im sexuellen Verhalten, Diversität in sozialen Strukturen – ist für kulturkonservative Homo-Hasser eine biologische Zumutung. Man kann die Erschütterung fast hören: „Wenn selbst die Schafe…?!“

Die Natur, das wird hier unfreiwillig enthüllt, ist eben kein anthropologisch-kirchlich-abgesegnetes Konstrukt aus Adam, Eva und dem allzeit bereiten Fortpflanzungstrieb. Sie ist unordentlich. Wild. Und ja – queer.

Die Pinguine adoptieren – und die Heteronorm bricht in Tränen aus

Homosexuelle Pinguine adoptieren verlassene Eier. Sie tun das fürsorglich, hingebungsvoll, mit der emotionalen Intelligenz, die man so manchem Homo sapiens wünschen würde, wenn er mal wieder meint, sein eigenes Kind „nur zur Härte zu erziehen“.

Diese Pinguine zeigen, was der Mensch oft nicht erträgt: Dass Liebe, Fürsorge und Bindung nicht exklusiv an Geschlechtsorgane gekoppelt sind, nicht an Reproduktionszwecke, nicht an Gottgefälligkeit, sondern schlichtweg an soziale Nähe, an Bindungsfähigkeit, an – sagen wir es ruhig – emotionale Kompetenz.

Aber wehe, jemand zieht daraus den Schluss, dass auch beim Menschen Geschlecht, Begehren und Familie nicht zwangsläufig aus einem biologischen Monolithen gemeißelt sind. Dann wird es plötzlich „politisch“. Dann schreien sie wieder: „Aber der Mensch ist doch kein Tier!“ – während sie im nächsten Atemzug betonen, wie „natürlich“ das alles doch sei, was sie selbst für richtig halten. Ein kognitiver Spagat, bei dem selbst Bonobos das Seil reißen würden.

Queere Tiere als ideologische Projektionsfläche: Der Mensch, das verunsicherte Raubtier

Nun wäre es allerdings ein Trugschluss, zu glauben, dass all diese queeren Partnerschaften im Tierreich aus demselben Bewusstsein heraus entstehen wie beim Menschen. Tiere veranstalten keine Pride Parades (obwohl: Flamingos könnten das Styling stemmen), sie debattieren nicht über Diskriminierungsschutz und führen keine Twitterkriege über Pronomen.

Doch zu behaupten, dass diese Vielfalt irrelevant sei, weil Tiere keine Gender Studies belegen, ist wiederum der Gipfel anthropozentrischer Selbstbeweihräucherung. Die Existenz queerer Verhaltensweisen bei Tieren widerlegt eben jene billige Erzählung, dass gleichgeschlechtliche Liebe, fluides Begehren oder Geschlechtervielfalt „unnatürlich“ seien.

Sie ist Natur. Punkt.

Der Mensch sieht, was er sehen will – und das meiste sieht er nicht

Wie blind muss man sein, um bei 1500 dokumentierten Arten immer noch „unnatürlich!“ zu rufen? Wie sehr muss man sein Weltbild an die Wand nageln, wenn die Biologie längst anklopft und höflich fragt, ob man nicht doch ein paar Kapitel neu schreiben möchte?

Die Antwort ist: sehr blind. Denn die Natur darf nur dann als Argument herhalten, wenn sie dem Status quo dient. Alles andere wird ignoriert, relativiert, dämonisiert oder mit pseudowissenschaftlichem Getöse bekämpft.

Und so bleibt am Ende die vielleicht schmerzlichste Erkenntnis dieses tierischen Coming-outs: Dass die Natur selbst für mehr Toleranz, Vielfalt und Beziehungsformen offen ist als so mancher Stammtisch. Während Pinguine adoptieren, Albatrosse kooperieren und Bonobos eskalieren, streitet der Mensch weiter darüber, ob queere Identitäten nun ideologische Erfindung oder satanischer Einfluss sind.

Fazit: Der Regenbogen steht längst im Tierreich – der Mensch steht noch im Schatten

Wer immer noch glaubt, queere Lebensweisen seien eine Modeerscheinung der „woken“ Moderne, möge bitte einen Blick auf das nächste Pinguinpaar werfen, das gemeinsam ein Ei ausbrütet – oder auf zwei kuschelnde Delfinmännchen, die im Spieltrieb mehr über Zuneigung verraten als mancher Mensch in einer 50-jährigen Ehe.

