Schwitzkasten fürs Weltklima

Wie der deutsche Steuerzahler in Gambia um die Erderwärmung ringt

Man stelle sich die Szene vor: Im Staub der gambischen Provinz steht eine brandneue Wrestling-Arena, glänzend im Sonnenlicht – gebaut mit dem Geld aus deutschen Lohn- und Mehrwertsteuern. Auf den Tribünen schwitzen die Zuschauer. Im Ring umklammern sich zwei muskulöse Männer in kunstvoll geknoteten Lendenschurzen. Der Schiedsrichter schaut streng. Der lokale Bürgermeister klatscht Beifall. Und irgendwo im Hintergrund – hinter all dem Schweiß, Sand und Pathos – schwebt ein unsichtbarer Feinstaubgeist, der zufrieden nickt: Das Klima wurde soeben gerettet.

Nein, das ist kein Plot aus einer Kafka-Parodie, auch kein verlorenes Drehbuch eines Monty-Python-Sketches, sondern die nüchterne Realität europäischer Entwicklungshilfe im Jahr 2025. Genauer gesagt: Es handelt sich um den neuesten Geniestreich der EU-Generaldirektion für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz DEVCO – jene Behörde, die offensichtlich den Begriff Entwicklung längst ins Metaphysische überführt hat.

Die hohe Kunst der Geldverflüchtigung

499.950 Euro – also exakt 50 Euro unter der magischen Schwelle, ab der es noch mehr lästige Prüfmechanismen gäbe – flossen von 2020 bis 2023 an das „Gambia Wrestling Forum“. Offizieller Zweck? Die Förderung von „Investitionen in Kultur, Kunst und Sport zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit lokaler Gemeinschaften gegen den Klimawandel“.

Was zunächst klingt wie das verwirrte Gemurmel eines übernächtigten NGO-Praktikanten nach der dritten Mate-Limo ist tatsächlich EU-Politik. Wrestling gegen den Klimawandel. So sieht nachhaltige Resilienzbildung heute aus. Nicht etwa Entsalzungsanlagen, keine Aufforstung, keine Solarpanels auf Wellblechdächern – sondern Muskelpakete, die sich im Ring wälzen. Und irgendwo auf dem Excel-Sheet in Brüssel steht dann: „Ziel erreicht.“

Man möchte fast applaudieren. Aber nur fast.

Die Therapie der postkolonialen Schuldgefühle

Warum tut man so etwas? Warum finanziert eine durchregulierte, an ihrer eigenen Bürokratie erstickende Union Wrestling-Arenen in Westafrika mit dem Pathos, als würde sie damit den Fortbestand des Planeten sichern?

Die Antwort ist vielschichtig, aber nicht kompliziert: Weil der moderne europäische Bürokrat im Hamsterrad der Weltrettung gefangen ist. Wer keine Lösungen hat, erfindet Probleme, die zu den Maßnahmen passen. Und wenn diese Maßnahmen dann auch noch so schön symbolisch sind, umso besser.

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Denn Ringen ist in Gambia traditionell. Es ist identitätsstiftend. Es ist… kulturell nachhaltig. In den Köpfen der EU-Entwicklungsideologen verschmelzen dann Tradition und Klimaschutz zu einer Emulsion aus postkolonialer Wiedergutmachung und paternalistischer Lebenshilfe. Der europäische Funktionär kann sich auf die Schulter klopfen: Wir haben euch nicht nur das CO₂-Problem erklärt, sondern auch gleich eure Kultur aufgewertet. Bitte danken Sie uns nicht – es war uns eine Pflicht.

Die große Weltrettungs-Industrie

Natürlich könnte man nun spöttisch fragen, warum das Geld nicht in sinnvollere Projekte floss. Etwa in den Bau von Deichen, Trinkwasserbrunnen oder ein funktionierendes Abwassersystem für Banjul. Aber das wäre zu einfach gedacht. Solche Projekte sind langweilig, mühselig, sie erzeugen keine schicken Hochglanz-Fotos für den Jahresbericht.

Viel besser eignen sich bunte Sport-Events mit folkloristischem Einschlag. Sie liefern genau das, was die Fördermittel-Manager in Brüssel brauchen: Messbare, medienwirksame Ergebnisse ohne allzu große Komplikationen. Drei Wrestling-Arenen sind gebaut worden? Haken dran. Ein paar Jugendliche haben trainiert? Noch ein Haken. Ob das irgendetwas mit Klimawandel zu tun hat? Nebensache.

Die globale NGO-Industrie hat längst gelernt, solche Programme als Selbstzweck zu inszenieren. Es geht nicht mehr um den Nutzen, sondern um das Weiterlaufen der Maschinerie. Förderanträge schreiben, Mittel abrufen, Maßnahmen evaluieren – und nächstes Jahr dasselbe in grün. Oder in diesem Fall: in schweißnassem Braun.

Wenn der Regen ausbleibt, hilft der Bodyslam

Aber was genau versteht man eigentlich unter „Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel“ durch Wrestling? Die gambische Zeitung The Standard wusste zu berichten, dass durch den Bau der Arenen „die Jugend beschäftigt“ werde. Das klingt auf den ersten Blick vernünftig – bis man merkt, dass hier ein meteorologisches Problem durch sportpädagogische Beschäftigungstherapie ersetzt wird.

Der Meeresspiegel steigt? Gut, dann schicken wir die Dorfjugend auf die Matte. Die Ernte vertrocknet? Kein Problem, wir halten ein Seminar zur richtigen Grifftechnik ab. Und wenn der nächste Zyklon das Blechdach abreißt – dann kann der Betroffene immerhin stolz erzählen, dass er im letzten Turnier den „Double-Leg Takedown“ gemeistert hat.

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Das ist nicht nur zynisch, das ist der Offenbarungseid einer ganzen Förderpolitik. Man kann den Klimawandel offenbar nicht mehr bekämpfen, also tarnt man das Scheitern als Kulturförderung.

Der ironische Kollateralschaden

Ironischerweise profitieren von dieser absurden Praxis am Ende die, die es gar nicht so schlecht trifft: Die gambischen Ringer. Sie haben jetzt drei neue Arenen. Sie müssen nicht nach Europa flüchten, weil sie zu Hause einen Trainingsplatz haben. Vielleicht können sie sogar lokale Eintrittsgelder nehmen. Vielleicht finden sie Sponsoren. Vielleicht wird aus dem Wrestling-Projekt am Ende ein Wirtschaftsfaktor, den selbst die kühnsten Klima-Strategen in Brüssel nicht geplant hatten.

Das wäre dann der größte Witz an der ganzen Geschichte: Dass der Unsinn aus Brüssel – aus Versehen – tatsächlich funktioniert. Nicht als Klimaschutzmaßnahme, versteht sich, sondern als Wirtschaftsförderung. Das nennt man wohl die Dialektik der Entwicklungshilfe.

Das große Schulterzucken der Steuerzahler

Und der deutsche Steuerzahler? Der sitzt derweil zu Hause, blättert im Prospekt der Stadtwerke nach dem nächsten Strompreisanstieg, während sein Gasheizungsverbot im Briefkasten liegt. Vielleicht ringt er mit den eigenen Nebenkostenabrechnungen – was immerhin im weitesten Sinne auch eine Form von Resilienzbildung ist. Nur bezahlt wird ihm dafür niemand.

Er kann sich aber trösten: Irgendwo in Gambia wird gerade ein Bodyslam vollführt. Und das Weltklima? Das schaut zu. Wahrscheinlich mit einem müden Lächeln.

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