Österreichs Winterschlaf

Schiefergas: Der Schatz, den wir nie wollten

Man stelle sich vor: Unter den sanften Hügeln des niederösterreichischen Weinviertels lagert ein Schatz, größer als so mancher Finanzplan der Republik, mächtiger als die Sommerhitze in Poysdorf, gefährlicher nur für die Faulheit der politischen Entscheidungsträger. Fast drei Jahrzehnte könnte dieses Schiefergas Österreich nahezu autark mit Energie versorgen – und dennoch starren wir mit zitternden Fingern auf die Heizkörper, während die EU-Gaspreise in schwindelerregende Höhen klettern. Es ist die Ironie par excellence: Ein Land, das so stolz auf seine Weine und seine „grüne Seele“ ist, könnte seine Bürger nun frierend durch den Winter schicken – und das alles, weil jemand vor zehn Jahren beschlossen hat, lieber auf dem moralischen Pedestal der Ökologie zu reiten, anstatt pragmatisch zu handeln.

Die Montanuniversität Leoben hatte damals bereits die Lösung parat: Wasser, Stärke, Sand – nichts, was die Umwelt ernsthaft bedroht – und das Gas fließt aus dem Gestein wie Wein aus einem frisch entkorkten Fass. Aber nein, die Bürgerinitiativen „Risiko Gas“ und „Schiefes Gas“ standen wie eine Horde mittelalterlicher Drachenritter vor dem Schatz und brüllten „Halt! Nicht mit uns!“ Landesrat Karl Wilfing, zufälligerweise langjähriger Bürgermeister von Poysdorf und zufälligerweise ein Mann, dessen politisches Karma sich wohl auf das Wohl seiner Gemeinde konzentrierte, nickte zustimmend. Das Resultat: Die OMV gab 2013 auf, die Gasgewinnung wurde eingestellt – und die Winterheizungen der Österreicher warten seither auf ein Wunder, das nie kam.

Fracking mit Zitronensaft? Österreichs alternative Realität

Natürlich, es geht hier nicht um eine simple Ölkatastrophe oder die traditionelle Fracking-Paranoia, die man gerne mit schaurigen Bildern von vergiftetem Trinkwasser und glühenden Kühen illustriert. Die Methode der Leobener Wissenschaftler war sauber, fast schon liebevoll zur Natur, ein Hightech-Ballett der Chemie, das Gas aus der Tiefe lockte, ohne sie zu zerstören. Man könnte fast meinen, die Wissenschaft habe die Politik überlistet, nur um dann selbst vor einer Wand aus bürokratischer Ignoranz zu stehen. Stattdessen importiert die EU heute Flüssiggas aus aller Welt, geliefert von  Tankschiffe voll von Schweröl, das die Atmosphäre wie einen undurchsichtigen Schleier überzieht. USA, Katar, Nigeria, Russland – wir begrüßen euch alle mit offenen Häfen und roten Rechnungen.

TIP:  Geopolitisches Schwarzspiel

Wenn man es nüchtern betrachtet, wäre die Rechnung simpel: Hätte man die OMV arbeiten lassen, wäre Österreich seit 2020 unabhängig von russischem Gas gewesen. Seit 2020! Stattdessen fahren wir nun panisch in die Tankstellen der Welt, während die politischen Entscheidungsträger fröhlich diskutieren, ob ein Windrad vielleicht doch zu laut ist. Die Kluft zwischen rationaler Notwendigkeit und politischem Handeln könnte man kaum satirischer inszenieren – und genau das passiert, wenn man die Verantwortung mit einem Lächeln auf das nächste Jahrzehnt verschiebt.

Der Winter der zögerlichen Herzen

Jetzt stehen wir also da, zitternd vor Heizkörpern, während der Winter kommt. Es ist ein Winter der Absurditäten, der politischen Theaterkunst und der Verzögerungskunst. Österreich könnte seine Gasversorgung aus dem eigenen Boden sichern, aber nein – lieber lassen wir uns von fremden Staaten die Energiekosten diktieren, unterzeichnen Vertragswerke, die uns in endlosen Zahlungsstrudeln halten, und warten darauf, dass der nächste Sommer vielleicht die politische Courage zurückbringt. Die österreichische Energiepolitik ist ein Drama in drei Akten: Verleugnung, Verweigerung, Verzweiflung.

Und während wir frierend im Kerzenschein sitzen, könnte man beinahe den Humor in der Tragödie erkennen: Österreich, das Land der Präzision, der Ingenieure, der Forscher, lässt sich von Bürgerinitiativen, alten politischen Ambitionen und einem Übermaß an moralischer Empfindlichkeit in eine Lage manövrieren, die einem kafkaesken Wintermärchen würdig wäre. Vielleicht lachen wir später darüber, wenn wir nicht mehr zittern. Oder wir zittern weiter, während wir darüber lachen – eine wirklich heimische Mischung aus Schauer, Satire und Schiefergas, das wir nie hatten.

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