Die Natur lacht über unsere Konventionen. Sie tanzt, paart, lebt in Varianten, die weder binär noch normativ sind. Sie ist wild, frei – und, ja: queer.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass auch der Mensch endlich nachzieht. Oder wie ein Bonobo sagen würde: Lasst uns drüber schlafen.

Hadsch, Halal und High Heels

Die Heilige Unzucht – oder: Wenn die Spende mit Stöckelschuhen klimpert

Es beginnt, wie so viele Grotesken des 21. Jahrhunderts, mit einer Bombe, die nicht im Orient, sondern im Herzen Europas hochgeht – einer spirituell-sprengstoffartigen Enthüllung, die gleichzeitig so banal ist, dass sie fast schon wieder poetisch wirkt. In Wien, wo seit Jahrhunderten das K&K-Wiener-Geflecht aus kaiserlicher Bigotterie und Kaffeehaus-Melancholie gedeiht, hat sich ein Skandal aufgetan, der selbst die durch alle Metropolenschlachten gegerbten Kaffeehausliteraten erblassen lässt: Spenden, gesammelt in Moscheen, in der Hoffnung auf Segen, Vergebung und ein himmlisches Parkticket im Jenseits, wurden angeblich umgewandelt in fleischliche Begegnungen ganz diesseitiger Natur – mit Escort-Damen, auf Deutsch: käufliche Engel ohne Flügel, aber mit Rechnung auf Wunsch.

Nicht etwa islamkritische Kolumnisten oder rechtskonservative Verschwörungsfetischisten tragen diese Geschichte an die Öffentlichkeit – nein, die peinlichsten Enthüllungen stammen von der türkischen Religionsbehörde selbst, jener moralischen Korrekturanstalt, die dem türkischen Präsidenten direkt untersteht. Wenn also Diyanet spricht, dann ist das nicht weniger als das Flüstern Allahs durch den Bart der Bürokratie. Und dieser Allah scheint derzeit sehr unzufrieden zu sein – nicht etwa mit westlicher Dekadenz, sondern mit seinen eigenen, österreichisch-türkischen Funktionären.

Die Pilgerfahrt zur Pimperlounge

Man stelle sich die Szene vor: Freitagmittag, die Moschee gefüllt mit gläubigen Männern, die Hände geöffnet, die Stirnen vom Beten glänzend, während draußen die Spendendosen rasseln. Für den Hadsch, für das Opferfest, für das liebe Jenseits. Und irgendwo in einer Wiener Bar wird mit genau diesen Euros ein Tequila bestellt, stilecht serviert von einer Dame mit BH, aber ohne Burka. Das ist keine Szene aus einem satirischen Netflix-Drehbuch, sondern – so berichten türkische Medien – ein Fall von „Zweckentfremdung“, wie es in der kirchlichen Buchhaltung wohl heißen würde.

Escort-Skandal nennen es die Journalisten. Ich nenne es die Heilige Unzucht, ein Sakrileg auf High Heels. Da wurden Spenden, die eigentlich dazu gedacht waren, Schafe in Mekka zu schlachten oder Bücher über das richtige Reinigen nach dem Gebet zu drucken, offenbar in sogenannte „Dienstleistungen“ investiert, die man schwerlich in einer Fatwa absegnen könnte.

Aber vielleicht war es ja eine Form von Sozialarbeit. Vielleicht war Imam F.M.K. einfach ein sehr fortschrittlicher Seelsorger, der erkannt hat, dass das Seelenheil auch durch körperliche Nähe befördert werden kann. Schließlich ist der Islam, so hört man, eine Religion der Barmherzigkeit – und was ist barmherziger, als einem gestressten Religionsfunktionär den Rücken zu massieren, gegen Spende?

