
Es war ein kalter, trüber Wintermorgen, als die ersten Trompetenstöße der Apokalypse durch das Land hallten – und als hätte sich der Schnee auf den grauen Dächern der Städte nur ein weiteres Mal in trübe, trostlose Massen verwandelt, so schwand die Erkenntnis, dass wir uns auf dem besten Weg in die politische Katastrophe befanden, wie ein verschrecktes Tier in den Wald. Wir stehen also vor einer Stunde der Wahrheit, der Stunde der politischen Mündung: Der Aufstieg der FPÖ – einer Partei, die nicht nur im Land, sondern auch in der politischen Landschaft Europas ihre hässliche Fratze längst enthüllt hat, doch die Bürger, diese ach so aufrechten Kritiker der Demokratie, verschließen erneut die Augen. Warum? Weil es einfacher ist. Einfacher, als sich der unbehaglichen Wahrheit zu stellen, dass die Demokratie eben keine Garantie für unangefochtene Freiheit und Wohlstand ist. In dieser Gesellschaft, die stets den bequemeren Weg wählt, wird jede noch so dringliche Warnung als „Übertreibung“ oder „Hysterie“ abgetan.
Die Alarmglocken des Verfalls – und es sind nicht nur die finsteren Rufe von intellektuellen Leuchttürmen, die den Untergang proklamieren – läuten seit Jahren. Doch wie der Dämmerungshimmel am frühen Morgen die Welt nur mit schwachem Licht beglitten hat, so verblassen diese Warnungen im trüben Licht der Medien und der öffentlichen Diskussion, die es geschickt vermögen, jede noch so ernste Gefahr in eine Karikatur der Vernunft umzuwandeln. Es gibt nichts zu fürchten, sagt der Populist, er habe nur die Stimme des Volkes im Blick, und damit die eines Teils der Bevölkerung, der – vor allem in dieser vom Selbsthass geprägten Zeit – nichts mehr fürchtet, als für seine naiven, unschuldigen und von der Politik betrogenen Vorfahren als dumm und desinteressiert hingestellt zu werden. Es ist die Einfachheit des „Volkes“ im Denken, die den politischen Diskurs mit der Schärfe eines Messers durchschneidet – oder besser gesagt, durchschneidet, ohne dass wir überhaupt bemerken, dass es uns die Kehle aufgeschlitzt hat.
Der Schwund der intellektuellen Rüstung
Da ist er also, der politische Wahnsinn, und wir alle fragen uns: Wie konnte es so weit kommen? Die Antwort liegt tief verborgen in der Neigung der Gesellschaft, jede ernsthafte Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Problemen der Demokratie als Übertreibung abzutun. Es ist der Schwund der intellektuellen Rüstung, der uns in den politischen Schlamassel geführt hat. Die Gesellschaft ist zu bequem geworden, zu bequem, um sich den lästigen Fragen nach der politischen Verantwortung zu stellen, und damit die vorgefertigten Meinungen in den sozialen Medien zu hinterfragen. Und was dabei herauskommt? Ein immer weiter wachsender Nährboden für politische Manipulationen, in denen Populisten nicht etwa die Wahrheit, sondern die persönliche Wahrnehmung zur höchsten Instanz erheben.
Die FPÖ als solche ist nicht einfach nur eine Partei. Nein, sie ist ein Phänomen. Sie ist der Virus, den wir, stets sicher in unserem Wohlstand und der vermeintlichen Freiheit, über Jahrzehnte hinweg genährt haben. Sie ist der gefährliche, weil besonders geschickt getarnte Organismus, der nun die Zellen des politischen Systems durchdringt, mit dem Ziel, sich das System von innen heraus einzuverleiben. Es ist keine Frage mehr, ob die FPÖ die nächste Regierung führen wird – nein, es ist eine Frage des „Wann“. Die Frage „Woran erkennen wir den Moment?“ dürfte nur die jüngsten Verzweifler interessieren, die sich noch auf die fortbestehende Hoffnung eines unerwarteten, überraschenden Umschwungs berufen. Aber auch der „Umschwung“ – dieser nostalgische Gedanke an die Unmöglichkeit der politischen Katastrophe – wird sich als die größte Illusion der letzten Jahre herausstellen.
