Reaktion auf eine Reaktion

Von Finnland bis zum Schwarzen Meer – Eine Erklärung des “Jenseitigen“

(freundlich formuliert 😉 )

„Der Krieg ist nie ein isolierter Akt.“

(Carl von Clausewitz, buch Vom Kriege. Vom Kriege, 1. Buch, 1. Kapitel, Unterkapitel 7).

Die pointierte Darstellung eines NS-Liedtextes kann als Gleichsetzung verstanden werden. Ja.

Ich selbst bin Gegner der inflationären NS-Vergleiche („Nazi“). Dies ist und bleibt ein problematisches Mittel: Er vergleicht Unvergleichbares; dämonisiert; relativiert den Massenmord; verhöhnt die Überlebenden. Ich will hier aber nicht handelnde Personen „ins rechte Eck“ stellen, sondern eine Struktur, eine Politik mit alter Tradition, verschiedentlich versucht, mal militärisch, mal wirtschaftlich, eben diese Klammer – Von Finnland bis zum Schwarzen Meer – zu schließen.

Die pointierte Darstellung eines NS-Liedtextes kann aber auch, im Sinne des oben genannten, darstellen, dass sich der Westen seit 1989 völlig kritiklos hinter ein zumindest zweifelhaftes Politsystem (Bsp. Korruptionsindex, Minderheitenrechte, …)  in der Ukraine stellte und teils berechtigte Bedenken Russlands völlig negiert.

Eine Klarstellung vorweg.

Kriege sind heute grundsätzlich völkerrechtswidrig. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Gewaltverbot in Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen. Diese Vorschrift lautet: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

Es liegt:

  1. eindeutig die Verletzung des Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten, durch die Russische Föderation vor, und
  2. das Recht zur Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen auf Seiten der Ukraine ist gegeben.

Im Falle der Krim gibt es aber auch den alten ungelösten Widerspruch im Völkerrecht. Zwei Prinzipien des Völkerrechts stehen sich im Fall der Krim entgegen: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die territoriale Integrität von Staaten. (siehe Referendum 2014)

Ukraine

Für das westlich orientierte Kiew stellt der „Euro-Maidan“ (schöner Euphemismus) den zentraler Gründungsmythos dar. Doch Fragen sind offen.

Die Proteste gegen die Nichtunterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU im November 2013 führten zu einer Aufstandsbewegung gegen den gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Bald gab es dann aber die ersten Toten. Der Weg zurück zu einem Kompromiss war damit wohl endgültig versperrt. Der Maidan, auf den immer stärker rechtsradikalen Truppen die Führung übernahmen, wollte den Sturz Janukowitschs. Diesem ging es darum, an der Macht zu bleiben.

Mehr als 100 Menschen wurden bei den Ereignissen auf dem Maidan getötet, darunter auch knapp 20 Polizisten. Die Frage, wer die Scharfschützen waren, die das Massaker auslösten, ist freilich bis heute nicht zur Gänze geklärt.

Victoria Nuland, die 2014 für die Ukraine zuständige US-Diplomatin, ist nun wieder aktiv. Jetzt hat der US-Kongress ihre Ernennung zur «Under Secretary of State for Political Affairs» bestätigt, also als «Unterstaatssekretärin», womit sie nun zu den engsten Beratern von Außenminister Blinken in Sachen Ukraine gehört. (In Europa wurde Victoria Nuland bekannt, weil sie in einem abgehörten Telefongespräch die Formulierung «Fuck the EU» verwendete: Scheiß auf die EU)

Russland

Deeskalation sieht aber auch anders aus: In der Krim-Krise verspottet US-Präsident Obama Russland – er nennt das größte Land der Welt eine Regionalmacht. Für Amerika gebe es schlimmere Bedrohungen, Kreml-Chef Putin agiere aus einer Position der Schwäche.

Ein Land, das mit seinen ca. 10 Millionen toten Soldaten, dazu kommen noch bis zu 16 Millionen Zivilisten, den wohl größten Beitrag zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus geleistet hat. Allein bei der „Schlacht um Wien“ erlitt die Rote Armee horrende Verluste: 167.940 Mann, davon 38.661 Tote und 129.279 Verwundete.