Allah sieht alles – außer den Postenbeschaffer mit Verwandtschaft zur Macht

Natürlich, die Diyanet hat reagiert. Fünf Jahre lang wurde in Wien „ermittelt“. Wobei „ermitteln“ hier mehr nach einem ausgedehnten Urlaub in der Donau-Metropole klingt, bei dem sich die Prüfer großzügig zum Essen einladen ließen. Vielleicht bei Figlmüller. Vielleicht im Swingerclub. Man weiß es nicht. Was man weiß: Der eine oder andere mutmaßliche Täter hatte offenbar verwandtschaftliche Beziehungen in Richtung AKP. Und wie es in autoritär geölten Systemen so üblich ist, wird das familiäre Netzwerk dann nicht für Familienfeste genutzt, sondern für das, was man im osmanischen Verwaltungsjargon „Günstlingsmanagement“ nennt.

Der Skandal wurde deshalb nicht sofort veröffentlicht – sondern erst jetzt, als ihn regierungskritische Medien wie Sözcü an die Öffentlichkeit brachten. Der Verdacht liegt nahe: Man wollte vertuschen. Und wenn die Diyanet fünf Jahre braucht, um herauszufinden, dass Gelder verschwunden sind, könnte das entweder an unfähigen Buchhaltern liegen – oder an sehr fähigen Vertuschern. In jedem Fall: Die AKP-Regierung ist pikiert. Denn wenn selbst die Sünde nicht mehr ordentlich unterdrückt werden kann, was bleibt dann noch vom neo-osmanischen Moralimperium?

Der große schweigende Halbmond

In Wien schweigt man. ATIB, sonst nicht gerade bekannt für sprachliche Zurückhaltung, verschickt kein Statement, keine Pressemitteilung, nicht mal eine halbherzige WhatsApp-Nachricht mit Emojis. Das Schweigen ist laut – so laut, dass man es bis nach Ankara hören kann. Und vielleicht auch bis in die heiligen Hallen der österreichischen Religionsabteilung im Bundeskanzleramt, wo man vermutlich ebenfalls schweigt, weil man weder die Muslime aufbringen, noch die Boulevardzeitungen füttern will.

Es ist die perfekte Farce für ein Zeitalter der Heuchelei. Da wird in Talkshows über Integration gestritten, während im Hintergrund Moscheefunktionäre Spesenzettel frisieren. Da debattiert man über Kopftuchpflicht in Schulen, während Spenden für Beerdigungen in erotische Abenteuer umgewandelt werden. Und da träumt ein Präsident von der moralischen Wiedergeburt seines Volkes – während seine Beamten mit dem Begräbnisfonds der Diaspora den Puff besuchen.

Der Prophet hätte sich im Grab umgedreht – wenn es steuerlich absetzbar wäre

Am Ende bleibt ein Bild zurück, das in seiner Absurdität fast schon wieder tröstlich ist: Da predigt ein Imam die Reinheit des Herzens, während seine Kreditkarte im Stripclub glüht. Da spricht die Diyanet von Disziplinlosigkeit, als ginge es um vergessene Arbeitszeiten – nicht um göttlich sanktionierte Veruntreuung. Und da schweigen die Institutionen, als könne man durch Nicht-Kommunikation moralische Autorität retten.

Aber vielleicht ist genau das die Essenz der modernen Religionsverwaltung: Der Mensch sündigt – und die Verwaltung schreibt eine Quittung. Auf Wunsch mit Mehrwertsteuer.


Fazit:
Wir leben im Zeitalter des moralischen Hochverrats mit halal-zertifiziertem Zynismus. Möge der nächste Spendenskandal wenigstens Quittungen auf Türkisch und Deutsch ausstellen – damit auch das Finanzamt was davon hat.

Viermal abgebrochen – und trotzdem zur Uni

Andreas B.s Bildungsweg zwischen Schlingerkurs und Steigbügelhalterei

Man stelle sich einen Lebenslauf vor wie eine Autobahn: Geradeaus, Richtung Zukunft, nur gelegentliche Baustellen. Andreas B.s Weg hingegen erinnert eher an einen jener rustikal ausgeleuchteten Jahrmarkt-Geisterbahnen, wo man nie genau weiß, ob man am Ende wieder aussteigt oder plötzlich zum Teil der Attraktion wird. AHS Traiskirchen – abgebrochen. HTL Mödling – abgebrochen. Lehre als Betriebsschlosser – abgebrochen. Präsenzdienst – immerhin ein Jahr durchgehalten, aber in einer Institution, wo die Freiheitsgrade bekanntlich geringer sind als die in einer Kirchenorgel.

