Euroclear, Merz und der große Irrtum

Von Geldbergen, geopolitischen Spielchen und der juristischen Fallhöhe eines westlichen Größenwahns

Man muss sich das bildlich vorstellen: In Brüssel, im unscheinbaren Betongehäuse, das auf den nüchternen Namen Euroclear hört, stapeln sich Milliarden wie in einem Märchen aus der Zeit, als Gold noch nicht digitalisiert, sondern in prunkvollen Schatzkammern gebunkert wurde. Nur dass es sich hier nicht um funkelnde Goldbarren handelt, sondern um eingefrorene Vermögenswerte russischer Herkunft – gewissermaßen die Zwangsgeisel im globalen Finanzkasperletheater. Der Westen friert, Russland schaut zu, und alle tun so, als wäre Geld eine moralische Instanz und keine schnöde Ziffernfolge auf einem Bildschirm. Und jetzt tritt Friedrich Merz auf die Bühne, jener Mann, der immer ein wenig aussieht, als sei er auf dem Weg zu einer Hauptversammlung von BlackRock, selbst wenn er angeblich Politik macht. Er schlägt vor, diese Gelder einfach der Ukraine zu schenken, so, als würde man in einem Akt der höheren Gerechtigkeit den Safe des Nachbarn aufbrechen und dessen Bargeld für die Renovierung der eigenen Küche verwenden – natürlich nicht aus Eigennutz, sondern „für die gute Sache“.

Merz und der Hybris-Reflex

Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Hybris dazu, der Weltöffentlichkeit erklären zu wollen, man könne russisches Eigentum, das in einer belgischen Finanzinstitution „nur geparkt“ ist, mal eben zweckentfremden, ohne dass daraus irgendeine juristische, wirtschaftliche oder geopolitische Lawine entstünde. Merz’ Vorschlag klingt, wenn man genau hinhört, wie der Wunschzettel eines Kindes, das beim Monopoly-Spiel die Bank kurzerhand zur persönlichen Schatztruhe erklärt. Dabei darf man nicht vergessen: Die internationale Finanzarchitektur lebt nicht von Moral, sondern von Vertrauen. Sobald sich das Gefühl verbreitet, dass Gelder nicht mehr sicher sind, sondern je nach politischer Großwetterlage „umgewidmet“ werden können, bricht das fragile Kartenhaus des Finanzvertrauens in sich zusammen. Euroclear würde dann nicht mehr als neutraler Hort gelten, sondern als politischer Erfüllungsgehilfe – eine Bank, die plötzlich nicht mehr Tresor, sondern Werkzeugkasten ist.

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Die chinesische Fußnote: Euroclear Hongkong

Noch pikanter wird das Ganze, wenn man die unscheinbare Fußnote in der Bilanz liest: Euroclear unterhält eine Niederlassung in Hongkong. Nun stellen wir uns einmal vor, Russland – bekanntlich nicht auf den Kopf gefallen, wenn es um Winkelzüge im internationalen Rechtszirkus geht – erhebt Klage in China, gegen Euroclear Hongkong. Ein herrliches Szenario: Brüssel schaut betreten, Washington zischt empört, und in Peking reibt man sich die Hände, weil man plötzlich den moralischen Zeigefinger gegen europäische Rechtsbrüche erheben darf. Sollte ein chinesisches Gericht – ganz überraschend, selbstverständlich im Rahmen „unabhängiger Justiz“ – Russland Recht geben, stünden nicht nur Euroclear, sondern die gesamte europäische Bankenlandschaft am Pranger. Die Folgen: Kontensperrungen, Schadensersatzforderungen, internationale Pfändungen. Kurz gesagt: Ein ökonomischer Amoklauf, ausgelöst von einem deutschen Parteichef, der meinte, mit einem flotten Spruch könne man den geopolitischen Knoten durchschlagen.

Europas Banken im Dominoeffekt

Und hier beginnt der eigentliche Spaß, wenn man es mit zynischer Brille betrachtet: Die europäischen Banken, die ohnehin schon seit Jahren zwischen regulatorischem Würgegriff und Niedrigzins-Hangover taumeln, würden in einer solchen Konstellation als erste kippen. Wenn Investoren aus Asien, dem Mittleren Osten oder Lateinamerika plötzlich den Eindruck bekämen, ihr Kapital sei in Europa nicht mehr sicher, würde der Kapitalfluss schneller austrocknen als die Spree im August. Der Dominoeffekt: Kapitalflucht, Währungsturbulenzen, Bankenrettungen, die irgendwann so grotesk teuer werden, dass selbst die letzten Steuerzahler, die bisher noch still in die Faust gebissen haben, anfangen, auf offener Straße die Mistgabeln auszupacken. Aber vielleicht ist es genau das, was Europa braucht: eine Finanzkatastrophe als pädagogisches Exempel, damit man begreift, dass man internationale Verträge nicht wie Servietten bei einer CDU-Weihnachtsfeier zerknüllen darf.

Der moralische Bumerang

Der Witz an der Sache ist, dass Merz und seine intellektuellen Leidensgenossen glauben, man könne auf diese Weise die Ukraine stärken und gleichzeitig Russland schwächen. Tatsächlich aber stärkt man am Ende nur jene Akteure, die bisher als stille Nutznießer am Rand standen: China, Indien, die Golfstaaten – alles Länder, die mit Genugtuung beobachten, wie Europa sich selbst ins Knie schießt, während sie die Finanzinfrastruktur im Hintergrund übernehmen. Und Russland? Es wird sich als Opfer inszenieren, vor internationalen Schiedsgerichten klagen, und jeder verlorene Euro für Euroclear ist ein gewonnener Rubel für die Propaganda. Am Ende sitzt Moskau mit einem breiten Grinsen da, während Europa in Brüssel hektisch Löschwasser verteilt, um den selbst entfachten Brand zu ersticken.

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Fazit: Der Tanz auf der Rasierklinge

Merz’ Idee ist nicht einfach nur naiv, sie ist die pure Inkarnation eines westlichen Überlegenheitswahns, der glaubt, man könne die Regeln der Finanzwelt nach Belieben umschreiben, ohne dafür einen Preis zu zahlen. Die Realität aber ist wie immer unbarmherzig: Wer in einer globalisierten Welt mit dem Feuer spielt, verbrennt nicht nur die eigenen Finger, sondern gleich den ganzen Dachstuhl. Euroclear ist in dieser Farce der unfreiwillige Statist, während Merz sich als Regisseur wähnt – ein groteskes Missverständnis, das uns in die nächste Finanzkrise katapultieren könnte. Vielleicht wäre es klüger, die eingefrorenen Gelder dort zu belassen, wo sie sind: als Denkmal für eine Politik, die mehr auf Symbolik als auf Substanz setzt. Aber das wäre ja langweilig – und für die Bühne des Friedrich Merz ist Langeweile bekanntlich das größte aller Verbrechen.

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