… schlechte Menschen haben keine Lieder.

Es ist ein faszinierendes Phänomen der modernen Welt, dass immer wieder in den Medien über Messerangriffe berichtet wird – als wären diese plötzlich zur neuen Volkssportart geworden. Überall in Deutschland hört man von tragischen Vorfällen, bei denen das Messer als Mordwerkzeug eine zentrale Rolle spielt. Die Zahl der tödlichen Messerangriffe wächst, und mit ihr auch die allgemeine Unsicherheit und das Gefühl, dass einem jederzeit und überall ein solches Unglück widerfahren könnte. Es sind keine wütenden Messerstecher mehr, die durch düstere, finstere Gassen ziehen – nein, heute kann jeder, der mit einer Gabel zu viel abgeräumt hat, zu einem potentiellen Täter werden.

Und was tun wir, die Bevölkerung, die sich langsam wie im wilden Westen fühlt? Richtig – wir gucken nach einem Plan. Aber nicht irgendeinem Plan – einen Plan, der, so scheint es, direkt aus der kreativen Abteilung für absurde Selbstschutztipps stammt. Die Polizei von Berlin hat einen „Tippschatz“ hervorgebracht, der in seinen Grundzügen an ein satirisches Theaterstück erinnert. Ihr neuer, bahnbrechender Ratschlag für den Umgang mit einem Messerangriff lautet nämlich: „Singen Sie laut!“

Ja, richtig gehört. Singen. Wenn Ihnen also ein Messer vor den Hals gehalten wird, denken Sie nicht an Ihre Lebensversicherung, sondern an ein Ständchen! Laut und mit Herz! Vermutlich am besten eine kraftvolle Version von „I will survive“, damit der Angreifer nicht nur vom Messer, sondern auch von Ihren Gesangskünsten so überwältigt ist, dass er die Flucht ergreift.

Der Witz des Jahrhunderts oder ein tiefgründiger Sicherheitsratgeber?

Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Ist dies ein zynischer Witz, den jemand als Scheinlösung in einer überforderten Gesellschaft präsentiert hat, oder steckt hier wirklich ein tieferer Sinn hinter dieser „erhebenden“ Aufforderung? In Anbetracht der zunehmenden Gewalt und der immer wieder kehrenden Hilflosigkeit der Polizei, angesichts der Tatsache, dass man als Bürger kaum noch weiß, wie man sich gegen die immer unberechenbareren Situationen in den Straßen verteidigen soll, ist dieser Tipp fast schon ein Affront.

TIP:  Tatperson, Täterschaft und Taktgefühl

Vielleicht ist es ein Test – ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, sich mit den absurden, aber gleichzeitig beängstigenden Realitäten ihrer Zeit abzufinden. Denn wo bleibt der mutige Aufschrei der Vernunft? Wo ist die logische Antwort auf diese Ausnahmesituation? Nein, stattdessen: Singen. Vielleicht sollte man sich auch noch ein passendes Bühnenoutfit überlegen, während man mit der Waffe in der Hand zu einem musikalischen Solo ansetzt – eine Mischung aus Überlebenskunst und dramatischer Aufführung. Und wer weiß, vielleicht wird aus diesem bizarre Überlebensdrama eines Tages eine neue Form des sozialen Engagements, ein Flashmob der Überlebenden.

Die Spirale des Unverständlichen

Der Wahnsinn dieser Welt – und das ist kein Witz – ist längst zu einer Spirale geworden, die sich immer schneller dreht. Der Ratschlag, laut zu singen, ist ein treffendes Bild für die politische und gesellschaftliche Lage. Wir leben in einer Zeit, in der die Idee von „Sicherheit“ nicht mehr wirklich zu greifen ist. Statt echte Maßnahmen zu ergreifen, flüchten wir uns in absurde Vorstellungen, die allesamt an den Rand des Satirischen grenzen. Warum sich mit der Frage beschäftigen, wie man die Waffe wirklich abwehrt oder wie man Sicherheitsstrukturen tatsächlich verbessert, wenn man einfach auch mal lauthals in die frische Luft schreien kann?