Man fragt sich: War dies jugendliche Suche oder früh geübte Systemkritik? Pädagogischer Widerstandskämpfer oder einfach nur auf Durchzug geschaltet? B. scheint Bildung eher als etwas erlebt zu haben, das einem wie Regenwetter zustößt – unangenehm, lästig, aber immerhin mit der Chance, dass man später im Wirtshaus etwas zu erzählen hat.

Der schlaue Ausstieg aus der Sackgasse

Doch wie bei jeder Geisterbahn gibt es irgendwann einen Ausgang – und siehe da: Der Weg führte nicht etwa zur Erkenntnis „Vielleicht doch nochmal die Berufsschule?“ sondern, hoppla!, direkt zur Donau-Universität Krems. Kein klassischer Elfenbeinturm, sondern ein ambitionierter Leuchtturm für bildungspolitische Seiteneinsteiger. Dort, wo das Bologna-System nur ein flüchtiger Besucher war und akademische Würden auch ohne Matura verliehen wurden – solange man eben „vergleichbare Qualifikationen“ vorweisen konnte.

Und B.? War Stadtrat in Traiskirchen. Das reichte offenbar. Die Stadt, in der sich sonst bestenfalls Asylquartiere stapeln, wurde zur Startrampe für einen bildungspolitischen Steigflug. Ob das Engagement in der Lokalpolitik tatsächlich eine gleichwertige Qualifikation zu AHS-Matura und universitären Vorstudien darstellt, sei dahin gestellt. Doch in Krems reichte es. Es reichte sogar für einen Master of Advanced Studies. Nicht Bologna-konform, nicht promotionsberechtigt, aber mit lateinischem Titel und allem, was das Prestige-Herz begehrt. Ein akademischer Thermomix, bei dem am Ende etwas Glänzendes rauskommt – auch wenn keiner so genau weiß, was eigentlich drin war.

Die Kremser Hintertür – Türspalt oder Scheunentor?

Die Donau-Uni Krems war zur damaligen Zeit eine Art bildungspolitisches Paralleluniversum. Ein Gesetz aus dem Jahr 2004 erlaubte, dass auch solche Personen aufgenommen werden konnten, die weder Matura noch Berufsausbildung abgeschlossen hatten. Die berühmte „vergleichbare Qualifikation“ – ein Gummiparagraph, so dehnbar wie ein Bundesheer-T-Shirt nach fünf Monaten Kantinendienst.

In B.s Fall lautete die wohlwollende Interpretation: Politisches Engagement. Die weniger schmeichelhafte: Vitamin B, rot eingefärbt. Was in der freien Wirtschaft bestenfalls für eine Schulung zur Arbeitssicherheit gereicht hätte, wurde hier zur Eintrittskarte in einen Masterlehrgang. Ein Fall von „Learning by Networking“. Oder auch: Bildung durch Beisitz.

Die Kritik an diesen Programmen kam nicht erst nach B.s Fall auf, sondern schon während sie ihren fragwürdigen Höhepunkt hatten. Akademische Inflation trifft akademische Improvisation – mit einem Resultat, das ausländische Universitäten kopfschüttelnd zurückließ und heimische Traditionalisten in den literarischen Nahkampf trieb. Verständlich: Wer zehn Jahre Jus studiert, reagiert empfindlich, wenn jemand anders für 16.000 Euro in vier Semestern zum „Master“ aufsteigt – ohne Latein, ohne Prüfung, ohne Stolz und ohne Vorurteil.

Master ohne Masterplan?

Das bringt uns zur Gretchenfrage: Wer hat den Spaß bezahlt? Laut offizieller Lesart hat B. den Studiengang einfach absolviert. Offen bleibt, ob die Stadt Traiskirchen – die damals ohnehin budgetär am Existenzminimum kratzte – das Studium ihres Stadtrats aus Gemeindemitteln sponserte, oder ob der künftige Kanzler aus eigener Tasche bezahlte. Die eine Variante wäre ein Lehrstück in politischer Vetternwirtschaft, die andere eine seltene Blüte privater Investitionsfreude. Beide Varianten wirken ungefähr gleich wahrscheinlich – und gleich unbefriedigend.