Der Fall der Vernunft
Es ist erstaunlich, wie die massenhaft verbreitete Dummheit den politischen Diskurs bestimmt und ihn von Grund auf verfälscht hat. So wird es für immer weniger Menschen zur Herausforderung, selbst zu erkennen, was es bedeutet, einen kritischen Standpunkt einzunehmen und sich gegen die Fälschungen der öffentlichen Debatte zu wehren. Der Fall der Vernunft, wenn wir es so nennen wollen, ist zugleich ein Triumph der Simplifizierung. Wer heute eine qualifizierte Meinung äußert, der wird schnell als „elitär“ und abgehoben abgestempelt. Wer differenziert und hinterfragt, der trägt ein Etikett, das mit dem Stempel der „Hochmütigkeit“ versehen ist. Und genau diese Angst vor der Differenz und vor der Infragestellung führt dazu, dass eine breite Schicht der Bevölkerung auf einfache Antworten zurückgreift, die das populistische Angebot zu bieten hat. Ein Angebot, das nicht nur unreflektiert ist, sondern auch noch die moralische Integrität der Gesellschaft in Mitleidenschaft zieht.
Die FPÖ als Vertreterin dieser simplifizierten, einheitlichen Antwort auf komplexe politische Fragen hat einen bemerkenswerten Erfolg darin erzielt, die Widersprüche der Gesellschaft zu spiegeln. So präsentiert sie sich nicht nur als „Gegner des Systems“, sondern auch als Verfechter einer vermeintlichen „Einheit“ und „Reinheit“, die die Verhältnisse der Gesellschaft von innen heraus aufräumen wird. Ein Versprechen, das in der politischen Geschichte stets verführerisch und zugleich katastrophal war. Doch die Masse nimmt das Angebot an, nicht als Lösung für konkrete Probleme, sondern als Bekundung einer kollektiven Wut, die niemand so wirklich zu bändigen weiß.
Der Drang nach Entschuldigung: Politik als Selbstaufgabe
Der wahre Zynismus des Aufstiegs der FPÖ liegt nicht nur in der unaufhaltsamen Zerstörung der politischen Vernunft, sondern vor allem in der Tatsache, dass diese Partei ein Spektakel der Selbstaufgabe inszeniert. Sie nutzt die Ängste und Unsicherheiten der Menschen aus, um eine politische Szene zu schaffen, die keinerlei echte Lösungen bietet, sondern lediglich dem Wunsch nach Vereinfachung und Entschuldigung nachgibt. Was ist es anderes als eine politische Selbstaufgabe, wenn die Antworten auf die Fragen der Gegenwart so gefährlich und leer sind? Wenn man Menschen mit der „Rückkehr zu den guten alten Zeiten“ tröstet, anstatt sie auf die Risiken der Zukunft vorzubereiten?
Und so läuft die Maschinerie weiter, und der unerbittliche Sog der simplen Antworten zieht uns immer weiter in die Tiefe der Verzweiflung. Und dann, eines Tages – vielleicht, wenn es schon zu spät ist – fragen wir uns: „Warum haben wir nicht gehört?“ Doch auch dann wird die Antwort keine größere Bedeutung mehr haben, als die Tatsache, dass es zu spät ist, uns vor dem Elend zu retten, das die FPÖ längst zum Mainstream gemacht hat.
Das traurige Ende einer Nation
Am Ende bleiben nur die Fragen: Ist das noch die Gesellschaft, die wir kannten? Wo sind die Denker, die Mahner, die kritischen Stimmen geblieben? Warum haben wir uns selbst in diese Lage gebracht? Die Antwort ist in gewisser Weise eine der schmerzhaften Selbsterkenntnis. Vielleicht sind wir diejenigen, die uns zugrunde gerichtet haben. Und vielleicht gibt es auch in dieser düsteren Aussicht ein Element des Stolzes, denn wir sind es, die durch unsere Stille und unsere Ignoranz diesen bitteren Triumph einer Politik der Lügen und des Opportunismus zugelassen haben.
Es gibt keine Rettung in Sicht. Aber immerhin bleibt uns der Trost, dass wir, so wie es immer war, zu spät kommen werden – und es dann trotzdem nie einen wirklichen Unterschied gemacht hat.