Österreich zwischen Kippa und Kufiyah

Österreich meldet „erhöhte Terrorgefahr, Stufe 4 von 5“. Man könnte es als statistische Fußnote abtun, als Nachricht zwischen Wetterbericht und Verkehrsmeldung. Doch für diejenigen, die gezwungen sind, jüdische Einrichtungen zu betreten, ist es eine ganz andere Dimension: Maschinengewehre in den Händen von Polizisten, deren Gesichtsausdruck irgendwo zwischen professioneller Langeweile und subtiler Panik schwankt. Die Synagogen sind keine Häuser des Gebets mehr, sondern kasernierte Inseln in einem urbanen Ozean aus Gleichgültigkeit und unterschwelliger Angst. Das tägliche Leben verwandelt sich in eine Art morbides Ritual: vorsichtig die Straße überqueren, den Blick senken, immer beobachten, immer abwägen.

Es ist beinahe komisch, könnte man meinen, würde es nicht so verdammt tragisch sein: Während der Schutz für jüdische Einrichtungen in den Himmel geschraubt wird, kann man in den Straßen Wiens völlig ungestört durch die Innenstadt schlendern, ein T-Shirt tragen, auf dem Palästina zu sehen ist – ohne Israel, versteht sich –, eine Kufiyah wie ein modisches Accessoire um die Schultern drapiert, die Palästina-Fahne wie eine lässige Umhangvariante. Niemand fragt nach der Absicht, niemand meldet ein verdächtiges Verhalten. Es ist ein urbanes Freiluftlaboratorium für das Prinzip der Doppelmoral.

Der Davidstern als Provokation

Der wahre Triumph der absurden Sicherheitslogik zeigt sich jedoch, wenn man die Perspektive wechselt. Der Spaziergang mit einem Davidstern um den Hals wird nicht nur zur sportlichen Herausforderung, sondern zur Frage des Überlebensinstinkts: Helm oder Kippa? Man könnte fast eine Boulevardzeitung gründen: „Mode und Sicherheit – was tragen Wieners Juden heute?“ Und währenddessen murmeln Politiker, Intellektuelle und all jene, die sich für moralisch überlegen halten, von „Einzelfällen“ und der „Religion des Friedens“. Nur zur Erinnerung: Wenn eine Ideologie in der Lage ist, systematisch Gewalt zu legitimieren, dann hilft weder das Schulterzucken noch das Lippenbekenntnis zur Toleranz. Aber wir leben in einer Ära, in der es viel leichter ist, abstrakte Empörung über einen Tweet zu zeigen als die offensichtlichen Widersprüche zu benennen, die einem täglich auf den Straßen begegnen.

TIP:  Ist das Demokratie, oder kann das weg?

Die Ideologie als unsichtbares Gesetz

Nur hypothetisch: Könnte es sein, dass die Gewalt gegen Juden, die Anschläge auf Synagogen, die Einschüchterung einzelner Bürgerinnen und Bürger nicht einfach „Einzelfälle“ sind, sondern Manifestationen einer Ideologie, die systematisch Gewalt legitimiert? Natürlich kann man diese Frage nicht öffentlich aussprechen, ohne sofort moralische und politische Empörung zu ernten. Aber die Realität antwortet leise, beharrlich und gnadenlos. Die Sprache der Diplomatie und der politischen Korrektheit ist ein dünner Schleier, der nicht schützt, sondern verschleiert.

Wien als Stillleben der Absurdität

Und so bewegt man sich weiter durch Wien, zwischen patrouillierenden Polizisten, unkritischen Beobachtern, ironischem Lächeln und der stillen Gewissheit, dass die Welt genau so absurd funktioniert, wie man es immer befürchtet hat. Man könnte lachen. Man könnte schreiben. Man könnte hoffen. Doch die Satire bleibt das einzige Ventil, das einem bleibt, und der Zynismus, das stille Begreifen, dass die Gesellschaft in einem Theaterstück gefangen ist, dessen Ende weder gerecht noch moralisch noch verständlich sein wird. Nur unvermeidlich.

Alles andere ist höfliche Lüge.

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