Aber wie immer in der österreichischen Innenpolitik gilt: Wenn niemand genauer hinsieht, bleibt alles irgendwie erlaubt. Wenn jemand doch hinsieht – wird das als Majestätsbeleidigung gewertet. Kritik? Gerne, aber bitte nur nach dem dritten Krügerl und mit aufgesetztem Grinsen.

Die Tragikomödie des akademischen Scheins

Am Ende bleibt B.s Bildungsweg ein Stück österreichische Gegenwartsprosa. Nicht stringent, nicht stringent geplant, dafür reich an Abzweigungen, Fußnoten und jener typischen Mischung aus Chuzpe, Improvisation und latentem Größenwahn, die so vielen hiesigen Biografien innewohnt. Es ist ein Weg, der weniger durch Bildung als durch Beharrlichkeit, weniger durch Wissen als durch Willen geprägt ist.

War es ein Durchmogeln? Ja. War es legal? Ebenfalls ja. War es legitim? Nun – das hängt davon ab, ob man Bildung als gesellschaftliche Aufstiegschance oder als symbolische Währung versteht. Für B. war sie beides. Für das Land bleibt der Nachgeschmack einer Bildungspolitik, die gerne mal beide Augen zudrückt, solange das Parteibuch die richtige Farbe hat.

Österreich, du Bildungswunderland

Andreas B.s Geschichte ist nicht nur die Geschichte eines Mannes, der viermal abbrach und trotzdem aufstieg. Es ist die Geschichte eines Systems, das solche Wege überhaupt ermöglicht. Eines Landes, in dem Scheitern keine Schande ist – solange man danach das richtige Rhetorikseminar besucht. In dem jeder zum Master werden kann – solange er die Tür findet, durch die sonst niemand geht.

Oder, um es mit den Worten eines berühmten österreichischen Bildungsministers zu sagen: „Wichtig ist nicht, was du weißt. Wichtig ist, wen du kennst – und was du dir leisten kannst.“

Der Rest ist Dekoration.

Finis Europae – Wie das Recht die Politik entmachtet

Finis Europae – Ein Urteil wie ein Spiegel – doch was zeigt das Glas?

Luxemburg, der letzte Hort rechtlich kodifizierter Weltrettung, hat gesprochen. Mit silberner Zunge, geschliffener Feder und dem gleißenden Pathos römischen Rechts, allerdings in Brüsseler Ausführung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH), jener feine Salon des moralischen Universalismus in Talar und Robe, hat den Staaten Europas eine kleine, juristisch elaborierte Bombe ins politische Zentrum gelegt: Listen sogenannter „sicherer Herkunftsländer“ – also jener naiven Versuch europäischer Regierungen, dem Asylrecht eine Art Eingangskontrolle zu verpassen – sind nur dann zulässig, wenn sämtliche Bewohner des betreffenden Landes nachweislich und quellensicher sicher sind. Samt Hühnern, Ziegen, Schwiegermüttern und Bloggern.

Ein juristisches Meisterstück in der Kunst der impliziten Sabotage: formalistisch korrekt, in der Substanz final. Man höre und staune: Die Einstufung eines Landes als „sicher“ ist nunmehr so aufwendig, so voraussetzungsvoll, so politisch und faktisch unmöglich geworden, dass man sie schlicht unterlassen kann – oder, wie es der moderne Jurist nennt: de facto unmöglich, was in etwa der richterlichen Version des altbekannten „Sie können es ja mal versuchen, aber…“ entspricht.

Richterrecht als Weltverbesserung – made in EU

Man kann sich den Vortrag im Plenarsaal des Gerichts lebhaft vorstellen: Eine glänzende PowerPoint-Präsentation, Kapitelüberschrift: “Sicherheit ist nicht teilbar.“ Gefolgt von einem Zitat Hannah Arendts, vielleicht ein wenig Jürgen Habermas, dann die Fußnoten, viele Fußnoten – und voilà: kein Staat der Erde, außer Liechtenstein, wird je wieder ein sicherer Herkunftsstaat sein. Selbst die Schweiz müsste sich warm anziehen: man denke nur an die notorische Diskriminierung von Steuerflüchtlingen.

