Österreich verarmt, Reformen erst ab 2027

Es ist ein sonderbares Schauspiel, das sich derzeit in der Alpenrepublik abspielt: Während die Zahl der Sozialhilfeempfänger wie ein unaufhaltsamer Gletscher stetig anwächst – 205.781 Seelen, um genau zu sein, ein Plus von fünf Prozent, und das alles noch vor der endgültigen Verarmung, die man für 2027 prognostiziert hat –, thronen die Kammern in ihrer unerschütterlichen Pracht und der ORF strahlt unverdrossen von der Mattscheibe. Man könnte fast meinen, Österreich sei ein Land, das aus dem 19. Jahrhundert direkt in eine Zukunftskonferenz für Körperschaften und öffentlich-rechtliche Medien gesprungen sei, wobei die einfachen Bürger die Hauptrolle in einem Drama spielen, dessen Ausgang man nur mit Bedauern erwarten kann. Wien, die Hauptstadt der Schöngeister und der Geldsäcke, ist zugleich das Epizentrum dieser sozialen Explosion: Sie beherbergt nicht nur 70 Prozent aller Sozialhilfeempfänger, sondern auch die illustre Mischung aus teuren Cafés, Designerläden und Betonpalästen, in denen die Entscheidungen für Reformen getroffen werden, die erst 2027 greifen sollen. Ein Timing, das man fast als künstlerische Freiheit interpretieren könnte, wäre es nicht tragisch in seiner sozialen Tragweite.

Kinderarmut: Das ungelöste Rätsel

Doch besonders bitter schmeckt die Statistik, wenn man die Kinder betrachtet. 37 Prozent aller Sozialhilfeempfänger sind Kinder – eine Zahl, die so erschreckend wie ein Buchtitel von Kafka ist. Diese jungen Menschen wachsen in einem System auf, das sie, nach dem alten österreichischen Prinzip der „geduldigen Verwaltung“, zunächst zu beobachten, dann zu dokumentieren und schließlich, irgendwann nach Jahren der Verzögerung, vielleicht zu unterstützen gedenkt. Ihre Bildungsbiografien werden durch Armut geprägt, ihre Chancen auf eine Gymnasialbildung auf dem Altar bürokratischer Langsamkeit geopfert. Die Gesellschaft schaut zu, als handele es sich um eine Naturkatastrophe, die man höchstens fotografieren kann, aber deren Folgen man keinesfalls verhindern sollte. Dass Kinderarmut langfristig soziale und ökonomische Kosten verursacht, ist eine Beobachtung, die in Österreichs Ministerien als „bekannt, aber derzeit nicht prioritätswürdig“ gilt – ein Euphemismus, der die Realität auf das Niveau eines Schlagzeilen-Versprechens reduziert.

TIP:  Die Maskerade der Tugend

Reformen verschoben: 2027 als heiliger Gral

Derweil sind die Reformen, die diesen Zustand verbessern könnten, in einer Zeitkapsel eingeschlossen, datiert auf 2027. Bis dahin darf die Gesellschaft als stiller Beobachter fungieren, während die Armen in die Statistik hineinwachsen und der Staat die sozialen Spannungen sammelt wie ein Kunstsammler seine Werke. In der Zwischenzeit gedeihen die Kammern prächtig, ihre Mitgliederzahl stabil, die Beiträge gesichert, die Einnahmen fließen wie ein stetiger Strom aus Mitgliedsbeiträgen, der den Anschein erweckt, als ob Österreich auf einem anderen Planeten existiere – einem Planeten, auf dem Sozialpolitik auf einem späteren Kalenderblatt vermerkt ist. Und der ORF, dieser unerschütterliche Wächter der Fernsehlandschaft, liefert täglich das beruhigende Bild einer funktionierenden Medienwelt, während draußen die Kinderarmut wächst und die Sozialhilfeempfängerlisten länger werden.

Satire als letzte Zuflucht

Man könnte nun lachen über die groteske Diskrepanz zwischen prosperierenden Institutionen und verarmender Bevölkerung, aber das Lachen wird bitter, wenn man die Zahlen liest, die Gesichter der Kinder vor Augen hat und die Jahre bis zur Reform abzählt. Die Satire hier ist kein bloßes Mittel der Unterhaltung, sondern ein Rettungsring für die intellektuelle Selbstverteidigung gegen eine Realität, die sich jeder simplen Erklärung entzieht. Österreich, das Land der Berge, der Mozartkugeln und der beharrlichen Reformverschiebungen, steht am Rande einer sozialen Schieflage, während seine bürokratischen Apparate glänzen wie polierte Lederstiefel in einer Kabinettssitzung. Wer in dieser Geschichte den Humor verliert, verliert zugleich die Fähigkeit, das Offensichtliche noch zu sehen: dass ein Land, das seine Kinder in Armut wachsen lässt, erst dann reagiert, wenn die Statistik selbst schon verzweifelt nach Rettung ruft.

Please follow and like us:
Pin Share