Krieg der Bilder, Krieg der Begriffe

Der Krieg beginnt immer da, wo es gerade passt

Es ist eine der zuverlässigsten Merkwürdigkeiten unserer Gegenwart: Jeder Krieg beginnt im medialen Rückspiegel. Der 7. Oktober, dieser groteske Feiertag der Barbarei, ist in vielen europäischen Feuilletons gar nicht der Beginn, sondern ein lästiger Einschub, ein störendes Detail, das man möglichst rasch hinter sich bringt, um zum eigentlichen Thema – der israelischen Reaktion – überzugehen. Man kennt das: Wenn ein Haus abbrennt, redet man schließlich lieber über den Wasserschaden durch die Feuerwehr als über den Brandstifter. Die Hamas wusste das. Sie wusste, dass ein Blutbad medienökonomisch nur eine Initialzündung ist, ein Vorspann, damit das große Drama beginnen kann: das Zählen von Toten, die Bilder von Trümmern, das Orchester der Empörung. Israel spielt darin die Rolle des ewigen Bösewichts, gezwungen, sich zu verteidigen, und dabei schuldig werdend, weil es überhaupt noch existiert.

Die Religion als Theatermaske

Die Hamas hält ihre Bevölkerung in Armut, der Iran hält sein Volk in Geiselhaft, und beide halten sich an den Grundsatz jeder erfolgreichen Diktatur: Wenn schon das Brot fehlt, dann wenigstens die Bomben nicht. Man muss zugeben, die PR-Abteilung der Mullahs hat einen ästhetischen Sinn für Doppelmoral. Einerseits Dekrete über die Unislamizität von Atomwaffen, andererseits das eifrige Sammeln von Zentrifugen wie ein deutscher Briefmarkensammler seine Sondereditionen hortet. Das ist kein Widerspruch, sondern das theatrale Prinzip des politischen Islams: „Im Namen Gottes“ sagt sich leichter, wenn man gerade ein paar Dissidenten aufgehängt hat. Religion ist in Teheran inzwischen das, was die Schminke für einen alternden Clown ist – notwendig, damit man die Risse nicht sofort sieht.

Gaza als unterirdisches Disneyland

Man könnte es fast bewundern, wäre es nicht so makaber: Wo andere Staaten U-Bahnen bauen, baut die Hamas Tunnelsysteme. Nicht um den Menschen das Leben zu erleichtern, sondern um das Sterben effizienter zu organisieren. Gaza ist kein Stadtstaat, Gaza ist eine einzige Kaserne, ein gigantisches Panoptikum, in dem die Kinder von morgen schon für den Märtyrertod von übermorgen reserviert sind. Der Unterschied zwischen Wohnhaus und Waffenlager ist nur noch semantisch. In Wahrheit ist Gaza längst keine Geografie mehr, sondern eine Ideologie aus Beton, untertunnelt, verdrahtet, versiegelt. Das Volk dient als menschliches Schutzschild, die internationale Gemeinschaft als Dauerfinanzier, die Hamas als allmächtiger Spielleiter.

TIP:  Ich möchte lösen!

Ganz normale Männer, ganz normale Monster

Wer Browning gelesen hat, kennt das Prinzip: Das Böse braucht keine schwarzen Uniformen, es genügt die Langeweile der Normalität. So wie deutsche Polizeireservisten 1942 Juden massakrierten, so filmten sich Hamas-Terroristen 2023 beim Töten, als wäre es ein Betriebsausflug. Das Abgründige daran: Es ist kein Ausnahmezustand, sondern eine Fortsetzung der Normalität mit anderen Mitteln. Und ja, die Shoah ist einzigartig – aber warum, zum Teufel, erinnert uns die Hamas so unverschämt daran, wenn sie es nicht genau so intendiert? Der rote Winkel auf der palästinensischen Flagge – einst Symbol für politische Gefangene in Nazilagern – prangt nun wieder, nicht als Mahnung, sondern als Drohung.

Die infantile Revolte der Wohlstandsstudenten

Und dann sind da unsere westlichen Universitäten, die sich in eine bizarre Spielwiese der Selbstverblödung verwandelt haben. In Washington darf man „Ab an den Galgen!“ brüllen und sich im Happening-Modus für besonders progressiv halten. In New York skandiert man „Wir sind Hamas“, ohne den leisesten Schimmer, dass Hamas dasselbe Frauenbild pflegt wie der Iran, gegen den dieselben Studenten gestern noch „Frauen, Leben, Freiheit“ skandierten. Aber wer auf TikTok lernt, verwechselt Widersprüche gern mit Ironie. Follower, Influencer, Aktivisten – das klingt so hip. Übersetzt man es in die Sprache der 1930er Jahre, heißt es schlicht: Mitläufer, Agitatoren, Kader. Auch damals war Opportunismus nicht Mode, sondern Methode.

Kunst als Konformitätstraining

Das Oberhausener Kurzfilmfestival wollte nur gegen Antisemitismus aufstehen – und wurde sofort zum Ziel eines internetgestützten Boykotts. Wer differenziert, verliert. Wer Israel als Demokratie bezeichnet, gilt schon als verdächtig. Die Kunst, einst Ort der Subversion, verkommt zum Fitnessstudio der Konformität. Haltung zeigen heißt heute: Haltung gegen Israel. Dass dieselbe Logik eine offene Einladung an den Antisemitismus ist, stört nicht. Denn im esoterischen Politikverständnis unserer Zeit gibt es nur noch Opfer und Täter, und die Rollen sind schon lange vergeben.

TIP:  Alerta, Alerta, sonst Omerta

Die Strategie der Hamas: permanenter Krieg

Die Hamas will keinen Frieden, weil Frieden das Ende ihres Geschäftsmodells wäre. Sie will den Krieg konservieren, wie andere Marmelade einkochen. Jeder tote Zivilist ist für sie keine Tragödie, sondern eine Pressemitteilung. Jeder zerstörte Straßenzug ein Titelbild. Israel wird so gezwungen, sich für sein bloßes Überleben zu entschuldigen. Und Europa, moralisch erpicht auf Opferästhetik, spielt willig mit. Am Ende bleibt das, was Thomas Mann über den Nationalsozialismus sagte: Er habe „alles Deutsche für die Welt unerträglich gemacht“. Die Hamas verfolgt das gleiche Ziel – nur mit Israel.

Ohne Israel keine Welt

Paul Celan schrieb 1969: „Ich kann mir die Welt ohne Israel nicht vorstellen.“ Und genau darum geht es. Die Hamas möchte, dass wir uns diese Welt vorstellen – eine Welt ohne Israel, ohne Juden, ohne Differenzierung, ohne Erinnerung. Und vielleicht ist das der wahre Skandal unserer Zeit: dass ein Teil des Westens so willig dabei hilft, dieses Gedankenspiel durchzuspielen. Nicht aus Überzeugung, sondern aus jener bequemen Dummheit, die sich für moralische Tiefe hält.

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