So wird Recht zur Philosophie und Philosophie zur Politik – und Politik? Die ist dann halt einfach überstimmt worden. Vom Gericht. Vom Geist Europas. Vom besseren Menschen. Vom ethischen Jurisdiktionsimperium.

Das französische Asylgericht – avantgardistisch wie die Revolution

Als hätten sie sich abgesprochen, synchronisieren sich Europas Gerichtshöfe auf verblüffende Weise. Während der EuGH mit bürgerlich-kühler Abstraktion ganze Staatslisten ausradiert, bekennt sich das Cour nationale du droit d’asile (CNDA) in Frankreich zur Maximalvariante humanitärer Fortschrittsjurisprudenz: Palästinenser aus dem Gazastreifen gelten – pauschal – als asylberechtigt.

Nicht „könnten“, nicht „unter Umständen“, sondern „sind“. Weil, und jetzt kommt’s, die israelischen Kriegsmaßnahmen „die gesamte Zivilbevölkerung direkt und willkürlich treffen“. Eine bemerkenswerte Wendung – nicht juristisch, sondern polit-theologisch. Denn damit genügt das Palästinensischsein selbst als Beweis der Verfolgung. Das ethnische Sein ist das politische Argument. Der Flüchtlingsstatus wird so zu einer Frage der Nationalität. Oder genauer: der Zuschreibung einer strukturellen Unschuld.

Ein Passierschein aus Fleisch und Blut.

Asylrecht als Einwanderungsrecht – das große Missverständnis

Wer jetzt noch glaubt, Asyl sei ein Schutzrecht für individuell politisch Verfolgte, für jene, die von Geheimdiensten gejagt, gefoltert oder mundtot gemacht werden, lebt in der Vergangenheit. Asyl ist heute: geopolitisch-ethische Kompensation. Wer aus einem Land kommt, in dem Bomben fallen, Menschenrechte als Lifestyle-Option gelten oder das Internet zensiert wird, ist im Zweifel schutzwürdig – unabhängig von persönlicher Biografie oder Handlung.

Die Grenze zwischen Verfolgung und Betroffenheit? Sie existiert nicht mehr. Die Parole lautet: „Wenn du Pech hattest, bekommst du Schutz.“ Eine Art Soziallotterie im völkerrechtlichen Gewand. Die Genfer Flüchtlingskonvention wird zur Bühne für ein moralisches Weltbürgertum ohne Vetorecht der Realpolitik.

Migrationsrecht als Ersatzreligion

Kritiker – also jene hässlichen, ewigen Spielverderber – sprechen von Kontrollverlust, Sogwirkung und Systemversagen. Aber sie verstehen das neue Evangelium nicht. Die Gerichte sprechen keine Urteile mehr im Namen des Volkes, sondern im Namen der Menschheit. Die Justiz als Heilsbringer, die Migration als Sakrament.

Das Abendland, einst durchzogen von Recht, Grenze, Souveränität, glaubt heute an das Recht auf Mobilität. Grenzen sind Gewalt, Staatsgrenzen gar Kolonialrelikte, Identitäten Konstrukte und „Abschiebung“ der neue Faschismus. Was bleibt, ist die unbegrenzte Aufnahmepflicht – richterlich sanktioniert, moralisch beglaubigt, faktisch alternativlos.

Europa – das postnationale Experiment in Auflösung

Man stelle sich die Szene im Ministerrat vor: Innenminister mit Sorgenfalten, Parteivorsitzende mit sinkenden Umfragewerten, Sicherheitsdienste mit Alarmberichten – und dann: das Urteil aus Luxemburg. Man sieht förmlich, wie die nationalen Entscheidungsstrukturen implodieren. Ein Urteil, härter als jede Wahl. Denn was nützt das Gesetz, wenn das Gericht entscheidet, dass es nichts mehr gilt?

