Erdogan & Mazyek – Muslimbrüder im Ungeist

Die Rhetorik der Raserei – Wenn Pathos zur Waffe wird

Es war einmal ein Politiker, der wusste, wie man Mikrofone benutzt. Seine Stimme bebte, seine Hände zitterten vor heiliger Empörung, und seine Worte schlugen ein wie das Urteil eines zornigen Gottes. Recep Tayyip Erdogan, Berufspopulist mit Nebenfach Neo-Osmanismus, hat es wieder getan: Israel sei ein Terrorstaat, und die Bilder aus Gaza seien „viel schlimmer, brutaler und unmenschlicher“ als jene aus den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Nicht nur sprachlich ein nuklearer Erstschlag – sondern auch moralisch das Äquivalent eines moralischen Selbstmords mit Ankündigung.

Solche Sätze sind nicht mehr bloß ahistorisch. Sie sind absichtsvoll zynisch. Sie sind die politische Version von Brandstiftung mit religiösem Anstrich und demagogischer Schminke. Erdogan geht es nicht um Gaza, nicht um Palästina, nicht um das Leiden – es geht um das Ritual: die Inszenierung des starken Mannes, der, in wütender Pose verharrend, seine Stimme erhebt gegen ein „Feindbild“, das wie eine Voodoo-Puppe herhalten muss für alles, was nicht kontrollierbar ist. Israel ist in diesem Theaterstück nicht Gegner, sondern Projektionsfläche für ein tiefsitzendes antiwestliches Ressentiment, verpackt in den Mantel eines humanitären Alarms, dessen Falten jedoch nach Machtgier riechen und nach geopolitischer Berechnung stinken.

Wenn Antisemitismus den Umweg über den Humanismus nimmt

Der Trick ist so alt wie infam: Man behauptet, „nur Kritik an der israelischen Regierung“ zu üben – und gleitet dabei doch mit chirurgischer Präzision in jene toxischen Sümpfe ab, die der postkoloniale Diskurs so bereitwillig flutet. Erdogan moralisiert nicht – er instrumentalisiert. Und er ist nicht allein. Denn dort, wo der Präsident rhetorisch Napalm wirft, folgt oft die verbale Aufräumbrigade von Funktionären, Aktivisten und auch deutschen Repräsentanten muslimischer Organisationen. Wie etwa Aiman Mazyek, der ZDF-taugliche Ex-Frontmann des Zentralrats der Muslime in Deutschland, der bei jeder Gelegenheit betont, dass Antisemitismus „gar keinen Platz im Islam“ habe – nur um dann mit dem nächsten Atemzug Israels Existenzrecht auf moralische Ratenzahlung zu stellen, um nachzuschieben: „„Was wir in Gaza erleben, ist der höchstdokumentierte Völkermord der Menschheitsgeschichte.“, und die Beweise für „erdrückend.“ Hält.

TIP:  HALT DU SIE NUR KLEIN

Es ist ein Tanz der Doppeldeutigkeit: Mit dem einen Bein im liberalen Diskurs der deutschen Öffentlichkeit, mit dem anderen in der geistigen Lobby der Ummah. Eine Fußspitze im Talkshow-Sessel, die andere in der ideologischen Moschee. So gelingt das Kunststück, gleichzeitig „gegen jeden Antisemitismus“ zu sein – und doch aus jeder Pore antiisraelischen Groll dampfen zu lassen. Mazyek ist das freundliche Gesicht jener Szene, in der Erdogan der zornige Prophet ist – zwei Gesichter einer Erregung, die sich im Spiegel des Ungeists zur Identität stilisiert.

Die Shoah als rhetorischer Rohstoff

Dass Erdogan die Shoah – das Menschheitsverbrechen der industriell geplanten Auslöschung von Millionen Juden – als Vergleichsgröße für aktuelle Konflikte missbraucht, ist mehr als pietätlos. Es ist kalkulierte Obszönität. Er nimmt das unaussprechliche Grauen und benutzt es als Bühnenlicht für seine eigene politische Pose. Das ist keine verbale Entgleisung. Das ist eine Strategie. Denn je größer die Provokation, desto lauter das Echo. Je drastischer der Vergleich, desto größer die erregte Gemeinschaft, die sich um ihn schart wie um ein Lagerfeuer der moralischen Selbstbestätigung.

