Lieferkettendiktate und Flüssiggasphantasien

Europa im Schwitzkasten des goldenen Wüstensandkönigs

Ein Wüstenwind weht durch die feingliedrigen Ministerbüros Europas. Doch es ist kein heißer Scirocco der Leidenschaft, sondern die kühle Brise diplomatischer Verachtung, auf Briefpapier gedruckt und mit edelster Tinte der Empörung kalligraphiert. Ein Schreiben aus Doha, die Handschrift des heiligen Flüssiggas-Orakels, flattert durch die Gänge der belgischen Verwaltung. Die Botschaft: „Spielt ihr weiter Klimawächter, spielt ihr bald allein.“

Katar, das brave Wüstenreich mit der Geduld eines Kamels im Wüstensand und der Reizschwelle eines gestressten Hahnes im Hühnerstall der globalen Energiepolitik, droht. Nicht etwa mit Bomben, wie man das von allzu postkolonial gefärbten Vorstellungen erwarten könnte. Nein, mit einem noch viel perfideren Schachzug: wirtschaftlicher Vernunft. LNG, das neue Gold in Molekülform, könnte künftig andere Häfen als Zeebrugge anlachen. Es sei denn, die EU krempelt schleunigst ihr moralisches Kleid um, kürzt das grüne Gewissen und zeigt wieder etwas mehr Bauch für fossile Gefühle.

Die Lieferkette – eine Fessel aus Tugend

Die EU, dieser hochmoralische Drahtseilakt auf globaler Bühne, hat sich ein neues Spielzeug geschaffen: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Ein Begriff, der so viel Charme versprüht wie ein Parkverbot in Frakturschrift. Doch was steckt dahinter? Der naive Versuch, Unternehmen zu verpflichten, jenseits der EU-Grenzen nicht länger auf gebückte Rücken und brennende Böden zu bauen. Menschenrechte! Umweltstandards! Verantwortung! Worte, die in den Konzernetagen von QatarEnergy ungefähr denselben Effekt haben wie vegane Poesie in einem Steakhouse.

Katar – jener ölgetränkte Traum aus Glas, Stahl und Menschenrechtsberichten mit Sternchen – sieht sich in seiner natürlichen Ordnung gestört. Die katarischen Gesetze, so verkündet es das Ministerium mit einem aufgesetzten Seufzer der Beleidigung, „kollidieren“ mit den Richtlinien der EU. Kollision, das klingt nach Unfall. Tatsächlich ist es eher ein gezielter Crash-Test mit politischem Beifahrer: „Wenn ihr uns zu sehr auf die Finger schaut, geben wir euch keine Hände mehr.“

Moral auf Ratenzahlung

Dass Katar eine Drohung schickt, klingt zunächst überraschend. Schließlich galt das Emirat bislang als der buddhistische Mönch unter den Gasnationen: stets höflich, schweigsam, zahlungskräftig. Doch wer 2022 mitansehen musste, wie Europa seine Gasleitung nach Russland nicht nur zudrehte, sondern gleich moralisch anzündete, der wusste: Die Marktlücke der „respektablen Diktatur mit Liefertreue“ war geboren.

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Und nun dies: Europa will plötzlich mehr als Moleküle, es will Moral. Eine Pipeline des Gewissens, deren Ventile zwischen „Bio“ und „Buh!“ oszillieren. Kein Wunder, dass Katar sich fragt, ob nicht Indien, China oder gar das energietrunkene Amerika mehr Sinn für partnerschaftliche Amnesie hätten. Während also Brüssel noch an ethisch abbaubaren Paragrafen schnitzt, flirtet Doha längst mit potenten Abnehmern, die nicht wissen wollen, wer den Tanker betankt hat – solange er ankommt.

Zeebrugge, du armes Herz Europas

Der Hafen Zeebrugge, einst Bollwerk europäischer Energiesicherheit, nun potenzieller Geisterterminal. Ein Mahnmal für politische Romantik. Denn wer Lieferverträge wie Eheversprechen behandelt – mit Treue, Hoffnung und gemeinsamen Klimazielen – muss sich nicht wundern, wenn der Ehepartner plötzlich einen Brief mit „Wir müssen reden…“ schickt.

Katar, das ist auch klar, spielt das Spiel nicht allein. Der Brief ist keine Kurzschlussreaktion, sondern Teil eines größeren Dramas: Die Neuordnung der globalen Energiebühne. Wer spielt den tragischen Helden? Wer die nörgelnde Ex? Und wer ist bloß der Praktikant, der den Vertrag von 2019 unterschrieb, ohne auf die Fußnoten zu achten?

Realpolitik unter Methandruck

Europa wollte die Welt verbessern – und hat dabei vergessen, wer den Gasherd heizt. Es ist die klassische Geschichte eines Kontinents, der mit einem Ethikkatalog auf die Party kam, auf der alle anderen längst die CO₂-Korken knallen ließen. Nun droht Katar also damit, seine Flaschen woanders zu entkorken – und Europa bleibt der Kater.

Ein LNG-Lieferstopp hätte Folgen. Nicht nur ökonomisch, sondern auch psychologisch. Denn dann stünde Europa erneut vor dem Spiegel, gezwungen, sich zu fragen: Wollen wir gut sein – oder nur nicht frieren? Die Antwort darauf könnte den Winter 2026 bestimmen. Oder wenigstens den Gaspreis für italienische Pizzerien.

Schlusspunkt mit Augenzwinkern

Natürlich, man könnte auch sagen: Das alles ist nur ein Spiel. Ein diplomatisches Theater, ein Ritual des gegenseitigen Muskelzeigens mit eingebauter Rückfahrkamera. Am Ende, so glaubt der Zyniker, wird Katar weiter liefern – und Europa weiter bestellen. Vielleicht mit etwas weniger Pathos im Gesetzestext und etwas mehr Platz für diplomatische Fußnoten. Vielleicht auch mit der Einsicht, dass eine Welt, in der Energiepolitik mit Ethik verheiratet werden soll, sehr starke Eheringe braucht.

TIP:  Majestätsbeleidigung reloaded

Oder, um es mit einem berühmten europäischen Philosophen zu sagen, der nie ein LNG-Tanker war:

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er wärmen kann.“

Nachtrag:

Sollte Katar wirklich die Lieferungen einstellen, empfiehlt sich ein Vorschlag an die Kommission: Wärmepulloverpflicht für alle, gestrickt aus recycelter Verordnungstreue. Die Nachhaltigkeit wäre gesichert – zumindest moralisch.

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