Europa ist nun also endgültig: nicht abschiebbar. Nicht in sichere Länder, nicht in gefährliche, nicht in die Herkunft, nicht in die Zukunft. Und nicht in die Wirklichkeit. Die Idee der kontrollierten Einwanderung, jenes idealistische „Ja, aber…“ der liberalen Mitte, wurde juristisch ausgehebelt. Wer kommt, bleibt. Wer bleibt, klagt. Wer klagt, gewinnt.

Die Pointe: Menschenrechte als Einbahnstraße

Dass das alles nicht böse gemeint ist, macht es nur noch tragischer. Es ist der Versuch, das Gute mit Gewalt durchzusetzen – aber eben nicht mit brutaler, sondern mit juristischer Gewalt. Paragrafen statt Panzer. Richter statt Räumkommandos. Der Rechtsstaat als Reparaturbetrieb der Weltpolitik. Doch wie jeder weiß, der einmal in einem echten Reparaturbetrieb war: Irgendwann ist auch das beste Gerät einfach irreparabel.

Willkommen in Europa, dem einzigen Kontinent, der sich selbst abschafft – im Namen des Rechts.

Ende gut, Europa aus.

Vom Wirtschaftswunderland zum Abschaltland

Deutschland, einst Schrittmacher der Moderne, hat sich entschlossen, sich selbst zur Ruine seiner industriellen Vergangenheit zu dämmern. Was früher als „Exportweltmeister“ gefeiert wurde, wird heute als „energiepolitisches Versuchslabor mit Hang zur Selbstverstümmelung“ bestaunt – von außen. Von innen hingegen betreibt man das Geschäft mit der Selbsttäuschung, als sei es ein Volkssport. Man nennt es Transformation, dabei ist es ein kontrollierter Sturzflug in ein postindustrielles Niemandsland, in dem nur noch Ideologie blüht – und die Stromrechnung. Beides unbezahlt.

Die Realität, dieses schmerzhaft nüchterne Biest, zeigt unterdessen Zähne: Unternehmen flüchten, Investitionen verdampfen, und das Land, das sich gerne als globales Vorbild inszeniert, steht zusehends allein da – mit seiner grünen Toga, dem moralisch gereckten Zeigefinger und dem leeren Produktionsstandort.

Energieschock als Dauerdelirium: Wenn die Steckdose zum Luxusgut wird

Strom in Deutschland ist inzwischen nicht mehr nur teuer, sondern ideologisch aufgeladen wie ein Silvesterfeuerwerk im Veganerhaushalt: gefährlich, verpönt und am Ende verboten. Die Energiewende, jenes große Narrativ deutscher Selbstheiligung, ist längst keine politische Strategie mehr, sondern eine quasireligiöse Ersatzhandlung – mit CO₂ als Erbsünde und dem grünen Wasserstoff als sakramentaler Hoffnungsträger. Doch während die Gläubigen noch beten, ziehen die Industrien weiter.

45 Prozent der stromintensiven Betriebe sagen: Es reicht. Und der Rest schweigt, weil er längst packt. Wer heute in Deutschland produziert, tut das nicht, weil es sinnvoll ist, sondern weil er zu langsam war, einen Alternativstandort zu finden. Die Energiewende ist nicht gescheitert, sie hat ihren Zweck erfüllt – nämlich die systematische Entwertung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit unter dem Deckmantel der Klimavorreiterrolle.

Subventionen als Schmerzmittel: Der Morphinplan für ein krepierendes System

Das politische Berlin, dieser grüne Salon der Weltverbesserung, hat natürlich eine Lösung für den Exodus der Industrie: Geld. Viel Geld. Noch mehr Geld. Geld für Halbleiter, für Wärmepumpen, für Batteriezellen, für alles, was nicht laufen will, aber laufen soll. Man nennt es „Standortsicherung“. In Wahrheit ist es das industrielle Hospizprogramm für eine sterbende Wertschöpfungskette. Der Staat wird zum Gönner einer Industrie, die er vorher selbst mit Bürokratie, Abgabenlast und Energiepreiswahnsinn an die Wand gedrückt hat.

Und während Minister Habeck mit rollender Investitionskutsche durch die Republik zieht, um Elektrofabriken zu segnen, bleiben die Hallen der traditionellen Industrie leer. Denn Maschinenbauer und Chemieriesen kriegen keine Kamera, keinen Applaus – nur Kosten. Das Subventionssystem belohnt nicht Wettbewerbsfähigkeit, sondern Abhängigkeit. Es züchtet keine Zukunft, sondern Zombies.