Doch wer Auschwitz zur rhetorischen Währung entwertet, beleidigt nicht nur die Toten – er entmündigt auch die Lebenden. Er raubt der Geschichte ihren Ernst und ersetzt ihn durch Pathos, das sich selbst genügt. Es ist die Pornografie der Empörung: visuell überreizt, moralisch schamlos, historisch billig. Und wie bei jeder Pornografie geht es auch hier nicht um echte Nähe, sondern um projizierte Machtfantasien.

Der deutsche Reflex – Ducken, Deuten, Differenzieren

Natürlich: In Deutschland zuckt bei solchen Aussagen der mediale Nerv. Politiker äußern „Unverständnis“, Leitartikel mahnen zur „historischen Sensibilität“, und irgendjemand bei den Grünen schreibt auf X, dass man „alle Seiten sehen müsse“. Es ist der berühmte Tanz um die Ambivalenz, der in Deutschland längst zum Teil des außenpolitischen Vokabulars geworden ist. Man will ja nicht zu hart gegen Erdogan vorgehen – man braucht ihn ja noch für die nächste Flüchtlingswelle, den NATO-Gipfel, das nächste diplomatische Feigenblatt.

TIP:  Von der Friedensdividende zur Panzerdividende

Und auch Mazyek wird nicht konfrontiert, sondern konsultiert. Als Vermittler, als Stimme, als Experte. Dass sein Zentralrat kaum Gläubige, aber viele Kontakte zur islamischen Welt hat, spielt keine Rolle. Hauptsache, der Ton ist freundlich, der Bart ordentlich gestutzt und die Empörung wohlartikuliert. Die deutsche Öffentlichkeit will keine Klarheit – sie will Gespräch. Und Gesprächspartner. Und Gesprächsatmosphäre. Und Gesprächskreise.

Währenddessen wird im Gazastreifen gestorben. Und in Tel Aviv gezählt, ob die Sirenen schneller heulen als die Raketen fliegen.

Humanismus als Deckmantel des Ressentiments

Es ist eine besonders perfide Form des Missbrauchs, wenn der Humanismus selbst zur Maske wird. Wer sich auf das „Leid der Palästinenser“ beruft, aber zugleich Israels Existenz dämonisiert, betreibt keine Solidarität – sondern Rhetorikmanagement im Dienste des Hasses. Erdogan ist kein humanitärer Aktivist, sondern ein Autokrat mit Expansionsfantasien. Und Mazyek ist kein Friedensstifter, sondern ein geschickter Navigator durch die Untiefen eines deutschen Diskurses, der lieber Appeasement betreibt, als sich dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen.

Doch Antizionismus ist längst der akzeptierte Cousin des Antisemitismus geworden – eingeladen auf jedes linksliberale Fest, geschmückt mit den Farben des Regenbogens, doch unter dem Mantel stets das alte Gift. Der Jude als Kolonialist, der Zionismus als Apartheid, die israelische Demokratie als „Judenstaat“ – das sind nicht mehr nur Chiffren, sondern Teil einer politisch salonfähigen Hetze, die sich hinter Betroffenheit verbirgt wie ein Messer hinter einer Serviette.

Schlussgedanke: Der Ungeist als Bruder

Erdogan und Mazyek sind nicht nur Brüder im Glauben – sie sind auch Brüder im Ungeist. Der eine wütend, der andere wohlmeinend. Der eine mit Panzern, der andere mit Pressemitteilungen. Aber beide vereint im Misstrauen gegenüber dem Westen, gegenüber Israel, gegenüber einer Moderne, die sie rhetorisch umarmen, aber innerlich ablehnen. Es ist der Versuch, auf den Trümmern der Aufklärung ein neues, identitäres Haus zu bauen – aus religiösem Stolz, politischem Kalkül und moralischer Verdrehung.

TIP:  Wenn Logik weiblich wird

Europa – vor allem Deutschland – täte gut daran, diesen Brüdern nicht zuzuhören, sondern sie zu entlarven. Nicht zu debattieren, sondern zu benennen. Nicht zu differenzieren, sondern zu entscheiden. Denn wer Auschwitz relativiert, verliert jedes moralische Recht, über Menschlichkeit zu sprechen. Und wer Israel delegitimiert, kann nicht gleichzeitig vom Frieden reden.

Der Ungeist hat viele Namen. Zwei davon heißen Erdogan und Mazyek. Es wird Zeit, sie auch so zu nennen.

Please follow and like us:
Pin Share