Was kommt als Nächstes? Vielleicht ein weiterer Tipp zur Terrorbekämpfung: „Fahren Sie einfach mit dem Fahrrad durch die Innenstadt, das entschleunigt die Aufmerksamkeit der Angreifer.“ Oder im Fall eines Einbruchs: „Kochen Sie ein Drei-Gänge-Menü und stellen Sie sich dem Eindringling als den neuen Gastgeber vor.“ Ja, warum nicht? Wer braucht schon ein robustes Selbstverteidigungstraining, wenn die Welt sich einfach in eine Kostüm-Gala verwandeln kann, in der jeder Angriff ein missverstandenes Theaterstück ist?

Angst, Panik, und der Tanz der Ignoranten

In diesem unaufhörlichen Tanz der Ignoranz sehen wir die Bevölkerung immer mehr in die Hände von kreativen, aber unfähigen Lösungsansätzen gedrängt. Der Tipp „laut singen“ ist der ultimative Beweis für eine Gesellschaft, die sich vor ihrer eigenen Angst duckt. Denn anstatt das fundamentale Problem zu benennen – das unaufhörliche Anwachsen von Gewalt auf den Straßen und die Unfähigkeit, dem beizukommen – wird das Thema zu einer Farce degradiert.

TIP:  Heilige Neutralität oder absurde Heuchelei

Wir sehen die Politiker mit ihren leeren Versprechungen, die Polizei mit ihren immer hilfloseren Vorschlägen, die Gesellschaft mit ihrer zunehmenden Verrohung und den Medien, die zwischen Sensationsgeilheit und Angst-Konditionierung schwingen. Und wir, die Bürger, schauen uns diese Farce an – und singen dann vielleicht, was? Einen Song von ABBA, um wenigstens die psychologische Barriere zum Irrsinn zu durchbrechen?

Der Spiegel der Realität

Es ist eine bittere Erkenntnis, dass in einer Welt, in der wir mit zunehmender Gewalt konfrontiert sind, die Lösung nicht in einem besseren Sicherheitskonzept liegt, sondern in einer Art „sozialer Entkopplung“, die uns alle zu kreativen Überlebenskünstlern macht. Und wie ein wirklich guter sozialer Kommentator in einer dystopischen Zukunft erzählt: „Wer in der Gesellschaft überleben möchte, muss lachen und singen, selbst wenn er das Messer im Nacken spürt.“

Die Realität ist kein blutiger Thriller, in dem jeder Zuschauer auf seinen Platz gespannt wartet, sondern ein gelebtes Drama, in dem niemand wirklich weiß, was der nächste Akt bringen wird. Statt uns wirklich mit den Ursachen auseinanderzusetzen, uns mit Lösungen auseinanderzusetzen, flüchten wir uns in die Absurdität des Moments. Der einzige Trost? Vielleicht, dass der Angreifer, von Ihrem schiefen Gesang überfordert, zumindest das Messer fallen lässt – oder vielleicht, dass wir in ein paar Jahren, wenn die Situation noch weiter eskaliert, zumindest ein anderes Lied singen.

Schlussgedanken: Der wahre Wahnsinn

In einer Welt, in der der wahre Wahnsinn längst zum Alltag gehört, wird das Konzept der „richtigen“ Reaktion auf einen Messerangriff zur grotesken Parodie eines gescheiterten Sicherheitsstaates. „Laut singen“ ist der traurige Höhepunkt einer Ära, in der man das Gefühl hat, jeder Schritt, jede Handlung, jede Reaktion könnte die letzte sein – und doch hört man im Hintergrund die Melodie des Wahnsinns, die uns alle immer weiter vorantreibt. Vielleicht ist Singen der neue Widerstand. Vielleicht wird es bald eine Armee von Sänger*innen geben, die durch die Straßen marschieren, mit einem Lied auf den Lippen, das laut genug ist, um die Messer des Lebens abzuwehren. Bis dahin bleibt uns nur, den Wahnsinn zu ertragen und zu hoffen, dass der nächste Angriff wenigstens ein bisschen musikalisch wird.

TIP:  Queere Partnerschaften im Tierreich – und der heteronormative Reflex der Entrüstung

Denn wenn der Wahnsinn schon die Straßen beherrscht – warum nicht wenigstens im Takt tanzen?

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