Der große Exodus: Wenn Innovation den Koffer packt

Deutschland, das Land der Denker, Dichter und Dokumentationspflichten, hat es geschafft: Forschung und Entwicklung werden zum Risiko. Nicht etwa, weil es an Talenten oder Ideen mangelt – sondern weil jede neue Idee hier unter dem Gewicht ihrer Genehmigungsauflagen kollabiert. Investieren? Nur mit Umweltverträglichkeitsprüfung, Brandschutzkonzept, Diversitätsnachweis und der Zustimmung des Ordnungsamtsvorsitzenden im Sabbatjahr.

Es ist die perfekte Symbiose aus Fortschrittsrhetorik und Fortschrittsverhinderung – eine Gesellschaft, die Zukunft predigt, aber nur Vergangenheit duldet. Und so wandert die Innovation dorthin, wo sie willkommen ist. Wo der Strom fließt, statt zu missionieren. Wo man Forschung betreibt, um Märkte zu gewinnen – und nicht, um Förderprogramme abzugreifen.

Globale Häme, nationale Arroganz: Die Energiewende als Exportlüge

Der Weltenergierat reibt sich die Augen. Europas Nachbarn schütteln den Kopf. Zwei Drittel der internationalen Experten glauben nicht an Deutschlands Klimaziele – und die andere Hälfte lacht nur noch höflich. Doch anstatt die Kritik als Chance zur Selbstkorrektur zu verstehen, erhebt sich in Berlin die nächste Wortmeldung: „Wir müssen es nur noch ambitionierter machen.“ Als könnte man die Thermodynamik mit Ambition überlisten.

Deutschland hat die Klimapolitik verinnerlicht wie ein Messiaskomplex. Man will nicht nur retten, man will dafür bewundert werden – und sei es im Alleingang. Die Realität der Industrie zählt da nicht. Produktion gilt als Schmutzarbeit, Effizienz als Kapitalistensünde, und wer auf Rendite pocht, wird zur Unperson erklärt. Die Energiewende ist kein Modell, das exportiert wird. Sie ist ein Mahnmal – aus Beton, Windradfragmenten und Insolvenzpapieren.

Deutschland, dein Amt: Wenn der Feind im Formular sitzt

Währenddessen werkelt die Bürokratie weiter an ihrem Meisterwerk: der vollständigen Entmutigung des unternehmerischen Geistes. Noch nie war es so schwer, so wenig zu erreichen. Willst du ein Kraftwerk bauen? Vergiss es. Willst du investieren? Warte fünf Jahre. Willst du einfach nur arbeiten? Füll bitte diese 17 Formulare aus, beglaubigt, gestempelt, zweifach in Papierform, Umweltbilanz inbegriffen.

Die Verwaltung ist kein Dienstleister mehr, sondern ein Ordnungsfetischist, ein formalisierter Gegner der Effizienz. Und während sich Start-ups fragen, wie man den Mittelstand digitalisieren könnte, versendet das Finanzamt Mahnungen auf Papier – per Brieftaube. Willkommen im Fortschrittsstandort 2025, dem Land der verlorenen Hebelwirkung.

Deutschland, du hast es besser gewusst – aber dich dafür entschieden, es zu ignorieren

Man kann ein Land nicht auf Dauer gegen seine ökonomische Basis regieren. Aber man kann so tun, als ob. Man kann Energie verteuern, Bürokratie erhöhen, Investitionen abschrecken, Steuern anziehen, und sich dann wundern, dass niemand mehr kommt. Und dann kann man „Fachkräftemangel“ sagen. Oder „Demografie“. Oder „Zeitenwende“. Alles Begriffe, die kaschieren sollen, was tatsächlich geschieht: Eine wirtschaftliche Selbstdegradierung im Namen einer Vision, die längst in sich selbst kollabiert ist.

Was bleibt, wenn alles geht? Ein leerer Standort, voller guter Absichten. Ein Land, das Weltmaßstäbe setzen wollte – und dabei vergessen hat, den Stecker nicht zu ziehen.