
Vom heiligen Wurstverzicht im Namen der Vielfalt
Gelsenkirchen. Gesamtschule Erle. Am Rand der Republik, im Herzen der Realität. Was einst das Ruhrgebiet war, ist heute ein Spiegel der großen gesellschaftlichen Experimente – und wie jedes gute Experiment beginnt auch dieses mit dem Essen. Oder besser: dem Weglassen davon. Schwein, wohlgemerkt. Ein Tier, dem man in diesen Tagen mit mehr moralischer Empörung begegnet als manchem Despoten.
„Muttis Küche“ übernimmt also die Verpflegung, und Mutti ist jetzt halal. Ein Wort, das für die einen Reinheit bedeutet, für die anderen Rückschritt, für viele aber einfach nur: kein Schnitzel mehr. Die Schule verkündet die Neuigkeit mit der Euphorie eines Werbetextes: Vielfalt! Qualität! Nachschlag! Wasser! Dass man einst mit solchen Versprechen Kolonien errichtete, sei nur am Rande erwähnt.
Der große Gleichmacher: das Ausbluten
Das Tier muss bluten. Komplett. Das ist die Regel, und Regeln machen Gesellschaften. Sie schreiben sich nicht nur in Speisepläne, sondern in Weltbilder. Und Weltbilder, wie wir wissen, sind so etwas wie Religionen ohne Beipackzettel.
Doch keine Sorge: Es handelt sich nicht um eine Islamisierung! Sondern um „Inklusion“. Ein Wort, das in der deutschen Bildungspolitik seit Jahren als Trostpflaster auf jede offene Wunde geklebt wird. „Inklusiv“ bedeutet neuerdings, dass alle das essen, was einige dürfen – und nicht mehr das, was alle könnten. Die Frage, wer hier eigentlich wen inkludiert, bleibt wie der Schweinebraten: außen vor.
Schweine raus, Vielfalt rein – die neue Küchenethik
Früher hatte man Prinzipien. Heute hat man Profile. Und die Gesamtschule Erle möchte offenbar ein besonders buntes: diversitätssensibel, klimafreundlich, halal. Die Schulkantine als moralische Wetterstation. Nur dass hier nicht das Wetter wechselt, sondern der Ethos: Wo einst der Hausmeister mit der Fleischwurst die Maßlatte war, wird heute das Schaf geschächtet – ach nein, natürlich: nach allen Regeln der „Verfahrensethik unter Berücksichtigung religiöser Normativität“.
Wichtig sei, so betont die Schule, dass sich niemand ausgeschlossen fühle. Und wer sich ausgeschlossen fühlt, weil er nicht halal will? Tja. Toleranz ist schließlich keine Einbahnstraße. Sie ist ein Verkehrskreisel, in dem man so lange fährt, bis man das richtige Weltbild gefunden hat.
Der Preis der Vielfalt: Uniformität
Wer die Vielfalt will, muss auf Vielfalt verzichten. Klingt paradox, ist aber System. Die neue Kantine ist ein Abbild der großen gesellschaftlichen Vision: Integration durch Verzicht. Die Mehrheit passt sich an, damit die Minderheit nicht aneckt. Ein Schweinswürstchen wäre da schließlich schon fast ein diplomatischer Zwischenfall.
Man stelle sich vor: ein einsames Würstchen in der Auslage. Es würde Blicke provozieren, Diskussionen auslösen, vielleicht sogar ein Leserbrief in der Lokalzeitung. Man käme nicht mehr zur Ruhe. Viel einfacher, man lässt es einfach weg. Das ist nicht nur konfliktvermeidend, sondern auch kalorienarm.
Moral mit Soße – und veganer Alternative
Dass es täglich auch vegetarische Alternativen gibt, ist ein Trost. Für jene, die mit dem Fleisch ohnehin hadern. Für die anderen bleibt die Nudelbar – ein kulinarisches Äquivalent zur Neutralität: fade, ungefährlich, völlig unpolitisch.
Doch selbst die Salatbar ist nicht mehr frei von Ideologie. Wo früher Tomaten lagen, liegt heute „gelebte Toleranz“. Wo einst Mais war, ruht nun „Respekt gegenüber religiösen Praktiken“. Das Dressing: eine Vinaigrette aus schlechtem Gewissen und sozialpädagogischem Zwang.
Was bleibt? Die große, kleingekochte Geste
Was also sagt uns dieser Schritt? Er sagt: Es geht nicht ums Essen. Es geht um Haltung. Um die sichtbare Demonstration des guten Willens. Um die performative Abkehr vom Schwein als Symbol der provinziellen Engstirnigkeit. Der neue Speiseplan ist kein Menü – er ist ein Manifest.
Aber Vorsicht: Wer einmal angefangen hat, das Essen zu politisieren, wird bald feststellen, dass der Hunger keine Moral kennt. Schüler, die mit Chicken Nuggets groß wurden, fragen sich nicht, ob das Tier mit Blick nach Mekka fiel. Sie wollen einfach satt werden. Der Rest ist Schweigen.
Nachtrag aus dem Lehrerzimmer
Ein Lehrer mit Hang zum Sarkasmus soll es auf den Punkt gebracht haben:
„Wenn demnächst auch der Unterricht halal wird, bring ich mein eigenes Schulbuch mit.“
Man darf gespannt sein. Bis dahin: Guten Appetit. Oder: Bismillah.