I. Prolog: Die endlose Reprise
Man möchte glauben, Geschichte sei linear, dass ein Ereignis logisch auf das vorherige folgt, dass Ursachen und Wirkungen klar erkennbar sind, dass man aus ihr lernen könnte, und dann stößt man auf den Nahen Osten, auf Israel, auf Palästina, auf hundert Jahre Zyklen, die sich wiederholen, in denen Israel angegriffen wird, Israel sich verteidigt, Israel gewinnt, die Angreifer verlieren, und dennoch triumphiert die Ideologie der Selbstzerstörung, in der Niederlagen gefeiert, Opfermythen erfunden und Moral verdreht werden, während die Welt, die glaubt, neutral zu beobachten, in Wirklichkeit nur applaudiert, weil Pathos befriedigt, und man beginnt zu verstehen, dass hier nicht Geschichte geschrieben wird, sondern eine Tragikomödie, in der das Drama sich selbst genüsslich wiederholt, wie ein Theaterstück, das seine eigene Pointe kennt, bevor die Zuschauer es verstehen.
Es ist fast, als hätte die Zeit einen schlechten Geschmack, als sei der Zyklus programmiert, um endlos dasselbe Szenario abzuspielen: Angriff, Verteidigung, Sieg, Verlust, moralische Verdrehung. Und dennoch – vielleicht gerade deswegen – existiert Israel immer noch, wie ein Fels in einem Sturm von wiederholten Ideologien, Niederlagen und Illusionen, der nicht nachgibt, weil Überleben eine Pflicht ist, nicht nur ein Instinkt.
II. Amin al-Husseini: Prophet der Unvernunft
Amin al-Husseini, der Großmufti, erkannte früh, dass Kompromiss gefährlich, Frieden ein Verrat, Realität eine lästige Formalität ist, und er entwickelte eine Schule, die nicht an menschlichen Errungenschaften, an Kultur oder Lebensschutz interessiert war, sondern an der Fähigkeit, Konflikte zu beginnen, zu verlieren und Niederlagen als moralische Triumphe zu inszenieren.
Man kann sich vorstellen, wie kleine Schüler in seinen Versammlungen saßen, ehrfürchtig, lernend, dass jede Kooperation ein Verbrechen sei, jede Anerkennung einer anderen Existenz ein Verrat, dass man nicht überleben, sondern scheitern müsse, und aus dem Scheitern eine Erzählung spinnen, die die Welt täuscht. Die Generationen nach ihm perfektionierten dieses Ritual: eine Kunstform, in der Niederlagen und Selbstzerstörung zur zentralen Leitlinie werden, moralische Verantwortung vertauscht und Opfermythen institutionalisiert.
Anmerkung am Rande: Es ist beinahe ironisch, dass diese „Lehre“ über Überzeugung und Starrsinn die einzige Konstante war, während Länder, Armeen, internationale Institutionen kamen und gingen, Pläne schmiedeten, Waffen lieferten und Verträge unterzeichneten – und doch blieb der Kern derselbe: Kompromissverweigerung als Lebensprinzip.
III. 1936–1948: Revolte, Bürgerkrieg, Unabhängigkeit
Die Arabische Revolte von 1936 war ein Lehrstück der Selbstzerstörung: Massaker an jüdischer Bevölkerung, Angriffe auf Briten, Chaos, Niederlagen, alles stilisiert als heroischer Widerstand. Historiker können hier nur staunen: die Konsequenz, mit der eine Bewegung ihr eigenes Scheitern inszenierte, ist bemerkenswert – wenn auch tragisch.
1947 und 1948 wiederholt sich das Muster: Bürgerkrieg, Terrorkampagnen, das Ziel, die Gründung Israels zu verhindern, und die Hagana reagiert mit dem, was man nur als militärisches Genie bezeichnen kann, strategische Präzision aus der Not geboren. Sechs arabische Armeen marschieren ein – eine nach der anderen wird besiegt. Die Niederlage wird inszeniert, die Flucht mythisiert, und die moralische Pointe bleibt unverändert: wer Vernichtung beginnt, verliert, immer wieder, und stilisiert Niederlagen zu Mythen.
Mini-Anekdote: Ein alter britischer Offizier, der diese Jahre dokumentierte, notierte trocken in sein Tagebuch: „Es ist erstaunlich, wie viele Male dieselbe Niederlage gefeiert werden kann.“ Ironie der Geschichte: Er hätte es nicht sarkastischer formulieren können.
IV. 1950er–1970er: Das Ritual der Eskalation
Fedayeen-Angriffe, Sechstagekrieg, Jom-Kippur-Krieg – derselbe Zyklus: Israel wird überfallen, Israel verteidigt sich, Israel siegt. Die Angreifer verlieren, stilisieren ihr Scheitern als heroischen Widerstand, moralischen Triumph, Gerechtigkeit gegen einen Aggressor, während die Welt applaudiert und nickt, weil Pathos befriedigt.
