
David Lammy und die Kunst der britischen Außenpolitik
Man kennt sie ja, die großen Gestalten der Prophetie: Jesaja, Nostradamus, Baba Wanga, und nun – fast schon folgerichtig – der britische Labour-Außenminister David Lammy. Wer den Staub der Westminster-Bänke inhaliert, der kann offenbar Dinge sehen, die dem schnöden Volk verborgen bleiben. Während wir anderen uns mühsam mit nackten Fakten, mühsam überprüften Zahlen oder gar mit lästiger Realität abplagen, schließt Lammy kurz die Augen, legt die Handfläche an die Schläfe – und sieht schon glasklar in den Juni 2026 hinein, wo er 130.000 tote Kinder in Gaza zählen kann. Kinder, wohlgemerkt, bis auf die letzte Dezimalstelle, aber ohne Namen, ohne Beweise, ohne irgendetwas, was entfernt an überprüfbare Information erinnert.
Von Geiseln, die nicht verhungern dürfen
Israel kämpft seit fast zwei Jahren in einem Krieg, den es sich nicht ausgesucht hat, und dessen Grund in einer geradezu kafkaesken Realität liegt: Geiseln werden von der Hamas festgehalten, doch niemand weiß, ob sie noch leben, und niemand, ob sie je wieder herausgelassen werden. Das Internationale Rote Kreuz, ansonsten allgegenwärtig in seinen weißen Geländewagen, wurde bislang nicht vorgelassen. Aber das stört Lammy nicht: Er schweigt darüber mit einer so demonstrativen Würde, als sei Verschweigen die höchste Form moralischer Integrität. Kein Wort von den Geiseln, kein Wort davon, dass auch diese Menschen essen müssten, trinken müssten, ein Recht auf Leben hätten. Man möchte fast meinen, die Briten hätten ihr Empire nicht verloren, sondern nur in die höhere Sphäre der Heuchelei verschoben.
Der Hellseher von Whitehall
Wie kommt ein Mann dazu, die Zukunft von Gaza mit solch unerschütterlicher mathematischer Präzision vorherzusagen? Während britische Krankenhäuser kollabieren, Züge ausfallen, und selbst die Queen – Gott habe sie selig – nicht mehr aus eigener Kraft aus Westminster Abbey schreiten kann, tritt Lammy auf und erklärt, wie viele Kinder in fernen Ländern in anderthalb Jahren sterben werden. Das ist keine Außenpolitik, das ist Wahrsagerei. Kein Wunder, dass er nicht über die Vergangenheit reden will – die kennt er schlicht nicht. Aber was soll’s, Nostradamus hat auch nie Belege geliefert, und dennoch kaufen noch heute Esoterik-Buchhandlungen seine Prophezeiungen.
Politik als billige Jongliernummer
Was also bleibt von Lammys Auftritt? Zum einen eine lächerlich verquaste Aussage, die man sich in ihrer Absurdität mehrmals auf der Zunge zergehen lassen muss: Einerseits erkennt Großbritannien Palästina nicht an, solange die Hamas Geiseln festhält. Andererseits prophezeit Lammy das Massensterben palästinensischer Kinder, als sei es ein Naturgesetz. Diese widersprüchliche Logik ist nicht einmal mehr ein Zirkus, es ist ein drittklassiger Jahrmarkt mit billigen Jongleuren und einem Wahrsager im Wohnwagen, der seine Glaskugel bei eBay bestellt hat.
Britische Außenpolitik: Ein Möbiusband der Widersprüche
Man hätte ja hoffen können, dass die Labour-Partei nach Jahren konservativer Selbstzerstörung endlich den Anspruch hätte, Ordnung in die britische Außenpolitik zu bringen. Stattdessen bekommt man von Lammy ein rhetorisches Möbiusband, das bei jeder Wendung in sich selbst zurückfällt: Palästina ja, Palästina nein, Geiseln vielleicht, Israel aber böse, Zahlen unklar, Prognosen apokalyptisch. Am Ende bleibt ein einziges Knäuel aus moralischer Selbstüberhöhung, faktischer Leere und einer beängstigenden Lust am Untergang.
Epilog: Wenn Clowns Politik machen
Es ist ja nicht so, dass Israel keine Fehler mache, nicht so, dass man Kritik nicht üben dürfte. Aber was Lammy abgeliefert hat, war keine Kritik, sondern eine groteske Mischung aus Selbstgerechtigkeit und Scheinmoral. Wenn er schon 130.000 Kinder bis Juni 2026 verhungern sieht, dann wäre es doch ehrlicher, gleich eine Runde Lottozahlen mitzuschicken oder die kommende Fußballweltmeisterschaft durchzutippen. Dann könnte man wenigstens lachen. So aber bleibt einem das Lachen im Hals stecken, weil man weiß: Hier spricht ein Mann, der glaubt, ernst genommen zu werden.