Während des Zweiten Weltkriegs gebrauchten die deutschen Rechtsextremisten wie die OUN von Stepan Bandera, die ukrainische Aufstandsarmee, und andere, um sie als Guerilla gegen die Sowjets einzusetzen. Damals betrachtete man die Streitkräfte des 3. Reiches als Befreier, so wird zum Beispiel die 2. Panzerdivision der SS, «Das Reich», die Charkow 1943 von den Sowjets befreit hatte, heute noch verehrt in der Ukraine. Das geografische Zentrum des rechtsextremen Widerstands war in Lwow, heute Lwiw, das ist in Galizien. Diese Region hatte sogar ihre eigene 14. SS-Panzergrenadierdivision «Galizien», eine SS-Division, die ausschließlich aus Ukrainern bestand.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Feind immer noch die Sowjetunion. Der Sowjetunion ist es nicht gelungen, diese antisowjetischen Bewegungen vollständig zu eliminieren. Die USA, Frankreich und Großbritannien realisierten, dass die OUN nützlich sein konnte und unterstützten sie im Kampf gegen die Sowjetunion mittels Sabotage und mit Waffen. Bis anfangs der 60er Jahre wurden diese Organisationen vom Westen her unterstützt. Insbesondere durch die Operationen Aerodynamic, Valuable, Minos, Capacho, und andere. Seit dieser Zeit gab es in der Ukraine immer Kräfte, die einen engen Bezug zum Westen und zur Nato hatten. Heute ist es die Schwäche der ukrainischen Armee, die dazu geführt hat, dass man auf diese fanatischen Gruppierungen zurückgreift.

Die Privatisierung des Krieges mit Hilfe der Wagner-Truppen ist auch keine Neuigkeit. Blackwater USA (bis 2007, heute Academi imited Liability Company, Insgesamt soll das Unternehmen 40.000 Personen beschäftigen.) übernahm im Irak-Krieg und der darauffolgenden Besatzung im US-Auftrag militärische Aufgaben, um die US-Truppenpräsenz in besserem Licht darzustellen. (Donald Trump hat kurz vor Amtsende Blackwater-Söldner begnadigt, die im Irak Zivilisten getötet hatten.)

Man könnte auch dieses Zitat in die Überlegungen einbeziehen: „Nicht wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt.“ (Auch zitiert als: Nicht wer zuerst nach den Waffen greift, verursacht einen Aufruhr, sondern wer die Ursache dafür geschaffen hat“. Niccolò di Bernardo de Machiavelli (1469 – 1527). So hat am 24. März 2021 Selenskyj das Dekret erlassen, das besagt, dass er die Krim zurückerobern werde. Er hat Vorbereitungen dazu getroffen. Gleichzeitig hat die Nato ein sehr großes Manöver zwischen Baltikum und Schwarzem Meer durchgeführt.

Auf die Gefahr hinauf als „Putin-Versteher“ klassifiziert zu werden, ist es meine Überzeugung, dass man etwas verstehen muss, um eine Lösung zu erreichen.

Man kann die Annexion der Krim auch nachvollziehen, weil Russland fürchtete, von seinen eigenen Häfen aus keinem Zugang mehr zu den Weltmeeren zu haben (Hafen der Schwarzmeerflotte seit 1783).

NATO

Ich halte die NATO auch nicht für das größte Friedensbündnis der Geschichte, sondern für eine durchaus expansive Organisation diverser Staaten und Armeen unter strikter US-Führung. Der Oberkommandierende ist immer ein amerikanischer General (Der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR), deutsch Alliierter Oberkommandierender in Europa, ist der militärstrategisch verantwortliche Oberbefehlshaber für alle NATO-Operationen (bis 2004 nur in Europa, daher der Name). Der jeweilige Generalsekretär, gerne aus „pazifistischen“ Skandinavischen Ländern ist letztlich nur eine Art besserer Pressesprecher).

Die Nato wurde 1949 gegründet und erst sechs Jahre später der Warschauer Pakt. Der Grund dafür war die Wiederbewaffnung der BRD und ihre Aufnahme in die Nato 1955. So sagte der erste NATO-Generalsekretär, der Brite Lord Ismay, die Allianz solle „die Amerikaner drinnen, die Russen draußen halten – und die Deutschen am Boden“.“

Wäre 1989 nach der Auflösung des „Warschauer Paktes“ nicht auch eine Auflösung der NATO eine Option gewesen? Dies hätte zumindest die Option auf die Schaffung einer europäischen Verteidigungsstruktur eröffnet, ohne US-Amerikanischer Dominanz. Bei der Währung ging es ja auch, warum nicht auch Verteidigungsfragen?

Stattdessen beantwortete die NATO ihre Sinnkrise in den folgenden Jahren mit einer extremen Expansion. Ich weiß schon, all die friedliebenden Länder Osteuropas suchten Schutz.

