Offener Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz
Sicherheit ist unteilbar – und Geschichte zählt
Kernaussagen des offenen Briefes
1. Sicherheit ist unteilbar
Europäische Sicherheit beruht auf dem Prinzip, dass kein Staat seine Sicherheit auf Kosten eines anderen erhöhen kann. Dieses Grundprinzip ist in der Schlussakte von Helsinki, der OSZE und der europäischen Nachkriegsordnung verankert. Sicherheitsgarantien gelten wechselseitig, nicht einseitig.
2. Vorwurf historischer Unehrlichkeit Deutschlands
Deutschland wird vorgeworfen, seine eigene Rolle seit 1990 zu beschönigen oder zu verdrängen. Die aktuelle sicherheitspolitische Rhetorik ignoriere historische Zusammenhänge und trage zur Eskalation bei, statt zu Deeskalation und Frieden.
3. NATO-Osterweiterung und gebrochene Zusicherungen
Im Kontext der deutschen Wiedervereinigung habe Deutschland der sowjetischen bzw. russischen Führung zugesichert, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werde. Diese Zusicherungen seien politisch entscheidend gewesen und später missachtet worden – ein Akt des Geschichtsrevisionismus.
4. NATO-Interventionen als Destabilisierungsfaktoren
- 1999 Serbien: Deutsches Mitwirken an einem NATO-Krieg ohne UN-Mandat habe die europäische Sicherheitsordnung grundlegend verändert.
- 2002 ABM-Vertrag: Der US-Ausstieg aus dem ABM-Vertrag und Deutschlands Schweigen hätten die Rüstungskontrolle untergraben.
- 2008 Kosovo: Die Anerkennung des Kosovo habe das Prinzip territorialer Integrität beschädigt und gefährliche Präzedenzfälle geschaffen.
5. Ignorierte russische Sicherheitsinteressen
Russische Sicherheitsbedenken – insbesondere hinsichtlich Ukraine und Georgien – seien über Jahrzehnte hinweg ignoriert worden. Das sei keine Diplomatie, sondern bewusste Eskalation.
6. Deutschlands Rolle in der Ukraine seit 2014
- Das von Deutschland garantierte Abkommen vom 21. Februar 2014 sei nach dem Umsturz folgenlos geblieben.
- Minsk II (2015): Deutschland habe als Garantiemacht versagt, da die Ukraine zentrale Vereinbarungen nicht umsetzte. Spätere Eingeständnisse, Minsk sei vor allem Zeitgewinn gewesen, untergraben Vertrauen.
7. Kritik an Waffenlieferungen und Kriegsrhetorik
Forderungen nach immer mehr Waffen und „Entschlossenheit“ werden als Ersatz für ernsthafte Diplomatie kritisiert. Die Öffentlichkeit werde moralisch vereinfacht und politisch infantilisiert.
8. Rückbesinnung auf Ostpolitik und Diplomatie
Die frühere Ostpolitik wird als Beispiel strategischer Reife dargestellt. Frieden erfordere Dialog, Rüstungskontrolle, wirtschaftliche Kooperation und die Anerkennung legitimer Sicherheitsinteressen Russlands.
9. Forderungen für eine neue europäische Sicherheitsordnung
- Ende der NATO-Osterweiterung, insbesondere Richtung Ukraine und Georgien
- Neutralität der Ukraine mit internationalen Garantien
- Gegenseitige Entmilitarisierung entlang der Grenzen
- Aufhebung von Sanktionen im Rahmen einer Verhandlungslösung
- Ablehnung der Beschlagnahmung russischer Vermögen
- Stärkung der OSZE statt NATO-Zentralität
- Rückkehr zur Rüstungskontrolle (INF, nukleare Abrüstungsgespräche)
10. Appell an historische Ehrlichkeit
Ohne ehrliche Aufarbeitung der Vergangenheit gebe es kein Vertrauen, ohne Vertrauen keine Sicherheit. Europa riskiere, alte Katastrophen zu wiederholen, wenn es Geschichte verdrängt.
Zentrale Botschaft
Der Brief fordert Deutschland auf, Diplomatie, historische Ehrlichkeit und eine inklusive europäische Sicherheitsarchitektur über militärische Eskalation, moralische Rhetorik und Bündnisautomatismen zu stellen. Sicherheit könne nur gemeinsam – nicht gegen Russland – erreicht werden.