Ein halbes Milliärdchen für den Frieden

Deutschland hat mal wieder das getan, was Deutschland in internationalen Krisen so gerne tut: es hat einen Scheck ausgestellt. Oder besser gesagt, eine Absichtserklärung, die irgendwo zwischen symbolischer Großzügigkeit und haushalterischem Mikado liegt – bloß nicht zu viel bewegen, damit nichts umfällt. 500 Millionen US-Dollar, das klingt nach einer Zahl, die sowohl imposant als auch beruhigend diffus wirkt. Für den Steuerzahler sind es nur ein paar Nullen auf einem Papier, für die Politik ein Argument, beim nächsten Gipfeltreffen das eigene Gewissen in einem schicken Koffer zu präsentieren. Die Ukraine darf sich freuen, und der Bundesbürger darf in Talkshows nickend murmeln, „wir tun ja, was wir können“, bevor er wieder über das Tempolimit diskutiert.

Der große NATO-Weihnachtsmann

Der neue Mechanismus, den NATO und USA so feierlich initiiert haben, erinnert in seiner Funktionsweise verdächtig an einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann – nur dass der Weihnachtsmann diesmal eine Uniform trägt, streng nach Dienstvorschrift lächelt und statt Mandeln und Orangen präzisionsgelenkte Munition verteilt. Deutschland spielt in diesem Szenario den Onkel, der beim Familienfest stets den Geldumschlag überreicht, weil er weder die Lust noch die Geduld hat, sich mit der tatsächlichen Wunschliste auseinanderzusetzen. „Hier, macht was draus“, sagt Berlin, und meint damit: „Wir wollen helfen, aber bitte ohne Rückfragen, ob es wirklich reicht.“ Dass der Geldumschlag ausgerechnet aus der Haushaltskasse stammt, in der eigentlich auch Mittel für Schulen, Brücken und kaputte Zugtoiletten liegen, wird im Beipackzettel nicht erwähnt.

Haushaltskunst in Zeiten des Krieges

Natürlich ist so ein halbes Milliärdchen keine Kleinigkeit – zumindest nicht für die Bürger, die zwischen Heizungsgesetz und Supermarktquittung jeden Cent umdrehen. Aber in den Buchhaltungsabteilungen der Ministerien ist diese Summe ungefähr so greifbar wie der Begriff „effektive Klimaneutralität“. Man verschiebt ein paar Posten, streicht hier ein Projekt, dehnt dort den Verteidigungsetat, und schon ist das Geld magisch „gefunden“. Dass man im Gegenzug vielleicht wieder die Sanierung eines maroden Schulgebäudes auf 2032 verschiebt, ist kein Problem – die Kinder können ja schon mal lernen, sich an provisorische Zustände zu gewöhnen. Schließlich will man sie auf das wahre Leben vorbereiten, in dem Kräne und Bauzäune längst zum Stadtbild gehören wie Wahlplakate und Baustellenampeln.

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Die deutsche Rüstungsethik

Der Deutsche hat ja ein gespaltenes Verhältnis zu Waffen. Einerseits möchte man sie am liebsten komplett abschaffen, andererseits stellt man sie mit höchster Präzision und Exportfreude her. Und so verpackt man Panzer, Raketen und Munition in diplomatische Watte: es ist keine „Aufrüstung“, es ist „Unterstützung“, keine „Kriegspartei“, sondern „verlässlicher Partner“. Wer sich daran stört, dem wird gern der moralische Zeigefinger entgegengestreckt, garniert mit der Andeutung, man stünde sonst auf der falschen Seite der Geschichte. Dass die eigenen Streitkräfte unterdessen darüber klagen, nicht mal genug funktionierende Helme für die Grundausbildung zu haben, ist nur ein ironischer Fußnotenwitz, den man bei Regierungspressekonferenzen elegant überhört.

Der Preis des Gewissens

500 Millionen Dollar sind nicht die Lösung. Sie sind ein Ablasshandel für das gute Gefühl, nicht völlig untätig zu sein. Sie sind das diplomatische Pendant zum Blumenstrauß, den man schickt, weil man nicht zur Beerdigung kommen konnte. Deutschland kauft sich damit Zeit, Ansehen und eine Position am Verhandlungstisch – falls es jemals zu einem solchen kommt. Und wenn nicht, kann man zumindest später sagen: „Wir haben doch unseren Beitrag geleistet.“ Die Frage, ob dieser Beitrag die gewünschte Wirkung hatte, wird wie so oft in den stilleren Kapiteln der Geschichtsbücher abgelegt. Innenpolitisch dagegen wird man in den kommenden Haushaltsdebatten die Rechnung in Form weiterer „Sparmaßnahmen“ wiederfinden – vorzugsweise bei Themen, die zwar dringend wären, aber keine internationalen Schlagzeilen bringen: Wohnungsbau, Krankenhäuser, öffentlicher Nahverkehr. Denn geopolitische Solidarität ist schön, aber eben auch deutlich medienwirksamer als ein neuer Fahrstuhl im Kreiskrankenhaus.

Schlusswort

Vielleicht ist das größte Geheimnis dieser ganzen Militärhilfe nicht, wie viel Geld fließt, sondern wie geschickt wir es schaffen, den Anschein zu erwecken, dass Geld allein ein Bollwerk gegen Raketen sein könnte. Deutschland liefert keine Wunderwaffen, sondern vor allem Symbolpolitik – hübsch verpackt, international verträglich, innenpolitisch gerade noch vermittelbar. Man könnte fast meinen, wir hätten gelernt, dass das Spiel um Macht und Moral weniger ein Schachspiel als eine Art höfliches Monopoly ist: Man kauft sich Felder, hofft, dass man nicht auf den falschen Platz kommt, und am Ende zählt nur, wer noch ein bisschen Spielgeld in der Hand hält. Der Rest sind Baustellen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – die wir schon seit Jahrzehnten tapfer ignorieren, weil sie nun mal keinen NATO-Sondergipfel wert sind.

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