Hintergrund: Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft

((englischer Titel: The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, 1997, neuaufgelegt 2016))

Ziel des Autors ist, „im Hinblick auf Eurasien eine umfassende und in sich geschlossene Geostrategie zu entwerfen“. Er plädiert dabei für eine bestimmte außenpolitische Ausrichtung und Zielsetzung der USA: Die Vereinigten Staaten als „erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht“ nach dem Zerfall der Sowjetunion müssten ihre Vorherrschaft auf dem „großen Schachbrett“ Eurasien kurz- und mittelfristig sichern, um so in fernerer Zukunft eine neue mehrpolige Weltordnung zu ermöglichen.

Die Vormachtstellung der USA hängt in der geostrategischen Konzeption Brzezinskis davon ab, inwiefern die USA sich in Eurasien, dem insgesamt überlegenen und geopolitisch „axialen“ Kontinent, behaupten können: „Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.“ „Dieses riesige, merkwürdig geformte eurasische Schachbrett – das sich von Lissabon bis Wladiwostok erstreckt – ist der Schauplatz des global play.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg war es immer die Politik der USA, zu verhindern, dass Deutschland und Russland bzw. die UdSSR enger zusammenarbeiten. Das, obwohl die Deutschen eine historische Angst vor den Russen haben. Aber das sind die beiden größten Mächte Europas. Historisch gesehen gab es immer wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Das haben die USA immer versucht zu verhindern. Man darf nicht vergessen, dass in einem Nuklear-Krieg Europa das Schlachtfeld wäre. Das heißt, dass in so einem Fall die Interessen Europas und der Vereinigten Staaten nicht unbedingt dieselben wären.

UND, ss war die Europäische Union, in der Person von Barroso, die von der Ukraine verlangt hat, sich zwischen Russland und der EU zu entscheiden.

Ausweg

Auch sagte Clausewitz: „«Nichts ist schwerer als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position» und das gilt mittlerweile für beide Seiten.

Kriege werden seit jeher nur auf zwei Arten beendet:

  1. durch völlige Zerstörung bzw. Ermattung eines der Gegner, oder
  2. durch Verhandlungen und Erreichen eines Vertrages.

Punkt 1 wird bei einer derartigen Atommacht wohl nicht zu erreichen sein, also …

Der 500 Tag dieses Krieges könnte nun der Zeitpunkt für einen sofortigen Waffenstillstand und die Entsendung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen oder der OSZE in die Ukraine sein, die den Waffenstillstand überwacht und für eine Trennung der Konfliktparteien und die Entwaffnung nicht regulärer Kämpfer auf beiden Seiten des Konflikts sorgt.

(Ich habe selbst als UN-Soldat in einem „eingefrorenen Konflikt“ gedient).

Laut einer geleakten Pentagon-Analyse vom 23. Februar, die im Internet veröffentlicht wurde, werden die Kämpfe im Jahr 2023 mit geringfügigen Geländegewinnen für beide Seiten enden, da „nicht genügend einsatzfähiges Militär und Munition“ zur Verfügung stehen. Die US-Papiere zeigen auch, dass in Washington Besorgnis über ukrainische Angriffe auf russisches Territorium und möglicherweise sogar auf Moskau besteht, da solche Angriffe Auswirkungen auf die Haltung Chinas gegenüber dem Konflikt haben würden.

Nur Waffenlieferungen halten die Ukraine in der Lage, überhaupt zu verhandeln. Aber wenn der Krieg nicht militärisch entschieden werden kann, dann sind Waffen eben auch nicht das Ziel, sondern nur Hilfsmittel auf dem Weg dorthin.

Das Ziel bleibt: miteinander reden. Am besten ohne Vorbedingungen. Das Ergebnis kann kein von China oder sonst wem vorab präsentierte Friedensplan sein. Es bleibt: Verhandlungssache.

Eine kluge Strategie wäre, ihm einen diplomatischen Ausweg zu bieten. Deutschland sollte dafür eine couragierte Initiative mit den USA und anderen europäischen Ländern ergreifen. In der Bundesregierung wird zuletzt immer wieder von einer Führungsrolle gesprochen, die Deutschland einnehmen solle. Das wäre eine Chance, sie zu ergreifen (wird aber mit dem derzeitigen Personal – einer vorsichtig formuliert intellektuell höchst überforderten Außenministerin und grünen Kriegstreibern wohl nichts).