„Schon Wieder“ statt „Nie Wieder“!

Ein feierlicher Akt der Diplomatie, der plötzlich ins Messer läuft

Es war noch keine Woche her, dass das Vereinigte Königreich seine Brust stolz anschwellen ließ wie ein Hahn im Morgengrauen: Palästina wird anerkannt!, tönte es aus Westminster. Endlich, so schien es, wollte das Empire im postkolonialen Herbst seiner selbst wieder auf der Weltbühne glänzen – nicht mit Kanonenbooten, sondern mit Resolutionen, nicht mit Empire Tea, sondern mit diplomatischem Kamillentee. Und siehe da: Kaum hat man die Unterschrift gesetzt, stolpert die Realität durchs Straßenschild. In Manchester, ausgerechnet an Jom Kippur, rauscht ein Auto in eine Menschenmenge, Messer inklusive. Das Drehbuch hätte nicht zynischer geschrieben werden können, wenn Joseph Heller es selbst im Fiebertraum entworfen hätte.

Wer jetzt überrascht tut, ist entweder blind, naiv oder Politiker – wobei das ohnehin drei Synonyme sind. Wer glaubt, dass ein diplomatischer Federstrich in London das Weltklima heilt, möge bitte auch daran glauben, dass Globuli Krebs besiegen.

Man kann sich fragen: Ist das die „Wirkung“ der Anerkennung? Sozusagen die „erste Rendite“ einer politischen Geste, die in London zwischen Sektkorken und Phrasenmaschinen abgefeiert wurde, während draußen in den Vorstädten die Lage längst brodelte.

Politiker zwischen Betroffenheitsrhetorik und Textbausteinen aus der Schublade

Natürlich dauerte es keine fünf Minuten, bis die ersten Statements eintrafen. Andy Burnham, Bürgermeister der Metropolregion Manchester, sprach mit ernster Miene von einem „ernsten Vorfall“. Man möchte ihm zurufen: Ach was? Hätte er bei einem Mordanschlag vor einer Moschee auch die Vokabel „Vorfall“ gewählt?

Die Monarchie zeigte sich ebenfalls „erschüttert“. Das ist rührend. Aber wenn man bedenkt, dass der König schon „erschüttert“ war, als der Buckingham Palace einmal einen Stromausfall hatte, verliert das Wort etwas an Gewicht. Die Betroffenheit ist längst zum Ritual erstarrt, wie ein Teebeutel, der zum 47. Mal aufgegossen wird. Man könnte fast meinen: Es geht weniger um die Opfer als um die mediale Pflichtübung, die den Schein einer Nation der moralischen Erhabenheit wahrt.

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Die Ermittler und ihr ewiges „Wir schließen nichts aus“ – die Polizei im Modus: „Wir wollen niemandem auf die Füße treten“

„Die Behörden ermitteln, ob es sich um einen gezielten antisemitischen Anschlag handelt.“ Ernsthaft? Echt jetzt? Wollt ihr uns veralbern? Man fragt sich, welches andere Motiv denn naheliegt. Eine zufällige Kombination aus Fahrfehler, Feiertagsfrust und Bastelmesser? Eine spontane Performancekunst zum Thema „urbane Mobilität“?

Aber natürlich: Die Polizei liebt ihr Mantra „Wir ermitteln in alle Richtungen“. Am Ende läuft das hinaus auf ein Zickzack-Muster, das so breit ist wie die Queen’s Guard vorm Buckingham Palace, aber so zielgerichtet wie eine Büroklammer im Tornado. Währenddessen wissen alle längst, was Sache ist – nur offiziell darf man’s nicht sagen, weil die Wahrheit zu hässlich klingt.

Es ist die Formel, die wir immer hören: „Wir schließen keine Motive aus.“ Was übersetzt so viel heißt wie: „Wir wissen es längst, aber dürfen es nicht sagen, weil sonst jemand im Innenministerium einen Schluckauf kriegt.“ Das Resultat: ein groteskes Schauspiel der Zurückhaltung, das die Opfer verhöhnt und die Täter auf Zeit spielt.

Gesellschaft im Schlingerkurs – Betroffenheit trifft Bequemlichkeit

Die Bevölkerung wird nun gebeten, „Hinweise beizusteuern“. Das klingt fast wie eine Einladung zum Bingoabend: Bringen Sie doch bitte Ihre Beobachtungen mit, gern auch in mehrfacher Ausfertigung. Man kann sich das vorstellen: Menschen, die Videos auf WhatsApp teilen, während die Polizei noch prüft, ob das Ereignis „eventuell“ etwas mit Antisemitismus zu tun haben könnte.

Die Wahrheit ist bitter: Die Attacke reiht sich ein in eine Serie von antisemitischen Übergriffen, die längst keine Einzelfälle mehr sind, sondern eine bedrohliche Normalität. Doch anstatt diese Realität beim Namen zu nennen, flüchtet man sich in Formeln, als könne man das Böse durch semantische Nebelgranaten entschärfen, oder als wäre eine harmlose Wetterstatistiken: „Heute: leicht steigender Judenhass mit einzelnen Attacken, am Wochenende örtlich Messerregen.“

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Doch die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt. Empörung für 24 Stunden, Betroffenheitsfloskeln für die Presse, dann wieder Netflix.

Diplomatie als Placebo – und das Empire klatscht Beifall

Und was bringt uns die Anerkennung Palästinas in diesem Kontext? Nichts. Null. Nada. Sie schützt keine einzige jüdische Familie in Manchester, sie verhindert keinen einzigen Angriff, sie ist das Placebo einer Außenpolitik, die lieber an Flaggen herumwedelt, als die eigene Bevölkerung zu schützen.

Die britische Politik klatscht sich auf die Schultern, als hätte sie den Nahostkonflikt gelöst, während vor der Synagoge Leichen liegen. Die Realität schreit, die Politik nickt dazu feierlich – das ist das Vereinigte Königreich 2025: Meister der symbolischen Selbstverblendung

Epilog: Der zynische Kater nach dem moralischen Rausch, Schockstarre – oder doch Routine?

Und so endet das Schauspiel: Tote in Manchester, eine Monarchie, die „erschüttert“ ist, ein Bürgermeister, der mit Floskeln jongliert, eine Polizei, die auf Motivsuche geht wie ein Tourist ohne Stadtplan, und ein Land, das sich im Spiegel seiner moralischen Pose gefällt, während es das Offensichtliche verdrängt.

„Nie wieder“, heißt es seit 1945. Aber 2025 heißt es längst: „Schon wieder.“ Und die Politik reagiert, als wäre alles nur ein „ernster Vorfall“.

Man könnte meinen: Das Vereinigte Königreich ist wieder das, was es schon immer war – ein Meister darin, große Gesten zu inszenieren und gleichzeitig im Kleingedruckten zu versagen.

Oder, um es mit Andy Burnham zu sagen: ein „ernster Vorfall“ der politischen Selbstverblendung.

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