
Die illustre Choreografie des Chaos
Man stelle sich Gaza nicht als Landkarte vor, sondern als überdimensioniertes Schachbrett, auf dem Figuren nicht nach den Regeln der Logik, sondern nach den Launen der Gewalt tanzen. Die Hamas, dieser von jedem moralischen Scharnier gelöster Akteur, hat jüngst wieder ihre Marionettenseile fest in die Hand genommen und rund 7.000 Angehörige der Sicherheitskräfte abberufen – ein süffisanter Hinweis darauf, dass Demokratie hier nur ein ferner, witzloser Witz ist. Per Telefon und SMS, dem modernen Äquivalent des Trommelsignals vergangener Kriegszeiten, rief man die Truppen zusammen, um „Gaza von Gesetzlosen und Kollaborateuren Israels“ zu säubern. Dabei ist die Botschaft so schlicht wie brutal: Meldet euch binnen 24 Stunden oder ihr seid das nächste Drama in einer endlosen Soap namens Gazastreifen.
Es ist ein Schauspiel, das zwischen Militärprotokoll und Improvisation pendelt, gespickt mit Zynismus und bitterem Humor. Die neuen Gouverneure, alle Veteranen militärischer Brigaden, stehen bereit wie Schachfiguren, die auf das nächste Unwetter warten. Ob sie im zivilen Mantel oder in der blauen Uniform der Polizei erscheinen, ist irrelevant – die Uniformen sind ohnehin nur Maskerade in einem endlosen Theater der Machtspiele.
Blut auf Asphalt: Familientragödien und Clan-Krimis
Die jüngste Eskalation durch den Dughmush-Clan, der zwei Elitesoldaten der Hamas erschoss – einer Sohn des hochrangigen Kommandanten Imad Aqel – liest sich wie ein tragikomischer Thriller. Ihre Leichen auf der Straße zurückgelassen, wie ungeladene Gäste auf einer schäbigen Party, erzeugt eine Welle der Empörung, die nur durch die nächsten, unausweichlichen Gewalttaten kanalisiert werden kann. Was folgt, ist ein groteskes, fast schon operettenhaftes Katz-und-Maus-Spiel: die Hamas umzingelt ein Gebiet, bewaffnet mit Maschinengewehren, improvisiertem Sprengstoff und der unerschütterlichen Gewissheit, dass Gewalt nicht nur Mittel, sondern Selbstzweck ist.
Das System hat seine eigene Logik: Einige Waffen stammen aus Raubzügen während des Krieges, andere waren seit Jahren in Clan-Hand, als hätten sie ihre eigene Biografie, die darauf wartet, ins Narrativ des Konflikts eingewoben zu werden. Hier verschmelzen die Begriffe von Recht und Rache, Ordnung und Anarchie, zu einer einzigen, flirrenden Realität, in der die Grenze zwischen Held und Schurkenfigur fließend ist.
Waffen, Angst und das perfekte Rezept für Bürgerkrieg
Es ist, wie Khalil Abu Shammala so nüchtern konstatiert: Gaza ist überschwemmt von Waffen. Frustration, Chaos, politische Intrigen, verzweifelte Machtspiele – die Zutaten für ein Theater, das jede Tragikomödie in den Schatten stellt. Inmitten all dessen steht die Hamas, gefangen zwischen dem Druck, sich dem Friedensplan Donald Trumps zu beugen, und dem inneren Zwang, ihre eigene Relevanz durch Gewalt zu behaupten. Man könnte fast meinen, die Hamas sehe in jeder Waffenexplosion, in jedem Schuss, ein groteskes Manifest ihrer eigenen Existenzberechtigung.
Die Bevölkerung? Sie ist das Publikum, dem man das Popcorn aus der Hand schlägt, während der nächste Akt der Gewalt beginnt. Zwei Jahre Krieg haben Spuren hinterlassen, aber keine Einsicht gebracht. Und so marschiert man weiter auf einem Pfad, der in Abgründe führt, die jeder Beschreibung spotten. Jede neue Nachricht, jede SMS-Mobilisierung ist ein Vorhang, der sich hebt, um eine weitere Szene dieser dunklen Oper zu enthüllen.
Die Tragik des Komischen: Kontrolle als Selbstzweck
Was am meisten zynisch fasziniert, ist die Logik, mit der hier Macht inszeniert wird. Die Hamas behauptet, sie kämpfe um Ordnung, aber in Wahrheit kämpft sie um die Dramaturgie des eigenen Mythos: ohne Waffen, ohne Gewalt, ohne die ständige Bedrohung wäre die Bewegung nur noch ein geisterhaftes Büro, das darauf wartet, von der Geschichte übersehen zu werden. „Unsere Waffen sind legitim“, sagt man, während man bewaffnete Männer in ziviler Kleidung durch zerstörte Straßen schickt. Legitim wie der Humor in einem schwarzen Satirefilm: man lacht, während man den Atem anhält.
Jeder neue Gouverneur, jede neue Razzia, jedes Blutopfer ist Teil eines grotesken Tanzes, in dem niemand sicher ist, außer dem Chaos selbst. Die Satire des Alltags wird hier zum Überlebensinstinkt: Man lacht über das Absurde, um das Grausame zu ertragen. Und so bleibt Gaza in einer Schleife gefangen, in der Ordnung und Gewalt ununterscheidbar verschmelzen, und die Welt, die zusieht, kann nur staunen – oder weinen.