Die Ideologie des Scheiterns wird hier fast zu einer Kunstform: Niederlagen werden zur Grundlage neuer Gewalt, Opfermythen institutionalisiert, moralische Verantwortung verdreht. Israel, gezwungen, zu überleben, entwickelt Strategie, Moral, Präzision – der Kontrast könnte kaum deutlicher sein.
Poetischer Einschub: Man könnte sagen, dass jeder Krieg wie ein Spiegel ist, in dem die Täter ihre eigenen Illusionen sehen, und die Opfer das unzerstörbare Licht der Realität, das sich durch jede Eskalation drängt.
V. Nach Oslo: Frieden sabotiert, Selbstzerstörung institutionalisiert
Der Oslo-Prozess: eine historische Chance, die größte seit der Staatsgründung. Und doch: die zweite Intifada, Terrorismus gegen Zivilisten, die sofortige Übernahme Gazas durch die Hamas, Raketen, Gewalt, die sofortige Eskalation. Jede Chance auf Frieden wird als Verrat gesehen, jede Verteidigung als Aggression interpretiert, und der Zyklus wiederholt sich wie ein musikalisches Thema, dessen Fuge niemals endet, während die Welt nur die Reprise hört, applaudiert, nickt, die Ursachen ignoriert.
Nebenbemerkung: Wer glaubt, dass Politik hier eine rationale Wissenschaft sei, hat die Poesie der Zerstörung nicht verstanden.
VI. 2008–2014: Gaza – die antike Tragödie der Moderne
Raketen, Operationen, Gegenmaßnahmen: jede Eskalation wiederholt die vorherige, jede Reaktion Israels wird kritisiert, Ursachen ignoriert, Opfermythos gefeiert. Tragödie ritualisiert, moralische Verantwortung verdreht, Täter als Opfer, Verteidigte als Aggressoren. Die Realität wird zu einer Geschichte, die das Bewusstsein überlistet, den Zyklus wie ein Naturgesetz erscheinen lässt.
Mini-Anekdote: Ein Soldat erinnert sich Jahre später: „Manchmal fragte ich mich, ob wir nicht einfach nur Teil eines Theaterstücks sind, dessen Autoren lange tot sind, und wir spielen die Szenen nach, weil niemand die Regie übernommen hat.“
VII. 7. Oktober 2023: Das dunkle Finale
Am 7. Oktober 2023 geschah der bislang brutalste Angriff: Hamas-Angriffe auf israelische Zivilisten, hunderte Tote, Entführungen, Schrecken, methodisch geplant, präzise durchgeführt. Die Region geriet erneut in Brand – von Gaza über Libanon bis Syrien, Irak, Jemen. Israel reagierte militärisch, nicht aus Rache, sondern aus Überlebensnotwendigkeit. Zwei Jahre harter Kampf führten zur Zerschlagung der Angreifer.
Poetischer Einschub: Der Zyklus der Gewalt, der sich über ein Jahrhundert erstreckt, kulminierte an diesem Tag in einer grotesken Symphonie aus Tod, Schrecken und Überlebenswillen, die jeden Betrachter zwingt, die Lektion zu verstehen: Wer Vernichtung plant, verliert, und wer überlebt, verteidigt nicht nur Land, sondern Moral, Existenz und Zukunft.
VIII. Täter als Opfer: Die moralische Verdrehung als Ideologie
Dürrenmatt: „Den Juden gegenüber hat sich die Welt nicht verändert, verändert haben sich nur die Begründungen.“ Heute heißt das: Antizionist statt Antisemit, Aggression als Verständnis, Täter als Opfer, Verteidigung als Aggression. Hundert Jahre derselbe Zyklus, moralisch verdreht, historisch verschoben, Selbstzerstörung als Ideologie, Niederlagen als Pathos, Opfermythos als Rechtfertigung für weitere Gewalt.
Rhetorische Schleife: Und die Welt schaut zu, nickt, applaudiert, weil Pathos befriedigt, während Geschichte, Moral und Realität durch den Strudel von Lügen, Illusionen und Wiederholungen gezogen werden – ein Strudel, aus dem nur Überleben herausführt.
IX. Epilog: Überleben ist Pflicht, Verteidigung ist Recht
Hundert Jahre Krieg, hundert Jahre Niederlagen, hundert Jahre Eskalation – und Israel existiert. Nicht weil es Machtspiele gewann, sondern weil Überleben zur moralischen Pflicht wurde; wer hundert Jahre Vernichtung beginnt und immer verliert, ist Täter; wer verteidigt und überlebt, ist moralischer Zeuge. Das 7. Oktober 2023 erinnert an die Schmalheit des Gratwegs zwischen Zivilisation und Anarchie, an die Brutalität ideologischer Wiederholung, die Notwendigkeit von Selbstverteidigung. Hundert Jahre Lehren, ein neues Trauma, und doch: Wer Frieden will, muss ihn verteidigen, wer Krieg beginnt, wird ihn verlieren. Geschichte, Moral, Strategie, menschliche Tragik – ein dichter Strudel, in dem Verteidigung kein Verbrechen, Überleben kein Zufall, Frieden aber nur möglich ist, wenn man bereit ist, ihn zu verteidigen.