Gesinnung statt Spannung – Wie der „Tatort“ zur sonntäglichen Umerziehung mutierte

Prolog im Meinungskorsett: Wenn das Böse immer eine Glatze trägt

Es war einmal, an einem Sonntagabend, zwischen dem dritten Rotwein und dem letzten Stück Tiefkühlpizza, als das deutsche Fernsehvolk sich einig war: Jetzt ist aber endlich Tatort-Zeit! Ein bisschen Morden, ein bisschen Ermitteln, ein bisschen latent miefige Vorabendmelancholie – das Ritual, das selbst Atheisten eine Ahnung vom sonntäglichen Gottesdienst vermittelte. Doch mittlerweile flimmert kein Krimi mehr über die Bildschirme. Stattdessen läuft ein staatlich abgesegneter Erziehungsfilm mit Krimiverkleidung – irgendwo zwischen Sendung mit der Maus für Erwachsene und einem schlecht getarnten Propagandastreifen der postmodernen Tugendwächter. Willkommen in der neuen Sonntagsschule der ARD, wo der Täter stets das Falsche wählt – und zwar ideologisch.

Die neue Dramaturgie: Täter rechts, Opfer divers

Wer heutzutage einen „Tatort“ einschaltet, darf sich auf verlässliche Drehbuchkonventionen freuen, so sicher wie das Amen in der Kirche der Haltung: Der Täter ist – Überraschung! – männlich, weiß, mittelalt, Unternehmer oder alternativ wahlweise AfD-Wähler, Burschenschaftler oder Vater dreier Kinder mit einem zu festen Handschlag. Das Opfer hingegen hat einen Migrationshintergrund, lebt vegan, ist queer oder zumindest marginalisiert genug, um mit moralischem VIP-Status ausgestattet zu sein. Willkommen im Moral-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Fakten, Motive, logische Zusammenhänge? Nebensache. Was zählt, ist die Gesinnung – am besten im moralischen Streichelzoo zur Primetime.

Die Requisite ist entsprechend angepasst: Die Villa des Kapitalisten tropft vor kaltem Chic und ideologischem Schimmel, während die Unterkunft des Geflüchteten zwar baufällig, aber mit warmer Menschlichkeit durchflutet ist. Die Kommissare nicken verständnisvoll, wenn Opfergruppen sprechen, und blicken angewidert, wenn der rechtschaffene Mittelständler versucht, seine Sicht zu schildern. Wer das „falsche“ Weltbild vertritt, hat im Drehbuch sowieso keine Chance auf Menschlichkeit. Differenzierung ist halt ein Privileg der Guten.

Florian Hager und die Demokratiestiftung per Drehbuch

ARD-Intendant Florian Hager, ansonsten vor allem bekannt durch seine photogen-ernste Stirnfalte und das Talent, pädagogische Floskeln in Statements zu pressen wie ein Kantinenkoch das Sojaschnitzel, sieht den Tatort als „demokratiestiftendes Format“. Eine Aussage, so vollendet kafkaesk, dass man unweigerlich an die Zeit denkt, als öffentlich-rechtliche Sender noch Sendungen machten – und nicht Bekenntnisse.

TIP:  Von der heiligen Empörung zur heiligen Einfalt

Was genau gestiftet werden soll, bleibt allerdings offen. Demokratie? Oder eher ein Meinungsbiotop, in dem nur gedeiht, was im Diversity-Kosmos als fruchtbar gilt? Die Pluralität der Perspektiven weicht einer ideologischen Einfalt: Wer vom Skript der Weltoffenheit abweicht, landet im Plot als Täter. Wer kritisch fragt, ist verdächtig. Wer ironisiert, wird gecancelt – oder wenigstens aus dem Abspann gestrichen. Kritisches Denken wird durch korrektes Fühlen ersetzt, und wer denkt, das sei eine Karikatur, sollte dringend den letzten Tatort mit dem Gender-Kommissar-Duo in Transsolidarität anschauen.

Krimi als Klischeekulisse: Die Helden der neuen Zeit

Der klassische Kommissar – zynisch, ein bisschen versoffen, aber mit Instinkt – wurde längst beurlaubt. Er wurde ersetzt durch sensitiv kodierte Persönlichkeitsbausteine mit pädagogischem Sendungsbewusstsein. Der neue Ermittler spricht in Empowerment-Slogans, trägt feministische Buttons und zitiert lieber Judith Butler als den Obduktionsbericht. Die Verhöre ähneln Therapiesitzungen, die Täteranalysen klingen wie Instagram-Captions: „Toxische Männlichkeit führte zur Tat. Kapitalismus als strukturelle Gewalt. Weißsein als Mitverantwortung.“ Einmal Gendersternchen – mit allem, bitte!

Die Diversität im Tatort hat mittlerweile die narrative Integrität überrollt wie ein Lastenrad den Wochenmarkt. Was ursprünglich Vielfalt bedeutete – nämlich unterschiedliche Perspektiven, auch unbequeme –, wurde zu einem uniformen Wohlfühldiktat umgedeutet. Es darf alles sein, solange es sich im Safe Space der richtigen Haltung bewegt. Der Migrant mit krimineller Energie? Undenkbar. Der Antifa-Aktivist mit Gewaltproblem? Unmöglich. Der Unternehmer mit Herz? Nicht im Drehbuch vorgesehen. Willkommen in der Welt des fiktionalen Gesinnungskollektivs, in dem Widerspruch die größte Bedrohung darstellt.

Satire oder Realität? Man weiß es nicht mehr

Dass dieser Text satirisch ist, sei ausdrücklich betont. Obwohl – ist er das wirklich? In einem Medienklima, in dem der Witz vom Irrsinn kaum mehr zu unterscheiden ist, wird jede Polemik zur erschütternden Zustandsbeschreibung. Wenn der Tatort als „demokratiestiftend“ gilt, dann war die „Feuerzangenbowle“ wohl ein Experiment zur Bildungsgleichheit. Wenn jeder Bösewicht ein Unternehmer ist, dann liegt die einzige Spannung darin, ob es diesmal der Immobilienhai oder der Metzgereibesitzer mit Facebook-Konto war. Und wenn ausgerechnet ein Krimi keine Ambivalenz mehr zulässt, sondern sich in moralischer Eindeutigkeit suhlt wie ein Politiker im Eigenlob – dann ist das Tragik, keine Satire.

TIP:  ALLES ANTIFA, ODER WAS?

Epilog: Die Moral von der Geschicht? Einschalten lohnt sich nicht

Wer heute noch Tatort schaut, ist entweder Soziologe, Masochist oder Fan von frontalpädagogischen Erzählungen im Polizeiuniformformat. Spannung? Fehlanzeige. Stattdessen gibt es pädagogischen Stuhlkreis mit Mordfallbeilage. Das Ende ist längst klar: Der Täter ist der Falsche, das Opfer ist der Richtige, und wir Zuschauer sind die Umerzogenen.

Aber vielleicht liegt die Zukunft des deutschen Fernsehens genau darin: Unterhaltung durch Unterweisung, Spannung durch Signalwirkung. Statt „Wer war’s?“ heißt es bald: „Wer denkt falsch?“ Und die letzte Pointe wird nicht mehr im Abspann stehen, sondern im Schulbuch – als Beispiel für demokratiestiftendes Fernsehen.

Oder, um es mit einem alten Tatort-Kommissar zu sagen: „Ich habe da so ein Gefühl – und das gefällt mir gar nicht.“


Ende – oder: Bleiben Sie kritisch. Irgendjemand muss es ja sein.

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