
Die Welt retten mit Robert Habeck
Beginnen wir mit einer unromantischen Tatsache: Jeden Tag müssen in China und Indien zusammen über 2,8 Milliarden Menschen essen. Und nein, es handelt sich hierbei nicht um eine abstrakte Zahl, die sich auf einem grünen Parteitag in eine PowerPoint-Präsentation kleben lässt. Nein, das sind echte Menschen – mit echten Mägen, die echte Nahrung verlangen. Dabei reden wir nicht von fair gehandelten Bio-Bananen aus Lateinamerika, die im Zero-Waste-Laden für fünf Euro pro Stück erworben werden können. Es geht um Reis. Brot. Dal. Öl. Dinge, die sättigen, und zwar jetzt.
Doch weil es sich um die Zukunft der Menschheit handelt, gibt es immer einen moralisch hoch erhobenen Zeigefinger aus dem globalen Norden, der die Frage stellt: Muss es wirklich Reis sein? Wäre nicht Quinoa eine klimafreundlichere Option? Vielleicht, aber der durchschnittliche Reisfarmer aus Uttar Pradesh hat wenig Zeit, sich die Unterschiede zwischen einer Erbse und einer Pseudogetreidepflanze zu ergoogeln, während er mit einer Spitzhacke und 40 Grad Hitze gegen Erosion kämpft.
Der deutsche Mann als Weltretter – Ein Exportschlager
Und hier kommt er ins Spiel: Robert Habeck, der selbsternannte Erzähler der Zukunft, Autor zahlreicher Kinderbücher, die so erfolgreich sind wie die deutsche Energiewende. Habeck, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jedem Land auf der Welt zu erklären, wie Klimapolitik „richtig“ geht, weil Deutschland es ja schließlich auch geschafft hat, seine Energiepreise auf ein Niveau zu bringen, bei dem die meisten Inder eher glauben, es handle sich um das Bruttoinlandsprodukt eines Kleinstaates.
Es ist ein faszinierendes Spektakel: Ein Mann aus einem Land mit weniger Einwohnern als der Großraum Peking erklärt einem Land wie Indien, warum Kohlekraftwerke abgeschafft gehören. Der gleiche Mann, wohlgemerkt, der daheim auf Flüssiggas aus Katar zurückgreift, weil der moralische Imperativ endet, wenn es um die Heizkosten der Mittelschicht geht. Aber das versteht der Inder natürlich nicht, denn er lebt ja – wie der Deutsche gern glaubt – irgendwo in einem exotischen Bollywood-Traum, umgeben von Spiritualität, Yoga und Kühen. Wer denkt da schon an Strom?
Das koloniale Erbe der gut gemeinten Ratschläge
Ironischerweise erinnern die moralinsauren Appelle an Indien und China an die besten Zeiten europäischer Missionsarbeit. Damals kamen die Kolonialherren nicht nur mit Bibeln, sondern auch mit der Gewissheit, dass der weiße Mann den braunen Menschen unbedingt beibringen müsse, wie man zivilisiert lebt. Heute ist die Bibel durch die 1,5-Grad-Grenze ersetzt worden, aber die Arroganz bleibt die gleiche: Wie könnt ihr es wagen, die gleichen Fehler zu wiederholen, die wir gemacht haben?
Die Antwort aus Indien und China, hätte sie die sprachliche Eleganz eines Goethe, könnte lauten: „Wir wiederholen nicht eure Fehler, wir lernen aus ihnen. Wir wollen nicht mit einem ineffizienten Energiesystem enden, das weder die Wirtschaft ankurbelt noch die Bevölkerung ernährt.“ Doch meistens fällt die Antwort kürzer aus: „Danke für die Sorge, aber wir haben Wichtigeres zu tun.“
Die unangenehme Wahrheit über Moral und Magen
Das Problem mit der europäischen Klimamoral ist ihre selektive Blindheit. Sie blendet aus, dass Entwicklungsländer nicht aus Spaß Kohlekraftwerke bauen, sondern weil sie funktionieren. Kohle mag schmutzig sein, aber sie ist zuverlässig, billig und – vor allem – reichlich vorhanden. Was sollte die Alternative sein? Solarpanele, die im Monsunregen versagen? Windräder, die bei Flaute stillstehen? Atomkraft? Oh, pardon, das wäre dann ja wieder unethisch.
Das eigentliche Problem ist, dass der Westen gerne so tut, als ginge es bei Klimapolitik ausschließlich um Ethik. Dabei ist sie ein gnadenlos pragmatisches Geschäft, bei dem es darum geht, den Laden am Laufen zu halten – oder eben nicht. Und während Europa über Dekarbonisierung philosophiert, macht China Nägel mit Köpfen und baut nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch die Infrastruktur für Solar, Wind und Atom. Nicht, weil sie eine Wahl haben, sondern weil sie keine Wahl haben.
Vom Wert eines guten Schweigens
Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Europa, und insbesondere seine lautesten Politiker, einmal innehalten. Nicht, um die nächste Apokalypse zu predigen, sondern um zuzuhören. Denn es könnte sein, dass Länder wie Indien und China längst Lösungen erarbeiten, die weniger moralisch, dafür aber realistischer sind. Es könnte sein, dass man von ihnen lernen kann.
Doch das würde bedeuten, das Ego hintanzustellen – und das ist eine Disziplin, die der westliche Weltretter nicht beherrscht. Stattdessen gibt es Sonntagsreden, Flugreisen zu UN-Klimakonferenzen und das Versprechen, dass wir „die Welt retten können“, wenn alle nur bereit sind, ein bisschen Verzicht zu üben. Kleiner Hinweis: Für jemanden, der mit zwei Dollar am Tag überleben muss, klingt „Verzicht“ eher wie ein schlechter Witz.
Reis und Respekt statt Ratschläge
Letztlich läuft es darauf hinaus, dass Länder wie China und Indien ihre Bevölkerung ernähren und mit Energie versorgen müssen – mit oder ohne europäische Belehrungen. Und vielleicht sollten wir uns darauf konzentrieren, erst einmal unsere eigenen Hausaufgaben zu machen, bevor wir anderen die ihren erklären. Denn die Moral von der Geschichte ist so simpel wie der Reis in einer Schale: Es ist leicht, von oben herab über Ethik zu sprechen, wenn der eigene Magen voll ist.